Offizielles Organ: AGRBM, BRZ, DVR, DGA, DGGEF, DGRM, D·I·R, EFA, OEGRM, SRBM/DGE
Krause & Pachernegg GmbH, Verlag für Medizin und Wirtschaft, A-3003 Gablitz
Journal für
Reproduktionsmedizin
und Endokrinologie
– Journal of Reproductive Medicine and Endocrinology –
Andrologie • Embryologie & Biologie • Endokrinologie • Ethik & Recht • Genetik Gynäkologie • Kontrazeption • Psychosomatik • Reproduktionsmedizin • Urologie
Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/Scopus
www.kup.at/repromedizin Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche Kinderwunsch in der menopausalen Übergangszeit //
Desire to have children in menopausal Transition
Imthurn B
J. Reproduktionsmed. Endokrinol 2021; 18 (6), 288-292
BACK TO THE FUTURE
10. DVR-KONGRESS
20.09.-22.09.2023
World Conference Center BONN
Prof. Dr. med. Jean-Pierre Allam PD Dr. rer. nat. Verena Nordhoff Prof. Dr. med. Nicole Sänger
SAVE THE DATE
288 J Reproduktionsmed Endokrinol 2021; 18 (6)
Kinderwunsch in der menopausalen Übergangszeit
*B. Imthurn
Einleitung
In den letzten Jahrzehnten hat sich der Kinderwunsch in vielen Industrieländern in ein immer höheres Lebensalter ver
schoben, zunehmend über 35 oder sogar 40 Jahre. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar. Die Gründe dafür sind vielfältig. Eine wichtige Ursache ist, dass sich in der modernen Arbeitswelt Familie und Beruf nur schlecht verein
baren lassen. Zwar wird diesem Problem seit einiger Zeit mit der Förderung von Kindertagesstätten und Tagesschulen durch die öffentliche Hand Gegensteuer gegeben, trotzdem steigt das Durch
schnittsalter der Erstgebärenden weiter
hin an (Abb. 1).
Der Anstieg des mütterlichen Geburts
alters bis in die menopausale Über
gangszeit ist möglicherweise einer grundlegenderen Entwicklung geschul
det. So hat sich die durchschnittliche Lebens erwartung von rund 50 Jahren am Anfang des letzten Jahrhunderts auf aktuell weit über 80 Jahre verlängert.
Der Lebensentwurf erstreckt sich heute somit über eine viel größere Zeitspanne als noch vor hundert Jahren. Diese Ent
wicklung ist an sich erfreulich. Proble
matisch ist jedoch die Tatsache, dass alle Organe diesen Anstieg der Lebenserwar
tung mitgemacht haben, kaum jedoch die Ovarien beziehungsweise die darin enthaltenen Follikel und Oozyten. So ist das durchschnittliche Menopausenalter,
somit die letzte Chance für eine spontane Schwangerschaft, im letzten Jahrhundert nur gerade um 1 Jahr von 50 auf gut 51 Jahre angestiegen. Die Fertilität der Frau nimmt dabei über die Zeit ab, allerdings nicht linear. Die Veränderung ist bis zum 35. Geburtstag kaum feststellbar. Dann aber fallen die Schwangerschaftschan
cen innerhalb von 10 Jahren bis zum 45.
Altersjahr dramatisch ab (Abb. 2).
Verursacht wird diese Abnahme der Fruchtbarkeit quantitativ durch die sin
kende Zahl an Follikeln und qualitativ durch die kontinuierliche Reduktion der Befruchtungsfähigkeit der Oozyten bedingt durch eine Zunahme von An
eupoidien. Durch die Kombination von
zunehmender Verschiebung des Kinder
wunsches in ein immer höheres Lebens
alter mit der altersbedingten Abnahme der Fertilität wird es somit für viele Frauen immer schwieriger, schwanger zu werden und Kinder zu haben [2]. Zwar sind auch die Männer von einer altersbe
dingten Abnahme der Fertilität betroffen, allerdings beginnt diese Abnahme erst ab 40 und die Fruchtbarkeit fällt wesentlich langsamer ab als bei der Frau, so dass im Regelfall das Frauenalter für die Progno
se entscheidender ist als das Alter des Partners.
Viele Paare sind der Ansicht, dass es für solche Situationen Kinderwunsch
zentren gebe, welche ihnen problemlos
*Zweitabdruck aus Therapeutische Umschau 2021; 78(8): 407–11. © 2021. Mit freundlicher Genehmigung des Hogrefe Verlags, Bern.
Aus der Medizinischen Fakultät, Universität Zürich
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Bruno Imthurn, Emeritierter Ordinarius für Reproduktionsmedizin und gynäkologische Endokrinologie an der Universität Zürich, ehem.
Direktor der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie am Universitätsspital Zürich, ehem. Leiter des Kinderwunschzentrums am Universitätsspital Zürich, CH-8914 Aeugst am Albis, Büelstrasse 11; E-Mail: [email protected]
Die menopausale Übergangszeit ist gekennzeichnet durch den Verlust der Eizellreserve, das heißt der Zahl und Qualität der Oozyten. Diese Beeinträchtigung führt zu einer schnellen und massiven Abnahme der Fertilität. Die Eizellreserve lässt sich mit der Messung von FSH und AMH im Serum bestimmen sowie mit der Zählung der ultrasonografisch sichtbaren Follikel, dem sogenannten „antral follicle count“ (AFC).
Therapeutisch können zur Erfüllung des Kinderwunsches homologe Behandlungen wie monofollikuläre Hormonstimulationen und die In- vitro-Fertilisation eingesetzt werden. Wesentlich aussichtsreicher ist jedoch meist die heterologe Eizellspendenbehandlung. Präventiv wird zunehmend die Methode des „Social Egg Freezing” angewendet.
Desire to have children in the menopausal transition. The menopausal transition is characterized by the loss of ovarian reserve, i.e. the number and quality of oocytes. This impairment results in a quick and massive decline in female fecundity. Ovarian reserve can be deter- mined with the measurement of FSH and AMH in the serum plus the count of the sonographically visible follicles (antral follicle count; AFC).
Therapeutically the desire to have children can be fulfilled by using homologous fertility treatments such as monofollicular ovarian stimula- tion and In vitro Fertilization. More promising, however, is heterologous egg donation. As a preventive measure Social Egg Freezing is utilized increasingly. J Reproduktionsmed Endokrinol 2021; 18 (6): 288–92.
Abbildung 1: Alter der Schweizerin bei der Geburt des ersten Kindes. Nach [1].
For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
Kinderwunsch in der menopausalen Übergangszeit
helfen könnten, dieses altersbedingte Fruchtbarkeitsproblem zu überwinden.
Allerdings sind sie sich dabei nicht be
wusst, dass auch Kinderwunschzentren mit homologen (Verwendung der Game
ten des Paares) Sterilitätstherapien nur die Chancen erarbeiten können, die das Alter für das Paar vorgesehen hat.
Diagnostik
Die Abnahme des Follikelpools, auch als Ovarialreserve bezeichnet, beginnt schon im fetalen Alter. Nur etwa 400 der ursprünglich mehrere Millionen an
gelegten Follikel kommen im Verlauf des fertilen Alters zur Endausreifung und zur Ovulation. Hoch befruchtungs
fähige, euploide Oozyten bedürfen nur einer geringen Menge an follikelstimu
lierendem Hormon (FSH), um auszurei
fen. Dies bedeutet, dass in jungen Jahren die messbare FSHKonzentration im Serum tief ist. Mit zunehmendem Alter verschwinden die leicht stimulierbaren und befruchtungsfähigen Oozyten nach und nach, die Zahl der aneuploiden Ei
zellen nimmt zu. Entsprechend wird für die gonadotropinabhängige Reifephase dieser Follikel mehr FSH nötig, was sich in einem Anstieg der FSHSerum
konzentration spiegelt. Ungünstig sind diesbezüglich FSHKonzentrationen von über 10 IE/l. Dies ist kein strikter, für alle Frauen einheitlicher CutoffWert, da der Effekt von FSH auf die Rezeptoren durch diverse Polymorphismen reduziert sein und so eine reduzierte Ovarialreserve vorgaukeln kann. Ein Extrembeispiel da
für ist das seltene „Resistant Ovary Syn
drome“, bei dem das in hohen Mengen ausgeschüttete FSH keinen Effekt auf die pathologisch veränderten Rezeptoren
am Ovar hat. So täuschen in dieser Situ
ation trotz einer normal hohen Zahl von Follikeln und Oozyten die teilweise sehr hohen „menopausalen“ FSHSerumkon
zentrationen fälschlicherweise einen To
talausfall von Follikeln vor.
Da die FSHKonzentrationen im Serum zyklisch stark schwanken und periovula
torisch physiologischerweise hohe Werte erreichen, sollte sichergestellt sein, dass die Blutentnahme zur FSHBestimmung nicht mittzyklisch erfolgt. Einfachheits
halber erfolgt die Blutentnahme deswe
gen frühzyklisch während der Menstru
ation, somit zu einem Zeitpunkt, an dem keine Ovulation stattfindet. Trotzdem sollten FSHSerumkonzentrationen mit Vorsicht interpretiert und nie als alleini
ger Indikator für die Ovarialreserve ver
wendet werden.
Nicht zuletzt wegen diesen Unsicherhei
ten mit Bestimmung und Interpretation von FSH wird seit einigen Jahren für die Bestimmung der Ovarialreserve zuneh
mend das AntiMüllerHormon (AMH) im Serum gemessen. Da verschiedene Bestimmungsmethoden zu unterschied
lichen AMHResultaten führen können, ist die Laborbestimmung von AMH Imponderabilien unterworfen [4]. Des
wegen wird AMH meist (noch) nicht allein als vollwertiges Substitut, sondern zusammen mit FSH im Serum gemes
sen. AMH wird von den Granulosazellen antraler Follikel gebildet. Somit besteht eine direkte Korrelation zwischen der Konzentration von AMH im Serum und der Anzahl von Follikeln und damit von Oozyten in den beiden Ovarien. AMH
Werte über 7 pmol/l (entsprechend 1 µg/l beziehungsweise ng/ml) werden als
ausreichende Ovarialreserve betrachtet.
AMHWerte unter diesen Serumkon
zentrationen weisen auf einen einge
schränkten Follikelpool hin. Der Vorteil von AMH gegenüber FSH ist die geringe zyklische Schwankung der Serumkon
zentrationen. Somit kann die Blutent
nahme für die Bestimmung des AMH unabhängig vom Zyklus erfolgen, was organisatorisch einer enormen Erleichte
rung entspricht und die Interpretation der Resultate vereinfacht.
Unter der Voraussetzung von stabilen und klar definierten Laborbedingungen ist das AMH ein vom Untersucher un
abhängiger, quasi objektiver Parameter, dies im Unterschied zur vaginalsonogra
fischen Auszählung der antralen Follikel in den Ovarien, dem sogenannten „An
tral Follicle Count“ (AFC). Ein antraler Follikel ist dadurch gekennzeichnet, dass er ein mit Flüssigkeit gefülltes Inneres enthält, wodurch er mit Hilfe einer trans
vaginalen Ultraschalluntersuchung leicht erkennbar ist, aber gerne auch mit ortho
grad getroffenen Gefäßen verwechselt werden kann. So führt der AFC selbst, innerhalb eines Kinderwunschzentrums von verschiedenen Untersucherinnen durchgeführt und mit individuell ab
weichender Messmethodik erhoben, häufig zu unterschiedlichen Resultaten („interobserver variability“). Deshalb gilt vielfach das Bonmot, dass man nur dem selbst erhobenen AFC glaubt. Ein normaler AFC von 10 bedeutet, dass – optimalerweise frühzyklisch gemessen – insgesamt zehn antrale Follikel von 3–9 mm in beiden Ovarien gezählt wer
den können. Tiefere Werte weisen auf einen eingeschränkten Follikelpool hin.
Die größte Aussagekraft in Bezug auf die Ovarialreserve wird erzielt, wenn alle drei Parameter, also FSH, AMH und AFC, miteinander kombiniert werden.
Mit zunehmender Bestimmungssicher
heit von AMH nimmt aber die Bedeu
tung von FSH ab, so dass AMH/AFC oder sogar das AMH allein dabei sind, das in dieser Beziehung früher dominie
rende FSH abzulösen.
Therapiemöglichkeiten
Homologe Behandlungen
Monofollikuläre Stimulationen
Bei reduziertem Follikelpool kommt es häufig zu Follikelreifungsstörungen.
100%
93% 85%
55%
30%
5%
20-24 25-29 30-34 35-39 40-44 45-49 Jahre
Abbildung 2: Relative Fertilität der Frau in Abhängigkeit zum Lebensalter. Nach [3].
Kinderwunsch in der menopausalen Übergangszeit
290 J Reproduktionsmed Endokrinol 2021; 18 (6)
Diese können sich klinisch als Luteal
insuffizienz mit Vorblutungen oder Polymenorrhoe, als Anovulationen mit dysfunktionellen Blutungen und Oli
gomenorrhoe sowie im Extremfall als Amenorrhoe manifestieren. Durch eine monofollikuläre Stimulation mit Clo
miphen, Letrozol oder niedrig dosierten Gonadotropinen lassen sich die endokri
nen Dysfunktionen einer gestörten Fol
likelreifung häufig korrigieren. Dies hat sicher einen günstigen Einfluss auf die endometriale Qualität und deren Rezep
tivität. Ob allerdings die oozytäre Quali
tät mit einer monofollikulären Stimula
tion verbessert werden kann, ist fraglich.
Klassische In-vitro-Fertilisation (IVF) Ist der follikuläre Pool noch genügend groß, dass mit höher dosiertem FSH mehrere Follikel gleichzeitig zum Reifen gebracht werden können, kann eine IVF in Betracht gezogen werden. Es handelt sich zwar um eine invasivere Therapie als eine monofollikuläre Stimulation, al
lerdings können so quasi mehrere mono
follikuläre Versuche effizienzsteigernd auf nur einen Zyklus konzentriert wer
den, was erklärt, dass die Schwanger
schaftsraten bei dieser Ausgangslage höher sind als bei einer monofollikulären Stimulation. Häufig ist aber die Qualität solcher mit teilweise höchsten Gonado
tropindosen von 300–600 IE/d stimu
lierter Oozyten – aneuploidiebedingt – reduziert, was den Erfolg vieler solcher Behandlungen wieder relativiert. Die Schwangerschaftschancen liegen auch mit diesen eher verzweifelten Versuchen vielfach im niedrigen einstelligen Pro
zentbereich. Deshalb ist dieses Vorgehen mit höchsten Gonadotropindosierungen in den letzten Jahren mehr und mehr in Frage gestellt worden.
Adjuvante medikamentöse Unterstützung
Verschiedene Versuche wurden in den letzten Jahren lanciert, um mit Androge
nen wie DHEA (Dehydroepiandrosteron) oder Testosteron, mit Wachstumshormon oder auch mit Coenzym Q10 adjuvant die Zahl und Qualität von konventionell mit Gonadotropinen stimulierten Oozy
ten zu erhöhen (Tab. 1). Leider konnte aber bis heute mit keiner dieser Metho
den mit verlässlichen Studien eine Ver
besserung der Geburtsrate nachgewiesen werden. Einzig Coenzym Q10 scheint einen günstigen Effekt nicht nur auf die Zahl und Qualität der Oozyten, sondern
auch auf die Schwangerschafts und Ge
burtsraten zu haben. Einschränkend muss allerdings erwähnt werden, dass für eine abschließende Beurteilung die Datenlage noch zu limitiert ist [5].
Natural IVF
Insbesondere wenn auch mit höchsten Gonadotropindosierungen nur ein bis zwei Follikel heranreifen, kommt seit einigen Jahren in zunehmendem Maße die „Natural IVF“ zum Einsatz. Bei dieser IVFVariante wird der natürliche Zyklus genutzt, um einzig und allein den dominanten Follikel mit der in der Kohorte besten Oozyte reifen zu lassen.
Gelegentlich werden zur Unterstützung Clomiphen oder in der Schlussphase der follikulären Reifung geringe Gona
dotropinmengen eingesetzt („Modified natural IVF“). Die Erfolgschancen sind zwar nicht besser als mit der konventio
nellen IVF, allerdings können der Patien
tin mit diesem Vorgehen bei vergleichba
ren Chancen viele belastende und teure Gonadotropininjektionen erspart werden.
Heterologe Behandlung
Eizellspendenbehandlung
Ist der Follikelpool an sein Ende gekom
men oder sind die homologen Behandlun
gen nicht erfolgreich beziehungsweise aussichtslos, kann eine Eizellspenden
behandlung erwogen werden. Bei der Eizellspendenbehandlung werden zur Erfüllung des Kinderwunsches hoch be
fruchtungsfähige Oozyten von jüngeren Frauen verwendet, deren Fertilität opti
malerweise bereits durch die Geburt von eigenen Kindern nachgewiesen ist.
Die Eizellspendenbehandlung ist in vielen europäischen Ländern zugelas
sen, nicht jedoch in der Schweiz und in Deutschland. Zwar ist die Eizellspende in Österreich auf dem Papier erlaubt, allerdings sind die gesetzlichen Rege
lungen so restriktiv, dass kaum Eizell
spenderinnen gewonnen werden können.
Es muss darum bei einer zukünftigen Zu
lassung der Eizellspende in der Schweiz das Ziel sein, nicht nur einen gesetzli
chen Papiertiger zu produzieren, sondern eine vernünftige Lösung, die die Interes
sen sowohl der Spenderin als auch der Empfängerin wahrt. Dabei könnten auch durch „Social Freezing“ gewonnene, von der Spenderin aber selbst nicht genutzte Eizellen zum Einsatz kommen.
Heute müssen die Paare aus dem deutsch
sprachigen Raum für eine Eizellspende ins europäische Ausland ausweichen.
Tabelle 1: Therapiemöglichkeiten zur Erfüllung des Kinderwunsches bei reduzier- ter Follikelreserve
Therapietyp Therapie Wirksamkeit Bemerkungen
Homolog Monofollikuläre Sti- mulationen mit Letro- zol, Clomiphen oder niedrig dosierten Go- nadotropinen
begrenzt Geburtschancen meist
< 10 %
In-Vitro-Fertilisation begrenzt Geburtschancen meist
< 10 %; abhängig von Zahl und Qualität der gewonnen Oozyten Adjuvante medika-
mentöse Unterstüt- zung der hormonel- len Stimulation [6]
Androgene
(DHEA, Testosteron) umstritten
Wachstumshormon umstritten
LH/hCG kein günstiger
Effekt
Coenzym Q10 günstiger Effekt möglich
Heterolog Eizellspende sehr gut Geburtschancen
≥ 50 %
Prävention Social Freezing Begrenzt
(< 10 %) bis sehr gut (≥ 50 %)
abhängig von Zahl und Qualität der gewonne- nen und kryokonser- vierten Oozyten
Kinderwunsch in der menopausalen Übergangszeit Europäische Hotspots für Paare mit dem
Wunsch nach und der Notwendigkeit für Eizellspendenbehandlungen sind Spani
en und Tschechien, wohin dann auch ein Großteil der hiesigen Paare reist. Häufig finden in diesen Ländern nur die in der Schweiz und Deutschland verbotenen Interventionen statt, wie die heterologe IVF und der Transfer der daraus entstan
denen Embryonen. Zunehmend werden dafür im Voraus vitrifizierte Eizellen verwendet. Dies erleichtert den Ablauf enorm, da so die anspruchsvolle zeitli
che Synchronisierung von Eizellspende, IVF und Transfer zwischen Spenderin und Empfängerin entfällt. Die Vor und Nachbetreuung ist für eine erfahrene Gynäkologin wenig anspruchsvoll und kann völlig legal in den Herkunftslän
dern der Paare stattfinden.
Für die meisten Paare ist die heterologe Eizellspendenbehandlung die Therapie der zweiten Wahl und wird erst in Er
wägung gezogen, wenn die homologen Kinderwunschbehandlungen aussichts
los sind oder nicht erfolgreich waren.
Zwar stammt das Genom dieser Kinder nicht von der sozialen Mutter, die emo
tionale Bindung von Mutter und Kind ist davon jedoch nicht betroffen. Vielmehr ist dafür das Heranwachsen des Kindes im Körper der Frau verantwortlich, die später die soziale Mutter sein wird.
Ein großer Pluspunkt der Eizellspende sind die enormen Erfolgschancen. So kann ein Paar kumulativ in weit über 50 % mit der Geburt eines Kindes rech
nen. Dieser Umstand ist für einen Teil der Paare auch maßgebend dafür, dass sie sich von Anfang an für die hetero
loge Eizellspendentherapie entscheiden und auf die homologen Behandlungen mit ihren geringen Erfolgschancen ver
zichten.
Negativ ins Gewicht fallen die hohen Kosten. So muss ein Paar für einen Be
handlungszyklus schnell mit einem Be
trag von CHF/ EUR 10.000 und mehr rechnen. Da die Eizellspendenbehand
lung in der Schweiz und in Deutschland verboten sind, bedeuten die Kosten für Reise, Hotelaufenthalt und Verpflegung sowie der große Zeitaufwand eine wei
tere, erhebliche Belastung für die Paare.
Viele Paare suchen Hilfe im Ausland ohne Unterstützung durch einen heimi
schen Gynäkologen. Die Auswahl eines
entsprechenden Kinderwunschzentrums erfolgt dann in der Regel über das Inter
net. Dabei fehlt den Paaren in der Regel die Expertise, seriöse von unseriösen Zentren zu unterscheiden mit der Folge, dass sie – beispielsweise – mit (höheren) Mehrlingen zurückkehren. Dies sind me
dizinisch und ethisch höchst problemati
sche Komplikationen. Zudem muss auch die Steuerzahlerin die hohen Kosten einer Mehrlingsschwangerschaft, einer Mehrlingsgeburt und der anspruchsvol
len Mehrlingsbetreuung meist bis lange nach der Geburt mittragen. Das alles sind Gründe, dass die Eizellspendenbe
handlung auch in der Schweiz und in Deutschland zugelassen werden sollten.
Nur dies ermöglicht die Kontrolle der Zentren durch den lokalen Gesetzgeber.
Neben den hohen Chancen gibt es be
handlungsspezifische Risiken. So steigt durch die Eizellspendenbehandlung das meist schon altersbedingt erhöh
te Prä eklampsierisiko noch weiter an [7]. Umso wichtiger ist, dass keine das Präeklampsierisiko noch weiter anhei
zende Mehrlingsschwangerschaft indu
ziert wird. Es ist darum für die Gesund
heit von Mutter und Kind entscheidend, dass die Eizellspendenbehandlung in einem seriösen Kinderwunschzentrum erfolgt und eine nachfolgende Schwan
gerschaft in einer spezialisierten geburts
hilflichen Klinik betreut wird.
Social Egg Freezing
Eine Alternative zu den homologen und heterologen Kinderwunschbehandlun
gen ist eine präventive Maßnahme, das
„Social Egg Freezing“. Dabei handelt es sich um eine EigenEizellspendenbe
handlung.
Das „Social Egg Freezing“ basiert auf dem Wissen, dass mit dem Alterungs
prozess Zahl und Befruchtungsfähigkeit der Oozyten laufend abnehmen. Somit werden beim „Social Egg Freezing“ die Eizellen optimalerweise vor dem 35.
Altersjahr entnommen, mittels Vitri
fikation kryokonserviert und gelagert.
Erfüllt sich später der Kinderwunsch bei altersbedingt stark reduzierter Schwan
gerschaftschance nicht mit spontanem Geschlechtsverkehr, kann auf die früher kryokonservierten Eizellen zurückge
griffen werden. Es darf dann trotz fort
geschrittenem Fertilitätsalter mit ähnlich hohen Schwangerschafts und Geburts
chancen gerechnet werden, wie sie zum
Zeitpunkt der Kryokonservierung be
standen haben – bei einer Entnahme der Oozyten vor dem 35. Altersjahr somit mit einer 60–80%igen kumulativen Er
folgschance [8]. Werden die Oozyten erst mit 40 präventiv kryokonserviert, kann später jedoch nur von den wesentlich tieferen IVFErfolgschancen der 40jäh
rigen Frau ausgegangen werden. Für den Erfolg wichtig ist zudem die Zahl der kryokonservierten Eizellen. Man geht davon aus, dass abhängig vom Alter zum Zeitpunkt des Freezings 20–30 Eizellen für eine optimale spätere Erfolgschance nötig sind, was meist mehrere Gewin
nungszyklen notwendig macht.
Prozessmäßig läuft ein „Social Egg Freezing“ analog einer klassischen IVF
Behandlung ab. Der Unterschied ist, dass der Verlauf mit der Gewinnung und Kryokonservierung der Oozyten unter
brochen wird. Der Prozess wird erst bei einem späteren unerfüllten Kinder
wunsch wieder aufgenommen. Die Ei
zellen werden dann aufgetaut, fertilisiert, weiterkultiviert und im Embryonalsta
dium in den Uterus der Eizellspenderin selbst transferiert.
Ein Kritikpunkt am „Social Egg Free
zing“ ist, dass es besser wäre, mit ent
sprechenden Begleitmaßnahmen – wie zum Beispiel Kindertagesstätten – jun
gen Paaren zu ermöglichen, vor 35 Kin
der zu haben. Diese Maßnahme ist eine Frage, die Gesellschaft und Politik zu lö
sen haben. Das „Social Egg Freezing“ ist dabei nicht Ersatz, sondern Ergänzung.
Im Weiteren wird dem „Social Egg Freezing“ vorgeworfen, es dränge Frau
en, die eigentlich ihre Familienplanung abgeschlossen hätten, dazu, Kinder zu haben. Allerdings haben in unserer mit
teleuropäischen Gesellschaft in den letz
ten Jahrzehnten erfreulicherweise viele Frauen genügend Selbstbewusstsein entwickelt, selbständig zu entscheiden, ob und wann sie Kinder haben möchten.
Dafür dient nicht nur die Kontrazeption, sondern eben auch das „Social Freezing“.
Ein weiterer Punkt ist, dass anscheinend nur wenige der gelagerten Eizellen spä
ter zum Einsatz kommen [9]. Dies ist überhaupt nicht ungewöhnlich, da es sich beim „Social Egg Freezing“ um eine Art von Fertilitätsversicherung handelt. Bei einer Brandversicherung beispielsweise tritt der Schadenfall glücklicherweise
Kinderwunsch in der menopausalen Übergangszeit
292 J Reproduktionsmed Endokrinol 2021; 18 (6)
auch nur sehr selten ein. Trotzdem wird ein solches Ereignis abgesichert. Da viele Frauen ihren Kinderwunsch ohne Rückgriff auf die kryokonservierten Oo
zyten erfüllen können, in der Zwischen
zeit keinen Kinderwunsch mehr haben oder noch keinen Bedarf hatten, auf ihre gelagerten Oozyten zurückgreifen zu müssen, liegt es auf der Hand, dass viele dieser Oozyten auch noch nach Jahren kryokonserviert sind. Sollte sich eine Frau entscheiden, auf ihre zurück
gelegten Eizellen zu verzichten, könnten diese im Einverständnis mit der Spende
rin auch für heterologe Eizellspendenbe
handlungen eingesetzt werden, statt sie zu vernichten.
Wie die IVF ist auch das „Social Egg Freezing“ in der Schweiz nicht kassen
zulässig. Die Kosten betragen analog einer IVF mehrere Tausend Franken pro Gewinnungszyklus, wobei davon aus
zugehen ist, dass es für die Gewinnung der optimalen 20–30 Oozyten mehrerer Gewinnungszyklen bedarf.
Die Lagerdauer der Oozyten ist in der Schweiz gesetzlich auf maximal 10 Jahre begrenzt. Darum macht es Sinn, die Ei
zellen bei der altersbedingten Fertilitäts
protektion, wie es das „Social Freezing“
darstellt, früh, das heisst vor dem 35.
Geburtstag, einzulagern, nicht aber zu früh. Eine Ausnahme bilden Situationen mit einem pathologisch bedingten, vor
zeitigen Verlust der Oozyten. Allerdings entspricht diese Situation nicht einem Social, sondern einem „Medical Free
zing“, das nicht der strengen 10jährigen Lagerbeschränkung unterworfen ist.
Interessenkonflikt
Keiner.
Literatur:
1. Bundesamt für Statistik, Hrsg. Bevölkerungsbewegung in der Schweiz 2016. Neuchâtel; 2017.
2. Steiner AZ, Jukic AM. Impact of female age and nul- ligravidity on fecundity in an older reproductive age co- hort. Fertil Steril 2016; 99: 1584–8.
3. Stein ZA. A woman’s age: childbearing and child rear- ing. Am J Epidemiol 1985; 121: 327–42.
4. Bonifacio M, BradleyCK, Karia S, Livingstone M, Bowman MC, McArthur SJ. The original Beckman Coulter Generation II assay significantly underestimates AMH levels compared with the revised protocol. J Assist Reprod Genet 2015; 32: 1691–6.
5. Xu Y, Nisenblat V, Lu C, Li R, Qiao J, Zhen X, et al.
Pretreatment with coenzyme Q10 improves ovarian re- sponse and embryo quality in low-prognosis young wom- en with decreased ovarian reserve: a randomized con- trolled trial. Reprod Biol Endocrinol 2018; 16: 29.
6. Zhang Y, Zhang C, Shu J, Guo J, Chang HM, Leung PCK, et al. Adjuvant treatment strategies in ovarian stimulation for poor responders undergoing IVF: a systematic review and network meta-analysis. Hum Reprod Update 2020; 26:
247–63.
7. Blázquez A, García D, Rodríguez A, Vassena R, Figueras F, Vernaeve V. Is oocyte donation a risk factor for preec- lampsia? A systematic review and meta-analysis. J Assist Reprod Genet 2016; 33: 855–63.
8. Practice Committees of American Society for Repro- ductive Medicine; Society for Assisted Reproductive Technology. Mature oocyte cryopreservation: a guideline.
Fertil Steril 2013; 99: 37–43.
9. Cobo A, García-Velasco JA, Coello A, Domingo J, Pellicer A, Remohí J. Oocyte vitrification as an efficient option for elective fertility preservation. Fertil Steril 2016;
105: 75–64.
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