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Integration in der Praxis

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Graz - Klagenfurt

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Integration in der Praxis

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Heft 22 September 2005

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Lese-, Rechtschreib- und Rechenschwäche

Aufmerksamkei tsdefizi t -Hyperaktivi tätsstörung

BERATUNGSZENTRUM FÜR SCHULFRAGEN - EINE INSTITUTION STELLT SICH VOR

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(2)

Gemeinsamer Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder und Jugendlicher

Impressum

Medieninhaber und Herausgeber:

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Wien, Abteilung 1/8, Mag. Lucie Bauer

Zentrum für Schulentwicklung, Abteilung Evaluation und Schulforschung, Klagenfurt, Mag.

Peter Debenjak

Für den Inhalt der einzelnen Beitrage sind die Autorinnen/Autoren verantwortlich.

Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen sich nicht mit der Meinung der Redaktion decken.

Redaktionsgruppe:

HOL Regina Gössinger, Dr. Karl Hauer, Mag. Andrea Holzinger, HOL Brigitte Mörwald, SD Christa Nothdurfter, SOL Wolfgang Sieberer, SOL Günther Tuczay

Koordination:

Mag. Peter Debenjak

Umschlaggestaltung:

Mag. Inge Fritz

Bestellungen richten Sie bitte schriftlich (mit Schulstempel) an das Zentrum für

Schulentwicklung, Abteilung Evaluation und Schulforschung, Kaufmanngasse 8,

9020 Klagenfurt, Fax 0 46 3/54 0 81-11, oder per E-Mail: [email protected].

(3)

Inhalt Inhalt Inhalt Inhalt

Vorwort

1. Entstehung und Entwicklung des Beratungszentrums für Schulfragen ... 5

1.1. Beratungsstelle für Kinder mit Lese-, Rechtschreib- und Rechenstörungen ... 6

1.2. Beratungsstelle für Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts- störung – AD(H)D ... 7

2. Lese-, Rechtschreib- und Rechenstörung ... 9

2.1. Lese- und Rechtschreibstörung – Legasthenie ... 9

2.1.1. Allgemeines zur Einführung ... 9

2.1.2. Psychologische und pädagogische Diagnostik ... 10

2.1.2.1. Psychologische Verfahren – Intelligenztests ... 11

2.1.2.2. Pädagogische Tests – Lese- und Rechtschreibtests ... 11

2.1.2.3. Literatur ... 13

2.1.3. Früherkennung von Legasthenie ... 14

2.1.3.1. Identifizierung von Risikokindern ... 15

2.1.3.2. Würzburger Trainingsprogramme ... 16

2.1.3.3. Präventionsprojekt im Kindergarten ... 17

2.1.4. Schriftspracherwerb ... 17

2.1.4.1. Entwicklungspsychologisches Stufenmodell des Schriftspracherwerbs nach Günther (1986) ... 18

2.1.4.2. Phonologische Bewusstheit als zentrale Lernvoraus- setzung und als wichtiger Begleitprozess für den Schriftspracherwerb ... 20

2.1.4.3. Die Arbeit nach dem Spracherfahrungsansatz im Unterricht . 22 2.1.4.4. Literatur ... 23

2.1.5. Therapie von Legasthenie ... 24

2.1.5.1. Allgemeines ... 24

2.1.5.2. Bestandteile einer Betreuungseinheit (Einzel- und Gruppentherapie) ... 24

2.1.5.3. Übersicht über Inhalte und Methoden einer an den Stufen des Schriftspracherwerbs orientierten Legasthenietherapie .. 25

2.1.5.4. Literatur ... 29

2.1.5.5. Förderprogramme und Materialien ... 29

2.1.6. Legasthenie und Fremdsprachen ... 30

2.1.6.1. Häufige Teilleistungsschwächen ... 30

2.1.6.2. Fremdsprachen in der Grundschule ... 31

2.1.6.3. Die Bedeutung der Laut-Buchstaben-Zuordnung der Fremdsprache ... 31

2.1.6.4. Multisensorisches Lernen ... 31

2.1.6.5. Aufmerksamkeit – Emotion – Motivation ... 32

2.1.6.6. Literatur ... 32

(4)

2.2. Rechenstörung – Dyskalkulie ... 33

2.2.1 Definition von Dyskalkulie ... 33

2.2.2. Sekundärsymptome und Comorbiditäten ... 34

2.2.3. Erscheinungsformen in der Klasse ... 34

2.2.4. Neurologische Voraussetzungen für mathematisches Denken ... 35

2.2.5. Unterschiedliche Syndrome der Rechenstörung ... 36

2.2.6. Diagnostik zur Erfassung von Dyskalkulie ... 36

2.2.7. Planung von Fördermaßnahmen mit Beispielen ... 38

2.2.8. Literatur ... 43

3. Aufmerksamkeitsdefizit – Hyperaktivitätsstörung ... 45

3.1. Zur Situation in Elternhaus und Schule ... 45

3.2. Das Chaos der Begriffe ... 45

3.3. Klassifikation und Diagnostik ... 46

3.3.1. Aufmerksamkeitsstörungen ... 47

3.3.2. Impulsivität ... 48

3.3.3. Hyperaktivität ... 48

3.4. Begleitsymptome und Folgeerscheinungen ... 48

3.5. Ätiologie, Risikofaktoren und Krankheitsverlauf ... 50

3.6. Interventionsformen und Aufgaben der verschiedenen Behandlungsansätze ... 53

3.6.1. Kindzentrierter Ansatz ... 54

3.6.1.1. Selbstinstruktionstraining ... 54

3.6.1.2. Selbstmanagement ... 56

3.6.2. Eltern- und familienzentrierter Ansatz ... 58

3.6.2.1. Erarbeiten einer Checkliste ... 58

3.6.2.2. Überlegungen zu den Ursachen der Verhaltensprobleme ... 59

3.6.2.3. Formulierung der Behandlungsziele ... 60

3.6.2.4. Interventionsbausteine ... 60

3.6.3. Schulzentrierte Interventionen ... 60

3.6.3.1. Grundlegende pädagogische Maßnahmen ... 61

3.6.3.2. Wege zur Verbesserung der Lehrer/innen-Schüler/innen- Interaktion ... 64

3.6.3.3. Schule und Elternhaus als Team ... 66

3.7. Hilfestellungen und Angebote des Beratungszentrums bei Diagnose und Therapie von AD(H)D ... 67

3.8. Literatur... 67

4. Qualitätszirkel Legasthenie (QZL) ... 69

4.1. Gründungszweck ... 69

4.2. Aktivitäten des QZL ... 70

4.2.1. Ausbildungsangebot zur Legasthenietherapeutin/ zum Legasthenietherapeuten ... 70

4.2.2. Ausbildungsangebot zur ADHD-Therapeutin/ zum ADHD-Therapeuten ... 72

4.2.3. Ausbildungsangebot zur Diskalkulietherapeutin/ zum Diskalkulietherapeuten ... 74

4.2.4. Projekt „Differenzierter Lese- und Rechtschreibunterricht“ ... 75

(5)

Vorwort Vorwort Vorwort Vorwort

Dieses Heft unterscheidet sich von den übrigen Ausgaben von „Integration in der Praxis“.

Mit hoher fachlicher Kompetenz werden Auffälligkeiten der schulischen Entwicklung in den Bereichen Lesen, Schreiben, Rechnen, Aufmerksamkeit und Sozialverhalten detailliert aus interdisziplinärer Sicht von Fachleuten des Beratungszentrums Wolkersdorf (NÖ) be- schrieben.

Der Schwerpunkt dieser Beiträge liegt im diagnostischen Bereich. Die Autorinnen geben jedoch auch deutlich zu verstehen, dass Schülern nur angemessen geholfen werden kann, wenn die individuellen Voraussetzungen und das soziale Umfeld (Schule/Elternhaus) berücksichtigt werden. Dadurch wird verhindert, dass das Kind auf seine Defizite reduziert wird.

Die Anregungen in den Beiträgen stellen eine Basis für entsprechende individuelle und integrative Förderung im Unterricht dar.

Sie unterstützen die Erstellung individueller Förderpläne, die die Basis für eine inter- disziplinäre Zusammenarbeit in der Schule bilden.

Das heißt, es muss ein Kompetenztransfer zwischen den Diagnostiker/innen und den Lehrer/innen stattfinden.

Eine Herausforderung für Lehrerinnen und Lehrer ist die Bewältigung der angesprochenen Problematik im Schulalltag. Dafür sind entsprechende Rahmenbedingungen erforderlich sowie regelmäßige Fallbesprechungen und Teamarbeit.

Das Redaktionsteam

(6)

1.

1. 1.

1. Entstehung und Entwicklung des Beratungszentrums für Entstehung und Entwicklung des Beratungszentrums für Entstehung und Entwicklung des Beratungszentrums für Entstehung und Entwicklung des Beratungszentrums für Schulfragen

Schulfragen Schulfragen Schulfragen

Das Beratungszentrum für Schulfragen wurde als Pilotprojekt des LSR für Niederösterreich und den Gemeinden des Gerichtsbezirkes Wolkersdorf unter der Leitung der Volksschulleh- rerin und Klinischen- und Gesundheitspsychologin Dr. Renate Strasser im Schuljahr 1994/95 ins Leben gerufen und ist mittlerweile zu einer wichtigen Institution herangewachsen, die weit über die Grenzen des Bezirkes Mistelbach in Anspruch genommen wird.

Mit einem vorerst kleinen Team von vier Pädagoginnen und einer Psychologin beschränkte sich das Angebot in den ersten Jahren auf die

Arbeit mit Kindern zu Lern- und Verhaltensproblemen Beratung von Eltern zu Schulfragen

Unterstützung und Supervision von Lehrer/innen.

Die Zahl der Kinder, die am Beratungszentrum betreut wurden, stieg jedes Jahr kontinuier- lich von 103 Kindern im ersten Jahr des Bestehens auf mittlerweile 618 im heurigen Schul- jahr an.

Nach beinahe 10 Jahren des Bestehens und reger interdisziplinärer Vernetzungstätigkeit mit kinderneurologischen, pädiatrischen, pädagogischen und sozialen Einrichtungen in ganz Österreich und Deutschland arbeiten mittlerweile sechs Klinische- und Gesundheitspsycho- loginnen, die alle in ihrem Grundberuf auch Lehrerinnen sind und daher viel Verständnis und Wissen über die schulische Problematik mitbringen sowie zwei diplomierte Legasthenie- therapeutinnen und drei Pädagoginnen im Team.

Die ungebrochen starke Inanspruchnahme von Angeboten beruht einerseits auf der Tat- sache, dass Beratung und Diagnose völlig kostenlos durchgeführt werden, unabhängig von der Anzahl der benötigten Termine.

Andererseits wird von den Eltern immer wieder der Vorteil betont, dass sich die Räumlich- keiten des Beratungszentrums nicht in einer Schule befänden und somit die Hemmschwelle, Hilfe in Anspruch zu nehmen, geringer wäre.

Ein wichtiger weiterer Entwicklungsschritt folgte im Herbst 1999, als das Beratungszentrum für Schulfragen als facheinschlägige Ausbildungseinrichtung für Klinische- und Gesundheits- psychologen vom Gesundheitsministerium anerkannt wurde. Dies ermöglichte ab sofort die Aufnahme von Praktikantinnen/Praktikanten, die in Ausbildung zu Gesundheits- und klini-

(7)

schen Psychologinnen/Psychologen standen und wertvolle Erfahrungen und neue Ver- netzungen mit bestehenden Einrichtungen mit sich brachten.

In den jährlich gemachten statistischen Aufstellungen zu den häufigsten Problemen zeigte sich durchgängig eine 50:50 Aufteilung betreffend Lern- und Verhaltensstörungen von Kindern.

Zu den Lernstörungen gehörten vorrangig Schwierigkeiten des Lesens- und Schreibenler- nens (Schriftspracherwerb), sowie Rechenschwächen. Die häufigsten Fragestellungen zu Verhaltensauffälligkeiten zeigten unweigerlich die Thematik der Kinder mit hyperaktiven Störungen auf.

Als logische Konsequenz entstanden daher zwei spezifische Beratungsstellen innerhalb des Zentrums:

• die Beratungsstelle für Kinder mit Lese-, Rechtschreib- und Rechenstörungen und

• die Beratungsstelle für Kinder mit hyperaktiven Störungen die im Folgenden genauer beschrieben werden.

Neben diesen beiden wichtigen Themenbereichen bezogen sich die Fragestellungen auf folgende Problemfelder:

• Emotionale Störungen

• Gewalt und Missbrauch

• Schulverweigerung, Schulangst

• Schullaufbahnberatung

• Beratung bei Sonderpädagogischem Förderbedarf

• Supervision für Lehrer/innen

• Krisenintervention in der Schule

• Erstellen von Entwicklungsprofilen zum Erkennen von Hochbegabungen und speziellen Bedürfnissen

• Beratung an Kindergärten und Schulen zu ausgesuchten Themen

• Durchführung von pädagogischen Konferenzen

• Vorträge auf Elternabenden

• Soziales Kompetenztraining für Kinder mit sozialen Defiziten 1.1.

1.1.1.1.

1.1. Beratungsstelle für Kinder mit LeseBeratungsstelle für Kinder mit LeseBeratungsstelle für Kinder mit LeseBeratungsstelle für Kinder mit Lese----, Rechtschreib, Rechtschreib, Rechtschreib---- und Rechenstörungen, Rechtschreib und Rechenstörungen und Rechenstörungen und Rechenstörungen Die Beratungsstelle für Legasthenie und Dyskalkulie ist die momentan am häufigsten in An- spruch genommene Stelle am Beratungszentrum für Schulfragen, zumal ein im ganzen Weinviertel angebotenes Legasthenieprojekt an den Schulen in der zweiten Klasse Kinder mit unsicherer Lese- und Rechtschreibkompetenz erfasst und zu Präventivuntersuchungen schickt.

Das Angebot der Beratungsstelle umfasst:

• Beratungsgespräche und sachliche Information zum Störungsbild der Legasthenie und Dyskalulie

• Psychologische Diagnostik bestehend aus Leistungstests (Intelligenztest, Lese- und Rechtschreibtest, Sprachtest) und Persönlichkeitstests (vor allem bei Sekundärsympto- matik)

• Ausführliche Befundbesprechungen

(8)

• Trainings- und Therapieempfehlungen

• Therapieangebote am Beratungszentrum (Einzel- und Kleingruppenbetreuung)

• Information über Therapieangebote

• Vorträge, Lehrer/innensupervisionen, Fachkonferenzen an Schulen

• Supervision für Legasthenietherapeutinnen/Legasthenietherapeuten

• Ausbildungsangebote zur Legasthenietherapeutin/zum Legasthenietherapeuten in Zu- sammenarbeit mit dem Qualitätszirkel Legasthenie

Die Diagnosen der Lese-Rechtschreibstörung, sowie der Rechenstörung sind auf Grundlage der Definitionskriterien nach ICD-10 hinreichend gültig und verlässlich zu stellen. Die psycho- sozialen Begleitsymptome und Folgeerscheinungen sind insbesondere für Lese-Recht- schreibstörungen als erheblich nachgewiesen. So finden sich bei Schüler/innen mit um- schriebener Lese-Rechtschreibstörung im Alter von 13 Jahren bei ca. 40 % psychische Be- gleitstörungen (Aufmerksamkeitsstörungen, Störung im Sozialverhalten, emotionale Störun- gen), sie sind hinsichtlich ihrer schulischen und beruflichen Laufbahn weniger erfolgreich als Schüler/innen gleichen Intelligenzniveaus. Hinsichtlich der psychischen Entwicklung werden Kinder, die im Lesen und Rechtschreiben versagen, von Lehrer/innen häufiger als emotional auffällig und verhaltensgestört beurteilt. Vor diesem Hintergrund erscheint eine gesicherte Diagnose sowie effiziente Hilfestellung als besonders bedeutsam.

Der Früherkennung von Risikokindern kommt eine bedeutende Rolle zu. Kinder mit Lese- und Rechtschreibstörungen haben häufig andere umschriebene Entwicklungsstörungen, die teilweise im Vorschulalter diagnostizierbar sind. Bei etwa 60 bis 80 % der betroffenen Kinder lassen sich Entwicklungsstörungen des Sprechens oder der Sprache nachweisen. Charak- teristisch und häufig ist eine comorbide (unabhängig bestehende) Verknüpfung mit Aufmerk- samkeitsschwierigkeiten, Hyperaktivität und Impulsivität.

Familiäre Erziehungsschwierigkeiten eskalieren bei Kindern mit Lese- und Rechtschreibstö- rungen häufig in der Hausaufgabensituation, Kinder mit Legasthenie sitzen durchschnittlich wesentlich länger an den täglichen Hausaufgaben als die Mitschüler/innen.

Die Beratungsstelle für Lese-, Rechtschreib- und Rechenstörungen wird geleitet von

Mag. Astrid Pezina Mag. Regina Czasch

Klinische und Gesundheitspsychologin Klinische und Gesundheitspsychologin Diplomierte Legasthenietherapeutin

1.2.

1.2.1.2.

1.2. Beratungsstelle für KindBeratungsstelle für KindBeratungsstelle für KindBeratungsstelle für Kinder mit Aufmerksamkeitsdefiziter mit Aufmerksamkeitsdefiziter mit Aufmerksamkeitsdefiziter mit Aufmerksamkeitsdefizit----HyperaktivitätsHyperaktivitätsHyperaktivitätsHyperaktivitäts---- störung

störung störung

störung ———— AD(H)D AD(H)D AD(H)D AD(H)D

Die Beratungsstelle für Kinder mit Hyperaktivitätsstörungen ist eine weitere Einrichtung am Beratungszentrum für Schulfragen, die folgende Angebote für Eltern mit betroffenen Kindern vorsieht:

• Beratungsgespräche und sachliche Information über das Störungsbild ADHD

• Psychologische Diagnostik

• Kooperation mit Fachärztinnen/-ärzte

• Homöopathische Begleitung (auf Wunsch der Eltern)

• Enge Zusammenarbeit mit Lehrer/innen und Erzieher/innen im Bildungsbereich

(9)

• Erarbeitung möglicher Veränderungsvorschläge im sekundären Sozialisationsbereich

• Durchführung eines Eltern-Kind-Therapieprogramms mit Videoanalysen

• Organisation von Vorträgen und monatliche Elternrunden

• Vermittlung von Therapeut/innen in freier Praxis, die Therapieprogramme, Selbstinstruk- tionstraining, soziales Kompetenztraining oder Therapien der angrenzenden Störungs- bilder wie Ergotherapie, Logopädie usw. anbieten

• Öffentlichkeitsarbeit zum besseren Verständnis des Störungsbildes in der Gesellschaft Hyperkinetische Verhaltensauffälligkeiten, Aufmerksamkeitsdefizite, oppositionelle und ag- gressive Verhaltensweisen sind die häufigsten Anlässe zu Klagen von Kindergärtner/innen, Lehrer/innen und/oder Erzieher/innen. Die Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung (ADHD) ist die häufigste psychische Störung des Kindesalters und betrifft 3 - 6 % aller Kin- der. Da aber Aufmerksamkeitsstörungen im Rahmen von zahlreichen psychischen Störun- gen des Kindesalters auftreten, ist eine umfangreiche, genaue, interdisziplinäre Diagnostik notwendig.

Besonders bedeutsam erscheint uns die Früherkennung der Risikokinder, um dadurch der Gefahr ihres Scheiterns in der Schule und der auftretenden Problematik im Jugendalter wirk- sam begegnen und vorbeugen zu können. Werden die Kinder nicht angemessen behandelt, kommen meist noch weitere Störungen hinzu. Daher sind vor allem Eltern und Kindergärt- ner/innen eingeladen, sich an uns zu wenden, um in einem speziell ausgearbeiteten Trai- ningsprogramm problematischen Verhaltensweisen effektiv begegnen zu können. Dieses Programm soll die Kompetenz der Erzieher/innen im Umgang mit Kindern mit expansiven (unruhigen, hyperaktiven, sozial schwierigen) Verhalten erhöhen und basiert auf vorhande- nen evaluierten Trainingsprogrammen (z. B. THOP-Programm).

Die Therapie von Kindern mit hyperkinetischen Störungen gehört zurzeit zu den größten Herausforderungen der kinderpsychologischen Forschung und Praxis. Einig sind sich Wis- senschaftler, dass nur eine multimodale Therapie unter Einbeziehung der Psychotherapie, psychosozialer Intervention und Pharmakotherapie wirksam ist. Wir bieten in Zusammen- arbeit mit Neurologen, Pädiatern, Ergotherapeuten, Motopädagogen, Homöopathen, Psycho- logen und Pädagogen ein multimodales Trainingsprogramm an, um betroffenen Kindern sowie ihren Angehörigen aktiv zu helfen.

In einem weiteren Schritt startete heuer in Zusammenarbeit mit dem Qualitätszirkel Legas- thenie ein interdisziplinärer Ausbildungslehrgang für ADHD-Therapeutinnen/ADHD-Thera- peuten in Wien mit namhaften Expertinnen und Experten auf diesem Gebiet. Auf Grund der großen Nachfrage wurde ein weiterer Kurs ab März 2005 angeboten (siehe Qualitätszirkel Legasthenie). Weitere Kurse folgen.

Diese Beratungsstelle wird geleitet von Dr. Petra Gössinger (Sozialpsychologin und Diplom- pädagogin) mit Unterstützung der Koordinatorin Petra Ambrosch (Diplompädagogin).

Autorin des Artikels:

Mag. Astrid Pezina, Klinische und Gesundheitspsychologin Psychologin am Beratungszentrum für Schulfragen Dipl. Legasthenietherapeutin

Notfallspsychologin Diplompädagogin Rögergasse 18/25 1090 Wien

Telefon: 0676/843 748 300 Mail: [email protected]

(10)

2.

2. 2.

2. Lese Lese Lese Lese----, Rechtschreib , Rechtschreib , Rechtschreib , Rechtschreib---- und Rechenstörung und Rechenstörung und Rechenstörung und Rechenstörung

2.1.2.1.2.1.

2.1. LeseLeseLeseLese---- und Rechtschreibstörung und Rechtschreibstörung und Rechtschreibstörung und Rechtschreibstörung ———— Legas Legas Legas Legastheniethenietheniethenie 2.1.1.

Allgemeines zur Einführung

In kaum einem anderen Bereich der kindlichen Entwicklungsstörungen klafft die Schere zwi- schen dem empirischen Forschungsstand einerseits und dem, was Eingang in die pädagogi- sche Praxis findet andererseits, weiter auseinander als bei Legasthenie.

Ist es für fachlich Interessierte oft schon schwer genug, sich in der ganzen Palette des Le- gasthenieausbildungs- und Therapieangebots zu orientieren, so ist dies für pädagogische Laien beinahe völlig unmöglich.

Wer sich mit Legasthenie seriös auseinander setzen will, muss das Phänomen deshalb in seiner gesamten Komplexität kennen, erkennen und verstehen. In der Diagnose und in der Therapie ebenso wie in der fachlichen und öffentlichen Diskussion.

Was ist nun Legasthenie?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) listet die Lese- und Rechtschreibstörung, die in allen Schriftsprachen der Welt vorkommt, in ihren Krankheitskatalog ICD-10 (Internationales Klassifikationsschema psychischer Störungen) auf. Darin wird sie unter dem Begriff „Um- schriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten“ klassifiziert und als biologisch begründete Besonderheit der Informationsverarbeitung im zentralen Nervensystem be- stimmt.

Die Hauptmerkmale dieser Störung, von der ca. 4 % aller Kinder betroffen sind, zeigen sich in einer mangelnden Lese- und/oder Rechtschreibfähigkeit, die trotz guter allgemeiner Intelli- genz und intensiven Übens nicht zu beheben und nur schwer zu verbessern ist.

Die Kinder beherrschen die gelernten Buchstaben nicht sicher, merken sich keine Wortbilder, haben Schwierigkeiten beim Zusammenlauten von einzelnen Buchstaben zu einem Wort, dessen Sinnbedeutung sie auch noch herausfinden sollten, sie schreiben ein Wort in ver- schiedenen Abwandlungen (bequehm, bekwem, behpuem) ohne die Fehler zu entdecken und verlieren naturgemäß relativ rasch die Freude und das Interesse an Büchern, Texten und Schriften.

Das intensive Bemühen, mit den Mitschüler/innen gleichzuziehen, endet oft in Enttäuschun- gen, Frustration und der falschen Einschätzung, dass zu wenig geübt wurde. Lesen und Schreiben bedürfen einer viel größeren Anstrengung als bei jenen Kindern, bei denen der Prozess schon automatisiert abläuft. Daher wird die Konzentration und Aufmerksamkeit mehr beansprucht – als Folge ist eine leichtere Ermüdbarkeit und geringere Konzentration festzustellen.

Die Ursachenforschung zum Thema „Legasthenie“ nahm seit den 90er Jahren einen großen Aufschwung. Wichtige Beiträge und neue Erkenntnisse wurden in den letzten Jahren vor allem durch das interdisziplinäre Zusammenwirken von Medizin, Psychologie, Linguistik und Pädagogik geliefert.

Dabei wurde auch die große Bedeutung der Sprachentwicklung für die Schriftsprache er- kannt und in vielen wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigt. Die modernen bildgeben- den Verfahren (Elektroenzephalographie, Magnetresonanztomographie, Positron-Emissions- Tomographie, Single-Photon-Emissions-Computertomographie) ermöglichten es, in neuer Weise die anatomischen und physiologischen Zusammenhänge der Lese- und Rechtschreib- störung zu erkunden.

(11)

Störungen in der sprachlichen Entwicklung fanden sich bei Kindern mit Legasthenie mit bis zu 80 % (Warnke, 2002). Die Besonderheiten und Abweichungen sprachlicher Informations- verarbeitung zeigten sich dabei in vielfacher Weise:

- in einem niedrigeren Verbal-IQ im Vergleich zu sprachfrei gemessenen Intelligenzwerten - in einem geringern Wortschatz

- in einer weniger gut beherrschten Grammatik

- in einer schwächeren Gedächtnisleistung für sprachlichen Lernstoff

- in einer verlangsamten Benennungsgeschwindigkeit von Buchstaben, Worten oder auch Zahlen

- in Schwächen in der so genannten. „Phonologischen Bewusstheit“, jenen Fähigkeiten, die u. a. Lauterkennung, Lautsegmentierung, Reimen, Silbensegmentierung, Lautana- lyse, Lautsynthese, Wortergänzung u. v. m. meint

Wenn es gelingt, Kinder mit abweichender oder verzögerter Sprachentwicklung schon im Kindergarten zu identifizieren, ist Prävention durch fachliche Förderung der sprachlichen Fähigkeiten, vor allem der phonologischen Bewusstheit, möglich. Natürlich gelten auch im Schulalter die Prinzipien von Früherkennung und Frühbehandlung noch genauso. Dennoch gilt: Je früher das Problem erkannt wird, desto günstiger ist die Ausgangssituation für die weitere Entwicklung des Kindes.

Autorin des Artikels:

Dr. Renate Strasser

Klinische und Gesundheitspsychologin

Leiterin des Beratungszentrums für Schulfragen

2.1.2.

Psychologische und pädagogische Diagnostik

Nach international wissenschaftlichen Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lässt sich eine Lese- und Rechtschreibstörung mittels ICD-10 (International Classification of Diseases)

• durch ein intellektuelles Leistungsniveau im Normbereich

• und einer Lese- und/oder Rechtschreibleistung, die deutlich unter dem Niveau liegt, das auf Grund des Alters, der allgemeinen Intelligenz und der Beschulung zu erwarten ist,

beschreiben.

Konkret bedeutet dies, dass Legasthenie durch die Diskrepanz einer mindestens – im Norm- bereich angesiedelten – Intelligenz und einer unterdurchschnittlichen Lese- und/oder Recht- schreibleistung definiert ist.

Dadurch wird klar, dass für eine seriöse Diagnosestellung von Legasthenie folgende Verfah- ren unbedingt erforderlich sind:

• Intelligenztest zur Feststellung des kognitiven Begabungsprofils

• mindestens ein Lese- und Rechtschreibtest zur Feststellung der aktuellen Rechtschreib- und Lesekompetenz

Eine weitere psychologische Abklärung muss erfolgen, wenn sich entweder aus obigen Test- ergebnissen, der Verhaltensbeobachtung oder der Berichte von Eltern und Lehrer/innen Hin- weise auf vorliegende comorbide (unabhängig bestehende) Störungen (z. B. Aufmerksam- keitsstörung, Hyperaktivitätsstörung, Rechenstörung ...) bzw. einer ausgebildeten Sekundär-

(12)

symptomatik (Schulangst, Schlafstörungen vor Ansagen und Schularbeiten, körperliche Be- schwerden, depressive Verstimmungen ...) ergeben.

Auf jeden Fall sollten dann Sprachtests, motorische Tests, projektive Verfahren und Wahr- nehmungstests von Klinischen Kinderpsychologinnen/-psychologen und weiteren Fach- leuten, wie Ergotherapeutinnen/-therapeuten, Logopädinnen/Logopäden, Neurologinnen/

Neurologen durchgeführt werden.

2.1.2.1.

Psychologische Verfahren – Intelligenztests

Es gibt eine Vielzahl an Testverfahren zur Feststellung der Intelligenz. Übliche Verfahren sind der AID II (Adaptives Intelligenzdiagnostikum II), der HAWIK-III (Hamburg-Wechsler- Intelligenztest für Kinder) und der K-ABC (Kaufman Assessment Battery for Children). Alle drei messen viele verschiedene Aspekte des intellektuellen Leistungsvermögens, enthalten keine Aufgaben, die direkt mit dem Schriftspracherwerb zu tun haben und eignen sich daher ganz besonders für die Abklärung des kognitiven Leistungsprofils. Neben dem Gesamter- gebnis, das als IQ (Intelligenzquotient) oder als PR (Prozentrang) angegeben wird, liefern die Intelligenztests vor allem Informationen über die Stärken und Schwächen eines Kindes zum Testzeitpunkt. Diese spielen beim Erstellen des Förderkonzepts im Anschluss eine beson- dere Rolle. Durchschnittlich dauert ein Intelligenztest ein bis zwei Stunden.

2.1.2.2.

Pädagogische Tests – Lese- und Rechtschreibtests

Prinzipiell lässt sich die Diagnose „Lese- und Rechtschreibstörung“ erst Ende der 2. Schul- stufe zuverlässig stellen, da vorher die Variation durch Entwicklungsverläufe und unter- schiedliche Unterrichtsmethoden noch zu groß ist.

Kinder, die besonders schnell auswendig lernen, fallen oft in den ersten Klassen nicht auf.

Sowohl beim Lesen als auch beim Schreiben haben sie die unwahrscheinliche Fähigkeit, sich auf auswendig Gelerntes zu stützen. Wird der Stoff jedoch komplexer oder werden un- geübte Diktate geschrieben, müssen die Schüler/innen die Konzentration vorwiegend auf den Inhalt lenken und dies meist zum Nachteil der Rechtschreibung. So ist es nicht verwun- derlich, dass die Schwierigkeiten im Bereich der Anwendung von orthographischen Regeln bei sehr intelligenten Schüler/innen in manchen Fällen erst in der Sekundarstufe auffallen.

Lange Zeit glaubte man, dass legasthene Kinder ganz typische Fehler machen (wie z. B. die Verwechslung von „d“ und „b“ ...). Selbstverständlich unterlaufen ihnen unter anderem auch solche Fehler, doch Legastheniker machen keine typischen Rechtschreibfehler, an Hand derer man sie einfach so „identifizieren“ kann. Sie machen nur wesentlich mehr Fehler als andere Kinder. Vor allem sind das nicht immer die gleichen Fehler. Wird ein Wort einmal richtig geschrieben, so heißt es nicht, dass es ein anderes Mal ebenfalls korrekt zu Papier gebracht wird. Da man legasthene Kinder also nicht auf den ersten Blick erkennen kann, ist es unbedingt notwendig, die Rechtschreibung mittels eigens dafür entwickelten Verfahren zu überprüfen.

Rechtschreibtests

Eine relativ große Auswahl an Tests liegt für die Überprüfung des Rechtschreibens vor. Die Verfahren differenzieren vor allem im unteren Leistungsbereich, was dem Anliegen der Le- gastheniediagnostik entspricht. Meist wird die Rechtschreibleistung eines Kindes durch einen Lückentext überprüft, wobei es diktierte Wörter in den dafür vorhergesehenen Platz eintra- gen soll. Die Wörter sind von den Testentwicklern so ausgewählt, dass sie nach Schwierig- keitsgrad, Fehlerträchtigkeit und sonstigen Kriterien variieren. Die Auswertung erfolgt quan-

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titativ (durchschnittliches, unter- bzw. überdurchschnittliches Rechtschreibergebnis), ermög- licht jedoch auch eine qualitative Auflistung der Fehlerschwerpunkte.

Rechtschreibtests sind nach Schulstufen, teilweise auch ganz genau nach dem Halbjahr gegliedert, um eine möglichst differenzierte Aussage über den Leistungsstand des Kindes machen zu können.

Einer der gebräuchlichsten Rechtschreibtests im Volksschulbereich ist der Salzburger Lese- und Rechtschreibtest (SLRT). Er enthält eine Kurzversion für die erste und zweite Klasse und eine Langversion für die dritte und vierte Schulstufe. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt in der Differenzierung zwischen verschiedenen Arten von Rechtschreibfehlern; so kann zwi- schen lauttreuen (orthographischen) Fehlern („Gatn“ statt „Garten“), nicht lauttreuen Fehlern („Gtn“ statt „Garten“) und Verstößen gegen die Groß- und Kleinschreibung unterschieden werden. Für eine Kontrolltestung steht eine Parallelversion für alle oben genannten Schul- stufen zur Verfügung. Dieses Testverfahren kann sowohl als Einzel- als auch als Gruppen- test eingesetzt werden.

Für die 1. bis 9. Schulstufe hat sich ein weiteres Testverfahren in der Praxis bewährt, das auf ein etwas anderes Konzept aufbaut. Die Hamburger Schreibprobe (HSP) erhebt die ortho- graphische Leistung nicht nur in Form von Wörtern, sondern überprüft auch wortübergreifen- des Wissen durch das Schreiben von Sätzen. Die Fehleranalyse orientiert sich am entwick- lungspsychologischen Stufenmodell des Schriftspracherwerbs von Uta Frith. Mit Hilfe der Auswertungsvorgaben lässt sich leicht feststellen, welche Rechtschreibstrategie (alphabeti- sche, orthographische oder morphematische) ein Kind verwendet. Weiters lässt sich die Leistungsfähigkeit in der wortübergreifenden Strategie (wie Punktsetzung, Anführungszei- chen bei direkten Reden ...) ermitteln. Zusätzliche Information erhält man über die über- flüssigen orthographischen Elemente und die Oberzeichenfehler. Der Vorteil der Hamburger Schreibprobe besteht darin, dass es ein einheitliches Testinstrumentarium von der ersten bis zur neunten Klasse und gesonderte Vergleichswerte für alle Schulformen bietet.

Für die Sekundarstufe I stehen den Diagnostiker/innen neben der bereits oben erwähnten Hamburger Schreibprobe (HSP 1 - 4, 4/5, 5 - 9) der Westermann Rechtschreib- test 4/5 (WRT 4/5) und 6+ (WRT 6+) sowie der Diagnostische Rechtschreibtest für die 5. Klasse (DRT 5) zur Verfügung.

Bei den hier erwähnten Tests handelt es sich um wissenschaftlich bewährte und vielmals untersuchte Verfahren. Die Auswahl des geeigneten Rechtschreibtests in der Praxis obliegt den Psychologinnen/Psychologen und Pädagoginnen/Pädagogen, die mit den Kindern arbeiten.

Lesetests

Im Gegensatz zu den Rechtschreibtests stehen den Diagnostikern nicht sehr viele standardi- sierte Lesetests zur Verfügung.

Einer davon ist der Salzburger Lesetest, der im Grundschulbereich ergänzend zum Salz- burger Rechtschreibtest einzusetzen ist.

Er besteht aus sechs Subtests, die eine Überprüfung zweier wesentlicher Teilkomponenten des Wortlesens ermöglichen. Zum einen wird die Fähigkeit zur automatischen, direkten Worterkennung erhoben, zum anderen die zum synthetischen, lautierenden Lesen. Die ein- zelnen Subtests bestehen aus einer Aneinanderreihung von einander unabhängigen Wör- tern.

Für Schüler/innen der 1. und 2. Schulstufe wurde zudem noch ein Text erstellt, der vorwie- gend aus kurzen, wenig komplexen Wörtern besteht. Der Text für die 3. und 4.Klasse enthält einige recht schwierige zusammengesetzte Wörter. Der Vorteil von Textleseaufgaben be- steht darin, dass sie eher der natürlichen Lesesituation entsprechen als das Lesen von unzu-

(14)

wenig spezifischen Aufschluss über Schwächen bei der direkten Worterkennung bzw. beim synthetischen Lesen, weil hier auch Hinweise aus dem Kontext für den Leseprozess hilfreich sind. Wesentliche Parameter zur Leistungsbeurteilung sind Lesegeschwindigkeit und

Lesegenauigkeit. Der Lesetest kann nur als Einzeltest vorgegeben werden.

Mit dem Zürcher Lesetest wird ebenfalls die Lesefähigkeit im Grundschulalter bis zum Ende der 6. Klasse beurteilt. Lesegeschwindigkeit und -genauigkeit werden beim Lesen von Wör- tern und Texten beobachtet.

Die Besonderheit des Verfahrens „Knuspels Leseaufgaben“ liegt vor allem in der Erfassung des Leseverständnisses von schriftlichen Aufgaben. Es stellt ein relativ ausführliches Test- instrument dar, das relevante Basisfertigkeiten des Lesens wie Erkennen lautgleicher Wör- ter, Erkennen von Wortbedeutungen und Leseverständnis auf Satzebene erfasst. Dieser Test kann im Grundschulbereich als Einzel- oder Gruppentest durchgeführt werden und dauert bis zu einer Schulstunde.

Für die Sekundarstufe liegen kaum adäquate Messinstrumente vor. Bei älteren Kindern muss daher auf die verfügbaren Testinstrumente zurückgegriffen werden und deren Test- ergebnis in Bezug auf die nächst jüngere Vergleichsgruppe relativiert werden.

Jeder Test, der angewendet wird, ist eine notwendige Grundlage zur Diagnosefindung. Ne- ben den „Zahlen“ und „Ergebnissen“, die Psychologinnen/Psychologen dadurch bekommen, scheint es mir jedoch persönlich genauso wichtig zu sein, sich anderer Informationen zu bedienen wie z. B. Berichten von Eltern und Lehrer/innen, Einsicht in die Hefte und Verhal- tensbeobachtung während der Testsituation.

... und vergessen wir doch nicht: Kinder haben uns VIEL zu sagen! Erst in der Auseinander- setzung mit ihren Individualitäten ermöglichen sie uns, einen Einblick in ihre Gefühls- und Gedankenwelt zu bekommen.

2.1.2.3.

Literatur

Hasselhorn, M., Schneider, W., Marx, H. (Hrsg. 2000). Diagnostik von Lese- Rechtschreib- schwierigkeiten. Hogrefe

Schulte-Körne, G. (2002). Legasthenie. Zum aktuellen Stand der Ursachenforschung, der diagnostischen Methoden und der Förderkonzepte. Verlag Dr. Dieter Winkler

Warnke, A., Hemminger, U., Roth, E., Schneck, St. (2002). Legasthenie. Leitfaden für die Praxis. Hogrefe

Walter, J. (2001). Förderung bei Lese- und Rechtschreibschwäche. Hogrefe

Autorin des Artikels:

Mag. Petra Krinetzky

Klinische- und Gesundheitspsychologin, Dipl. Legasthenietherapeutin Referentin beim Ausbildungslehrgang des „Qualitätszirkel Legasthenie“

Legastheniebetreuung am Beratungszentrum Wolkersdorf

Diagnostik und Betreuung bei Leistungs- und Verhaltensschwierigkeiten in eigener Praxis in Wien

Kontakt: [email protected]

(15)

2.1.3.

Früherkennung von Legasthenie

„Mein Kind ist Legastheniker! Im Kindergarten zieht es sich immer die Schuhe verkehrt an und kann rechts und links nicht auseinander halten!“ – diese Sorge wird von Eltern, die Kin- der im Vorschulalter haben, oft geäußert.

Hier handelt es sich um einige Fehlannahmen, die es zu korrigieren gilt:

• Legasthenie ist eine Störung des Schriftspracherwerbs – also jener Fähigkeiten und Fer- tigkeiten, die gemeinhin als die Kulturtechniken Lesen und Schreiben bezeichnet werden.

Da diese Fähigkeiten im Kindergartenalter noch nicht gefragt sind, kann im Kindergarten noch nicht von Legasthenie gesprochen werden.

• Die Verwechslung von Buchstaben (dei statt die) oder Zahlen (45 statt 54) ist kein zwin- gender Hinweis auf das Vorhandensein einer Legasthenie. Dies wurde zwar in den 70er Jahren postuliert, mittlerweile jedoch revidiert, da sich zeigte, dass auch Nicht-Legasthe- niker bis zur 2. Klasse diese Raumorientierungsfehler machen.

Trotzdem ist Früherkennung im Kindergartenalter möglich!

Viele Forschungsergebnisse haben bestätigt, dass die beste und einzige Vorhersagemög- lichkeit von Legasthenie – schon im Kindergartenalter – durch die Abklärung der phonologi- schen Fähigkeiten des Kindes stattfinden kann.

Mit phonologischen Fähigkeiten bzw. phonologischer Bewusstheit ist die Meta-Ebene der Sprache gemeint.

Bis zum 5. Lebensjahr orientieren sich Kinder am Inhalt des Gesprochenen „Setz dir die Mütze auf“, „Wir fahren jetzt fort“.

Allmählich entwickeln sich aber jene Fähigkeiten der Meta-Ebene im spielerischen Umgang mit der Sprache, die als phonologische Fähigkeiten bezeichnet werden. Die Kinder lachen über Unsinnwörter (krawuzi-kapuzi), finden Reime (Haus – Maus), können ihren Namen nach Silben klatschen, hören heraus, dass in Oma ein o steckt, in Schule aber nicht usw.

Damit ist die phonologische Bewusstheit der Sprache erwacht!

Für den Erwerb der Kulturtechniken brauchen unsere Kinder genau diese Fähigkeiten. Wenn sie ein Wort schreiben oder lesen, müssen sie es phonologisch durchgliedern, die Laute er- kennen, den Buchstaben zuordnen und das Wort richtig aussprechen können.

Sind diese phonologischen Fähigkeiten im Kindergartenalter noch nicht altersentsprechend ausgebildet, besteht zwar immer noch die Möglichkeit, mit einer intensiven Lautschulung im Unterricht der 1. Klasse diese Defizite aufzuholen. Gelingt dies aber nicht, so klafft schon um Weihnachten der 1. Klasse die Schere auseinander. Kinder mit Defiziten in der phonologi- schen Bewusstheit fangen an, viele Buchstaben nicht effizient im Gedächtnis zu speichern, sie lassen Laute aus, verdrehen sie und sind nicht in der Lage, richtig zu lesen und zu schreiben.

Wenn nun dieses Defizit im Kindergartenalter rechtzeitig erkannt wird, bleibt ein ganzes Vor- schuljahr Zeit zum Training der phonologischen Fähigkeiten. Dazu gibt es ein empirisch ab- gesichertes Testverfahren: Bielefelder Screeningverfahren – kurz BISC genannt, das die Defizite sichtbar macht. Daraufhin kann mittels evaluierten Förderprogrammen (z. B. Würz- burger Trainingsprogramm) noch im Verlauf des letzten Kindergartenjahres intensiv geübt werden, sodass die Kinder (hauptsächlich Buben mit verzögerter Sprachentwicklung) die Defizite aufholen und die Unterschiede minimiert werden können.

Wie wichtig die Früherkennung von Risikokindern zu Legasthenie ist, zeigt eine erschüt- ternde Bilanz:

Trotz gleich guter Intelligenz (Legastheniker müssen laut Definition immer über eine Norm- intelligenz verfügen) gehen 40 % der Nichtlegastheniker, aber nur 10 % der Legastheniker

(16)

ins Gymnasium. Dies ist völlig ungerechtfertigt, da es verhindert, dass legasthene Kinder mit guter technischer oder mathematischer Begabung die Matura schaffen können.

Legasthene Kinder haben ein höheres Risiko, im Schulverlauf auch in anderen Bereichen zu versagen. Sie werden oft für nicht intelligent gehalten und vereinzelt immer noch nach dem Sonderschullehrplan unterrichtet.

2.1.3.1.

Identifizierung von Risikokindern

Kinder sollen in der Schule möglichst schnell begreifen, dass Laute von Buchstaben reprä- sentiert werden. Bereits Vorschulkinder können auf spielerische Art und Weise geschult wer- den, die lautliche Struktur der gesprochenen Sprache zu erkennen. Dadurch wird den Kin- dern der nachfolgende Schriftspracherwerb in der Schule wesentlich erleichtert.

Das Bielefelder Screening (BISC) zur Früherkennung von Lese- Rechtschreibschwierigkeiten (H. Jansen, G. Mannhaupt, H: Max, H. Skowronek) ist ein Verfahren, das bei Vorschulkin- dern zehn und/oder vier Monate vor Einschulung einsetzbar ist und der Erfassung von vor- schulischen Schriftsprachvoraussetzungen dient. Es kann mit einer Dauer von ca. 30 Minu- ten in einer Sitzung bewältigt werden.

Das BISC eignet sich nicht mehr für bereits schriftsprachlich unterwiesene Kinder, da der schulische Unterricht schon nach wenigen Wochen auf die im Test erfassten Vorläuferfähig- keiten einen positiven Einfluss hat.

Folgende für den Schriftspracherwerb kritische Leistungsbereiche werden im BISC reprä- sentiert und abgeklärt:

a) Phonologische Bewusstheit

b) Schneller Abruf aus dem Langzeitgedächtnis c) Phonetisches Rekodieren im Kurzzeitgedächtnis d) Visuelle Aufmerksamkeitssteuerung

e) Überprüfung der Gedächtnisspanne

a) Subtests zur phonologischen Bewusstheit:

Reimen

Das Kind bekommt Wortpaare vorgesprochen (z. B. „Kind – Wind“ oder „Kind – Stuhl“) und entscheidet im Anschluss über die Klangähnlichkeit.

• Silben-Segmentieren

Dem Kind werden nacheinander Substantive vorgesprochen (z. B. „Gabel“), die es in Sprechsilben durch Silbenklatschen untergliedern soll.

• Laut-zu-Wort-Vergleich

Das Kind entscheidet, ob ein isoliert vorgesprochener Vokal mit einem am Anfang eines Wortes vorkommenden Vokal klangähnlich ist (z. B. „Hörst du /i:/in Igel?“).

• Laute-Assoziieren

Dem Kind werden Bildkarten mit vier Abbildungen von Objekten vorgelegt, danach wird ein Wort getrennt vorgesprochen (z. B. /ts/-/ange/). Das Kind soll nun das Wort erkennen und zum richtigen Bild zeigen. Ein Bild davon ist richtig, ein zweites beginnt mit demsel- ben Anlaut, ein drittes hat an zweiter Stelle den gleichen Buchstaben und das vierte Bild ist ohne lautliche Übereinstimmung.

(17)

b) Schneller Abruf aus dem Langzeitgedächtnis – Aufmerksamkeit und Gedächtnis Schriftsymbole werden mit lautsprachlichen Einheiten verknüpft und im Verlauf des Schrift- spracherwerbs zunehmend leichter aus dem Gedächtnis abrufbar.

Eine rasche Abrufbarkeit der Schrift-Sprach-Verbindungen ist eine Voraussetzung für einen gelungenen Lese-Rechtschreiberwerb.

Kinder mit Leseschwierigkeiten sind häufig zeitverzögert in der Benennung von Buchstaben.

Diese Schwäche lässt sich bereits im Vorschulalter durch Zeitmessung bei Farbnennungen erheben:

• Schnelles Benennen – Farben (schwarz/weiß)

Das Kind soll so schnell wie möglich die entsprechende Farbe von schwarz/weißen Ob- jekten benennen. Dieser Vorgang ähnelt dem Abruf einer bestimmten lautlichen Einheit.

• Schnelles Benennen – Farben (farbig-inkongruente Objekte)

Es wird die Störanfälligkeit des Abrufprozesses untersucht. Das Kind soll die falsch dar- gebotene Farbe (z. B. blaue Zitrone) korrigieren.

Diese Aufgabe simuliert den späteren Leseprozess – auch hier muss der aktuelle Buch- stabenreiz von den Nachbarbuchstaben (= Störreize) abgeschirmt werden.

c) Phonetisches Rekodieren im Kurzzeitgedächtnis

Das kurzzeitige Präsenthalten von Lauten, Buchstaben, Wörtern und semantischen Einhei- ten ist ebenso von Bedeutung. Nur wenn die Information nach Aufnahme in das Kurzzeitge- dächtnis aktiviert bleibt, die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses nicht überschritten wird und ein rascher, fehlerfreier Abruf aus dem Kurzzeitgedächtnis möglich ist, verläuft der Lese- Schreibprozess störungsfrei. Es besteht eine signifikante Beziehung zwischen der im Vor- schulalter erhobenen Gedächtnisspanne und den schulischen Lese-Rechtschreibleistungen.

d) Visuelle Aufmerksamkeitssteuerung Wort-Vergleich-Suchaufgabe

Das Kind bekommt ein Kärtchen vorgelegt, auf dem ein vierbuchstabiges sinnvolles Wort und darunter vier andere Wörter abgebildet sind. Es soll auf das richtige Wortbild zeigen, wobei bis zur ersten Entscheidung die Bearbeitungszeit gestoppt wird.

e) Überprüfung der Gedächtnisspanne mit Gedächtnisaufgaben:

Pseudowörter-Nachsprechen

Das Kind soll vorgesprochene Pseudowörter wiedergeben (z. B. „zippelzack“). Es werden die Gedächtnisspanne und Artikulationsgenauigkeit überprüft.

2.1.3.2.

Würzburger Trainingsprogramme

Entsprechend den im Bielefelder Screening erhobenen Leistungsbereichen bietet das Trai- ningsprogramm „Hören, lauschen, lernen“ Übungen zur Förderung der phonologischen Be- wusstheit im Vorschulalter.

Das Buchstaben-Laut-Training „Hören, lauschen, lernen 2“ ist eine Ergänzung des Trainings- programms zur phonologischen Bewusstheit. Die enthaltenen Sprachspiele haben zum Ziel, Kindern das Prinzip der Buchstaben-Laut-Verknüpfung, die Grundlage unseres alphabeti- schen Systems, nahe zu bringen. In vielfältiger spielerischer Form werden Laute und Buch- staben miteinander verknüpft.

Forschungsergebnisse von Schneider (2004) zeigen, dass „Risikokinder“ im Vorschulalter, für die Schwierigkeiten beim Erwerb des Lesens und Rechtschreibens in der Schule zu erwarten sind, von einem kombinierten Training, das sowohl die phonologische Bewusstheit als auch die Buchstabenkenntnis fördert, am meisten profitieren. Die Sprachspiele sind für den Vor- schulbereich konzipiert, können jedoch auch im Erstleseunterricht eingesetzt werden.

(18)

2.1.3.3.

Präventionsprojekt im Kindergarten

Im vergangenen Jahr wurde das Projekt „Frühe Prävention von Lese-Rechtschreibschwä- che“ im Kindergarten in Angern durchgeführt.

Im Oktober 2003 wurden die Kinder von Psychologinnen mittels BISC getestet. Die Eltern füllten einen Fragebogen (Child Behavoir Check List 4-18) über das Verhalten des Kindes aus, um Parameter wie „Ängstlichkeit, Aggressivität, Aufmerksamkeit“ etc. zu erfassen.

Die Intervention wurde mittels Würzburger Trainingsprogramms von engagierten Kindergar- tenpädagoginnen im Zeitraum von November 2003 bis April 2004 täglich ca. 10 Minuten durchgeführt. Im Mai erfolgte die 2. Testung mittels BISC und einem nonverbalen Intelligenz- test (Coloured Progressive Matrices).

Ergebnisse

Die Testung bzw. das Training zeigten in zweierlei Hinsicht positive Ergebnisse. Zum einen wurden die Kinder hinsichtlich der phonologischen Bewusstheit sensibilisiert und zum Spie- len mit der Sprache angeregt, wie Eltern und Kindergartenpädagoginnen berichteten. Zum anderen konnten Risikokinder dadurch rechtzeitig erfasst werden. Den Eltern auffälliger Kinder wurden weitere Abklärungen wie z. B. bei Psychologinnen/Psychologen, Ergothera- peutinnen/-therapeuten, Logopädinnen/Logopäden, Augen- oder Ohrenärztinnen/ -ärzten empfohlen.

Weitere Untersuchungen im Laufe der Volksschule werden zeigen, wie hoch der prognosti- sche Wert des durchgeführten Screenings ist und ob es uns gelungen ist, alle Risikokinder bereits im Kindergartenalter zu erfassen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch die Erkennung von Schwierigkeiten in den Vorläuferfähigkeiten des Schriftspracherwerbs frühzeitig Maßnahmen getroffen und im Be- darfsfall Therapien eingeleitet werden können. Es ist dadurch möglich, rechtzeitig zu han- deln, nicht erst, wenn der Leidensweg begonnen hat und Sekundärsymptome sich entwickelt haben.

Autorin des Artikels:

Mag. Sigrid Maier

Klinische und Gesundheitspsychologin

Psychologin am Beratungszentrum für Schulfragen Dipl. Legasthenietherapeutin

Referentin beim Ausbildungslehrgang des „Qualitätszirkels Legasthenie“

Projektleitung in Bereichen der Prävention von Legasthenie und Sprachförderung Wahlpsychologin in freier Praxis

Johann-Schopf-Siedlung 1/8/10 2261 Angern

Telefon: 0676/612 60 74 Mail: [email protected]

2.1.4.

Schriftspracherwerb

Im Gegensatz zur Lautsprache, deren Erlernen für die Kommunikation unabdingbar ist, be- steht für die Aneignung der Schriftsprache (Lesen und Schreiben) keine primäre Motivation.

Schriftsprache erhält erst dann eine Bedeutung für das Kind, wenn das Interesse des Kindes durch Bezugspersonen wie Eltern, Geschwister, Freunde und Lehrer/innen geweckt wird.

Dies geschieht beispielsweise durch Vorlesen von Geschichten, die die Kinder später selbst-

(19)

ständig lesen können möchten, dem Zusehen, wie ältere Geschwister schreiben können, dem Wunsch nach Verstehen von Spielanweisungen und dergleichen ...

Die Entwicklung der Schriftsprache erfolgt nicht erst ab dem Schuleintritt sondern beginnt bei den meisten Kindern schon im Vorschulalter, sobald sie merken, dass bestimmte Zeichen für etwas Bestimmtes stehen.

Der stufenweise Aufbau der Schriftsprache sei im Folgenden anhand eines breit akzeptierten Modells dargestellt.

2.1.4.1.

Entwicklungspsychologisches Stufenmodell des Schriftspracherwerbs nach Günther (1986) Schriftsprachmodelle gelten als theoretische Basis zur Einordnung von Schreibleistungen, zur Feststellung des Entwicklungsstandes eines Kindes und zum Erkennen, welche Strategie angewendet wird. Sie sind wichtig für die Diagnose und für die Erstellung eines Förderpla- nes. Die meisten Rechtschreibtests orientieren sich an diesen Phasen:

a) Logographemische Strategie (Vorschulalter)

Selbstinstruktion: Merk dir die Form und die Anordnung der Zeichen!

Charakteristisch ist das unmittelbare Erkennen bekannter Wörter und Sätze. Dieses „Lesen“

hat wenig mit graphischen und orthographischen Faktoren zu tun. Durch hervorstechende visuelle Details speichern die Kinder das ganze Wortbild, das allerdings nicht besonders ge- nau definiert ist. Oft genügt schon ein Anfangsbuchstabe, um das ganze Wort zu „erkennen“.

Eine phonologische Durchgliederung des Wortes wäre den Kindern völlig unmöglich.

• Kinder wissen, dass Zeichen für „etwas“ stehen (Coca-Cola, Mc Donalds).

• Die Form und Anordnung wird gemerkt, ohne eine Einsicht in die Buchstaben-Laut-Zu- ordnung zu haben.

• Visuelle Speicherprozesse stehen im Vordergrund; Wörter werden daher wie Bildzeich- nungen abgemalt. Beachtet wird nicht die Lautstruktur, sondern einzelne markante gra- phische Merkmale. In dieser Stufe wird noch nicht von links nach rechts gelesen, son- dern auswendig Gelerntes reproduziert (z. B. Werbelogos).

b) Alphabethische Strategie (ab dem Schuleintritt)

Selbstinstruktion: Achte auf die eigene Aussprache und schreibe für jeden Laut einen Buch- staben!

Auf dieser Stufe kommt es zum Erkennen der Buchstaben-Laut-Beziehung (Phonem-Gra- phem-Korrespondenz). Diese setzt folgende Fähigkeiten voraus:

• Lauterkennung (eu)

• Lautunterscheidung (eu/oi)

• Kennen des entsprechenden Graphems (e-u)

(20)

Schwierigkeiten der alphabethischen Strategie beim Schreiben:

• Kind muss lernen, dass verschiedene Schrifttypen „B“, „b“ auf der lautlichen Ebene nur einem Phonem entsprechen.

• Benennung der Buchstaben erfolgt nicht lauttreu, sondern durch Voran- oder Nachstellen eines weiteren Vokals (eF, Ge, Ha ...)

• Schreibrichtung von links nach rechts

• Zeilensprung

• Feinmotorische Schwierigkeiten (Druckschrift einfacher als Schreibschrift) Schwierigkeiten der alphabethischen Strategie beim Lesen:

• Phonologische Dekodierung von Einzelgraphemen (M, A, M, A)

• Rekodierendes Lesen (Zusammenlautendes Lesen)

• Später Simultanerfassung von Graphemfolgen (fin-den)

• Ist ein Wort nicht ganzheitlich gespeichert, muss wieder auf die Dekodierung von Einzel- graphemen zurückgegriffen werden (= buchstabierendes Lesen)

• Langsames Lesetempo

Falsche Betonung und verzerrte Aussprache führen zu mangelnder Sinnerkennung

• Lesefehler zeigen sich auch in der Verdrehung der Buchstabenabfolge: z. B. „Garten“:

g-gra-grat-grate „Grade“

c) Orthographische Strategie (individuell sehr verschieden, meist im Verlauf des 2. oder 3. Schuljahres)

Selbstinstruktion: Merk dir die von der Lauttreue abweichende Schreibung der Wortstelle und/oder nutze eine dir bekannte Regel für die Schreibung!

Die Kinder müssen erkennen, dass die lauttreue Schreibweise nicht immer zielführend ist und orthographische Regeln zu befolgen sind:

• St/sp

• Auslautverhärtungen (Geld, Welt)

• Erkennen, dass es für manche Schreibweisen keine Regelhaftigkeit gibt (kommen – kam – gekommen)

• Grundlegende Rechtschreibregeln müssen verinnerlicht werden: Groß- und Kleinschrei- bung, Mitlautverdoppelung nach kurzem Vokal, Dehnung

• Speicherung der nicht lauttreu geschriebenen Wörter, Vermeidung von Generalisierun- gen (gehen, geht, gehgangen)

Der Übergang von der alphabethischen zur orthographischen Strategie setzt meist im Alter von 8 bis 9 Jahren ein (Ende der zweiten, Anfang der dritten Schulstufe).

d) Morphematische Strategie (frühestens ab dritter Schulstufe)

Selbstinstruktion: Gliedere die Wörter in ihre Bausteine, suche nach verwandten Wortstäm- men und leite die Schreibung von diesen ab!

Kennzeichen dieser Stufe ist die Automatisierung von häufigen Buchstabenverbindungen und Wortsegmenten. Weiters werden Silben und Morpheme erfasst, was beim Lesen zu ei- ner Entlastung der Konzentrationsleistung führt.

(21)

• Morpho-semantische Zugriffsweise: Erschließung der Wortbedeutung, Ableitung aus dem Grundwortschatz (Obststand = Obst + Stand)

• Morphologische Zugriffsweise: Wortbausteine (Vor- und Nachsilbe, Wortstamm:

ge-fahr-en, Ge-fahr, Ge-fähr-te)

2.1.4.2.

Phonologische Bewusstheit als zentrale Lernvoraussetzung und als wichtiger Begleitprozess für den Schriftspracherwerb

Phonologische Bewusstheit beinhaltet die Fähigkeit, sprachliche Einheiten wie Wörter, Sil- ben und Phoneme identifizieren und unterscheiden zu können.

Untersuchungsergebnisse zeigen , dass phonologische Fähigkeiten im Vorschulalter bereits spätere Lese- und Rechtschreibleistungen vorhersagen können. Aufgaben aus dem phono- logischen Bereich wie die Reimerkennung, die Silbensegmentierung oder das Klatschen von Wörtern in Silben werden als Voraussetzungen für den Schriftspracherwerb gesehen, wobei sich die Fähigkeit der Notation von Sprache in Buchstabenfolgen erst während des Lese- lernprozesses vollständig ausbildet.

Nachdem es nicht möglich ist, alle Kinder in vorschulischen Einrichtungen zu erreichen, ist es sinnvoll, zu Beginn des ersten Schuljahres mit der Förderung der phonologischen Be- wusstheit zu beginnen. Der Einsatz der Spiel- und Übungsformen soll auf kleine, häufige Einheiten verteilt werden. So können beispielsweise viele Spiele im Morgenkreis, zur Auf- lockerung zwischendurch oder in Phasen offener Arbeit eingesetzt werden; das Training kann aber auch ausschließlich als Fördermaßnahme für schwache Schüler/innen ange- wendet werden.

Vier Übungsbereiche zur phonologischen Bewusstheit stellen sich dar:

a) Lausch- und Reimaufgaben:

• Laute heraushören (au in Auto, au in Eimer)

• Position des Lautes (Anfang, Mitte oder Ende des Wortes)

• Laute ersetzen (Kasperlsprache = heute ist i-Tag z. B. Mirini statt Maroni)

• Reime erkennen (Mann – Maus – Haus) b) Aufgaben zur Silbe:

• Segmentieren und Silben (Silbenklatschen, z. B. Te-le-fon, Sprechsilben mit Silben- bögen darstellen)

• Synthetisieren Silben (Silbenrätsel, zusammengehörige Silben zu einem Wort setzen)

• Erfassen des Wortes als sprachliche Einheit durch Vergleich von Wörtern nach ihrer Silbenanzahl

c) Aufgaben zu Phonemen:

• Hören von Anlauten, Inlauten und Endlauten

• Training von lauttreuem Wortmaterial unter Einbeziehung verschiedener Formen der Verschriftung (OMA): Wörter in ihre Laute aufgliedern und die entsprechenden Buchstaben oder Buchstabengruppen zuordnen (SCH-U-L-E).

(22)

Deutlich sprechen! O M A

Gedehnt sprechen! O – M – A

Für jeden Laut einen Stein legen! O / M / A

Tippe und sprich dazu! Hör genau hin! O / M / A

(23)

d) Aufgaben zum schnellen Lesen:

• Schnelles Erfassen häufigen Wortmaterials (Blitzlesen)

• Gliederung von Wörtern in Silben (Silbenbögen zur optischen Gliederung)

• Gliederung von Wörtern in Wortbausteinen (Vor-, Haupt- und Endmorpheme:

ver/lauf/en)

Mangelnde Ausdrucksfähigkeit, ein geringer Sprachschatz und wenig Sprachgefühl kenn- zeichnen die Situation vieler Erstklässler. Die gemeinsame Anfangsphase kann einiges kompensieren und eine gemeinsame Basis bei allen Kindern schaffen, um darauf ein fortfüh- rendes Lese- und Schreibtraining aufzubauen.

2.1.4.3.

Die Arbeit nach dem Spracherfahrungsansatz im Unterricht a) Motivationale Aspekte

Nicht alle Kinder sind im Vorschulalter mit Büchern im Elternhaus konfrontiert und Großmüt- ter, die Zeit zum Märchen vorlesen haben, werden auch immer seltener. Fernsehen und Computerspielen ersetzen oft die Zeit für Zeichnen, Schreiben und Lesen.

Damit ist es unabdingbar geworden, im Anfangsunterricht vermehrt Wert auf die Förderung des Leseinteresses und auf die Nutzbarkeit der Schriftsprache zu legen. Wichtig erscheint es, dem individuellen, entdeckenden Lernen der Schüler/innen mehr Raum zu geben; indem sie die Möglichkeit erhalten, an Wörtern die Rechtschreibung zu üben, die sie auch später am häufigsten verwenden.

b) Möglichkeiten des handelnden Umgangs mit der Welt der Schrift

Es ist für den Erstunterricht zu fordern, Kinder möglichst oft zum spontanen Schreiben anzu- regen und diese nicht für deren Fehlversuche zu sanktionieren. Im Vordergrund steht die Gruppen- und Einzelarbeit, in der die Schüler/innen an einem freien Text schreiben, mit anderen eine Geschichte oder einen Artikel für die Klassenzeitung verfassen oder auch ein neu gelerntes Wort in die Rechtschreibkartei übertragen. Die Aufgabe der Lehrerin/des Leh- rers in der Lernprozessbegleitung besteht darin, das Kind von der lauttreuen Verschriftung dahin zu führen, abweichende Prinzipien zu berücksichtigen und Hilfestellungen gegeben erhält, wie sie diese weiteren, zum Schreiben nach der Normschrift, notwendigen Elemente integrieren kann.

Die Bedeutung des Vorlesens durch Erwachsene

Die Kinder sollen durch Vorlesen zum selbstständigen Lesen animiert werden. Während des Schriftspracherwerbs soll die Möglichkeit des Nachschlagens in Fachbüchern gefördert werden (Bilder-Duden).

Arbeit an freien Texten

Texte enthalten eigene Erlebnisse oder Geschichten. Diskussionen über verschiedene Schreibanlässe finden statt.

Kommunikative Ansätze

Angefertigte Texte werden gegenseitig vorgelesen und diese im gemeinsamen Klassenbuch oder einer Zeitung veröffentlicht.

Um dabei die Hypothesenbildung in Bezug auf die Rechtschreibung zu schärfen, ist es empfehlenswert, nach der Erstellung des Textes durch die Schülerin/den Schüler den Text-

(24)

entwurf nicht einfach zu korrigieren, sondern falsch geschriebene Wörter in korrekter Ortho- graphie neben den Originaltext zu schreiben, um ihm die Gelegenheit zu geben, zu Hypo- thesen zu gelangen und ihre/seine Fehler erklärbar zu machen. Entscheidend ist, dass das Kind Spaß an der Sache findet und lernt, mit der Sprache spielerisch kreativ umzugehen.

Arbeit mit Stempeltechniken

Diese Technik eignet sich besonders für Kinder, die erst am Anfang des Schriftspracher- werbs stehen, da ihre Texte noch nicht allzu lange sind. Das Problem der unleserlichen Schrift bei Legasthenikern wird damit behoben, die Einhaltung der Zeile gelingt, das Kind muss jeden Buchstaben handelnd begreifen und kann sich dadurch Buchstaben und Buch- stabenkombinationen leichter einprägen. Beim Zusammensetzen lautiert das Kind und Kor- rekturmöglichkeiten bestehen bis zuletzt.

Schreibmaschine und Computer

Im weiteren Fortschritt des Schriftspracherwerbs empfiehlt sich durch die immer länger wer- denden Texte der Einsatz einer Schreibmaschine oder des Computers, da sich Kinder mit großem Eifer mit dem Gerät vertraut machen, eine erstaunliche Ausdauer beweisen und die Korrekturmöglichkeiten wesentlich bequemer und vielfältiger sind. Rechtschreibschwache Kinder profitieren vor allem durch das Schreiben am Computer, weil sie nicht an alle Kompo- nenten des Schreibens gleichzeitig denken müssen. Sie können sich erst einmal auf den Inhalt konzentrieren, während sie die formalen Aspekte, Rechtschreibung, Zeichensetzung usw. in einem späteren Durchgang erledigen.

Arbeit mit Rechtschreibkarteien

Auf Grund der beobachtbaren Lese- und Rechtschreibprobleme eines Kindes können spe- zielle Übungsaufgaben zusammengestellt werden, die der Schwierigkeit des Kindes ange- passt sind. Für sehr schwache Leser/innen eignen sich überschaubare Texte, bei denen sie auch etwas tun können: malen, ausfüllen, ankreuzen oder zuordnen. So werden lese- schwache Kinder langsam an Bücher herangeführt.

2.1.4.4.

Literatur

Sassenroth, M. (2000). Schriftspracherwerb. Verlag Paul Haupt, 4. Auflage. Bern Wehr, S. (2001). Was wissen Kinder über Sprache. Verlag Paul Haupt

Forster, M./Martschinke, S. (2002). Diagnose und Förderung im Schriftspracherwerb.

Band 1, Auer Verlag. Donauwörth

Forster, M./Martschinke, S. (2002). Diagnose und Förderung im Schriftspracherwerb.

Band 2, Auer Verlag. Donauwörth

Autorin des Artikels:

Mag. Karin Bleyer

Klinische- und Gesundheitspsychologin am Beratungszentrum für Schulfragen Beratungslehrerin, Diplompädagogin

Legasthenie-, Dyskalkulie- und Sprachtherapeutin Friedrich-Teller-Gasse 13/6/4, 1100 Wien

Telefon: 0699/12 584 000 Mail: [email protected]

(25)

2.1.5.

Therapie von Legasthenie

2.1.5.1 Allgemeines

Therapeutisches Vorgehen bei der Lese- und Rechtschreibstörung ist eine komplexe und an- spruchsvolle pädagogische Tätigkeit, die sich von Nachhilfe und Training deutlich abgrenzt und von fundiert ausgebildeten Fachleuten durchgeführt werden muss.

• Legasthenietherapie ist diagnosegeleitet. Eine gründliche Anfangsdiagnose ist Voraus- setzung einer Förderplanung. Die Orientierung an den Stufenmodellen des Schriftsprach- erwerbs gilt als unverzichtbar. Die Arbeit an der Schriftsprache soll, ausgehend von der Rechtschreibkompetenz des Kindes, Erfolg erbringen. Der Einstieg in das Übungspro- gramm erfolgt dort, wo noch erfolgreiche Arbeit stattfinden kann und setzt sich schritt- weise fort.

• Legasthenietherapie erfolgt durch Individualisierung der Lernprozesse und genauer Er- folgskontrolle. Die Sicherheit im Umgang mit der Schriftsprache wird systematisch und langsam aufgebaut und kann sich oft zu einem Thema über Wochen ziehen.

• Legasthenietherapie versteht sich ganzheitlich und beachtet auch soziale und emotionale Aspekte. Dabei wird neben der vorrangigen und unverzichtbaren Arbeit an Lese- und Schreibprozessen durch spielerische und motorische Elemente die Selbstorganisation, das Arbeitsverhalten und die Konzentration gefördert und das schulische und familiäre Umfeld des Kindes miteinbezogen.

• Eine Legasthenietherapie muss völlig sanktionsfrei sein! Bei Verweigerung: Ursachen er- forschen, niemals Sanktionen erteilen! Damit wird die positive Motivation für das Lernen gefördert.

Kein vermehrtes Üben und Drängen, sondern neue Techniken und kompensatorische Strategien anwenden.

• Bei vorhandenen zusätzlichen Teilleistungsstörungen im sprachlichen, motorischen oder Wahrnehmungsbereich wird die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Logopädinnen/

Logopäden, Motopädagoginnen/-pädagogen und Ergotherapeutinnen/-therapeuten angestrebt.

2.1.5.2.

Bestandteile einer Betreuungseinheit (Einzel- und Gruppentherapie)

• Aufwärmphase

Ziel ist es, die innere Bereitschaft des Kindes zur Arbeit zu schaffen (Gespräch oder Spiel)

• Wiederholungs- und Übungsphase

Besprechen der Arbeitsaufträge und Hausübungen Inhaltliche Wiederholungen der zuletzt erarbeiteten Inhalte

• Erarbeitungsphase des neues Stoffes (nicht in jeder Stunde) Kindgerechte Aufbereitung des neuen Lernstoffes

Erarbeitung auf verschiedenen Sinnesebenen

Anwendung des neues Stoffes auf diversen Wegen (Lernspiel, Arbeitsblatt ...)

• Abschlussphase

Spielzeit, Gesprächszeit, Entspannungszeit (Kuschelecke) Bedachtnahme auf eventuelle Guthaben aus Spielminuten

(26)

2.1.5.3.

Übersicht über Inhalte und Methoden einer an den Stufen des Schriftspracherwerbs orien- tierten Legasthenietherapie

Rechtschreibstrategien a) Alphabethische Strategie

Das Kind schreibt für jeden hörbaren Laut einen Buchstaben, macht aber noch viele nicht- lauttreue Fehler – Wlad = Wald, Gtn = Garten), sodass noch nicht von einer sicheren laut- treuen Schreibweise gesprochen werden kann. Oft werden Buchstaben nicht richtig wieder- gegeben, Konsonantenverbindungen (sch, ch) immer wieder vergessen. Alles in allem sind die Wörter oft nicht entzifferbar.

Trainingsansatz:

Ausgehend von denjenigen Lauten, die das Kind sicher beherrscht erfolgt eine systemati- sche Erweiterung und Festigung des Buchstabenwissens mit vorrangigem Lernen von dauerhaft sprechenden Lauten: alle Vokale, Mitlaute wie f, l, m, n, r, s

• Arbeit mit sinnlosen Silben (mu-li, le-fa) und kurzen Wörtern:

- Zweisilbig: Su-si, Ma-ma (Konsonant/Vokal/Konsonant/Vokal = K V K V) - dreisilbig: Sa-la-mi, Me-lo-ne

- Namen miteinbeziehen

- Schwierigkeitsgrad steigern: Unregelmäßigkeit von K/V ... Maul, Raum, frei

• Arbeit mit Silbenbögen: Silbenklatschen, Silbenmalen, Silbenhüpfen

• Arbeit mit allen Sinnen:

- taktil-kinästhetischer Weg: Formen der Buchstaben aus Plastilin oder Teig, Aus- schneiden, blind ertasten, auf Rücken schreiben, Nachspuren, Mitsprechen, Mitarti- kulieren, Setzkastenübungen, Moosgummibuchstaben, Lippenform im Spiegel be- trachten, Handzeichen zu Lauten erlernen ...

- optischer Weg: viele Papier- und Bleistiftübungen (Vergleichen, Herausfinden ...) - akustischer Weg: Gesamte Lautschulung (Lautidentifikation, Laute erkennen, Laute

weglassen, hinzufügen, Laute vertauschen, Silben klatschen ...)

Evaluierte Therapieprogramme:

Kieler Leseaufbau

Kieler Rechtschreibaufbau (gelbe Kärtchen) Lauttreue Wörterliste (Qualitätszirkel Legasthenie)

b) Übergangsstufe von alphabethischer zur orthographischer Strategie

Das Kind verfügt bereits über die Fähigkeit, die meisten Wörter lautgetreu richtig zu schreiben und macht nur noch vereinzelte Auslassungsfehler von hörbaren Lauten. Die Anzahl der orthographischen Fehler ist hoch.

Trainingsansatz:

Festigen und Üben der lauttreuen Wörter, die dem Kind das Gefühl vermitteln, viele Wörter auch schon richtig schreiben zu können. (Auszug aus dem Kieler Leseaufbau: Ba-na-nen- eis, Sei-fen-do-se, Haus-auf-ga-ben, Dau-nen-fe-der, Au-to-rei-fen, Wa-ren-zei-chen, Mo-fa-re-pa-ra-tur, To-ma-ten-sa-lat ...).

(27)

Anzumerken ist, dass unter dem Begriff „lauttreue Schreibweise“ lediglich die Buchstaben- Lautzuordnung, die gehört werden kann, gemeint ist. Eine differenzierendere Betrachtung, die beispielsweise Linguisten vertreten, dass der gleiche Laut, wie e bei Esel, unterschiedlich ausgesprochen wird und daher das Wort NICHT lauttreu ist, wird auf dieser Stufe des

Schriftspracherwerbs für nicht hilfreich empfunden, da ja für e nur ein Zeichen gilt und die Kinder lernen müssen, dass dieser Laut eben unterschiedlich artikuliert werden kann, aber trotzdem immer das gleiche Zeichen dafür steht.

Die Arbeit mit Silbenbögen hilft, kleine überschaubare Lauteinheiten auf die richtige Ver- schriftlichung zu überprüfen.

Evaluierte Programme:

Lautgetreue Rechtschreibförderung: Band 2 und 3/Phonemstufe 1

GEIST-REICH: Arbeitsblätter zum Kieler Lese- und Rechtschreibaufbau mit Lautgebärden- sprache

Kieler Rechtschreibaufbau: weiße Kärtchen c) Orthographische Strategie

Das Kind schreibt die lauttreuen Wörter gesichert, hat aber noch ein ungenügendes Regel- wissen aufgebaut.

Trainingsansatz:

Es erfolgt nun ein stufenweiser Aufbau von Regelwissen und die weitere Kontrolle des Ge- schriebenen durch Silbenbögen. Erste Regeln, die die Kinder oft schon anwenden können sind die Endungen auf -er und -en. Weiters wissen sie häufig, dass st und sp anders ge- schrieben als gesprochen werden.

• Mitlautverdoppelungen

Zum systematischen Erkennen von Mitlautverdoppelungen wird von Autoren wie Schulte- Körne das Training zum Erkennen von Vokallängen als sehr wichtig angesehen. Eine alternative Möglichkeit besteht nach Reuter-Liehr im Ansatz der Silbentrennung von Doppelmitlauten (Mut-ter). Die jeweiligen Programme „Marburger Rechtschreibtraining“

und „Lautgetreue Rechtschreibförderung“ bauen didaktisch und methodisch dement- sprechend unterschiedlich auf.

• Großschreibung

Zur Festigung der Großschreibung bieten sich folgende Möglichkeiten je nach Entwick- lungsstand des Kindes:

- Semantischer Weg: alles, was man anfassen kann (bis 2. Schulstufe)

- Syntaktischer Weg: Artikel gehört zum Nomen (der, die, das, des, dem, den), unbe- stimmter Artikel mit Deklinationen, Präpositionen (am, beim, vom, zum, zur, ins ...) - Morphematischer Weg: Nomen-Bausteine: -heit, -keit, -nis, -schaft, -ung (erst in

höheren Schulstufen sinnvoll)

Grundregel:

Wir schreiben ein Wort nur dann groß, wenn wir eine Begründung dafür haben.

z. B. Kann man anfassen, ist ein Ding ...

HINWEIS auf Begleiterprüfung ist bei „das“ manchmal irreführend, man kann vor jedes Wort ein „das“ setzen

(28)

• Signalgruppentraining

Unter Signalgruppen sind häufig vorkommende und lautlich prägnante Vokal-Konsonan- tengruppen wie z. B. ill, ink, itz, ett, ank, ack, opf, opp, ach, amm, ick ... gemeint, die sich vor allem in Form von Reimwörtern zum Festigen gut eignen:

Mitte/Bitte Ritter/Gewitter Schlitten/bitten/mitten/kitten/geritten - Erarbeitung oder Vorgabe der Signalgruppe (Rätsel, Schulübung)

- Einprägen auf verschiedenen Wahrnehmungskanälen (Hören, Sehen) - Finden von Wörtern (Wörterbuch, Text, Wörterliste)

- Ordnen der Wörter nach Namenwort, Zeitwort und Eigenschaftswort - Nachspuren der Signalgruppe

- Diktat (mit Selbstkontrolle): Dosendiktat, Laufdiktat - Sätze bilden mit den Wörtern

Evaluierte und weitere empfehlenswerte Programme:

Lautgetreue Rechtschreibförderung: Phonemstufen 2 - 6 Kieler Rechtschreibaufbau: ab grünen Kärtchen

Marburger Rechtschreibtraining Die Wortbaustelle

Psycholinguistische Lese- und Rechtschreibförderung Rechtschreibsystem Klugi – aktiv

d) Morphematische Strategie

Wichtiges Anliegen der Legasthenietherapie. Ziel ist die systematische Speicherung mor- phologischer Ganzheiten (ab 3. Klasse). Anwendung, weil Regellernen oft versagt (Uhr – Schnur)

Drei Gruppen von Morphemen Vor-, Haupt- und Endmorpheme

Vor- und Endmorpheme existieren in begrenzter Zahl, trainieren sich fast automatisch.

Hauptmorpheme müssen von den Kindern gespeichert und regelmäßig wiederholt werden.

Der Schwierigkeitsgrad der Wortstämme muss auf die Schulstufe abgestimmt sein.

Vormorpheme Hauptmorpheme Endmorpheme

aus trink en

ein beug e

ab schrei st

vor steig t

um sitz end

ruf komm bring find

Hinweis: Silbe ist nicht gleich mit dem Morphem

Referenzen

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