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REFLEXIONEN ÜBER EINEN ALLTAGSGEGENSTAND

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REFLEXIONEN UBER EINEN ALLTAGSGEGENSTAND

<Slcmichr%chc\ MUSEUM fur VOLKSKUNDE

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Ö sterreichisches M useum fü r Volkskunde 3 1 . A u g u st 2 0 0 3 bis 31. Jän n er 2 0 0 4

Kataloge des Österreichischen Museums für Volkskunde, Band 83

(4)

MESSER SCHARF

REFLEXIONEN ÜBER EINEN ALLTAGSGEGENSTAND

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Ö sterreichisches M useum fü r Volkskunde

(5)

MESSERSCHARF

Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Österreichischen Museum für Volkskunde 31. August 2003 bis 31. Jänner 2004

Kataloge des Österreichischen Museums für Volkskunde, Band 83 Eigentüm er, H erau sgeber und V erleg er

Österreichisches Museum für Volkskunde A-1080 Wien, Laudongasse 15-19

Direktion: Hofrat Hon.-Prof. Dr. Franz Grieshofer Redaktion

Franz Grieshofer, Kathrin Pallestrang Grafik

Mikki Muhr Cover Ursula Meyer Foto grafie Helena Bakaljärovä

Matthias Beitl (Fotos Seite 78 und 120 oben) Druck

Holzhausen Druck & Medien GmbH ISBN 3-902381-01-9

Wien 2003

© Österreichisches Museum für Volkskunde

AUSSTELLUNG

P rojektleitung Franz Grieshofer K uratieru ng Kathrin Pallestrang V erm ittlungsprogram m Claudia Peschel-Wacha Katharina Richter-Kovarik G estaltu ng

Alexander Kubik

Leihgeber

MMD - Museen des Mobiliendepots - Wien Morocutti Messerschmiedemeister Museen der Stadt Wien

Prähistorische Abteilung, Naturhistorisches Museum Wien Wiener Kriminalmuseum

K o o p eratio n sp a rtn er und Sponsoren

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Berndorf Besteck-Tafelgeräte GmbH.

Club Ö1

Innung der Schlosser und Schmiede Museumsdorf Trattenbach

Messerermuseum Steinbach an der Steyr Oberösterreich Tourismus

Nationalpark Kalkalpen Region Ennstal Stubai Werkzeugindustrie reg. Gen.m.b.H.

Verein Roma

Victorinox Österreich Repräsentanz WMF Österreich GmbH.

WIR DANKEN UNSEREN LEIHGEBERN, KOOPERATIONSPARTNERN UND SPONSOREN

(6)

INHALT

VORWORT Franz G rieshofer 7

M ESSER - EIN GEBRAUCHSGEGENSTAND A LS SAMMELOBJEKT Franz G rieshofer

9

WIE DAS M ESSER SEIN E SPITZE VERLOR...

BETRACHTUNGEN ZUM THEMA BESTECK Kathrin Pallestrang

16

BILDTEIL 25

KATALOG 79

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VORWORT

"M etallarbeiten haben mit der eigentlichen Volkskunst in der Regel keinen unm ittelbaren Zusam m en ­ hang. Sie sind im m er aus den Händen des G ew erb es h ervo rg eg an g en .1 A b er sie haben doch, zum Teil m it dem Leben des Volkes en g verw ach sen , fü r seine Bedürfnisse bestim m t und in seinem G esch m ack gearbeitet, in einigen Klassen so deutlich volkskünstlerischen C h ara kter und eine so ausgeprägte vo lks­

tüm liche A rtu n g , dass sie ohne Bedenken als W erke der Volkskunst anzusprechen sind.

Zu diesen M etallarbeiten gehören auch die volkstüm lichen Bestecke und Messer, besonders in jen er reichen und phantasievollen En tw icklu n g , w e lch e sie in der alpenländischen Produktion und Lebens­

sitte erfahren h ab e n ."

Diese Zeilen schreibt M ichael Haberlandt unter Hinw eis au f seine erste große Überblicksdarstellung der

"Ö sterreichischen V o lksku n st" im III. und leider auch letzten Band der von ihm herausgegebenen Reihe "W e rke der V o lk sk u n st"2. A bgesehen davon, dass er m eint, sich im Rahmen der V o lksku n st­

debatte rechtfertigen zu m üssen, dass er sich mit dem M esser beschäftigt, bietet seine A bhandlung über w e ite Strecken die einzige M öglichkeit, sich über die Besteck- und M essersam m lung des Ö sterrei­

chischen M useum s fü r Vo lkskunde einen Überblick zu versch affen . Leopold Schm idt zum Beispiel streift in seinem Buch "V o lksku n st in Ö sterre ich ", bei dem er sich ebenfalls au f die Sam m lung des Österreichischen M useum s fü r Volkskunde stü tzt, dieses Kapitel näm lich nur m arg in al.3 Zw ei Bestecke und drei Trattenbacher "Fe ite l" bilden die einzige A u sbeute im Bildteil. In der vom Salzburger Residenz-Verlag herausgegebenen Volkskunst-Reihe über au sg ew äh lte Objekte des M useum s behan­

delte Klaus Beitl im Band "V o lksg lau b e" die so genannten Trudenm esser.4 A u ßerh alb der "m u seu m sei­

gen en " Publikationen berücksichtigt nur noch G ertrud Benker die Bestecksam m lung, doch bringt sie im um fangreichen Bildteil ihres Besteckbuches ebenfalls bloß je n e Stücke, die auch bei Leopold Schm idt abgebildet sin d .5 Dazu zählt auch die eindrucksvolle Tischplatte mit dem aufgem alten G edeck aus Oberösterreich.

Es scheint daher höchst an der Zeit, die um fangreiche und in ihrer G esam theit bedeutende Sam m lung an Bestecken, M essern, G abeln und Löffeln zu einem w esen tlichen Teil in einer A usstellung vo rzustel­

len und katalogm äßig zu erschließen. Vorarbeiten d afür w u rd en in einer Lehrveranstaltung des Insti­

tuts fü r Europäische Ethnologie der Universität W ien geleistet. An Hand der Inventarbücher w u rd e eine Liste der Bestecke und M esser erstellt und der Bestand chronologisch nach den Inventarnum m ern geordnet. Die Konvergenz von Ist- und Sollbestand und die Sichtung der O bjekte w u rd e von Kathrin Pallestrang durchgeführt.

Insgesam t enthält der A usstellungskatalo g 4 6 3 Positionen. M ehrteilige Bestecke, M esser sam t Schei­

den beziehungsw eise zusam m engehörige M esser und G abeln w erden unter einer Position gefü hrt. So auch die neunzehn gleichartigen D am enm esser aus Dalm atien oder einige gleiche Feitel. 3 83 Positio­

nen an M essern und G abeln aus dem Inventarbestand bleiben in der A usstellung und im Katalog u nberücksichtigt. Das trifft bis au f einige w e n ig e eindrucksvolle Beispiele auch a u f die Löffel zu , von denen das M useum eine ähnlich große A n zah l w ie an M essern besitzt. Ebenso ist der Bestand an schneidenden W erkzeug en w esentlich grö ßer als in der A usstellung gezeigt w ird. U m gekehrt fehlen

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im Katalog die prähistorischen Messer, die von der A bteilung fü r Ur- und Frühgeschichte des N atur­

historischen M useum s fü r die A usstellung zur Verfügung gestellt w u rd en , ebenso die von verschiede­

nen Firmen beigesteuerten Beispiele g egenw ärtig er M esserproduktion. Ein Blick in die Spezialgeschäfte und in die Kataloge alteingesessener Firmen zeigt näm lich, w ie sehr ein scheinbar zeitloser G eg en ­ stand sow ohl technischen als auch ästhetischen Neuerungen unterliegt. A bgesehen von den m oder­

nen Designs können die M esser mit einer neuen Q ualität a u fw a rte n , die sie neuerdings w ied e r zu begehrten Sam m elobjekten m acht.

Indem sich unser Katalog ganz bew usst ausschließlich au f die historische Besteck- und M essersam m ­ lung des Ö sterreichischen M useum s fü r V o lkskunde, die hier erstm als im Verlaufe seiner über hundert­

jährigen G eschichte präsentiert w ird, beschränkt, o ffenbart sich gleichzeitig ein nicht geringes Defizit.

Denn der Bestand an Bestecken, M essern, Löffeln und G abeln m acht deutlich, dass etliche Bereiche dieser um fassenden Them atik ausgespart blieben, dass vor allem der A n schlu ß an die g egenw ärtig e Messer- beziehungsw eise Besteckproduktion verp asst w u rd e. Die Beschränkung a u f "A lp enlän d ische Bestecke und M esser von volkstüm licher A rtu n g " , w ie es der Titel des eingangs zitierten Beitrages von M ichael Haberlandt signalisiert, brachte es m it sich, dass etw a kein m ehrteiliges Besteck eines bürger­

lichen Haushaltes in der Sam m lung zu finden ist. Eine Leihgabe der M useen des M obiliendepots soll diese Lücke in der A usstellung schließen.

Die A usstellung versteht sich daher vor allem als A n sto ß, der vielfältigen Erscheinungs- und V e rw e n ­ dungsw eise des M essers innerhalb unserer alltäglichen Kultur neuerlich verm ehrte A u fm erk sam k eit zu sch en ken . Es gilt das Bew usstsein zu schärfen und das M esser über seine banale Funktion hinaus als Bedeutungsträger fü r den M enschen zu erkennen. In diesem Sinne ist auch der Titel der A usstellung zu verstehen: M esserscharf m öchte zu Reflexionen über einen A lltagsgegenstand au ffo rdern !

Die M useum sleitung dankt allen, die zum Gelingen der A usstellung beitrugen: den Leihgebern, den Kooperationspartnern und ganz besonders den Sponsoren, insbesondere dem Bundesm inisterium fü r Bildung, W issen sch aft und Kultur, w eiters dem Team , das die Verbindung zu den Firmen herstellte, und jenen die unm ittelbar zu r Verw irklichung der A usstellung beitrugen. Ein besonderer Dank gilt Frau M ag. Kathrin Pallestrang, die die A usstellung mit Um sicht kuratierte.

Franz G riesho fer

1 Haberlandt, Michael: Österreichische Volkskunst. Aus den Sammlungen des Museums für österreichische Volkskunde in Wien.

Illustrierter Textband und 120 Tafeln. Wien 1911

2 Haberlandt, Michael: Alpenländische Bestecke und Messer von volkstümlicher Artung. In: Werke der Volkskunst. Hg. von Michael Haberlandt, III. Band, Wien 1917, 1-7, 3 Abb.

3 Schmidt, Leopold: Volkskunst in Österreich. Wien 1966, Abb. 53, 54, 55

4 Beitl, Klaus: Volksglaube. Zeugnisse religiöser Volkskunst. Salzburg 1978, Abb. 6 a-g

5 Benker, Gertrud: Alte Bestecke. Ein Beitrag zur Geschichte der Tischkultur. München 1978, Abb. 353, 354, 357, 358, 360

B

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MESSER - EIN GEBRAUCHSGEGENSTAND ALS SAMMELOBJEKT

Franz G rieshofer

Es gehört zu den m erkw ürdigen Phänom enen m enschlicher Kultur, dass man erst dann über einen G egenstand nachzudenken beginnt, w en n dieser zum Sam m elobjekt w u rd e. Im alltäglichen G eb rau ch fin d et seine Existenz kaum Beachtung. Es gehört w eiters zu den Selbstverständlichkeiten a u f der W elt, dass ein Ding, w en n es ab g en ü tzt oder kaputt gegangen ist, durch ein neues ersetzt und das alte, so es nicht einem anderen Z w eck zu g efü h rt w ird , beiseite gelegt oder entsorgt w ird . Das M oderne tritt an die Stelle des Überholten. Das Vergangene en tsch w in d et dem G ed ächtnis. Beim Sam m eln und A u f­

bew ahren hingegen w ird das A bgeleg te w ied e r in das Bew usstsein zu rü ckgeh o lt. Das nutzlos G e ­ w o rd en e bekom m t eine historische Bedeutung zu g ew ie se n . Das Sichtbare gew in n t das Unsichtbare zu rü ck.

A uch w e n n vom Sam m eltrieb gesprochen w ird , fo lgt der M ensch beim Sam m eln nicht einem an g e­

borenen Instinkt, sondern speziellen Interessen. Diese können von der ästhetischen Befried igung, von der persönlichen G enugtuung über den raren Besitz, von der gezielten W ertan lag e bis zu r Steigerung von M acht und Prestige reichen. Das Sam m eln hat aber auch die Bew ah ru n g von Kulturgut und den w issenschaftlichen Erkenntnisg ew inn zum Ziel. Das institutioneile Sam m eln unterscheidet sich dabei sehr w esen tlich vom privaten Sam m eln. Ersteres zeichnet sich dadurch aus, dass es au f Dauer angelegt ist und dass die Sam m lung der Ö ffen tlich keit in Form von Ausstellungen oder Studiensam m lungen z u ­ gänglich bleibt. Das institutioneile Sam m eln ist w eitgeh en d den M useen Vorbehalten.

Zw ischen dem privaten Sam m eln und den M useen gibt es freilich enge V erflechtung en, da viele Privat­

sam m lungen als G anzes oder zum Teil von den M useen im W ege von A n kä u fe n oder im Zuge von A uktio nen erw orben w erden konnten. Und noch eine zw e ite Parallele lässt sich konstatieren: Das Sam m eln unterliegt konjunkturellen M oden.

Das trifft insbesondere au f die M essersam m lungen zu. Z w a r findet man bereits in den Inventaren der fürstlichen Kunst- und W u n d erkam m ern der Renaissance M esser und Bestecke verzeichnet. Bevorzugt w aren au ß erg ew öh n lich e Einzelstücke mit kostbaren G riffen aus G old, Bergkristall, Bernstein, Elfen ­

bein oder Perlmutter. Ab der M itte des 19. Jah rh u n derts, mit dem verstärkten Interesse an G esch ich te, avancierten Messer, Löffel und G abeln zu w ich tig en kulturhistorischen Zeugnissen der jew eilig en Epochen. Der stärkste Impuls zum Sam m eln von Bestecken und M essern ging vom K u n stg ew erb e aus.

Nicht nur die im G efolge der W eltausstellungen entstehenden K u n stg ew erbem u seen , sondern auch viele der großen Sam m ler von K u n stg ew erbe hatten ihre "B e ste ck ab te ilu n g ". Beispielhaft sei hier nur der Name von A lbert Figdor (1 8 4 3 - 1927) genannt, der zu seiner Zeit zu den größten Sam m lern Europas z ä h lte .1 In seiner einzigartigen Sam m lung, die nach seinem Tode von W ien aus leider in alle W elt zerstreut w u rd e, befand sich auch eine bedeutende Kollektion an M essern, Löffeln und G abeln speziell aus dem M ittelalter und der Renaissance, die in den frühen 4 0 e r Jahren im Zuge eines Exponatenaustausches mit dem Kunsthistorischen M useum in das M useum fü r an g ew an d te Kunst gelangte. A ls das M useum fü r an g ew an d te Kunst 19 9 0 seine Bestecksam m lung in einer Sonderaus­

stellung präsentierte, zeigte sich, dass an n äh ern d die Hälfte der vorgestellten O bjekte als M arken-

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Zeichen ein " F " fü r Figdor tru g e n .2

Neben den universellen K unstg ew erbesam m lern gab es auch eine Reihe von ausgesprochenen Spezialisten. Klaus M arquardt fü h rt in seinem Buch "Euro päisches Eßbesteck aus acht Jah rh u n d erten . Eine K u nstsam m lung" eine A n zah l dieser Persönlichkeiten nam entlich an und verw eist au f das Schicksal ihrer Sam m lungen, die in der Regel im A uktio nshaus en d e te n .3 Ein großer Teil davon landete in den M useen.

A u f einen ähnlichen W erdegang blickt die Peterm andl'sche M essersam m lung im H eim athaus von Steyr, O berösterreich, z u rü ck .4 Sie verd ankt ihre Existenz der Liebhaberei eines originellen und hochbe­

gabten M annes, der sich bereits seit seiner Jug endzeit zu den M essern hingezogen fü h lte und das M essersam m eln zu seiner Passion m achte.

A nton Peterm andl, am 2. Juli 18 2 0 in Linz geboren, entstam m te einer Salzburger P fle g e rfam ilie .5 Seine Kindheit verbrachte er in Salzburg, w o er auch das G ym nasium besuchte. Beruflich w a r er als Rechnungsoffizial 1. Klasse in der Provinzial-Staatsbuchhaltung in Salzburg tätig. Nach seiner Pensio­

nierung arbeitete er als Buchhalter und Verw alter in verschiedenen geistlichen Institutionen der Stadt.

Seine sparsam e Lebensführung m achte es ihm m öglich, zahlreiche Reisen zu un tern ehm en , von denen er stets M esser mit nach Hause brachte. So w a r im Laufe der Jah re eine stattliche Sam m lung zustande gekom m en, die er im Jahre 1880 anlässlich eines A nthrop olo gentag es in Salzburg erstm als präsentier­

te. Dam it gelang es ihm , breites Interesse in der Ö ffentlichkeit zu w e cken und sogar die A u fm e rk sam ­ keit von Kronprinz Rudolf au f die Sam m lung zu lenken.

Im Jahre 1882 w u rd e A nton Peterm andl als Kustos an die k.k. Fachschule und V ersuchsanstalt fü r Eisen- und Stahlindustrie in Steyr berufen und seine Sam m lung, die ab diesem Z eitpunkt in der Fach­

schule untergebracht war, vom Staat an g ekau ft. In den Jahresberichten dieser A n stalt lässt sich das A n w ach sen der "Peterm andel'schen M essersam m lung " in den folgenden Jahren gu t nachvollziehen.

Der sechste Jahresbericht en th ält näm lich einen "K atalo g über die Erw erbungen fü r dieselbe seit deren Uebergabe an das hohe A erar mit Ende des Jahres 1882 bis inclusive 1 8 8 9 " .5 Darin w e rd e n ab Num m er 1263 säm tliche M esser nach A rt und H erku nft beschrieben. Dem nach u m fasste die aus Salzburg m itgebrachte Sam m lung 1262 Stück, die bis zum Jah r 1889 au f 2621 Stück an w u ch s. 36 0 Stück davon kam en g eschenkw eise, 56 7 durch A n k a u f und 4 4 2 über Verm ittlung der Konsulate aus dem nahen und fernen Osten hinzu. Peterm andl, der am 2 8 . Septem ber 1900 starb, ordnete seine Sam m lung nach regionalen G esichtspu n kten . A ls diese im Jahr 1916 au f annähernd 4 0 0 0 O bjekte ang ew achsen w ar, m usste sie w eg en Platzm angels leihw eise an das Technische M useum in W ien abgegeben w erd e n , ehe sie in den fü n fzig e r Jahren w ied e r in das neu errichtete Eisenm useum nach Steyr zu rü ck ke h rte .7

Das Heim atm useum Steyr beherbergt aber w esen tliche Teiler einer w eiteren Besteck- und M esser­

sam m lung, die von einem bedeutenden Bürger der Eisenstadt ang elegt w o rd en w ar, näm lich je n e des G rafen Lam berg.

Franz Em m erich G ra f von Lam berg (3 0 .4 .1 8 3 2 - 1 8 .9 .1 9 0 1 ) konnte es sich dank seiner reichen Besitz­

ungen leisten, sich bereits mit 3 0 Jahren ins Privatleben zu rü ckzu zieh en , um seiner Sam m elleid en­

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sch aft zu frö n e n .8 Selbst passionierter Jäger hatte er von seinem O nkel, Rudolf G raf von Lam berg, eine um fangreiche Sam m lung von Jagdtrophäen und W affen geerbt. Der ju n g e G raf dürfte davon angeregt w orden sein, diese Sam m lung w eiterzu fü h ren und w e iter au szu bau en . Unter anderem begann er sich au f die Erw erbung von M essern, G abeln, Löffeln und ganzen Bestecken zu spezialisie­

ren, w a s insofern nahe liegend erscheint, besaß Steyr doch seit Jahrhunderten W e ltru f in der Klingen- und M essererzeugung. Neben Zeugnissen der lokalen Produktion stam m ten seine Stücke prim är aus den österreichischen A lpenländern und aus Süddeutschland, aber auch aus N orddeutschland, aus S chw eden, N orw egen, England, Holland, Frankreich, Ungarn und Italien und um fassten alle Epochen.

Besondere Beachtung verdienen hierbei die M esser und G abeln aus der Renaissance-Zeit, deren G riffe kunstvolle Eisen- und Stahlschnittarbeiten zieren. Sein A u gen m erk galt aber auch den zeitgenössi­

schen W erken des Steyrer Stahlschnittkünstlers G u stav Ritzinger.

G raf Lamberg stand selbstverständlich mit A nton Petermandl in K o n takt. In den gedruckten E rw e r­

bungs-Katalogen der k.k . Fachschule und V ersuchsanstalt fü r Eisen- und Stahlindustrie in Steyr sind näm lich fü r die Jahre 1895 - 9 8 einige O bjekte verzeichnet, die Lamberg Peterm andl überließ.

G raf Lamberg beteilte jedoch noch andere M useen mit Messer, Löffel und G abeln und behielt sich selbst nur erlesene Stücke, über die A lfred W alch er von M olthein schreibt:

"N eben mehreren großen Spezialsam m lungen von M essern und Bestecken au f reichsdeutschem Boden entstand in Österreich im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts die bedeutendste Kollektion dieser A rt au f Schloß Steyr. Franz Em m erich G raf von Lam berg, geboren 18 3 2, gestorben 1901 in G raz, hat sie begonnen und ihr durch rege Sam m eltätigkeit eine A usd eh n u n g und Vollständigkeit gegeben, dass sie die schon allgem ein anerkannten Sam m lungen Paul und Zschille um ein Bedeutendes überflügeln konnte. Ihren Um fang charakterisiert die große Zahl der O bjekte, die das Tausend überschreitet, ihre Vollständigkeit die geschlossene Reihe vom Steinm esser bis au f das Besteck der M itte des XIX . Ja h rh u n d e rts ."9 A lfred W alch er Ritter von M olthein (1 8 6 7 - 1928), selbst ein großer K u n stken n er und Sammler, hatte die G elegen h eit bekom m en, die im Schloss Steyr untergebrachte und nur einem engen Kreis von Sachverständigen bekannte Bestecksam m lung nach dem Tode des G rafen zu sichten und zu bearbeiten. An Hand dieses Bestandes liefert W alch er von M olthein in der M onatsschrift "K u n st und K u n sth an d w e rk" einen ersten Abriss über die historische Entw icklung der T isch geräte. Er verfolgt den stilistischen W andel der Essgeräte von der Urzeit bis in die G eg en w a rt und sch afft dam it die Voraussetzung zu r vergleichenden Bestim m ung alter O bjekte. Ä hnlich w ie A lbert Figdor suchte er zu den Sachzeugnissen die parallelen Bildbelege, w o vo n er eine A u sw ah l zusam m en mit den w ich tigsten Objekten in seiner A bh an dlu ng abbildet. Er berichtet über die bekanntesten Pro­

d uktionsstätten in Italien, D eutschland, Holland und Frankreich und nennt die bedeutendsten G o ld ­ schm iede der Renaissance. Interessant ist sein Hinw eis au f die O rnam entstichsam m lung des Ö sterrei­

chischen M useum s, die zahlreiche E n tw ü rfe fü r M essergriffe enthält.

Einen breiten Raum w idm et A lfred W alch er von M olthein der G eschichte der M esserherstellung in Steyr.11 Die in Kleinram ing und Steyr produzierten Klingen hatten W eltgeltung und w urden daher von den M esserherstellungszentren in ganz Europa begehrt. Für den Vertrieb unterhielten die M esserer

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eigene Verlagshäuser. G enaug eno m m en handelte es sich bei der in einer eigenen Innung zu sam m en ­ geschlossenen M eister um eine "D re ie rw e rk sta tt'': um die Klingenschm iede, die das aus der Steier­

mark angelieferte Eisen zu Klingen verarbeiteten , um die Schleifer und um die M esserer, denen die Herstellung der kunstvollen G riffe aus Bein, Horn, Perlmutter, M essing oder Buchsbaum holz oblag.

W alch er von M olthein stützt sich bei seinen Recherchen au f die A rchivbestände der Stadt Steyr und kann dadurch erstm als Q uellenm aterial vorlegen, darunter die W ied erg ab e der H andw erksordnung der Klingenschm iede zu Steyr aus dem Jah r 1559 und aus dem Steyrer M essererbuch von 1570, das von 1570 bis in die zw e ite Hälfte des 19. Jahrhunderts säm tliche städtischen M esserer und ab 1743 auch deren M eisterzeichen enthält, eine Liste der w ichtigsten Nam en.

Interessant sind auch die A u sfü h ru n g en zu den Scharsacher Klingenschm ieden von Steinbach und T rattenbach. Da es zw ischen diesen beiden Orten ständig A u sein an dersetzu n gen um das in Reich­

ram ing erzeugte und "S ch a rsa ch " g en an n te Eisen ging, lösten sich die Trattenbacher von der Stein­

bacher Z unft und gründeten 1680 eine eigene Vereinigung. Ihre in einer Bleitafel festgehaltenen M eisterzeichen treten spätestens seit 1753 in Kom bination mit dem "T" fü r Trattenbach au f. W ie W alch er von M olthein schreibt, erzeugten um 1910 noch 17 M eister des Tales jährlich etw a acht M illionen Taschenm esser und w aren 4 0 Drechsler mit der Herstellung der zugehörigen H olzgriffe be­

sch äftig t. Heute präsentiert sich das einstige Tal der Feitelm acher als M useum sdorf, in dem die Be­

sucher selbst ihren Feitel herstellen k ö n n e n .12 Im benachbarten Steinbach kann man sich im neuen M essererm useum über die G eschichte der M essererzeugung inform ieren. Ein blühender W irtsch a fts­

zw eig endet som it mit seiner M usealisierung! Die A rbeit W alch er von M o ltheins liefert d afür eine nicht unw esen tlich e G rundlage.

Parallel zu dieser A rbeit verfasste W alch er von M olthein, der Direktor der Kunstsam m lungen des G rafen Hans W ilczek w ar, auch einen Bestandskatalog fü r die 2 2 1 . Kunst-A uktio n der Versteigerungs­

anstalt D o ro th eu m .13 A u f diese W eise erhält man einen genauen Ü berblick über den Um fang der 1218 Stücke um fassenden Sam m lung, zum al ein G roßteil der Stücke a u f den 4 4 Bildtafeln auch abge­

bildet zu sehen ist. Dieser Katalog stellt heute ein Stan dardw erk fü r M essersam m ler dar.

Die A u ktio n fand vom 22. bis 2 4 . April 1912 statt. Im Katalogexem plar, das sich im Österreichischen M useum fü r Volkskunde erhalten hat, entdeckt m an, dass einige Num m ern mit Bleistift eingekreist und durchgestrichen sind, a u f einer Seite auch ein Kolonne mit Zahlen. Schlägt man d arau f hin im Inventarbuch des M useum s n ach , so fin d e t man unter den Eintragungen des Jahres 1912 folgende Notiz: "Erw e rb u n g e n aus der Bestecksam m lung Sr. Ex. G raf Lam berg. Erstanden im K .K . Dorotheum um 578 Kr. 60 H eller". Die von 2 9 .3 4 6 bis 2 9 .3 7 4 verzeichneten 29 Stück korrespondieren mit Num ­ mern im A u ktio n skatalo g, beginnend mit zw e i "Lö ffeln aus Stein bo ckh o rn , mit eingepressten Darstel­

lungen. Der Stiel um klappbar. 18. Jah rh . Tirol ? " , einem "S atz von fü n f H olzlöffeln, lackiert, ineinan­

der passend. In Lederfutteral, m it Seide bestickt. 18. J ." (2 9 .3 5 7 ). Der A u ktio n skatalo g verm erkt als H erkunft W alachisch, der Inventarkatalog des M useum s V iech tau . Hier dü rfte w o h l ersteres stim m en.

Unter den Einschlagm essern findet sich das besonders eindrucksvolle Exem plar mit den eingravierten Passionsszenen auf dem Beingriff aus dem Jah r 1660 mit H erkunftsangabe "A lp e n län d isch " (2 9 .3 5 3 ).

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A u s der A u ktio n stam m en auch jene frühen aus dem 17. Jah rh u n dert stam m enden Scheiden, die aus getriebenem Blech gefertigt w u rd en (2 9 .3 6 1 -2 9 .3 6 9 ), w eiters Frauengürtel mit D am enbesteckschei­

den (2 9 .3 7 0 -2 9 .3 7 4 ).

Diese Stücke sind jedoch nicht die einzigen aus der Sam m lung Lam berg, die sich im Österreichischen M useum fü r Volkskunde befinden. Bereits im Jah r zuvor verm erkt das Inventarbuch eine "C o lle ktio n von Sr. Ex. G ra f Lam berg" als G esch en k. Von 2 7 .781 bis 2 7 .8 5 9 sind es w ied e r Löffel, G abeln und Messer, darunter das Pistolenm esser (2 7 .8 5 8 ). Zw ei w e itere Schenkungen um fassen einmal fast au s­

schließlich Bestecke und Taschenm esser (2 8 .6 6 9 -2 8 .8 2 1 ) und zum ändern eine Kollektion "V o lk sk u n st­

gegenstände" (2 8 .9 2 1 -2 9 .1 0 9 ), darunter zw ei schöne Schnitzm esser aus dem frühen 18. Jah rh u n d ert (2 9 .0 4 0 /4 1 ). Insgesam t v erw ah rt das M useum aus dem ehem aligen Besitz des G rafen 2 58 Stück Be­

stecke, Scheiden, Messer, G abeln und Löffel. Sie verkörpern den Hauptteil der Sam m lung des Ö sterrei­

chischen M useum s fü r Volkskunde.

Z usam m en mit den Stücken, die in den ersten fü n fzeh n Jahren gesam m elt w u rd e n , verfügte M ichael Haberlandt dam it über eine ausreichende Basis fü r seinen schon zu Beginn des Vorw ortes zitierten Beitrag über "A lpenlän dische Bestecke und M esser von volkstüm licher A r t u n g " .14 Ihn interessiert die Frage nach der besonderen volkstüm lichen Ä sth etik, die er in der Verw end ung m inderw ertigeren M aterials zu erkennen glaubt: Holz statt Elfenbein, Eisen und Messing statt Gold und Silber. Dem pas­

sen sich die Ziertechniken an, die rustikaler w erden und dem sonstigen M otivschatz volkstüm licher A u szier entnom m en erscheinen. Landläufige Zunftzeichen oder H andw erksem blem e (der Schlosser, Fuhrleute, Jäger, Fleischer usw .) ersetzen die W appen der A deligen. Seine Darstellung gliedert er in 1. Bestecke in Scheide, 2. M esser in Scheide oder Köcher, 3. Einschlagm esser (Taschenfeitel). Daran knü p ft er die Feststellung, dass Bestecke in Scheiden au f den alpinen Raum beschränkt bleiben, Taschenfeitel hingegen im gesam ten Bereich der M onarchie V o rko m m en.15

Dem träg t M ichael Haberlandt auch bei der ersten A ufstellung der Sam m lungsobjekte in der Börse Rechnung in dem er in Pult 8 "Essbestecke, zum eist aus Tiro l" und in Pult 9 diverse M esser aus

"D alm atie n " z e ig t.15 Für die Erw erbung der Bestecke und M esser w aren näm lich nicht nur kulturh is­

torische und ästhetische G ründe ausschlaggebend, sondern ihre ethnische und regionale Zuordenbar- keit. Eine solche G ruppe bilden die aus Silberblech ziselierten Einschlagm esser aus Dalm atien. Ihr m ondförm ig gebogener G riff endet in einem "T ü rk e n k o p f" bzw. in einem Löw en mit Schild, w a s au f osm anische bzw . venezianische Kultureinflüsse und Traditionen im südlichen Dalm atien schließen läßt.

Diese fein gearbeiteten Einschlagm esser gehörten zur Tracht der Frauen und stellten einen Teil ihres Schm uckes dar. In diesem Zusam m enhang sei au f die A rb eit von A rth u r Haberlandt über die "V o lk s­

kunst der B alkanlän der" verw iesen , die eine Übersicht über den Schm uck und die Ziertechniken g ib t.17 Daneben kom m en auch einfachere Formen von Einschlagm essern aus dem Balkanbereich vor. Sie haben gebogene G riffe aus Ziegenbockhorn und besonders breite Klingen. Zur M ännertracht gehörte hingegen der säbelartige Handschar. Er verkörperte das m ännliche Selbstbew usstsein der Bosniaken und Albaner. Ihm galt daher die besondere A u fm erksam keit. An den Sam m lungsstücken des M useum s bew u n dert man die säbelartige zum Teil dam aszierte oder tauschierte Klinge mit dem G riff aus Bein­

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schalen, die in einer mit M essingblech überzogenen, mit Korallen und Steinen besetzten Scheide steckt. Ä h n lich e Stücke, nur etw as kleiner und mit schnabelartigem G riffen de, haben sich als Erinne­

rungsstücke an die O kkupatio nszeit in Bosnien im M useum erhalten . A u f ihren Klingen fin d e t man Inschriften w ie "Sarajevo 1 8 9 3 " oder "M o sta r 1 8 9 3 " eingeätzt. Sie w aren von den N achfahren der am O kkupationsfeldzug Beteiligten später dem M useum übergeben w o rd en .

Dieser Erw erbungsvorgang ist in den Inventarbüchern m ehrfach dokum entiert. W as einst direkt beim Eigentüm er oder am M arkt als typisches Kulturpro d ukt eines Landes erstanden w u rd e , landete nach dem A bleben des einstigen Besitzers im M useum . So konnte über den Kunsthandel die Sam m lung Benno G ru e g 18 an g ekau ft w e rd e n , der unter anderen einen H andschar aus Bosnien (3 9 .4 9 2 ) besaß, dann ein Sami-M esser, das er laut Eintragung 1899 aus Lappland m itgebracht hatte, w e iters Navajas aus Spanien (3 9 .4 9 4 -3 9 .4 9 7 ), ein Furlaner Rebm esser aus Istrien (3 9 .5 0 4 ), ein kleines Klappm esser (w ovon eine der beiden Klingen gezähnt ist) (3 9 .5 1 3 ), dessen H erku nft im Inventarbuch als "sü d län ­ disch" verzeichnet ist, das je d o ch , w ie sich an Hand einer A n sich tskarte feststellen lässt, aus G riech en ­ land stam m t, w eiters m ehrere Trattenbacher Feitel (3 9 .5 0 9 -1 2 ) und als "alp en län d isch " bezeichnete Bestecke und Klappm esser. Diese w enigen Stücke aus dem Besitz von Benno Grueg versch affen der Sam m lung des Ö sterreichischen M useum s fü r V o lkskunde eine europäische Dim ension.

Neben den ästhetisch anspruchsvollen und kunstvoll hergestellten Objekten w erden fü r ein Ethno g ra­

phisches M useum jedoch im m er auch die gew ö h n lich en , ordinären Dinge des A lltags gesam m elt, also je n e Bestecke und Messer, die als banale G eg enstände bei den verschiedenen A rbeiten , beim Kochen

und Essen in G ebrauch standen. W as fü r den Sam m ler von K u n stg ew erbe einen A usschließungsgrund darstellt, im Volkskundem useum gerät es zur Q ualitätsm arke: die starke A b n u tzu n g , die Spuren des G eb rauchs. Sie bew irken, dass die Klingen o ft nur m ehr rudim entär vorhanden sind. Diese M esser zei­

gen uns, dass sie einst ihren Sitz im Leben hatten, dass sie eine w ich tig e Rolle im persönlichen und gesellschaftlichen Leben spielten. Bei einer Sam m lung, die selbst zum großen Teil aus privaten Sam m ­ lungen und aus A n käufen aus dem A n tiquitätenhandel besteht, kann man die Bedeutung der Dinge meist nur erah n en . Um so dankbarer ist man dann fü r Eintragungen im Inventarbuch, die ein Licht auf die ursprüngliche Bestim m ung w e rfen . Der "Lö ffel aus Bein mit eingeritzter Rose au f dem Sch alen ­ rücken. Benützt zum Eingeben des Kindskoches fü r W icke lk in d e r" bekom m t mit dieser Z usatzin fo rm a­

tion einen neuen Stellenw ert. Ähnlich verhält es sich mit jenem Trudenm esser (1 .7 5 0 ), das bereits unter den ersten Erw erbungen zu finden ist. Erst durch die Eintragung "ve rw e n d e t bei Kindern gegen Truden (9 M ond, 9 Kreuze) unter Kopfende gelegt" erschließt sich seine Funktion. Diese Trudenm esser erw eckten nicht nur das Interesse der M essersam m ler, sondern sie eröffneten auch einen neuen Zu­

gang zum Messer, der ihre Rolle als Abw ehr- und Zauberm ittel hervorhebt. Nach einigen verstreuten A rbeiten ist es niem and geringerer als A rth u r H aberlandt, der fü r das H andw örterbuch des deutschen A berglaub ens im VII. Band (erschienen 1935) einen zusam m enfassend en Beitrag über das M esser im Aberglauben v e rfa sst.19 Die von E. Künssberg 1941 erstellte A rbeit "M esserbräu ch e. Studien zur Rechtsgeschichte und V o lksku n d e" lenkte das A u g en m erk a u f das M esser als Rechtssym bo l.20 Dam it w ird deutlich, dass die M esser über ihren G eb rau ch sw e rt hinaus auch mit anderen W ertigkeiten

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behaftet sind, die jedoch meist unsichtbar bleiben. Um diesem Um stand Rechnung zu trag en , w u rd e fü r die vorliegende Präsentation von einer rein form alen Gliederung abgesehen und eine Einteilung ge w äh lt, die auch dem vielfältigen Sym bolcharakter des M essers gerecht zu w erden versucht. A u f der G rundlage der Sam m lung des Ö sterreichischen M useum s fü r V olkskunde zeigt die A usstellung das M esser

1. als U niversalw erkzeug 2. als Standeszeichen 3. als Tischzeug 4 . als Privatbesitz 5. als A ndenken 6. als Taschenutensil 7. als Zauberm ittel 8 . als Nationalsym bol

1 (Sigmund): Verlorene Schätze. Die Geschichte der Sammlung Albert Figdor. In: NÖ. Kulturberichte, Oktober 1993, 5-7; - siehe auch Österreichisches Biographisches Lexikon 1815 - 1950, hg. von der ÖAW unter der Leitung von Leo Santifaller, bearb. Von Eva Obermayer-Marnach, S.313

2 Metall für den Gaumen. Bestecke aus den Sammlungen des Österreichischen Museums für angewandte Kunst. Katalog und Ausstellung : Elisabeth Schmuttermeier. Schloß Riegersburg, Expositur des MAK, 1990, S. 16

3 Marquardt, Klaus: Europäisches Eßbesteck aus acht Jahrhunderten. Eine Kunstsammlung. Stuttgart 1997, s. 11-14 4 Kr(obath), E(rlefried): 4000 Messer von der Steinzeit bis zur Gegenwart. Die Petermadlsche Messersammlung kommt in das

Eisenmuseum Steyr. In: Steyrer Zeitung, 1954, o.S.

5 siehe Österreichisches Bibliographisches Lexikon, a.a. O, VII. Bd., S. 443

6 Sechster Jahresbericht der k.k. vereinigten Fachschule und Versuchs-Anstalt für Eisen- und Stahl-Industrie in Stadt Steyr.

Schuljahr 1888/89, Steyr, 4 - 52, 3 Tafeln

7 Informationsblatt des Heimathauses Steyr zur Bestecksammlung, o.J.

8 siehe Österreichisches Biographisches Lexikon, a.a.O., IV. Bd., S.411

9 Walcher von Molthein, Alfred: Die Bestecksammlung im Schloss Steyr. In: Kunst und Kunsthandwerk. Monatsschrift. Hg. vom k.k. österreichischen Museum für Kunst und Industrie, XV. Jg., 1912, 1-51, 109 Abb.

11 vgl. dazu Hack, Irmgard: Der Messerhandel der Stadt Steyr bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts. In: Oberösterreichische Heimatblätter, Nr. 6, 1952, 1-15

12 Kreissl, Eva: Museumsdorf Trattenbach. Im Tal der Feitelmacher. Begleitbuch durch Museen und Werkstätten. Steyr 1998, 1. Aufl.

13 Katalog der Besteck-Sammlung Franz Emmerich Graf Lamberg. Erstellt von Alfred Walcher Ritter von Molthein. 221. Kunst­

Auktion Dorotheum, Wien, 1912, 70 S., 44 Tafeln

14 Haberlandt, Michael: Alpenländische Bestecke und Messer von volkstümlicher Artung. In: Werke der Volkskunst, hg. vom Museum für Österreichische Volkskunde, III. Bd., 1917, 1-7, 3 Abb.

15 Csoma, Zsigmond: Messerschmiede in Oberwart. In: FS Gerald Schlag, Eisenstadt 2001, 43-55 ^Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland, Bd. 105)

16 Katalog der Sammlungen des Museums für Österreichische Volkskunde in Wien. Verfaßt von Michael Haberlandt, Wien 1897, S. 18-19

17 Haberlandt, Arthur: Volkskunst der Balkanländer in ihren Grundlagen. Wien 1919 18 Über Benno Grueg liegen keine biographischen Daten vor

19 Artikel Messer in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Bd. 6, Sp. 189-206 - vgl. dazu Fritz Fahringer: "Neunmond schein - Neunkreuzer" Messer. Ein Beitrag zum Wurmzauber in der Obersteiermark. In: Blätter für Heimatkunde, Nr. 40, 1966, 89 - 93, Abb.

20 Künssberg, Eberhard Freiherr von: Messerbräuche. Studien zur Rechtsgeschichte und Volkskunde. In: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Phil.-hist. Klasse, Jg. 1940/41, Heidelberg 1941, 98 S., 11 Tafeln.

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WIE DAS MESSER SEINE SPITZE VERLOR...

BETRACHTUNGEN ZUM THEMA BESTECK

Kathrin Pallestrang

Das W o rt "M e sse r" löst verschiedenste A ssoziationen aus. M esser sind einerseits selbstverständliche G eb rauchsgeg enstände, die von uns allen tagtäglich verw en d et w erd e n , sie sind nützlich und vertraut.

A ndererseits üben sie eine eigentüm liche Faszination aus, die über ihren Fu n ktio n sw ert hinausgeht.

Der kalte Stahl der Klingen löst Em otionen aus; M esser sind spitz, sch arf und g efährlich, mit Tabus b ehaftet und desw egen anziehend. "M esser, Schere, G abel, Licht sind fü r kleine Kin d er n ic h t", heisst es in einem Kinderreim . Nicht nur fü r Kinder, auch fü r Erw achsene gelten zahlreiche Vorschriften für den M essergebrauch. M öglicherw eise ist es gerade diese Zw eischneidigkeit des G ew ö h nlich e n und des Verbotenen, die M esser so interessant erscheinen lässt.

Zu allen Zeiten und in allen Kulturen w u rd en und w erden M esser in den verschiedensten Variationen verw en d et. So w ird das M esser in der Literatur im m er w ied e r als das älteste W erkzeug überhaupt b e ze ich n e t.1 M esser sind vielseitig einsetzbar, unabdingbar fü r bestim m te Tätigkeiten und überlebens­

w ich tig . Sie dienen zuallererst zum Schneiden, dann aber auch zum Stechen und A u fsp ieß en . Je nach A u fg ab e w erden M esser unterschiedlich au sg efüh rt - breit oder spitz, gerade oder gesch w u n gen - , oder es w erden A llzw eckm e sser geeignet für verschiedenste Arbeiten eingesetzt. M esser finden in der Lan d w irtsch aft Verw endung und in H andw erks- und anderen Berufen - etw a in der M edizin - , im mer dort, w o etw as ab- oder aufzuschneid en ist; auch Scheren, die als w ich tig e Schneidegeräte in den Sinn kom m en, bestehen aus zw ei gekreuzten M essern. G roße Relevanz haben M esser im Bereich der Speisenbereitung und ihrem Verzehr. Sie sind nötig zum Schlachten und bei der Jagd, zum Töten und Zerlegen von Tieren und zum Zerteilen des Fleisches so w ie von anderen N ahrungsm itteln vor, bei und nach der Zubereitung. M anche Messer, w ie Kam pf- oder Jagdm esser, sind dezidierte W affe n , aber prinzipiell kann jedes M esser besser als viele an d ere G eg enstände als W affe verw en d et w erd e n . G leichzeitig ist es alltäglich, in jedem H aushalt zu finden und daher auch schnell bei der Hand, w a s der statistisch hohe A nteil von M essern als Tatw affen bei G ew altverbrechen zeigt. Verbote und Tabus rund um das M esser sind also durchaus rational erklärbar, in W irklich keit aber em otional begründet.

Der fo lgende Blick in die G eschichte der europäischen M esserherstellung und -V e rw e n d u n g , insbeson­

dere der T isch ku ltu r soll helfen, der A m bivalen z a u f die Spur zu kom m en.

DIE PRÄHISTORIE

Bei A usg rabungen au f der ganzen W elt w urden unterschiedliche prähistorische M esser aus Feuerstein und Obsidian gefunden, obw ohl diese M aterialien nicht überall Vorkom m en. Schon dam als existierten H erstellungszentren, die mit ihren Produkten w e iträu m ig handelten. Die M essergriffe w a ren oftm als in Form einer dünnen, runden Angel ausgebildet, die mit G ras, Holz, Horn oder Knochen verstärkt w u rd e . In der Bronzezeit stellte man die G riffe in ähnlicher W eise her; die Angel w a r dünn oder platt und mit sogenannten Schalen aus verschiedensten W erksto ffen um hüllt beziehungsw eise belegt. G riff und Klinge w u rd en außerdem aus einem Stück gegossen oder mit einer Tülle verb u nd en . Daneben

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w urden Klappm esser produziert. In der frühen Eisenzeit kam es zu einer w eiteren D ifferenzierung und Spezialisierung der M esserform en, verschiedenste A rbeitsm esser - zum Beispiel Krum m m esser fü r die Lan dw irtsch aft - kam en zum Einsatz, Rasierm esser w urden hergestellt, W affen , die in ihrer G ru n dfo rm a u f das M esser zu rü ck gehen, gefertigt - so etw a Dolche oder Schw erter, deren Klinge im G eg en satz zu der eines M essers zw eischneid ig ist. Die Klingen w u rd en geschm iedet und gehärtet, die

G riffschalen aufgenietet oder feu e rversch w eiß t.2

Die große Bedeutung des M essers fü r die Nahrungsbereitung lässt sich aus der H erkunft des W ortes erschließen. Das heutige "M e sse r" geht au f die althochdeutschen W ö rter "m ezziras" und älter

"m ezzisah s" zu rü ck, die sich w iederum von " s a h s " , also S ch w ert, und " m a z " , also Speise, herführen lassen.3 Das M esser w ä re dem nach ein Sch w ert fü r Speisen. Seit der Bronzezeit w aren Speisem esser zum Zerkleinern der Nahrung bei Tisch in V erw end u n g, es w aren dies M esser mit kurzer, rechteckiger, später auch gesch w eifter und S-förm iger Klinge. Spitze M esser dienten nicht nur dem Zerteilen, son­

dern auch dem A ufspießen und Zum -M und-Führen der Speisen, w o zu auch und vor allem die Finger benutzt w u rd en .

DIE RÖMERZEIT UND DAS MITTELALTER

In röm ischer Zeit4 w u rd en M esser an den Tafeln der reichen Familien kaum verw end et. Die Speisen kam en en tw ed e r schon m undgerecht zerklein ert aus der Küche oder ein dafür ausgebildeter Sklave tranchierte sie spektakulär bei Tisch. Das Essen w u rd e mit den Fingern zum M und g eführt, einzig klebrige Süßspeisen mit zw eizinkigen Spießchen gegessen, au f die später zurückzuko m m en sein w ird.

Einfachere Leute fü h rten ein Gebrauchsm esser, das auch bei Tisch zum Einsatz kam , und einen Löffel stets mit.

Landw irtschaftliche G ebrauchsm esser w u rd en w o h l m itunter bis ins 19. Jahrhundert hinein von loka­

len Schm ieden aus Karbonstahl und heim ischem Holz gefertigt, w ie Jean M ouret schreibt5. Der w e it­

aus größere Teil jedoch w u rd e in H erstellungszentren6 gefertigt, die ihre W aren w eiträu m ig exportier­

ten . Etliche dieser Zentren gehen au f röm ische - etw a Solingen, Köln und Steyr - und auch frühere Zeit - etw a Regensburg, Nürnberg, Ulm und Passau - zu rü ck, auch w e n n meist die historischen Q uel­

len erst im H ochm ittelalter einsetzen. Bedeutende Eisenverarbeitungsstätten sind fü r das M ittelalter neben den genannten Städten fü r W aidh o fen , Trattenbach, Y b b s, St. Pölten, M elk, Krem s und W ien belegt. A ußerdem fü r M ailand und Brescia, M urcia, Valencia, Toledo, Thiers, Norgent, Langres, Sheffield, Rotherham , London, Bergslagen, Kiruna, Eskilstuna und Tula. Etliche dieser Produktionszen­

tren sind auch heute noch Sitz von M essererzeugungen. Vorraussetzung fü r ihr Entstehen w a r das Vorhandensein - oder die M öglichkeit des problem losen A n lie fern s - von Eisenerz und W asser, das zu n äch st zum Schleifen und dann zum Betreiben der Fallhäm m er benötigt w urd e. Die Zentren liefer­

ten ihre W aren in m itunter w e it entlegene A bsatzgeb iete, Steyr beispielsw eise in die W alachei und nach Siebenbürgen, nach Ungarn, die Türke i, Polen, Russland und über Venedig in die Levante. Die Fertigstellung eines M essers um fasste viele A rbeitsschritte vom Schm ieden, über das Schleifen zum Raiden, dem A nbringen der G riffe, um nur einige zu nennen, die m eist arbeitsteilig erfolgten . Im

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Laufe des M ittelalters schlossen sich die M essererzeuger zu Zünften zusam m en.

Ingrid Haslinger7 sieht in den Klöstern die Institutionen, die etliche antike Traditionen im M ittelalter fo rtfü h rten , so auch die der gem einsam en Tafel mit Rezitationen und M usik. A ls Vorbild fü r die Tischsitten der Klöster nennt sie ebenso die Vorstellungen vom Letzten A bend m ahl als einem Ereignis, das G em ein sch aft sch afft. Über die Tischsitten der ärm eren Bevölkerungsschichten ist w en ig ü berlie­

fert, sie dürften sich ab er nicht w esen tlich von denen der Eliten unterschieden haben. Nach w ie vor w aren die w ichtigsten Essgeräte im M ittelalter die Finger. In einer der ältesten B en im m schriften, in

"D es Tannhäusers H o fzu ch t" aus dem 13. Jah rh u n dert w erden Essgeräte nicht e rw äh n t. Die Speisen w u rd en w ie in der A n tike bereits in der Küche zerteilt oder bei Tisch vorgeschnitten, vom Hausvor­

stand oder - an den Fürstenhöfen - von einem eigenen Beam ten. Vorlege- und Tranchierm esser zum Zerteilen und Verteilen der Speisen lagen bereit. Vorlegem esser w aren breite, spatelförm ige G eräte oftm als auch mit einem Haken an der Spitze, um das Fleisch transportieren zu kön n en . Die m u n dg e­

rechten Stücke w u rd en au f kleine Holzbrettchen, w ie sie jedem Essenden zu r Verfügung standen, oder auch au f ein Stück Brot als Unterlage transferiert und von dort mit den Fingern, ab er auch mit dem M esser oder einem Pfriem - einem kleinen Spieß, praktisch einer A rt einzinkiger Gabel - zum M und g eführt. Zu betonen ist, dass niem and der am M ahl Beteiligten - auch nicht G äste - d afür ein Tisch ­ gerät von den G astgeberinnen zum persönlichen G eb rau ch zur Verfügung gestellt bekam . Es gab am Tisch lediglich die erw äh n ten m ehr oder w en ig er zahlreichen Vorlege- und Tranchierm esser, die alle benutzten, von denen daher im m er w e n ig e r vorhanden w aren als Speisende.8 So w u rd e das gem ein ­ schaftsstiftend e Elem ent einer M ahlzeit noch verstärkt, alle Speisen und auch die Tisch geräte - Schüs­

seln, M esser und Trinkgefäße - w u rd en gem einsam verw en d et und geteilt.

A u f der anderen Seite w a r niem and w irklich ohne ein eigenes, persönliches M esser.9 Es w a r vielm ehr selbstverständlich ein individuelles M esser im mer mit sich zu fü h ren . Das M esser und daneben der Löffel und eventuell ein Pfriem galten als G ru n dau sstattu n g eines M enschen, die ihm nicht ab g en o m ­ m en, also zum Beispiel auch nicht gepfändet w erden d urfte. Das M esser w u rd e in einem Köcher oder einer Scheide am G ürtel befestigt und von M ännern und Frauen gleicherm aßen im m er m itgeführt.

W affen trag en d e M änner "b esteckten " ihre Sch w ertsch eid e mit ihren persönlichen Tranchierm essern, auch mit Löffel oder Pfriem - daher der Name " B e s te c k ". Das M esser der M ittelloseren diente nicht nur als Essgerät, sondern w a r A llzw eckm e sser und A rbeitsm ittel. Für alle m ännlichen A ngehö rigen der Schichten, denen das Tragen eines Sch w ertes oder Dolches verboten war, fu n g ierte es als Dersönliche W affe . Im m er w ied e r w u rd en in verschiedensten Herrschaftsgebieten Bestim m ungen erlassen, die vor allem die Länge, aber auch die Form der M esserklingen einschränkten, zum Beispiel lange, dünne Spitzen verboten.

DAS 16. UND DAS 17. JAHRHUNDERT

Selbstverständlich herrschten nicht im m er und überall dieselben Tischsitten. So berichtet etw a Erasm us von Rotterdam in "D e civilitate morum puerilium " um 15 3 0, dass in Italien jeder G ast ein eigenes M esser zu r Verfügung gestellt bekam , dass in Frankreich einige M esser am Tisch zu r Verfügung sta n ­

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den, aber nicht fü r jeden G ast ein eigenes, und dass hingegen in Deutschland je d e r G ast sein eigenes M esser m itb rach te.10

Im Laufe des M ittelalters w aren an den fürstlichen Tafeln die Vorführungen des Vorschneiders im m er w ich tig e r und auch spektakulärer gew ord en. Ihren H öhepunkt erreichte diese Kunst, die auch an U niversitäten - zum Beispiel in Padua - studiert w erden konnte, gegen Ende des 16. Jah rh u n derts, in dem zahlreiche A n leitun g sb üch er erschienen. Durch die A ufm erksam keit, die dem Tranchieren d a­

durch zuteil w u rd e, rückte auch das M esser als A usdrucksm ittel von M acht und Prunk ins Blickfeld.

M esser w u rd en künstlerisch ausgestaltet und reich verziert. Der Schm uck konzentrierte sich großteils au f die G riffe , um die Klingen in ihrer Funktion nicht zu beeinträchtigen. Sie w u rd en figürlich gestal­

tet, zeigten alttestam entarische G estalten und Heilige, T ierkö pfe oder A llegorien. Unter anderem w u rd e exotisches M aterial w ie Koralle, Bernstein oder Elfenbein v e rw e n d e t.11 Bedeutende Künstler w ie A lbrech t Dürer lieferten Vorlagen; M usterbücher und -b lä tte r w urden in ganz Europa verkau ft.

A uch die persönlichen Besteckm esser, die zunächst kleinere Tranchierm esser w a ren , w u rd en als Statu s­

objekte m ehr oder w e n ig e r reich verziert.

Zur K en nzeichnung, Q ualitätssicherung und Reklam e begann man in die Klingen vornehm lich der Expo rtw are die individuellen M eisterzeichen der Messerer, also der Griffhersteller, und diverse M arken des H erstellungszentrum s einzuschlagen. Da die Verzeichnisse der M arken nicht lückenlos geführt w u rd en und oft dasselbe Zeichen von M eistern verschiedener Zentren verw en d et w u rd e beziehungs­

w e ise auch Zeichen w iderrechtlich eingeschlagen w u rd en , sind diese Zeichen heute nur eine bedingte Hilfe dabei, ein historisches M esser zeitlich und geographisch einzuordnen. Der Vertrieb der Produkte erfolgte ab der frühen Neuzeit hauptsächlich über das Verlagssystem mit all seinen Vor- und N achtei­

len. Im Laufe des 16. Jahrhunderts stiegen viele Schm iedebetriebe au f sogenannte G esen kh äm m er um, die - von W asserkraft betrieben - den Stahl in eine vorgegebene Klingenform (das G esenk) pres­

sten, w o d urch ein schnelleres A rbeiten möglich w u rd e .12

Das 16. und 17. Jah rh u n dert w a r eine Zeit der großen V eränderungen, w a s a u f dem G eb iet der Tafel­

sitten und hier vor allem im G ebrauch des M essers deutlich w ird , w ie etliche Forscher, so die fra n zö si­

schen M entalitätenhisto riker und allen voran Norbert Elias13 herausarbeiten konnten. Das ganze M it­

telalter hindurch w aren die tonangebenden Schichten auch die w affen trag en d en Schichten g ew esen.

Die ständige Kam pfbereitschaft w a r erw ü n sch t und w u rd e auch positiv bew ertet. Die beginnende Pazifizierung der G esellschaft im Spätm ittelalter, die Tatsache, dass der Adel langsam seine m ilitärische Bedeutung verlor, fü h rte zu einer anderen Bew ertung des M essers bei Tisch, w a s sich in zunehm end en Vorschriften, die in den A n stan d sbü ch ern nachzulesen sind, ausdrückte.

Der G eb rauch des M essers w u rd e im m er stärker ein gesch rän kt und in bis heute gültigen Regeln fest­

geschrieben: Ein M esser soll nicht mit der Spitze gegen andere Personen gerichtet, es soll nicht mit der ganzen Hand um fasst, runde Speisen w ie K arto ffeln , Eier oder Knödel sollen nicht mit dem M esser geschnitten w erd e n . Vor allem soll es nicht gegen das eigene G esicht gerichtet, also ein Bissen nicht mit dem M esser zum M und gefü hrt w e rd e n . Elias sieht darin den A u sd ru ck dafür, dass das M esser zunehm end negative Em pfindungen auslöst, es wird als unangenehm und als Bedrohung erlebt und

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daher mit Tabus belegt. Die Verbote w erden rational begründet, näm lich dam it, dass M esser scharf und gefährlich sind - w a s sie ja tatsächlich sind - , gehen aber in W irklich keit über die rational begründbaren G efahren hinaus; schließlich haben sich in all den Jahrhunderten zuvor Essende nicht ständig selbst v e rle tz t.14 Das M esser w ird zu einem Symbol fü r Unfrieden, fü r Aggression und Tod. Ein w esen tlicher Punkt ist, dass das Tischm esser im 17. Jah rh u n d ert seine Spitze verliert und ab gerundet w ird . Zuerst geschieht dies in Italien und D eutschland, in Frankreich erst durch ein königliches Edikt im Jahre 1 6 6 9 .15 In der Literatur w ird dieses G eb o t m itunter Kardinal Richelieu zugeschrieben, der dam it angeblich verhindern w o llte, dass die M esserspitze in den eigenen M und geführt w ird , um dort als Zahnstocher zu d ie n e n .16 Einer anderen G eschichte zufo lge hatte der Kardinal A n g st vo r M euchel­

m ördern, die ihm bei Tisch begegnen könnten.

M it dem G eb ot, das M esser nicht m ehr dazu zu verw en d en , die Speisen zum M und zu fü h ren , rückt ein w eiteres Tischgerät ins Blickfeld, das ganz allm ählich zu einem der w ichtigsten W e rkze u g e bei der N ahrungsaufnahm e w ird : die G a b e l17. "D ie Gabel ist nichts anderes als die Inkarnation eines bestim m ­ ten A ffekt- und Peinlichkeitsstan d ard s"18, so drückt es Norbert Elias aus. Die H erku nft der Gabel und ihre Verw end ungsgeschichte liegt ein w en ig im Dunkeln. M itunter w erden Bratspieße oder h aken fö r­

mige Instrum ente, die bei der Zubereitung der Speisen lange Zeit zum Einsatz kam en, oder der Pfriem als Vorläufer bezeichnet. Es scheint allerdings nicht so, dass diesen Geräten einfach irg endw ann ein zw e iter Zinken beigegeben w u rd e, sondern dass die Gabel a u f anderem W ege nach Europa kam . Z w eizin kig e G abeln sind bereits fü r das M esopotam ien des zw eiten vorchristlichen Jah rtau sen ds be­

legt. W eiters benützte man sie im antiken Rom in der Küche und, w ie erw äh n t, auch am Esstisch fü r klebrige Nachspeisen, hauptsächlich jedoch in größerer Form in der Lan dw irtsch aft. Im byzantinischen Reich w aren G abeln w o h l w eiterhin in Verw endung und kam en im Laufe des 11. Jah rh u n derts nach Italien, vielleicht in der A u sstattung der byzantinischen Braut eines Dogen von V e n e d ig .19 Der G e ­ brauch der Gabel w a r zu n äch st heftig um stritten, sie galt als affektiert und anrüchig. Vor allem die katholische Kirche und später M artin Luther verurteilten sie veh em en t: Das Essen solle als G ottesgabe mit den Fingern geführt w erden und außerdem erinnere die zw eizin kig e Form an die Hörner des Teufels. Dem zufolge galten G abeln lange Zeit als Zeichen von Luxus, aber auch von W e lto ffen h eit und A ufgeschlossenheit. A b dem 15. Jah rh u n d ert setzte sich ihr G eb rauch in Italien allm ählich allgem ein durch, seit Beginn des 14. Jah rh u n derts sind sie auch schon in Frankreich zu fin d e n , jedo ch erst ab 1600 w erd en sie in ganz Europa langsam üblich. Der G abelg riff w u rd e zunehm end mit dem M esser­

griff paarig gestaltet und diese beiden Instrum ente gem einsam als eigentliches "B e s te c k " verstanden.

Die G abel verlor im Laufe der Zeit ihren S pießcharakter und w u rd e im m er sch au felartig er gestaltet, zu n äch st mit drei, dann mit vier Zinken. A m französischen Hof, der die M ode fü r ganz Europa vorgab, w u rd en G abeln im m er unum gänglicher. Jean-Louis Flandrin20 sieht darin neben anderen Neuerungen Indizien fü r das Bem ühen der höheren Schichten, die soziale D ifferenzierung zu stä rken , indem D istinktionsm erkm ale geschaffen w erden , die sich nicht " n u r" a u f Prunk und Reichtum stü tzen , denn diese hatte das aufstrebende G roßbürgertum ebenso vo rzu w eisen . A uch au f dem G eb iet der Tisch ­ sitten w ird die Trennung in eine "K u ltu r des Volkes" und eine "K u ltu r der E lite n "21 vollzogen.

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A usgehend vom französischen Hof w u rd e es im 17. Jah rh u n d ert üblich, fü r jeden Essenden ein eige­

nes Besteck aufzulegen, ebenso einen Teller und ein eigenes Trinkgefäß. Dem zufolge kam es zu einem W andel des Besteckdekors: die Richtung der Verzierung änderte sich, die ab nun vom G riffen de zum Klingenansatz fü h rt ("lie g e n d e s" Dekor) und nicht m ehr w ie beim m itgetragenen Besteck vom Klin­

genansatz zum G riffen de läuft ("ste h e n d e s" Dekor). Zugleich verschw and die M aterialvielfalt und reine Silberbestecke kam en in M ode22, w a s im Sinne Flandrins als bew usstes "U n d e rstate m en t" des Adels bezeichnet w erden kann, im Sinne Elias als Versuch, den kalten Stahl durch das "u n g e fä h rlich e ­ re" Silber zu ersetzen. Die Tendenz ging dahin, die Tafel im m er einheitlicher zu gestalten, das G eschirr au fein an der abzustim m en. A llm ählich w u rd e auch das Tischgerät um Spezialw erkzeuge erw eitert, etw a um Tee- und Kaffeelö ffel, Tortenm esser und -h eber, M arkzieher, Austernm esser, Fischbesteck, Obst- und Dessertbestecke und viele andere. Die Formen der Bestecke, die in dieser Zeit entstanden - G riffabschlüsse w ie Trifid, O liven-, Geigen- oder Spatenm uster sow ie Fadendekor - , w erden noch heute von den Besteckherstellern neben ihren zeitgenössischen Kollektionen produziert, sie sind vor­

bildgebend bis heute. Im 17. Jah rh u n d ert w u rd en neben so genannten M eisterbestecken, deren M u­

sterung von Hand graviert oder getrieben ist, billigere W are mit Stempel- oder M atrizenp rägung , die eine G ravur im itieren, h erg estellt.23

DAS 18. JAHRHUNDERT

W ie gesagt, der Adel - vor allem der französische - w a r im Barock die tonangebende Schicht. W as er vorgab, w u rd e im Laufe der Zeit allgem ein gebräuchlich, w en n auch in m anchm al ab geänd erter Form und m itunter so "v e rsp ä te t", dass die M ode in Frankreich bereits w ied e r etw as anderes vorsah, w o ­ durch die Klu ft zw ischen "V o lk " und "E lite n " nie versch w an d . Kaum hatte sich das Silberbesteck durchgesetzt - in den w e n ig e r begüterten Schichten häufig in Form von Zinn als Silberim itat - w u rd e im 18. Jah rh u n dert w ied e r eine größere M aterialvielfalt en vogue: Perlmutter, A ch at, Lack, G las, Berg­

kristall, Email und Porzellan kam en zum Einsatz.

A u f Reisen, so etw a au f der G rand Tour, w urden Reisebestecke, etw a Klappm esser und -lö ffe l m itge­

fü h rt, da es bis ins späte 19. Jah rh u n d ert durchaus nicht selbstverständlich w ar, in einem G asth au s ein Essgerät zur Verfügung gestellt zu b eko m m en .24 Noch das ganze 18. Jah rh u n d ert hindurch herrschte außerdem Unsicherheit über den G ebrauch der G abel. Im bäuerlichen Bereich w u rd e sie in m anchen Gegenden erst im 2 0 . Jah rh u n d ert w irklich üblich. Das Essen aus einer gem einsam en Schüssel bleibt ebenso bis ins 2 0 . Jah rh u n dert alltäglich.

Das persönliche Besteck, das, m ehr oder w e n ig e r kunstvoll gestaltet, in einer Scheide oder in einem Köcher m itgetragen w u rd e und das im Adel und G roßbürgertum im Laufe des 17. und 18. Jah rh u n ­ derts in dieser Form versch w an d , w u rd e von H an d w erkern , Fuhrleuten und Bauern in m anchen G e ­ genden bis ins 20. Jah rh u n d ert hinein verw en d et, als Schm uckelem ent fixer Teil der Tracht und als Liebesgabe verschenkt. M änner trugen es in der Hosentasche, Frauen am G ü rte l.25 Die M uster dieser Bestecke w urden lange Zeit unverändert produziert.

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KLAPPM ESSER

Bei genauerer Betrachtung verzichteten jedoch auch andere Schichten nicht darauf, ein M esser stets griffbereit mit sich zu fü h ren . Es ist w o h l kein Zufall, dass sogenannte Taschenm esser25 im 17. Jah r­

hundert boom ten - oder präziser au sgedrü ckt "K la p p m e sse r", deren Klinge in den G riff eingeschla­

gen und die dadurch bequem in einer Hosen- oder sonstigen Tasche m itg eführt w erden können.

Klappm esser w urden bereits in der Bronzezeit hergestellt, röm ische Exem plare sind erhalten und auch im M ittelalter w aren sie in V erw end u n g . Jedoch w irklich beliebt w u rd en sie erst im 17. Jah rh u n d ert. In diese Zeit fällt außerdem eine Innovation, die einen größeren Schutz bei Transport und G eb rauch ga­

rantiert: die Federsicherung. Sie bew irkt, dass die Klinge nicht ungew o llt zu- oder ausklappen kann.

Durch diesen M echanism us w ird es zusätzlich m öglich, m ehrere Klingen an einer G riffsch ale zu befe­

stigen. So w u rd en beispielsw eise die kleinen Federmesser, die dem Anspitzen des G änsekiels dienten, mit A llzw eckklin g en kom biniert. Nicht selten w u rd e eine Seite der Schale als Feuerschlageisen ausge­

arbeitet, A h len zum Zunähen von Säcken w u rd en beigefügt. Verschiedenste Spezialm esser, w ie G ärt­

nerm esser, Rebm esser oder Aderlassm esser, w u rd en als Klappm esser hergestellt, da sie so bequem er zu transportieren sind. Bei den G entlem en des 18. und 19. Jahrhunderts w aren M esser mit einer zusätzlichen Klinge aus Silber oder Gold beliebt, mit denen bedenkenlos Obst zerteilt w erden kann, dessen Säure die herköm m lichen Stahlklingen angreift. A n fan g des 19. Jah rh u n derts w u rd en die erst­

en K o rkenzieher beigefügt, im 2 0 . Jah rh u n d ert schließlich Dosenöffner, Schraubenzieher und Scheren, w a s bereits in Richtung dezidierter "W erkzeu g m esse r" w e ist. Heute sind Taschenm esser einerseits praktische und funktionelle Hilfsm ittel, ständige Begleiter von M enschen, die fü r alle Situationen gerü­

stet sein w o lle n . Sie sind aber auch w ie keine anderen M essertypen zu Identifikationssym bolen g e w o r­

den. Ob jem and ein Taschenm esser mit sich fü h rt und viel m ehr noch die Frage, w e lch e M arke, ist für viele nicht nur von praktischem Interesse, sondern A u sd ru ck einer G eisteshaltung . Ob ein Schw eizer Messer, ein französisches, japanisches oder am erikanisches Produkt, ein W erkzeug -, Spezial- oder

"O u t d o o r"-M esser oder ein oberösterreichisches Taschenfeitel, w ird von vielen gan z bew u sst en t­

schieden und bringt einen bestim m ten Lebensstil zum A usd ruck.

DAS 19. UND DAS 20. JAHRHUNDERT

Das Besteckm esser eignet sich heute nur m ehr bedingt zu r Identifikation. Seine Form , die es im 17.

und 18. Jah rh u n d ert erreichte, mit der stum pfen Schneide und der abgerundeten Spitze w u rd e so w ie die seiner Partnerin, der m ehr schaufei- als spießartigen G abel, nur m ehr w en ig verän dert. Lediglich das Dekor w u rd e dem Zeitgeschm ack angepasst: Im Empire herrschten antikisierende O rn am en te vor, Lyren, Palm etten und G irlanden. Im Biederm eier w u rd en die älteren Formen mit neuen Elem enten w ie Blüm chen oder Perlen versehen. Im Historism us hingegen ging man so w eit, noch ältere Bestecke zu kopieren - bis zu den Beschaum arken und M eisterzeichen - , auch zw e izin kig e G abeln w u rd en für kurze Zeit w ied e r m odern. Dieser Trend hielt aber n icht lange an und setzte sich auch nicht allgemein durch. In der A rt Nouveau und im Jugendstil m achten sich Künstler über ein fun ktio n elleres und ergo- nom ischeres Design G ed an ken , und Bauhausstil und neue Sachlichkeit führten zu einer klaren, schnör­

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