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Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie

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Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS

P.b.b. 02Z031117M, Verlagsort: 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A/21 Preis: EUR 10,–

Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz

Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie

Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems Journal für

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mit Autoren- und Stichwortsuche Gibt es eine effektive Therapie

zur Behandlung von „Male Depression“? // Is there an effective therapy concept for treating “male depression”?

Rößner V, Krieger J

Knischewitzki-Bohlken V, Menge R Hilgert M, Hettich M

Graef-Calliess IT

Journal für Neurologie

Neurochirurgie und Psychiatrie

2017; 18 (2), 52-59

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Unsere Räucherkegel fertigen wir aus den feinsten Kräutern und Hölzern, vermischt mit dem wohlriechenden Harz der Schwarzföhre, ihrem »Pech«. Vieles sammeln wir wild in den Wiesen und Wäldern unseres Bio-Bauernhofes am Fuß der Hohen Wand, manches bauen wir eigens an. Für unsere Räucherkegel verwenden wir reine Holzkohle aus traditioneller österreichischer Köhlerei.

»Feines Räucherwerk

aus dem  «

» Eure Räucherkegel sind einfach wunderbar.

Bessere Räucherkegel als Eure sind mir nicht bekannt.«

– Wolf-Dieter Storl

yns

thetische

 Z u sOHNEätze

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52 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2017; 18 (2)

Gibt es eine effektive Therapie

zur Behandlung von „Male Depression“?

Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit von zwei

Therapiekonzepten in Hinblick auf die Behandlung geschlechter- spezifi scher Symptomatik bei depressiven Störungen

V. Rößner, J. Krieger, V. Knischewitzki-Bohlken, R. Menge, M. Hilgert, M. Hettich, I. T. Graef-Calliess

Einleitung

Obwohl Depressionen zu den häufi gsten psychischen Erkran- kungen gehören, werden mögliche (geschlechterspezifi sche)

Subdifferenzierungen in der Symptomäußerung bislang nur wenig berücksichtigt. Vorwiegend wird bei der Diagnostik und Therapie derzeit auf den Prototyp der Depression Bezug genommen, der sich vornehmlich durch klassische Sympto- me wie Niedergeschlagenheit, Grübeln, Rückzug, Antriebs- und Interessenverlust etc. äußert und eher dem weiblichen Geschlecht zugeordnet wird. Einige Studien legen nahe, dass insbesondere Männer häufi g als bisher „untypisch“ geltende Symptome einer Depression wie Aggressivität, Irritabilität, Alkoholkonsum etc. aufweisen. Depressivität bei Männern wird dadurch häufi g nicht entsprechend erkannt oder falsch

Eingelangt am 19.10.2015, angenommen nach Review am 14.01.2016, Pre-Publishing Online am 01.08.2016

Aus dem Klinikum Wahrendorff GmbH, Abteilung Neue Versorgungskonzepte - For- schung und Entwicklung, Sehnde/Ilten, Deutschland

Korrespondenzadresse: M.A. Soziologin Vanessa Rößner, Klinikum Wahrendorff GmbH, Neue Versorgungskonzepte - Forschung & Entwicklung, D-31319 Sehnde / Ilten, Hindenburgstraße 1, E-mail: [email protected]

Kurzfassung: Hintergrund: Zahlreiche Studien weisen auf eine geschlechterdifferenzierte Sym- ptomäußerung bei Depressivität hin. Zur Diag- nostik und Behandlung wird vorwiegend auf den Prototypen von Depression Bezug genommen, der nach aktuellem Erkenntnisstand eher „frauenty- pisch“ ist. Für die Behandlung von Symptomen wie Aggressivität, Irritierbarkeit, exzessivem Al- koholkonsum etc., die derzeit eher mit dem männ- lichen Geschlecht assoziiert und als „Male De- pression“ (MD) bezeichnet werden, existieren bislang keine evaluierten Therapiekonzepte. Ziel der Arbeit: Untersuchung der Wirksamkeit auf die Symp tombelastung eines auf MD angepassten Therapiekonzepts.

Material und Methoden: Studienteilnehmer waren männliche Patienten (n = 373) mit der Hauptdiagnose einer depressiven Episode (F32, ICD-10) oder einer rezidivierenden depressiven Störung (F33, ICD-10), die zum einen in einem geschlechtergemischten teilstationären Setting, mit einem auf die Therapie prototypischer Symp- tome depressiver Störungen ausgerichteten An- satz, und zum anderen in einem geschlechter- spezifischen teilstationären Setting, mit einem auf MD angepassten Therapiekonzept, behan- delt wurden. Die Untersuchung zur Wirksamkeit der Therapien innerhalb der beiden Patienten- gruppen erfolgte nicht auf Basis eines rando- misiert-kontrollierten Studiendesigns, sondern anhand einer naturalistischen klinischen Daten- grundlage, bei der die Einordnung der Patienten zu dem jeweiligen Behandlungssetting durch ein offenes Zuweiserprinzip erfolgte. Offenes Zu- weiserprinzip bedeutet in diesem Fall, dass das zentrale Aufnahmemanagement Patienten, in Berücksichtigung der Diagnosestellung des ein- bzw. überweisenden Facharztes, jedoch ohne eine spezifischere vorgehende Eingangsdiagnos- tik, dem nächsten verfügbaren teilstationären Therapieplatz des diagnosebezogenen Schwer- punktbereiches zuordnet. Unterschiede in der Re- duktion allgemeiner psychiatrischer (SCL-90-R), allgemeiner depressiver (BDI-II) und geschlechts-

spezifisch depressiver Symptome (GMDS) beider Patientengruppen wurden durch eine ANOVA mit Messwiederholung überprüft.

Ergebnisse: Eine signifikante Reduktion der Belastungen konnte in beiden Patientengruppen beobachtet werden (p < 0,01). In Bezug auf die geschlechterspezifischen Depressionssymptome wurde eine signifikant größere Verbesserung bei den Patienten des geschlechterspezifischen Set- tings festgestellt, die mit dem auf MD angepass- ten Therapiekonzept behandelt wurden (p < 0,01).

Diskussion: Zum Ermöglichen einer adäquaten Versorgung sollte verstärkt für die Berücksichti- gung auch „untypischer“ Symptomäußerungen bei der Depression sensibilisiert werden. Auch empfiehlt es sich, (geschlechter-) spezifische Pro- blembereiche und damit zusammenhängende Be- dürfnisse und Belastungen systematischer in be- stehende therapeutische Ansätze zu integrieren.

Schlüsselwörter: Männerdepression, geschlech- terspezifisch depressive Symptome, geschlechter- sensible Therapie, Therapiekonzept Männerde- pression, Gotland Male Depression Scale Abstract: Is there an effective therapy con- cept for treating “male depression”? Study to examine the effectiveness of two thera- py concepts for treating a gender-specific burden of depressive symptoms. Background:

The literature shows a gender-specific presen- tation of depressive symptoms. For diagnosing and treating depression, clinicians often take un- der consideration only a “female” prototype of depression with symptoms as dejection, retire- ment or loss of concern. Symptoms as aggres- siveness, irritability, alcohol misuse are consti- tuted as “male depression” (MD). Actually, there do not exist any scientifically evaluated therapeu- tic concepts for treating such “male-specific” de- pressive symptoms. Objective: The aim of the ar- ticle was to examine the effect of a MD-specific therapy concept on reducing the burden of symp- toms in male patients.

Materials and Methods: The study examined male patients with a diagnosis of a depressive episode (F32, ICD-10) or a recurrent depressive disorder (F33, ICD-10). Patients were treated in either a day clinic gender-mixed treatment-as- usual setting, which is oriented to the treatment of prototype depressive symptoms or a day clin- ic gender-specific setting, which was developed for treating male depressive symptoms. The in- vestigation of the effectiveness of both therapy concepts was based upon a naturalistic clinical data set and was not conceived as a randomized- controlled study design. The assignment of pa- tients to one of both settings was managed by the admission department. With respect to the diagnosis at admission following medical refer- ral, patients were assigned to the next available day clinic treatment place. Analyses of differenc- es in reduction of common psychiatric (SCL-90-R), common depressive (BDI-II) and gender-specific depressive symptoms (GMDS) in both groups of patients was conducted by an ANOVA with re- peated measurement.

Results: A significant reduction of burden of all symptoms was found (p < 0,01). The reduction of gender-specific depressive symptoms was great- er in patients that were treated by the MD spe- cific therapy concept than in patients who under- went treatment-as-usual (p < 0,01).

Conclusions: When diagnosing depression, cli- nicians should be more aware of atypical symp- toms in order to be able to provide a need-adapt- ed and individually tailored treatment. In addition a systematic integration of gender-related prob- lems and resulting burden in existing therapeutic approaches is recommendable. J Neurol Neu- rochir Psychiatr 2017; 18 (2): 52–9.

Keywords: Male Depression, gender-specific depressive symptoms, gender-sensitive therapy, Therapy concept of Male Depression, Gotland Male Depression Scale

For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.

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Gibt es eine effektive Therapie zur Behandlung von „Male Depression“?

behandelt. In diesem Beitrag wird deshalb die Auswirkung ei- nes speziell für „Male Depression“ (MD) entwickelten Thera- piekonzepts auf die Symptombelastung untersucht.

Die soziale Geschlechterrolle („Gender“), welche über die ge- sellschaftliche Konstruktion von Weiblichkeit und Männlich- keit gestaltet wird, hat Auswirkungen auf die Identität und das Selbstkonzept des Individuums: Durch die Vorgabe spezifi - scher Werte und Normen wird festgelegt, welche Fähigkeiten, Persönlichkeitseigenschaften, Einstellungen und Verhaltens- weisen für eine Frau und für einen Mann angemessen und so- zial erwünscht sind. Andererseits gliedert sie den Zugang zu personalen, sozialen und materiellen Ressourcen [1]. Gender übt zudem einen großen Einfl uss auf die Vorstellung von (ge- schlechts-) spezifi schen Gesundheitskonzepten aus und struk- turiert somit auch die Grundlagen und Risiken für körperliche und psychische Erkrankungen [1–3].

Empirische Befunde geben Hinweise darauf, dass Gender ins- besondere bei depressiven Erkrankungen eine hohe Bedeu- tung aufzuweisen scheint [1, 2, 4]. Internationale Studien zei- gen, dass Frauen im Vergleich zu Männern ein 2- bis 3-fach höheres Risiko haben, eine unipolare Depression diagnosti- ziert zu bekommen [1, 2]. Nach aktuellen Daten wird allei- ne in Deutschland innerhalb von 12 Monaten bei 10 % der erwachsenen Frauen – im Vergleich dazu bei 5 % der Män- ner – eine Depression diagnostiziert [5]. Allerdings gibt es bislang keine belastbaren Daten, die die Ursachen eines tat- sächlich geringeren Depressionsrisikos bei Männern belegen [1, 3]. Vielmehr gibt die 3- bis 10-mal höhere Suizidrate von Männern Hinweise darauf, dass beide Geschlechter ein eher vergleichbares Risiko aufweisen könnten [1, 5, 6]. Hierbei muss natürlich berücksichtigt werden, dass Suizide mit multi- plen Faktoren in Zusammenhang stehen und nicht ausschließ- lich aufgrund von depressiven Störungen vorgenommen wer- den. Dies legt die Vermutung nahe, dass Depression bei Män- nern häufi ger unerkannt und unbehandelt bleibt [1, 7, 8]. Auf Grundlage des bisherigen Forschungsstandes lässt sich diese Vermutung auf drei zentrale Faktoren zurückführen: mangeln- de Hilfesuche, dysfunktionale Stressverarbeitungsmuster und Gender Bias in der Depressionsdiagnostik [1, 3].

Die traditionelle männliche Geschlechterrolle ist orientiert an Leistung und Erfolg sowie der Ausübung von Macht bzw. Do- minanz und somit charakterisiert durch Kontrolle, Mut, Au- tonomie, Rationalität und Unverletzlichkeit [9]. Dieses Ide- al „hegemonialer Männlichkeit“ erfordert eine ständige Be- wältigung von Bedrohungen und Schwierigkeiten, bei gleich- zeitiger Unterdrückung von als weiblich geltenden Emotionen wie Angst, Unsicherheit, Schwäche, Traurigkeit und Hilfl o- sigkeit [3, 9]. Zudem ist im Männlichkeitsstereotyp Hilfesuch- verhalten nicht vorgesehen, da dies Statusverlust und damit die Aufgabe von Autonomie bedeuten würde [1]. Auf dieser Basis bedeutet für Männer Gesundheit in erster Linie körperli- che Funktionsfähigkeit und „Abwesenheit von Krankheit“ [3].

Dieses verringerte Hilfesuch- und Inanspruchnahmeverhalten führt zu einer Unterrepräsentation von Männern in nahezu al- len medizinischen Versorgungsstrukturen [1, 3]. Darüber hin- aus sind Männer insgesamt stärker an sozialem Status orien- tiert und weisen stärkere psychobiologische Stressreaktionen bei Stressoren auf, die ihren sozialen Status bedrohen [1, 10].

Wird eine Statusbedrohung des Männlichkeitsideals – und da- mit verbundene Rollen- und Identitätskonfl ikte – wahrgenom- men, wird häufi g mit dem „fi ght or fl ight“-Muster reagiert und versucht, die bedrohte Männlichkeit mit rollenkompatiblem ausagierendem Verhalten zu kompensieren [1, 3].

Auch in Bezug auf die Äußerung depressiver Symptome zei- gen sich ähnliche Ergebnisse: Zwar weisen beide Geschlech- ter Kernsymptome wie Niedergeschlagenheit, Antriebs- und Interessenverlust, Schuldgefühle etc. auf, aber Männer berich- teten diese als „typisch“ bezeichneten depressiven Sympto- me signifi kant weniger häufi g als Frauen [11, 12]. Insbeson- dere wurden neben den üblichen Symptomen vor allem auch Symp tomäußerungen wie Gereiztheit, Irritabilität, Aggressi- vität, antisoziales sowie Risiko- und Suchtverhalten bei de- pressiven Männern festgestellt [1, 11–13]. Unter dem Konzept

„Male Depression“ (MD) zusammengefasst, wird die An- nahme vertreten, dass geschlechtsspezifi sch unterschiedliche Stressverarbeitungsmuster existieren, die dazu führen, dass Männer Depressivität und emotionale Belastung anders wahr- nehmen, äußern und bewältigen als Frauen. Während Frauen sich mit ihren Gefühlen auseinandersetzen, ins Grübeln ver- fallen etc., können depressive Symptome bei Männern eher durch geschlechtstypische Stresssymptome maskiert sein [5].

Für die Diagnostik einer Depression wird allerdings vorwie- gend auf den Prototyp der Depression Bezug genommen, der hauptsächlich auf internalisierenden Copingstrategien bzw.

Symptomen basiert und dem weiblichen Geschlecht zugeord- net wird [1, 3]. Bei externalisierenden Strategien bzw. Symp- tomen wie Aggressivität, Irritabilität, Aktivismus, Feindselig- keit oder exzessiver Alkoholkonsum [14] handelt es sich hin- gegen um eher „untypische“ Verhaltensweisen, die überwie- gend als „männliche“ Abwehrstrategien interpretiert werden und somit nicht in den führenden Depressionsinventarien ent- halten sind [1, 7, 13].

Folge: Depressivität wird bei einem Großteil der betroffe- nen Männer nicht erkannt und somit nicht behandelt [1, 2, 7, 15]. Zudem ist die Gefahr von Fehldiagnosen wie dissozia- ler Persönlichkeitsstörung oder Alkoholabhängigkeit begüns- tigt [1, 15]. Obwohl bereits an dieser Stelle kritisch anzumer- ken sei, dass zur Absicherung bzw. Abgrenzung des Konzepts MD von anderen psychiatrischen Störungsbildern (bspw.

Persönlichkeitsstörungen/-akzentuierungen, Substanzabusus) und dem Einfl uss von Komorbiditäten auf MD weitere wis- senschaftliche Untersuchungen vorgenommen werden sollten.

Ziel dieses Artikels ist es, zu untersuchen, ob die Behandlung von männlichen depressiven Patienten nach einer für sie ange- passten Therapie erfolgreicher ist als eine bisher übliche Be- handlung. Hierfür wurde die Entwicklung der Symptombe- lastung im Behandlungsverlauf auf Grundlage einer natura- listischen klinischen Datenbasis betrachtet. Neben den allge- meinen psychiatrischen Symptomen wurde der Fokus auf den Vergleich der Entwicklung von MD kennzeichnender Symp- tomausprägung gelegt. Die MD kennzeichnende Symptom- ausprägung wurde erhoben durch ein validiertes Instrument, welches speziell zur Erfassung geschlechtsspezifi sch depres- siver Symptomausprägung bereits international eingesetzt wird.

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Gibt es eine effektive Therapie zur Behandlung von „Male Depression“?

54 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2017; 18 (2)

In der Studie wurde eine männliche Patientengruppe (PG) in einem geschlechterdifferenzierten, mit einem auf MD ange- passten Therapiekonzept und eine in einem geschlechterge- mischten Setting, mit einem auf die Therapie prototypischer Symptome ausgerichteten Ansatz, behandelt. Die Zuordnung zu den jeweiligen teilstationären Behandlungssettings erfolg- te nicht durch Randomisierung, sondern auf Basis eines of- fenen Zuweiserprinzips. Offenes Zuweiserprinzip bedeutet, dass das zentrale Aufnahmemanagement Patienten, in Be- rücksichtigung der Diagnosestellung des ein- bzw. überwei- senden Facharztes, jedoch ohne eine spezifi schere vorgehende Eingangsdiagnostik dem nächsten verfügbaren teilstationären Therapieplatz des diagnosebezogenen Schwerpunktbereiches zuordnet. Das bedeutet, dass die Patienten des geschlechter- spezifi schen Settings für die Behandlung mit einem auf MD angepassten Therapiekonzept auch nicht zwangsläufi g durch eine MD-spezifi schere Symptomatik gekennzeichnet sein mussten. Durch die Möglichkeit der Zuweisung nach Verfüg- barkeit eines freien Therapieplatzes sollen lange Wartezei- ten bzw. Abbrüche in der Behandlungskette vermieden wer- den. Die Rekrutierung der Patienten erfolgte in einer psychia- trisch-psychosomatischen Klinik im Großraum Hannover, welche ein speziell auf die Behandlung der Symptome einer MD ausgerichtetes Therapiekonzept entwickelt hat. Ein über- blicksartiger Vergleich beider Therapiekonzepte kann der Ta- belle 1 entnommen werden. Die Behandlung mittels eines auf MD angepassten Therapiekonzepts ist unter anderem durch folgende Aspekte gekennzeichnet:

Innerhalb des geschlechterspezifi schen Settings werden aus- schließlich männliche Patienten behandelt. Neben prototy- pischen depressiven Symptomen wird der Fokus zudem vor allem auf die Behandlung nicht prototypischer, MD-kenn- zeichnender Symptome gelegt. Es wird unter anderem eine themenzentrierte Männergruppe angeboten, in der männli- che Patienten Probleme in Bezug auf „heikle“ Themenberei- che, wie bspw. Sexualität und Aggression (auch innerhalb des häuslichen Umfelds), offen ansprechen und besprechen kön- nen. Dieses „Unter-sich-sein“ kann von den männlichen Pa- tienten als eine deutliche Erleichterung empfunden werden und somit die Offenheit im therapeutischen Geschehen för- dern. Darüber hinaus wird, zum Abbau unter anderem von Aggressivität und innerer Unruhe, eine verstärkte körperbezo- gene Therapie in Form eines deutlich erhöhten Sport- und Be- wegungsangebots durchgeführt.

Patienten und Methoden

Einschlusskriterien Patienten

In die Studie eingeschlossen wurden männliche Patienten, die im Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2014 mit der Haupt- diagnose (HD) einer depressiven Episode (F32, ICD-10) oder einer rezidivierenden depressiven Störung (F33, ICD-10) teil- stationär in das Klinikum Wahrendorff aufgenommen wurden.

Auf Basis des offenen Zuweiserprinzips wurden die Patien- ten entweder in einem geschlechtergemischten Setting (PG 1), mit einem auf die Therapie prototypischer Symptome ausge- Tabelle 1: Gegenüberstellung der therapeutischen Settings

Patientengruppe 1 Patientengruppe 2

Setting Geschlechtergemischt Geschlechterspezifi sch

Zielgruppe Männliche & weibliche Patienten Ausschließlich männliche Patienten Behandlungsplatzanzahl 43 (2 Tageskliniken) 24 (1 Tagesklinik)

Symptomfokus Ausschließlich klassische Depressionssymptomatik (bspw. Niedergeschlagenheit, Interessenlosigkeit), unabhängig von Geschlecht

Geschlechterspezifi sche Depressionssymptomatik (bspw. Irritabilität und Risikoverhalten) in Berücksich- tigung von männlichem Rollenverständnis sowie klas- sischer depressiver Symptomatik

Therapiebausteine Einzel- und Gruppen- therapie

Psychoedukation inkl. Motivationsgruppen

Psychoedukation

inkl. themenzentrierte Männergruppe

(Themenbereiche: Integration männlicher sozialer Belastungen, wie Doppelbelastung Beruf/Familie, Einsamkeit, männliche Sexualität)

Emotionsregulationstraining, Problembewälti-

gungstraining

Emotionsregulationstraining mit Fokus auf Überwin- dung „männerspezifi scher“ dysfunktionaler Bewäl- tigungsstrategien (bspw. „Gefühlen Raum zu geben statt Verdrängung“),

Stresstoleranz/ -regulationstraining, Problembewälti- gungstraining, Anti-Gewalt-Training

Gruppentraining sozialer Kompetenzen Gruppentraining sozialer Kompetenzen mit Fokus auf männlicher Rolle (gegen Rückzug und „Nichtspre- chen“)

Sporttherapie,

Progressive Muskelrelaxation

Erhöhte Körperbezogene Therapie: insbesondere Au- ßenaktivitäten z. B. Fußball, Nordic Walking, Physio- yoga, Progressive Muskelrelaxation

Achtsamkeitstraining, Imagination Achtsamkeitstraining, Imagination

Ergotherapie Ergotherapie, „Cook Mahl“ (gemeinsames Kochen)

Gegenüberstellung relevanter Therapieschwerpunkte, getrennt nach geschlechtergemischtem therapeutischen Setting (Patientengruppe 1) und geschlechterspezifi schem therapeutischen Setting (Patientengruppe 2)

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Gibt es eine effektive Therapie zur Behandlung von „Male Depression“?

Tabelle 2: Charakterisierung der Gesamtstichprobe (n = 373)

Merkmal Kennwert Patientengruppe 1

(geschlechter- gemischtes Setting)

Patientengruppe 2 (geschlechter- spezifi sches Setting)

p

Hauptdiagnose (ICD-10) depressive Episode (F32)

rezidivierende depressive Störung (F33)

n (%) 51 (35,4)

93 (64,6)

109 (47,6) 120 (52,4)

0,021¹

Nebendiagnose (ICD-10)

Psychische und Verhaltensstörungen durch psycho- trope Substanzen (F1)

Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störun- gen (F4)

Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F6) Sonstige

n (%)

63 (55,8) 35 (30,9) 10 (8,9)

5 (4,4)

48 (33,3) 61 (42,4) 19 (13,2) 16 (11,1)

0,008¹

Erkrankungsdauer

< 6 Monate

> 6 Monate

n (%) 19 (16,9)

93 (83,1)

52 (26,4) 145 (73,6)

0,058¹

Verweildauer in Tagen MW (SD) 44,3 (18,9) 56,9 (21,2) 0,000²

Suizidalität Ja

Nein

n (%) 13 (11,6)

99 (88,4)

35 (17,9) 160 (82,1)

0,141¹

Autoaggression Ja

Nein

n (%) 10 (8,9)

103 (91,1)

12 (6,2) 183 (93,8)

0,381¹

Fremdaggression Ja

Nein

n (%) 6 (5,4)

105 (94,6)

10 (5,1) 185 (94,9)

0,921¹

Alter in Jahren MW (SD) 42,8 (11,7) 43,5 (10,7) 0,522²

Familienstand ledig

verheiratet

geschieden / getrennt

n (%) 65 (48,8)

40 (30,1) 28 (21,1)

79 (35) 106 (46,9) 41 (18,1)

0,013¹

Wohnverhältnis

Privatwohnung / Wohngemeinschaft Psychiatrisches Wohnheim

n (%) 111 (99,1)

1 (0,89)

200 (100) 0,181¹

Lebensform allein nicht allein

n (%) 55 (49,1)

57 (50,9)

56 (28) 144 (72)

0,000¹

Schulbildung Hauptschule Realschule Abitur ohne Sonderschule

n (%)

33 (29,5) 54 (48,2) 22 (19,6) 2 (1,8) 1 (0,9)

67 (34,2) 82 (41,8) 42 (21,4) 4 (2,1) 1 (0,5)

0,837¹

Berufsausbildung Lehre

(Fach-)Hochschule Fach- / Meisterschule ohne

Sonstige

n (%)

76 (67,9) 18 (16,1) 6 (5,4) 10 (8,9) 2 (1,8)

113 (57,4) 28 (14,2) 26 (13,2) 29 (40,7) 1 (0,5)

0,067¹

Beschäftigung Arbeitslos / -suchend Vollzeit

Teilzeit Sonstige

n (%)

39 (35,1) 49 (44,1) 6 (5,4) 17 (15,4)

40 (20,2) 131 (66,2) 6 (3,1) 21 (10,5)

0,021¹

Verteilung klinischer und sozidemografi scher Merkmale von Patientengruppe 1 (geschlechtergemischtes therapeutisches Setting, Behand- lung mittels regulärem Therapiekonzept) und Patientengruppe 2 (geschlechterspezifi sches therapeutisches Setting, Behandlung mittels auf MD angepasstem Therapiekonzept)

Abkürzungen: n Anzahl Patienten; MW Mittelwert; SD Standard Deviation; p zweiseitige Signifi kanz, p-Wert auf Grundlage Prüfwert

¹Chi²-Test, ²Student t-Test

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Gibt es eine effektive Therapie zur Behandlung von „Male Depression“?

56 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2017; 18 (2)

richteten Ansatz, oder in einem geschlechterspezifi schen Set- ting (PG 2), das durch spezielle Module verstärkt auf die The- rapie der Symptome einer MD ausgerichtet ist, behandelt. Es erfolgten keine Altersbegrenzung und kein Ausschluss auf Grundlage bestimmter Nebendiagnosen oder soziodemogra- fi scher Merkmale.

Instrumente

Untersucht wurde die allgemeine psychiatrische, allgemeine depressive und geschlechterspezifi sche depressive Symptom- belastung bei Aufnahme und Entlassung. Die Mindestaufent- haltsdauer wurde auf vier Tage festgelegt.

Die allgemeine psychiatrische Symptombelastung wurde durch die Symptom-Checklist-90 (SCL-90-R) erfasst1). Als Kennwert für die grundsätzliche psychische Belastung wur- de der Global Severity Index (GSI) verwendet. Die allgemei- ne depressive Symptomatik wurde durch das Beck-Depressi- ons-Inventar-II (BDI-II) und die geschlechtsspezifi sch depres- sive Symptomausprägung durch die Gotland Male Depression Scale (GMDS) gemessen2). Das international eingesetzte In- strument erfasst die Symptome einer MD [13]. Sie besteht aus 13 Items, wobei die Symptomausprägung auf einer 4-stufi gen Skala von 0 („überhaupt nicht“) bis 3 („stimmt genau“) ein- geschätzt und durch einen Gesamtwert berechnet wird3). Alle in der Studie eingesetzten Testungen sind Selbstbeurteilungs- instrumente.

Statistische Verfahren

Die statistische Analyse wurde mittels SPSS 22 und STATA 13.1 durchgeführt. Für den Vergleich der Prä- und Post-Symp- tomwerte der beiden Patientengruppen wurde eine zweifakto- rielle univariate Varianzanalyse (ANOVA) mit Messwiederho- lung durchgeführt. Die Gruppendifferenzen wurden über ²- Test und Student t-Test verglichen. Die Voraussetzungen für die Testdurchführungen waren gegeben.

Ergebnisse

Stichprobe

Das Alter der 373 Probanden lag zwischen 17 und 73 Jahren (MW = 43,2). Der Anteil an Patienten aus PG 1 (N = 144) mit der HD einer rezidivierenden depressiven Störung (F33, ICD- 10) war signifi kant höher (65 %) als bei PG 2 (N = 229). Hier verteilten sich die Hauptdiagnosen einer depressiven Episo- de (F32, ICD-10) und einer rezidivierenden depressiven Stö- rung (F33, ICD-10) annährend gleich (F32: 48 %, F33: 52 %).

Signifi kante Unterschiede wurden auch hinsichtlich der Ne- bendiagnosen deutlich: Während in PG 1 vorwiegend Störun- gen aus dem ICD-Diagnosecluster psychische und Verhaltens- störungen durch psychotrope Substanzen (F1: 56 %), neuroti- sche, Belastungs- und somatoforme Störungen (F4: 31 %) und Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F6: 9 %) vorlagen,

bezogen sie sich in PG 2 vorwiegend auf die Cluster neuro- tische, Belastungs- und somatoforme Störungen (F4: 42 %), psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Sub- stanzen (F1: 33 %) und Persönlichkeits- und Verhaltensstö- rungen (F6: 13 %).

Keine signifi kanten Unterschiede existierten hinsichtlich der Suizidalität und Aggression. Der überwiegende Anteil der Pa- tienten war bei Aufnahme nicht suizidal (85 %) und zeigte weder Auto- (93 %) noch Fremdaggression (95 %). Zudem lag die Erkrankungsdauer bei 77 % bereits über 6 Monate.

Die Patienten aus PG 2 waren signifi kant 12,6 Tage länger in Behandlung als Patienten aus PG 1. In einer Privatwohnung wohnte 99 % der Gesamtklientel, wobei in PG 2 signifi kant mehr gemeinsam mit anderen Personen in einem Haushalt leb- ten (72 %). In PG 1 verteilte sich die Anzahl Alleinlebender (49 %) annährend gleich mit Nichtalleinlebenden (51 %). Da- rüber hinaus waren signifi kant mehr Probanden in PG 2 ver- heiratet (47 %). Keine Unterschiede ergaben sich beim Schul- abschluss und der Berufsausbildung. In PG 1 waren mehr Pa- tienten arbeitslos/-suchend (35 %) und weniger Vollzeit be- schäftigt (44 %) (Tabelle 2).

Symptombelastung

Die ANOVA ergab bei allen Skalen signifi kante Haupteffek- te (HE) für den Faktor Zeit. Zudem waren signifi kante Inter- aktionseffekte (IE) der Faktoren Zeit und PG für den GSI und die GMDS feststellbar (Tab. 3). Die Effektstärken verwiesen auf einen großen Einfl uss des HE Zeit auf die Reduktion der Symptomausprägungen (Tab. 3). Die Wechselwirkung zwi- schen der Zeit und Gruppenzugehörigkeit (IE) hat in Hinblick auf die Verbesserung der Prä- und Postsymptome bei dem GSI und der GMDS einen kleinen sowie bei dem BDI-II keinen re- levanten Effekt (Tab. 3).

Kontrasttests zeigten signifi kante Veränderungen gegenüber dem Ausgangswert bei allen Fragebögen: Die Symptombe- lastung reduzierte sich, unabhängig von der Gruppenzugehö- rigkeit, von der Aufnahme zur Entlassung bei allen Patienten (p = 0,00) (Tab. 4). Signifi kante Unterschiede bzgl. des Aus- maßes der Reduktion zwischen beiden PG konnten bei dem BDI-II nicht nachgewiesen werden. Die Reduktion der all- gemeinen psychiatrischen Symptomausprägung und der ge- schlechtsspezifi schen Depressionssymptomatik war in PG 2 signifi kant höher: Im Vergleich zu PG 1 fi el die Verbesserung von der Prä- zur Postmessung bei dem GSI in PG 2 im Durch- schnitt um 3,12 Punkte (p < 0,05) und bei der GMDS um 3,57 Punkte (p < 0,01) höher aus (Tab. 4) 4).

Um zu ermitteln, ob die in der deskriptiven Statistik aufge- führten Merkmale, insbesondere die signifi kanten Merkmals- unterschiede der beiden Stichproben, einen Effekt auf die Re- duktion der Symptomausprägungen ausüben, wurden diese als Kovariaten zunächst jeweils separat und im zweiten Schritt in einem vollständigen ANOVA-Modell eingeschlossen. Hier- bei zeigte sich allerdings jeweils kein signifi kanter Einfl uss der betrachteten klinischen bzw. soziodemografi schen Merk-

4) GSI:  MW Prä-Post: PG 1 = 6,98; PG 2 = 10,1; GMDS:  MW Prä-Post:

PG 1 = 7,88; PG 2 = 11,45

1) Standardisierung Gesamtwert GSI: 60–64 = leicht / 65–69 = deutlich / 70–

74 = stark / 75–80 = sehr stark erhöhte psychische Belastung

2) Standardisierung Gesamtwert BDI-II: < 13 = klinisch unauffälliges / 13–

19 = leichtes / 20–28 = mittelgradiges / = 29 schweres depressives Syndrom

3) Standardisierung Gesamtwert GMDS: 0–12 = keine / 13–26 = mögliche / 27–39 = klare Anzeichen einer Depression

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Gibt es eine effektive Therapie zur Behandlung von „Male Depression“?

male auf die festgestellten Unterschiede in der Entwicklung der Symptomausprägung.

Diskussion

Der derzeitige Forschungsstand bezüglich der geschlechter- spezifi schen Wirkung psychotherapeutischer Methoden in der Behandlung von Depression ist eher begrenzt [1]. Studien von Hautzinger und de Jong-Meyer sowie Schneider et al., die die geschlechterspezifi sche Effektivität interpersoneller und kog- nitiver Verhaltenstherapie untersuchten, konnten keine Wir- kungsunterschiede bei Männern und Frauen nachweisen [16, 17]. Diesen Ergebnissen zufolge würden Männer mit proto- typischen depressiven Symptomen von derartigen Therapi- en genauso gut profi tieren wie Frauen [16, 17]. Darüber hin- aus weisen Ergebnisse verschiedener Studien im Bereich der Pharmakotherapie darauf hin, dass durch die Einnahme von Antidepressiva Depressivität sowie Aggressivität als Sympto- me einer depressiven Störung gleichermaßen reduziert werden konnten [18, 19].

In dieser Studie wurde die Wirksamkeit eines speziellen Thera- pieprogrammes bei Depressivität mit möglicher geschlechter- spezifi scher Symptomatik wie bspw. Gereiztheit, Irritabilität, antisozialem und Risikoverhalten untersucht. Da dieses The- ma derzeit kaum im Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen steht, sollte mit dieser Studie ein Beitrag zur Schließung die- ser Forschungslücke geleistet werden. Zunächst sollte berück- sichtigt werden, dass sich die beiden PG dieser Studie nicht in den jeweiligen betrachteten Symptombelastungen bei Auf- nahme unterschieden haben (Tab. 4). Darüber hinaus waren die Patien ten in PG 2 auch nicht durch eine MD-spezifi sche- re Symptomatik auf Basis klinischer Merkmale (Nebendiag- nose, Fremdaggression) gekennzeichnet (Tab. 2)5). Dies ist der Zuordnung der Patienten zum jeweiligen Behandlungssetting durch das Zuweiserprinzip bzw. der Datenbasis in Form einer naturalistischen klinischen Stichprobe und einer daher nicht durchgeführten spezifi scheren Eingangsdiagnostik geschuldet.

Die Ergebnisse der durchgeführten Stu- die belegen insgesamt einen positiven Behandlungseffekt: In beiden PG re- duzierten sich die betrachteten Symp- tombelastungen signifi kant von einem (deutlich) erhöhten bis mittleren Niveau auf ein geringeres bis klinisch unauf- fälliges (Tab. 4). Insbesondere die ge- schlechtsspezifi sche Depressionssymp- tomatik als auch die allgemeine psych- iatrische Symptombelastung haben sich durch die angepasste kognitive Therapie in einem stärkeren Maß reduziert als mit der Standardbehandlung (Tab. 4). Durch

die Behandlung reduzierte sich die Symptomatik in PG 2 so- gar auf ein klinisch unauffälliges Niveau. Obwohl die Patien- ten der PG 1 in einem vergleichbaren Ausmaß von einer ge- schlechtsspezifi schen Depressionsbelastung betroffen waren (Tab. 4) sowie durch entsprechende klinische Merkmale (Ne- bendiagnose) ein höheres Risiko für MD aufwiesen (Tab. 2), konnte mittels der klassischen Therapie innerhalb der PG 1 keine derartige Verbesserung erzielt werden (Tab 4). Dies legt die Vermutung nahe, dass bereits eine per se verstärkte Inte- gration „männerspezifi scher“ Problembereiche in sowohl ein- zel- als auch gruppentherapeutische Angebote sowie die Be- handlung von Männern „unter sich“ erheblich zum Behand- lungserfolg bezüglich der Reduktion der Belastung durch

„untypische“ beziehungsweise nicht prototypische depres- sive Symptome beitragen könnte (Tab. 1) – insbesondere da es Männern innerhalb einer Psychotherapie häufi g schwerer

Tabelle 3: Ergebnisse der ANOVA mit Messwiederholung (df = 1)

Testung F p 2

GSI (SCL-90-R)

Haupteffekt: Zeit 150,48 0,00 0,43

Interaktionseffekt Zeit*PG 5,03 0,02 0,03 BDI-II

Haupteffekt: Zeit 302,54 0,00 0,58

Interaktionseffekt: Zeit*PG 1,64 0,21 0,01 GMDS

Haupteffekt: Zeit 269,19 0,00 0,56

Interaktionseffekt: Zeit*PG 9,18 0,00 0,04 Überblick über berechnete F-Werte, zweiseitige Signifi kanzen und Effektstärken des Haupteffekts Zeit und des Interaktionseffekts Zeit*Patientengruppe nach durchgeführter Varianzanalyse mit Messwiederholung, getrennt nach Testung / Symptombelastung Abkürzungen: ANOVA Analysis of Variance; df Anzahl Freiheitsgra- de; F F-Wert; p zweiseitige Signifi kanz; ² Partielles Eta-Quadrat;

GSI Global Severity Index (SCL-90-R); BDI-II Beck-Depressions- Inventar-II; GMDS Gotland Male Depression Scale; PG Patienten- gruppe

Tabelle 4: Mittelwerte der Testungen von Prä- & Postmessung Patientengruppe 1 (geschlechter-

gemischtes Setting)

Patientengruppe 2 (geschlech- terspezifi sches Setting)

Testung n MW (SD) n MW (SD)

Prä Post Prä Post

GSI 55 67,31 (6,97) 60,33 (9,52) 150 67,71 (8,05) 57,61 (9,69) BDI-II 65 26,66 (11,47) 14,69 (10,76) 154 25,36 (9,26) 11,49 (9,69) GMDS 57 20,79 (7,97) 12,91 (7,69) 157 20,87 (7,02) 9,42 (6,91) Überblick über berechnete Mittelwerte und Standardabweichungen nach durchgeführter Varianzanalyse mit Messwiederholung, getrennt nach Testung / Symptombelastung und Patientengruppe, bezogen auf den Zeitpunkt Prä (Aufnahme) und Post (Entlassung) Abkürzungen: n Anzahl Patienten; MW Mittelwert; SD Standard Deviation; GSI Global Se- verity Index (SCL-90-R); BDI-II Beck-Depressions-Inventar-II; GMDS Gotland Male Depres- sion Scale

Anmerkung: Signifi kante Reduktion aller Testungen / Symptombelastungen von Prä zu Post sowohl in Patientengruppe 1 (geschlechtergemischtes therapeutisches Setting, Be- handlung mittels regulärem Therapiekonzept) als auch Patientengruppe 2 (geschlechter spezifi sches therapeutisches Setting, Behandlung mittels auf MD angepassten Therapie- konzepts).

Das Ausmaß der Reduktion der Symptombelastungen hat sich zwischen Patientengruppe 1 und Patientengruppe 2 signifi kant bei der Testung SCL-90-R (GSI) und der GMDS unter- schieden. Für einen Überblick über Signifi kanzen und Effektstärken des Haupteffekts Zeit und des Interaktionseffektes Zeit*Patientengruppe: Siehe Tab. 3.

5) Einschränkend sollte an dieser Stelle ange- bracht werden, dass das Aggressionspotential auf Grundlage der in den jeweiligen Settings verwendeten Basisdokumentation erfasst wurde.

Zur genauen Abklärung von Auto- und Fremd- aggression sollte innerhalb weiterführender Un- tersuchungen darüber hinaus auch der psycho- pathologische Befund berücksichtigt werden.

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Gibt es eine effektive Therapie zur Behandlung von „Male Depression“?

58 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2017; 18 (2)

fällt, über eigene Gefühle und Konfl ikte zu sprechen als Frau- en [20].

Darüber hinaus verweisen die Ergebnisse der Studie darauf, dass sich die klassisch depressive Stimmungslage (BDI-II) durch die Therapie in beiden PG zwar reduzierte, sich hierbei aber keine signifi kanten Unterschiede hinsichtlich des Aus- maßes zwischen beiden PG feststellen ließen. Bei der Behand- lung von klassisch depressiven Symptomen können demnach in beiden Settings entsprechende Erfolge erzielt werden. Die- se Erkenntnisse legen nahe, dass für die Behandlung als bis- lang „untypisch“ geltender depressiver Symptome geschlech- tersensible Therapien bzw. Therapiebestandteile zu empfeh- len sind. Hierfür wären nicht zwangsläufi g neue Methoden notwendig [3]. Insbesondere sollte das Wissen über ein ge- schlechtsspezifi sches Verständnis von Gesundheit/Krankheit sowie die Berücksichtigung geschlechtsabhängiger Bedürf- nisse und Belastungen, die im Zusammenhang mit den jewei- ligen sozialen Rollen und Normen stehen, in bestehende the- rapeutische Ansätze systematisch integriert werden (Tab. 1) [1, 3]. Insgesamt lässt sich festhalten, dass zur Vorbeugung von Fehldiagnostizierung, -versorgung und -behandlung ge- schlechtersensible Forschung, Sensibilisierung für den Einbe- zug „depressionsuntypischer“ Symptome in die Diagnosestel- lung und Therapie sowie Aufklärung und Gesundheitsförde- rung zu empfehlen sind.

Das Konzept der MD erscheint zunehmend klinisch evident und wird verstärkt in Gesundheitsinstitutionen rezipiert [1, 7].

Auf Grundlage des derzeitigen Forschungsstandes bedarf es allerdings weiterer wissenschaftlicher Absicherung [1, 7]. Ins- besondere zur Klärung der Frage, inwieweit es sich bei den bisher „untypischen“ Symptomen wie bspw. Irritabilität, Ag- gressivität, Alkoholmissbrauch um geschlechterabhängige de- pressive Symptome und damit explizit um eine MD handelt, muss weitere Forschung erfolgen. Dies macht die Untersu- chung möglicher „männerspezifi scher“ Depressivitätssymp- tome bei Frauen unerlässlich. Möller-Leimkühler und Yücel haben dies an einer studentischen Stichprobe (n = 1018) unter- sucht [15]. Entgegen bisheriger Erkenntnisse aus Studien zur MD kamen sie zu dem Ergebnis, dass Studentinnen sowohl ein höheres Risiko für eine MD aufweisen, als auch prototy- pisch depressive sowie externalisierende Symptome bei ihnen deutlich ausgeprägter sind als bei Studenten [15].

Da eine derartige Analyse auf Basis einer klinischen Stichpro- be bisher nur in zwei Studien von Winkler et al. und Möller- Leimkühler et al. vorgenommen wurde, wird dies derzeit von der Erstautorin durchgeführt [12, 21]. Die Resultate sollen ei- nen weiteren Aufschluss darüber geben, inwieweit die als bis- lang „männertypisch“ bezeichneten Symptome auch bei Frau- en auftreten bzw. inwieweit sich Unterschiede zwischen den Geschlechtern abzeichnen. Möglicherweise ließe sich mittels dieser Ergebnisse eine konkretere Ausgestaltung des Konzepts der MD vornehmen oder Hinweise auf einen eventuellen neuen Subtypus von Depression fi nden. Für eine letztlich gesicherte Zuordnung derartiger Symptome zu einer Depression müssten allerdings weitere Untersuchungen vorgenommen werden, da bislang nicht hinreichend geklärt ist, inwieweit es sich hierbei auch um Persönlichkeitseigenschaften, dysfunk tionale Stress- verarbeitungsmuster oder Symptomkategorien anderer psy-

chiatrischer Störungsbilder bspw. aus dem ICD-10-Diagnose- cluster psychische und Verhaltensstörungen durch psychotro- pe Substanzen (F1) oder Persönlichkeits- und Verhaltensstö- rungen (F6) handeln könnte [7]. Insbesondere zur Erfassung des Zusammenhangs zwischen MD und Persönlichkeitseigen- schaften bzw. Stressverarbeitungsmustern wären der Einsatz weiterer psychometrischer Skalen sowie die Durchführung qualitativer Interviews empfehlenswert.

Limitationen

Zur Erhöhung der Aussagekraft der Ergebnisse wären folgen- de Änderungen hinsichtlich des Studiendesigns notwendig:

– Vergrößerung und Randomisierung der Stichprobe – Verblindung bzw. zusätzliche Absicherung der Symptoma-

tik durch Fremdbeurteilung

– Annähernde Gleichverteilung der Gruppengrößen – Follow-ups zur Erfassung der Nachhaltigkeit

Danksagung

Wir danken unseren Patienten sowie Kolleginnen und Kolle- gen für ihre Unterstützung bei der Studiendurchführung!

Interessenkonfl ikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonfl ikt besteht.

Literatur:

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approach focusing on the infl uence of sex. J Affect Disord 2014; 156: 92–103.

5. Beutler J, Gerlinger G. Die männliche Psyche leidet anders. In: Deutsche Gesell- schaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V.

(eds). Psyche im Fokus. Das Magazin der DGPPN. Berlin, 2015; 7.

6. Sigurdsson B, Palsson SP, Aevarsson O, Olafsdottir M, Johannsson M. Validity of Got- land Male Depression Scale for male depres- sion in a community study: The Sudurnesjar- menn study. J Affect Disord 2015; 173: 81–9.

7. Möller-Leimkühler AM, Heller J, Paulus NC. Geschlechterrollenorientierung, Risiko

Relevanz für die Praxis

– Sensibilisierung für als bislang „untypisch“ bezeichne- ter Symptomäußerungen bei Depression zur Vermei- dung von möglicher Fehl- und Unterdiagnostizierung.

– Bei Patienten mit untypischen Depressionssymptomen bzw. Symptomäußerungen sollte ein verstärkter Ver- weis auf oder Überweisung an spezielle Settings vorge- nommen werden, die derartige Symptome und Belas- tungen durch einzel- und gruppentherapeutische Ange- bote in ihr Behandlungsrepertoire einbinden.

– Generell verstärkte Integration „depressionsuntypi- scher“ Symptome und zugehöriger Belastungen in be- stehende therapeutische Ansätze.

– Weiterführende Forschung zur wissenschaftlichen Ab- sicherung des Konzepts MD, insbesondere mit kriti- schem Fokus auf eine tatsächliche Geschlechterabhän- gigkeit.

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Gibt es eine effektive Therapie zur Behandlung von „Male Depression“?

einer Male Depression und Hilfesucheverhal- ten bei jungen Männern. Psychiat Prax 2007;

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Vanessa Rößner (MA Soziologie) 2007–2010 Studium der Soziologie an der TU Chemnitz (Abschluss: B.A. Soziologie), 2010–2013 Studium der Soziologie an der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg (Ab schluss: M.A. Soziologie). 2013 bis heu- te: Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abtei lung Neue Versorgungskonzepte – For- schung und Entwicklung am Klinikum Wah- rendorff.

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Mitteilungen aus der Redaktion

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