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Staatsschuldenkrisen und Staatsinsolvenzen

KapitalmarKt und VolKswirtschaft

herausgeber: ddr. michael tojner

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isBn 978-3-200-02584-4 KapitalmarKt und VolKswirtschaft

Staatsschuldenkrisen

und Staatsinsolvenzen

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Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

seit über einem Jahrzehnt ist es mir ein persönliches Anliegen, dass der Praxisbezug nach amerikanischem Vorbild auch auf der Wirtschaftsuniversität Wien stärker betont wird. Daher finden seit 1999 am Ins- titut für Betriebswirtschaft jährlich Seminare mit Case Studies aus der Unternehmensbeteiligungs- finanzierung statt.

Im Jahr 2000 haben Mag. Werner Krendl und ich den „Volkswirtschaftlichen Zyklus“ initiiert, der die Entwicklung des Kapitalmarktes und dessen unter- schätzte Auswirkungen, sowohl im positiven als auch negativen Sinn, auf die gesamtvolkswirtschaftliche Entwicklung wissenschaftlich analysiert.

Es freut mich, dass wir im Rahmen der WU Lectures in Economics mit dem Volkswirtschafts-Zentrum für Studierende und dem Büro des Departments Volks- wirtschaft die Vorlesungsreihe „Staatsschuldenkrise und Staatsinsolvenz“ im Wintersemester 2011/12 organisieren konnten.

Mit Veranstaltungen und dieser Artikelserie soll Klarheit geschaffen werden, dass Staatsinsolvenzen eine Begleiterscheinung des Wirtschaftslebens der letzten 100 Jahre waren. Es sollten Lösungswege dis- kutiert und vor allem aufgezeigt werden, dass auch, sollte ein Staat insolvent werden, dies systematisch abgearbeitet werden kann, ohne dass unser gesamtes politisches System, auf das wir vor allem in Europa so stolz sind, in Schwierigkeiten gerät.

Ich danke dem Department für Volkswirtschaft der Wirtschaftsuniversität Wien sowie allen Vortragenden für ihr Engagement und ihre Teilnahme.

DDr. Michael Tojner

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Vorwort uniV. prof. dr. JEsÚs crEspo cuarEsma 6

artiKEl 1: 9

finanzmarKt(dE)staBilität und staatsschuldEnKrisEn DDr. Michael Tojner

artiKEl 2: 81

EntschuldunG GEGEn dEn dEmoGrafischEn und KonJunKturEllEn strom

Mag. Willi hemetsberger

artiKEl 3: 101

GEht diE wElt plEitE?

Mag. Stefan Bruckbauer

artiKEl 4: 107

zinsKonVErGEnz im Euroraum -

marKtVErsaGEn odEr politiKVErsaGEn Mag. Werner Krendl

artiKEl 5: 137

rEchtsfraGEn dEr staatEninsolVEnz aus VölKErrEchtlichEr sicht

em.o. Univ.-Prof. DDDr. Waldemar hummer

artiKEl 6: 157

rEchtlichE, rEGulatorischE und institutionEllE ÜBErlEGunGEn und lösunGsansätzE

Univ.-Doz. Dr. Josef Christl

diE autorEn 170

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UnIV. PRof. DR. JESúS CRESPo CUARESMA

die länderspezifische natur von fiskalpolitik Span- nungen verursachen, die in den letzten Jahren zu massiven herausforderungen für die fiskalische nach- haltigkeit und Konkurrenzfähigkeit des Euroraums geführt haben. Darüber hinaus stellt die Rolle, die die Europäische Zentralbank seit dem Ausbruch der finanzkrise eingenommen hat, für viele Experten in frage, ob die institutionellen Rahmenbedingungen der Europäischen Geldpolitik flexibel genug sind, um effektive expansive Maßnahmen ohne einen Verlust der Unabhängigkeit zu ermöglichen.

Die Entstehung von Staatsschuldenkrisen innerhalb der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion kann vom laufenden Vertrauensverlust im internatio- nalen finanzsystem nicht entkoppelt werden. Das Zusammenspiel von Liquiditätsbeschränkungen in Kreditmärkten und die notwendigkeit von Reformen in der Architektur der Währungsunion erhöht die Komplexität des Problems deutlich und fordert eine interdisziplinäre herangehensweise an die Analyse von Ursachen und Lösungsansätzen.

Eine tiefe Reform der bestehenden institutionellen Rahmenbedingungen erfordert, auf der einen Seite, eine umfassende ökonomische Analyse, die die Anreizstrukturen von Investoren an den Anlei- hemärkten, von nationalen Regierungen und von europäischen Institutionen betrachtet.

Die WU-Lectures in Economics sind eine, vom VW-Zentrum für Studierende mitorganisierte, neue Plattform des Department für Volkswirtschaft der Wirtschaftsuniversität Wien für die Verbreitung von akademischen Diskussionen zu Themen von beson- derer wirtschaftspolitischer Relevanz.

Die erste Reihe der WU-Lectures zum Thema Staatsschuldenkrisen und Staatsinsolvenz wurde im oktober 2011, november 2011 sowie Januar 2012 gemeinsam mit Global Equity Partners veranstaltet.

Dieser Vortragszyklus beschäftigte sich mit der Ent- stehung der Staatsschuldenkrise in Europa, sowie ihrer Entwicklung und möglichen Lösungsansätzen.

Die fähigkeit einer Währungsunion, asymmetrische (länderspezifische) Schocks zu vermeiden bzw. sie zu absorbieren, ist aus theoretischer Sicht der entschei- dende faktor, der die optimalität eines Währungs- raums bestimmt. Aus dieser Perspektive kann der historische Mangel an fiskalpolitischer homogenisie- rung in Europa als institutionelle Unvollständigkeit der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion betrachtet werden.

Die ursprüngliche Konstruktion des Euroraums impliziert, dass eine entscheidende Quelle asym- metrischer Schocks - nämlich die souveräne fiskal- politik der Mitgliedstaaten - im Euroraum gegeben ist. Im Rahmen einer gemeinsamen Geldpolitik kann

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Staatsschuldenkrise in Europa zu reflektieren. Ich bin fest überzeugt, dass die WU-Lectures in Economics einen ausgezeichneten Beitrag zu der akademischen Diskussion geleistet haben.

auf europäischer Ebene beschäftigen, da diese als Vermittler oder als Bremse für Reformen wirken kann. Ein wissensfundiertes Verständnis sowohl der Möglichkeiten der bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen als auch der wirtschaftlichen Situation ist erforderlich um neue supranationale fiskalpolitische Institutionen in Europa zu schaffen, sei es in der form von fiskalischen Regeln für natio- nalstaaten oder anderer Schritte in Richtung einer europäischen fiskalunion.

Eine Annäherung an das Problem von Staatsschul- denkrisen und Staatsinsolvenz muss also naturgemäß interdisziplinär sein, da ein tiefgreifendes Verständnis von den herausforderungen der heutigen Situation in Europa nur mit hilfe von wirtschaftswissenschaft- lichen, politisch-ökonomischen und juristischen Methoden gewonnen werden kann.

Im Rahmen der akademischen Diskussion sind die Sichtweisen und Erfahrungen von Akteuren der Wirtschaftspolitik und finanzmärkten von beson- derer Bedeutung um die Problematik zu begreifen und realistische Lösungen zu finden.

Unser Vortragszyklus brachte Experten mit ver- schiedenen akademischen hintergründen aus Universitäten und Zentralbanken sowie wichtige

uniV. prof. dr.

JEsÚs crEspo cuarEsma Institut für Geld- und finanzpolitik

Department für Volkswirtschaft Wirtschaftsuniversität Wien

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STAATSSChULDEnKRISEn

ddr. michaEl toJnEr

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1. EInLEITUnG

1. Einleitung

und dementsprechend steuert, um finanzmarkt- stabilität zu gewähren.

Einhergehend mit der Deregulierung und Globali- sierung der finanzmärkte konnte ein überpropor- tionales Wachstum der Kreditmenge beobachtet werden. Sie floss vor allem in eine Steigerung der Vermögenspreise als auch in die finanzierung der Staatsschulden. Da die finanzmarktstabilität nicht als vorrangiges Ziel der notenbanken und der Regierungen angesehen wurde, führte dies zu einer ausufernden Kreditmengenentwicklung. Die unbe- schränkte finanzierung der Staaten und Banken am Anleihenmarkt führte letztendlich zu einer Über- schuldung vieler Staaten sowie zur Illiquidität weiter Teile des Banken- und finanzsystems.

Im Rahmen unserer Artikelserie „Kapitalmarkt und Volkswirtschaft“1 wurde gezeigt, dass seit den 1990er Jahren kreditfinanzierte und zum Großteil spekula- tive Vermögenspreissteigerungen zu wirtschaftlich ineffizienten Entwicklungen geführt haben. Eine mit deutlich höheren Raten, als das BIP, wachsende Kreditmenge hat zu einem Anstieg der Verschul- dung in allen Wirtschaftssektoren (private haushalte, Unternehmen, Staat) geführt. Vor allem eine Reihe westlicher Staaten hat Verschuldungsniveaus erreicht, die entsprechend vergangener Erfahrungswerte eine Überschuldung bedeuten würden.

Auf Basis dieser Analyse fordern wir eine Zentral- bankpolitik, die neben der Steuerung der realwirt- schaftlichen Preise auch Vermögenspreise sowie die Kreditmengenentwicklung als Politikziel definiert

1 Tojner/Krendl (2009)

abb. 1: schematische darstellung des Kreditmengen- und Bip-wachstums sowie der Entwicklung der Vermögenspreise und der staatsschulden seit 2002 sowie einer geschätzten tatsächlichen Entwicklung der Kreditmenge

07 06 05 04 03 2002

tatsächliche Kreditmenge

inkl. Off-balance-sheet Transaktionen:

+12% p.a.

Vermögenspreise Staatsschulden

Kreditmenge:

+6.68% p.a.

BNP:

+3,21% p.a.

08 2009

Jährliche Wachstumsrate in %

Quelle: Tojner/Krendl (2009)

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muss klare fiskalregeln und eine entsprechende Kon- trolle dieser Regeln geben. Vor allem innerhalb der Europäischen Währungsunion sind Maßnahmen in Richtung einer gemeinsamen fiskalpolitik zu setzen, um die entsprechenden Schritte in der gemeinsamen Geldpolitik zu unterstützen, damit nicht die Auf- gabe nationaler Geld- und Währungshoheit zu einer Destabilisierung einzelner Staaten ähnlich der Ent- wicklung während des Goldstandards führt.

nach den rechtlich verbindlichen Beschlussfassungen und Umsetzung dieser Maßnahmen sollte das Ver- trauen des Kapitalmarktes zurückkehren und der finanzmarkt - nicht nur in Europa - gestärkt aus der Krise hervorgehen. Die Anpassungsmaßnahmen werden für viele nationen und deren Bevölkerung hart und politisch schwierig umzusetzen sein, sind aber notwendig und werden uns wohl in den nächsten Jahren betreffen.

Ich will aufzeigen, dass sich die finanzmarktde- stabilisierung schon seit über einem Jahrzehnt angekündigt hat, dass die Staatschuldenkrise auch ohne die finanzmarktkrise gekommen wäre und dass schließlich auch Staatsinsolvenzen historisch gesehen keine Besonderheit darstellen. Aber auch die Lösung einer derartigen systematischen Krise, die nicht nur Europa, sondern auch die USA und Japan und damit die gesamte westliche Welt umfasst, kann durch die Vernetzung der Volkswirtschaften nur gemeinsam gelöst werden.

Im Zuge der jetzigen Krise werden erstmals seit dem Anstieg der weltweiten Staatsverschuldung seit den 1970er Jahren eine nachhaltige Umkehr dieses Trends diskutiert und Maßnahmen ins Auge gefasst (zum Beispiel eine in der Verfassung veran- kerte „Schuldenbremse“), die bis vor Kurzem nicht denkbar waren. Die Zeiten von Staatsschulden als Mit dem vorliegenden Artikel über Staatschuldenk-

risen und Staatsinsolvenzen möchte ich einerseits aufzeigen, dass eine Lösung der finanzkrise durch weltweit akkordierte Maßnahmen machbar und ein Szenario eines Auseinanderbrechens der Europäi- schen Währungsunion eine geringe Wahrschein- lichkeit hat.

Denn Wirtschafts- und finanzkrisen zählen zu den wiederkehrenden Ereignissen der Geschichte, die jedoch durchaus ernsthafte politische und soziale Probleme auslösen können. Waren vor Beginn des modernen Kapitalismus Wirtschaftskrisen vor allem Agrar- und Ernährungskrisen, gehen heute Welt- wirtschaftskrisen mit Bankenzusammenbrüchen, Staatsbankrotten und hoher Arbeitslosigkeit einher.

Wirtschaftskrisen sind aber auch Momente des kapi- talistischen Strukturwandels, leiten Reformen ein und haben somit ihre notwendige funktion. Dies wird auch für die gegenwärtige finanzkrise der fall sein.

Durch Maßnahmenpakete, wie höhere Vermögens- und finanztransaktionssteuern, (nicht jedoch von direkten Steuern die den Mittelstand weiter belasten), nationalen Struktur-, Pensions- sowie Arbeitsmarkt- reformen (langfristige Investitionen des Staates in Inf- rastruktur und Bildung sollten davon ausgenommen sein), kann das Ziel eines „neuen volkswirtschaft- lichen Gleichgewichts“ erreicht werden.

Die derzeitige finanzmarktdestabilisierung, die volks- wirtschaftlich gefährlich ist, da sie den so wichtigen Geldkreislauf zwischen haushalten, Banken und Unternehmen beziehungsweise dem Staat beeinträch- tigt, kann nur durch ein umfassendes Reformpaket und vor allem einer späteren Kontrolle der neu ein- geführten Maßnahmenpakete abgewendet werden. Es

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1. EInLEITUnG

risikofreie Schulden sind vorbei und deshalb werden Staaten vom Kapitalmarkt dazu gezwungen eine nachhaltige Schuldenpolitik zu gewährleisten, die auch die zukünftigen herausforderungen (vor allem aufgrund demografischer Entwicklungen, die mit einem erhöhten finanzierungsbedarf einhergehen) in Angriff nimmt. Der damit ausgelöste Umdenk- prozess in der westlichen Welt sollte die Basis für die Erhaltung unseres Wohlstandes in der Zukunft sein.

Am Ende des Reformprozesses muss jedoch die Stabilität der Währung und des Vertrauens in den Staat stehen. Das Vertrauen der Bevölkerung in die eigene Währung und in die Sicherheit von Spar- einlagen und Pensionen ist die Ausgangsbasis für diesen Prozess. Dies wird nur durch grundlegende Reformen und einen mehrjährigen Anpassungspro- zess möglich sein.

Zusätzlich muss finanzmarktstabilität gewähr- leistet werden, die sich durch eine Verhinderung von Vermögenspreisblasen, eine Beschränkung der Verschuldung aller Sektoren (Staaten, Private und Unternehmen) sowie allgemein der Kreditmengen- entwicklung charakterisieren lässt.

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abb. 2: indikatoren und Kontrollmechanismen/aufgaben für finanzmarktstabilität/staatshaushalt

Staatsschulden /BIP 5 Jahre < 60%

Auslandsverschuldung /BIP 5 Jahre < 50%

Gesamtschulden /BIP 5 Jahre < 180%

Leistungsbilanz /BIP % (+/-) positiv

Primärsaldo jährlich positiv

Vermögensbilanz jährlich positiv

Reale Immobilienpreise p.a. +/- 15%

Reale Aktienkurse p.a. +/- 40%

Kreditmengenwachstum/BIP-Wachstum p.a. + 4%-Punkte Eigenkapitalausstattung Banken/Vers. p.a. > 8%

National

Notenbanken

AKTIVE ZINSPOLITIK / EIGENKAPITALAUSSTATTUNG

AKTIVER LENDER OF LAST RESORT/

GESCHÄFTSBANKEN

IWF ESFS

FINANZMARKTSTABILITÄT

VERSCHULDUNG/HAUSHALT VERMÖGENSPREISE

KONTROLLMASSNAHMEN KONTROLLMASSNAHMEN

– Staatsinsolvenzen zulassen – Rating der Staaten

– Ausschluss aus EU oder Staatenbund – Anregungen und Empfehlungen

International

Federal Reserve EZB

Weltbank BANKEN SCHATTENBANKEN VERSICHERUNGEN ZENTRALSTAAT

LÄNDER GEMEINDEN ÖFFENTL. KÖRPERSCHAFTEN (Sozialversicherungsträger od. öffentl. Unternehmen)

Quelle: eigene Darstellung

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2. EnTKoPPELUnG DER GELD- UnD DER KREDITMEnGE

2. Entkoppelung der Geld- und der Kreditmenge

Schularick und Taylor (2009), die in einer Studie 14 Industrienationen über mehrere Jahrhunderte unter- sucht haben, sehen auch die gegenseitige Abhän- gigkeit von Staats- und finanzsektor als möglichen Grund für die gestiegene Risikofreude der Banken, die sich in einer Ausweitung der Bankbilanzen nieder- schlägt. Auf der anderen Seite haben regulatorische Maßnahmen bewirkt, dass Banken die steigenden Staatsschulden übernehmen, da diese Schuldtitel nicht mit Eigenkapital zu hinterlegen sind.

Bankaktiva und -kredite an den Privatsektor (haus- halte und Unternehmen) erreichten 1970 ihr Vor- kriegsniveau und stiegen bis zur Globalen finanzkrise Seit dem Zweiten Weltkrieg haben sich in einer

globalen Betrachtung Geld- und Kreditmenge, in Relation zur Wirtschaftsleistung entkoppelt (siehe Abbildung 3; die Kreditmenge wird hier durch die Indikatoren Bankaktiva bzw. Bankkredite dargestellt) (Schularick und Taylor 20092). Die Kreditmenge ist unabhängig von der Defini tion seit dem Zweiten Weltkrieg kontinuierlich angestiegen, d.h. sie wuchs konstant mit einer höheren Rate als die Wirtschaft.

Die Geldmenge war lange Zeit stabil ist aber seit den 1990er Jahren relativ schneller gewachsen, als das BIP. Diese Entwicklung führen die Autoren auf die Kapitalmarktliberalisierung der 1980er und 1990er Jahren zurück.

2 Die 14 in dieser Studie betrachteten Länder sind die USA, Kanada, Australien, Dänemark, frankreich, Deutschland, Italien, Japan, die niederlande, norwegen, Spanien, Schweden und Großbritannien.

abb. 3: Verhältnis der Geld- und Kreditmenge in relation zum Bruttoinlandsprodukt (Aggregierte Bankaktiva, Kredite und Geldmenge in Bezug zum BIP p.a.)

Kredite / BIP Geldmenge / BIP

Bankaktiva / BIP

„Age of Credit“

ein deutlicher Anstieg der Kreditmenge im Vergleich zur Geldmenge der Rückgang

“sicherer” Aktiva in Bankbilanzen

“Age of Money”

Bis zur Weltwirtschaftskrise entwickelten sich Geldmenge und Kredit nahezu auf gleichem Niveau

1900 1950 2000

1850 0 0,5 1,5

1,0

2,0 – Bereitstellung von Liquidität in Krisenzeiten durch Notenbanken – Abkehr vom Gold-Standard 1971 (“Fiat Money”)

– Rolle der Notenbanken als Lender of Last Ressort

– Implizite Garantie des Finanzsektors durch den öffentlichen Sektor

Quelle: Schularick/Taylor (2009), eigene Ergänzungen

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2008 kontinuierlich an. Beide wuchsen in diesem Zeitraum deutlich schneller als die Wirtschaft und die Geldmenge.

Unter Berücksichtigung von off-Balance-Sheet Transaktionen (z.B. Kreditverbriefungen) sowie sogenannten Schattenbanken3 würde die Schere zwi- schen Wirtschafts- und Kreditmengenentwicklung noch weiter aufgegangen sein. Abbildung 4 zeigt das überproportionale Anwachsen der Schattenbanken.

Damit ist ein weitestgehend unregulierter Bereich des finanzsystems, z.B. „hedge fonds“4 mit enormen Volumen entstanden.

stEiGEndE VErmöGEnsprEisE

Das relativ hohe volkswirtschaftliche Wachstum in den letzten Jahrzehnten wurde von einem Anstieg der Vermögenspreise, insbesondere der Immobilienpreise sowie des Privatkonsums geprägt. Diese Entwicklung ging mit der steigenden Kreditmenge einher, was den Schluss nahelegt, dass der Vermögenspreisanstieg großteils fremdfinanziert war. für mich setzt eine stabile real- und finanzwirtschaftliche Entwicklung jedoch die einheitliche Dynamik zwischen Geld- und Kreditmenge mit der Realwirtschaft voraus. Diese Voraussetzung hat nicht vorgelegen. Im Gegenteil, Kredite wurden nicht schwerpunktmäßig zur finan- zierung von Sachinvestitionen, sondern zum Ankauf von Vermögenswerten und zur finanzierung von

3 Der financial Stability Board (2011 a) versteht unter dem „Schat- tenbankensystem“ außerhalb des regulierten Bankensystems be- findliche finanzvehikel und Transaktionen, wie hedge-fonds, Geldmarktfonds oder strukturierte finanzvehikel, die finanz- und Kreditgeschäfte betreiben.

4 Investmentfonds mit einer bes. Vielfalt von Anlagegegenständen und -strategien. Anlagegegenstände können neben Aktien und An- leihen, Devisen, Derivate sein, es werden Leerverkäufe getätigt und Kredite zur Ausnutzung des Leverageeffektes eingesetzt (Gabler Wirt- schaftslexikon)

abb. 4: aktiva der „schattenbanken“ (Mrd. USD) US

UK

Korea Japan Euro area

Canada Australia 60.000

50.000

40.000

30.000

20.000

10.000

0

2002 2004 2006 2008 2010 Quelle: fSB (2011 b)

abb. 5: Kreditmengenwachstum führte nicht zu Bip-wachstum

100

0 200 300

Gesamtschulden als % des BIP

14.0 15.0 16.0 17.0

Log-Skala des realen BIP Gesamt-

verschuldung Stabile Kreditmengen- entwicklung

Überproportionale Kreditmengen- entwicklung

BIP+3,4%

p.a.

BIP +2,4%

p.a.

1950 60 70 80 90 00 2010

Quelle: GMo (2010); eigene Darstellung

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2. EnTKoPPELUnG DER GELD- UnD DER KREDITMEnGE Staatsdefiziten verwendet. Diese Entwicklung ist

in Abbildung 5 schematisch dargestellt.

Die Globalisierung, Öffnung der internationalen Kapital- und finanzmärkte, die Deregulierung des finanz- und Bankensystems sowie eine Zentralbank- politik, die sich ausschließlich an der Preisstabilität, anstatt an einer breiteren finanzmarktstabilität orientiert hat, haben zu einer Destabilisierung des finanzsystems geführt, die uns heute vor völlig neue herausforderungen stellt.

Ziel muss sein die Schuldenkrise in der wir uns befinden nachhaltig zu lösen und die dargestellten Entwicklungen durch entsprechende Maßnahmen zukünftig zu vermeiden. So vielfältig wie die Kapi- talmärkte sind jedoch auch die Probleme, die diese zu bewältigen haben.

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3. Das Volkswirtschaftliche Gleichgewicht

nicht als geldpolitisches Ziel, sondern bestenfalls als Absichtserklärung formuliert. Andrew Crockett (1997), damaliger Chef der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, definierte das Ziel der finanz- marktstabilität, einerseits dadurch, dass Institutionen, welche am Kapitalmarkt tätig ihre finanziellen Ver- pflichtungen nachkommen können und unter den Marktteilnehmern ein hohes Maß an Vertrauen

auch im fall finanzieller Ungleichgewichte und Schocks in der Lage ist, eine effiziente Allokation finanzieller Ressourcen sicherzustellen und seine wesentlichen makroökonomischen funktionen zu erfüllen.

Konkret bedeutet finanzmarktstabilität somit, dass beispielsweise das Vertrauen in den Bankensektor sowie eine stabile Versorgung mit finanzdienstleistungen wie Zahlungsverkehr, Krediten, Einlagen- geschäft und Risikoabsicherung gewährleistet ist.

Ich definiere finanzmarktstabilität als eine Entwicklung von Ver- mögenspreisen (Aktien, Immobilien und festverzinsliche Wert- papiere), die weder direkte (Vermögenseffekte) noch indirekte (finanzkrisen) deutlich negative Effekte auf die Realwirtschaft haben.

Abbildung 6 „das Volkswirtschaftliche Gleichge- wicht“ verdeutlicht, dass dem klassischen „Magischen Viereck“ eines volkswirtschaftlichen Systems, dem vier wirtschaftspolitische Ziele, nämlich ein ange- messenes und stetiges Wirtschaftswachstum, Preis- niveaustabilität, ein hoher Beschäftigungsstand und das außenwirtschaftliche Gleichgewicht zuzurechnen sind, meiner Meinung nach um das Ziel der finanz- marktstabilität zu erweitern ist.

Das alleinige politische und gültige Ziel der EZB ist die Preisstabilität. Die federal Reserve Bank defi- niert neben dem Preisniveau auch das Wirtschafts- wachstum als Ziel. finanzmarktstabilität5, wird

5 finanzmarktstabilität liegt laut der oenB (finanzmarktstabilitäts- bericht 22, Dezember 2011) vor, wenn das finanzsystem – bestehend aus finanzintermediären, finanzmärkten und finanzinfrastruktur abb. 6: das Volkswirtschaftliche Gleichgewicht

HOHER

BESCHÄFTIGUNGSSTAND

AUßENWIRTSCHAFTLICHES GLEICHGEWICHT STABILES PREISNIVEAU

ANGEMESSENES, STETIGES WIRTSCHAFTSWACHSTUM

FINANZMARKTSTABILITÄT

Geld- und Kreditmenge entwickeln sich analog zum Wirtschaftswachstum ZIEL DER

EZB

Außer Acht gelassen:

MARKT REGULIERT SICH SELBST ZIELE DER

FEDERAL RESERVE

Quelle: eigene Darstellung

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3. DAS VoLKSWIRTSChAfTLIChE GLEIChGEWIChT

Um das volkswirtschaftliche Gleichgewicht wieder- herzustellen, müssen die finanzmärkte, vor allem der Staatsanleihenmarkt in Europa und das Banken- system weltweit reformiert werden. Das langfristige Ziel eines ausgeglichen Staatshaushaltes und die neu- ausrichtung des Bankensystems sind notwendig, um eine Rückkehr des Vertrauens in die Kapitalmärkte zu bewirken.

Wie wir in Abbildung 7 sehen, wird der europäi- sche Anleihenmarkt durch den Staats- und finanz- sektor dominiert. 95% der Anleihenemissionen 2011 stammen aus diesen Sektoren. nur ein vernachläs- sigbar geringer Anteil (5%) des europäischen Anlei- henmarktes sind Emissionen von Unternehmen. Die folge der notwendigen änderungen in Europa muss dazu führen, dass der Kapitalmarkt wieder mehr (produktive) Unternehmensinvestitionen finanziert und weniger (unproduktive/spekulative) Ausgaben des Staats- und finanzsektors.

herrscht, als auch, dass die relevanten Kredit-, Geld- und Kapitalmärkte ihre volkswirtschaftliche Aufgabe der Bereitstellung von finanzierungsmittel für den nichtfinanzsektor erfüllen.

Empirisch haben sich die Ökonomen Borio und Lowe (2002) mit möglichen Indikatoren beschäf- tigt, die eine finanzmarktdestabilisierung messen und Grenzwerte für drei Zielgrößen, nämlich Kre- ditmengenwachstum, Vermögenspreisentwicklung und Investitionswachstum in Prozent des Brutto- inlandsproduktes definiert. Insbesondere bei Abwei- chungen der Vermögenspreise von ihrem Grenzwert im Ausmaß von mehr als 40% und einem Kredit- mengengrenzwertwachstum von über 4%, kommt es 50-80% der beobachteten fälle innerhalb von drei Jahren zu einer Krise.

Wir erleben in den letzten zwei Jahren, was eine finanzmarktdestabilisierung auslösen kann. Die Banken trauen einander im Interbankenmarkt nicht mehr, internationale Investoren stellen das Vertrauen in den europäischen Staatsanleihenmarkt infrage, und strengere Anforderungen betreffend der Eigenkapitalerfordernisse (vor allem für europäische Banken festgelegt durch die EBA – European Ban- king Authority) könnten zu einer Kreditklemme führen. Unternehmen investieren weniger, da die Banken bei der Kreditvergabe strenger sind, haus- halte verschieben Investitionen und der Staat muss sparen, da seine Solvenz durch die mittlerweile überbordende Staatsverschuldung von den Kapi- talmärkten infrage gestellt wird.

Die finanzmarktkrise trifft in Europa so mit einer zeitlichen Verzögerung – durch weniger Wachstum und höhere Arbeitslosigkeit – die Realwirtschaft.

abb. 7: anleiheemittenten im Euroraum (Mrd. EUR)

5.446

3.222

6.193 Gesamt 15.709

848 Banken

FI

Firmen

Staat

Quelle: Bruckbauer (2011); Daten: EZB, Stand Q2 2011

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4. Staatsverschuldung

am Beispiel des Euroraums zeigt, kam der Anstieg der Staatsschulden in den letzten Jahrzehnten vor allem durch strukturelle Budgetdefizite aufgrund der Pensions- und Gesundheitsproblematik sowie ineffizienter Staatsverwaltung, zustande.

In Kombination mit den seit den 1980er Jahren kontinuierlich ansteigenden Staatsschulden in den Industrieländern führte die Globale finanzkrise zu einer Staatsschuldenkrise. Die durchschnittliche Ver- schuldung in den Industrieländern beträgt mittler- weile mehr als 100% des BIP.

Unter Betrachtung ausgegliederter Verbindlich- keiten und zukünftiger Verpflichtungen sind viele Industrie länder nahe einer Überschuldung. Erstmals seit dem 2. Weltkrieg sind somit Industrieländern von Staatsinsolvenzen bedroht.

4.1 GloBalE finanzKrisE VErstärKt diE staatsschuldEnKrisE

finanz- bzw. Bankenkrisen haben hohe Kosten für den finanzsektor selbst sowie für private haushalte und Unternehmen, wie auch für den öffentlichen Sektor. In Abhängigkeit von Umfang (lokal, regional, global) und Intensität kann es in weiterer folge zu negativen Rückkoppelungen im Bankensektor kommen. hohe Abschreibungen im Bankensektor führen zu Liquiditäts- („Bank-Run“) und Solvenz- problemen (Bankausfall) der Banken mit damit einhergehenden negativen Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Rettungsmaßnahmen durch den öffentlichen Sektor werden notwendig.

festgehalten werden muss allerdings, dass die finanz- krise nur der finale Auslöser der Staatsschuldenkrise war, denn wie die nachfolgende Grafik (Abb. 8)

abb. 8: woher kommt der anstieg der staatsschulden (Euroraum; 1998 - 2010; Mrd. EUR und in % des BIP)

Schulden/Erlöse 295 Strukturell 2.344

Konjunkturell 197

Bankenhilfe brutto 493 Bankenhilfe netto 53 Anstieg Schulden gesamt 3.387

Quelle: Bruckbauer (2011); Daten: Eurostat, oECD, EU, Bank Austria Economics, Market Analysis Austria

abb. 9: staatsverschuldung im internationalen Vergleich (in % des BIP)

0 20 40 60 80 100 120

G7

Industrieländer

Weltweit

Entwicklungs- u.

Schwellenländer

50 60 70 80 90 00 10 Quelle: IMf (2011)

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4. STAATSVERSChULDUnG

4.3 dEfinition „staatsVErschuldunG“

Staatsverschuldung bezeichnet die zusammen- gefassten Schulden der einzelnen Sektoren eines Staates, also die vom Staat geschuldeten Gesamt- forderungen der kreditgebenden Gläubiger an den Staat. Die Staatsverschuldung wird dabei in der Regel brutto betrachtet, das heißt, die Verbindlichkeiten gegenüber Dritte werden nicht um die forderungen des Staates gegenüber Dritten sowie dem Vermögen des Staates vermindert.

Der Unterschied zwischen der Brutto- und netto- Staatsverschuldung stellt sich rechnerisch folgen- dermaßen dar:

Brutto-/netto-staatsverschuldung (vergangenheitsbezogen)

Verpflichtungen des staatssektors

= Brutto-staatsverschuldung (gem. Maastricht Definition)

+ forderungen Staat 1 + finanzvermögen Staat 2 + Realvermögen Staat 3

= netto-staatsverschuldung

1. gewährte Darlehen (z.B. Wohnbauförderung)

2. Kassenmittel, veranlagte Rücklagen, Wertpapiere, Beteiligungen 3. Physische Vermögenswerte, aufgrund von Bewertungsnotwendig-

keit schwierig zu ermitteln

Abbildung 10 zeigt die Brutto- und netto-Staats- verschuldung der oECD-Länder, Abbildung 11 das finanzvermögen der gleichen Länder.

4.2 dEfinition sEKtor „staat“

Bevor das Thema Staatsverschuldung genau unter- sucht wird, soll definiert werden, was genau unter

„Staat“ zu verstehen ist.

Dem Staat sind gemäß dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen, ESVG 1995, Bund inklusive Bundesfonds, Länder inklusive Landesfonds, Gemeinden und Gemeindeverbände, gesetzliche Sozialversicherungsträger, sonstige Träger des öffentlichen Rechts, insbesondere öffentliche Kammern sowie aus dem Budget ausgegliederte Rechtsträger, die sich zu mehr als 50% von staat- lichen Zuwendungen finanzieren (z.B. Universi- täten) zuzurechnen. nicht dazu zählen öffentliche Einrichtungen, die Teil der öffentlichen haushalte sind, sich aber zu mehr als 50% aus eigenen Ein- nahmen finanzieren.

Im ESVG 2010 kommt es zu einer änderung im Bereich der ausgegliederten Rechtsträger und somit zu einem Abgehen der 50% Kostendeckungsrege- lung. Es erfolgt eine neudefinition von „Marktpro- duzenten“. Alle nicht-Marktproduzenten müssen dem Sektor Staat hinzugerechnet werden. nach ESVG 2010 müssen alle öffentlichen Einheiten, die nicht Marktproduzenten sind zu wirtschaftlich signifikanten Preisen anbieten d.h. Angebot und nachfrage bestimmen die Preise. Langfristig ist eine Gewinnerzielung oder zumindest 100% Kostende- ckung notwendig.

ESVG 2010 wird voraussichtlich 2014 in Kraft treten; mit dem Effekt, dass weitere ausgelagerte Verbindlichkeiten und haftungen in die Staatsschuld eingerechnet werden müssen.

(23)

werden in der Zukunft auf Basis des Status quo zu einem deutlichen Anstieg der Ausgaben der Sozial- versicherung (v.a. für Pensions- und Gesundheits- ausgaben) führen.

Aufgrund der Zukunftsgerichtetheit dieser Analyse ist eine Vielzahl von Annahmen hinsichtlich der demografischen Entwicklung aber auch der wirt- schaftlichen und fiskalischen Rahmenbedingungen zu treffen, die die Ergebnisse angreifbar machen.

Des Weiteren muss zwischen expliziter und impliziter Staatsverschuldung unterschieden werden.

Die vergangenheitsgerichtete Analyse von Staats- schulden (explizite Staatsverschuldung) lässt keine Aussagen über die zukünftige Tragfähig- keit öffentlicher finanzen zu. Deshalb haben sich unterschiedliche Ansätze zur Berechnung impli- ziter Staatsverschuldung entwickelt. Ziel ist es ist die nachhaltigkeit der öffentlichen haushalte zu ermitteln. Vor allem demografische Entwicklungen

abb. 10: Brutto-/netto-staatsverschuldung (2010, in % des BIP)

-150 -100 -50 0 50 100 150 200 Norwegen

Finnland Schweden Schweiz Kanada Niederlande Spanien Österreich Deutschland Großbritannien Frankreich Euro-Zone Total OECD Irland USA Portugal Belgien Italien Griechenland Japan

Brutto-

Staatsverschuldung Netto-

Staatsverschuldung

Quelle: oECD Economic outlook (2011)

abb. 11: finanzvermögen (2010, in % des BIP)

215 121

83 75 60 57 54 40 39 37 37 37 35 35 34 33 28 26 26 26 20

0 50 100 150 200 250 Norwegen

Finnland Japan Schweden Luxemburg Dänemark Kanada Total OECD Schweiz Frankreich Deutschland Niederlande Euro-Zone Österreich Portugal Griechenland Italien USA Großbritannien Spanien Belgien

Quelle: oECD Economic outlook, (2011); eigene Berechnungen

(24)

4. STAATSVERSChULDUnG

Explizite / implizite staatsverschuldung

Brutto-staatsverschuldung

= Explizite staatsverschuldung + Latente Staatsverschuldung 1 + Barwert zukünftiger Verpflichtungen 2

= implizite staatsverschuldung (zukunftsbezogen) 1. Verpflichtungen aus übernommenen Bürgschaften, Garantien

und haftungen sowie Verbindlichkeiten ausgelagerter öffentlicher Rechtsträger (sofern nicht bereits berücksichtigt)

2. Barwert zukünftiger Verpflichtungen aus dem Anstieg der So- zialversicherungsabgaben (v.a. für Pensionen und Gesundheit) unter Annahmen betreffend demografischer, wirtschaftlicher und fiskalischer Entwicklungen

Am Beispiel Deutschland in den Vergleichsjahren 2007 und 2008 lässt sich erkennen, dass das Ver- hältnis zwischen impliziter und expliziter Staats- schuld 3: 1 bzw. 4: 1 ist. Daraus lässt sich erkennen, dass die größte herausforderung der Staaten eigent- lich in der Bewältigung der zukünftigen Belastungen beziehungsweise Staatsschulden liegt, die bereits heute eingegangen wurden.

Abbildung 12 gibt eine Übersicht welche Länder unter Miteinbeziehung der Vermögenswerte der Staaten und der in der Zukunft liegenden Verpflich- tungen ihre Staatsfinanzen nachhaltig und damit über eine Generation hinweg ausgerichtet haben.

Die Analyse zeigt, dass sehr viele Belastungen in die Zukunft verschoben wurden und nur wenige Staaten über einen nachhaltig, langfristig stabilen Staatshaushalt verfügen.

Klar festgehalten werden muss, dass nur eine gemein- same Betrachtung der expliziten und der impliziten Staatsschuld eine Aussage über den Verschuldungs- grad einer Volkswirtschaft geben kann und Basis für Reformen sein kann.

abb. 12: nachhaltigkeitsbilanz im internationalen Vergleich (2005, in % des BIP)

0 100 200 300 400 500 600 Norwegen

Spanien Schweiz Österreich USA Frankreich Deutschland UK

-17 31

45

226 228 232

294

506

Quelle: Stiftung Marktwirtschaft (Mai 2010) Positive Werte: Barwert der impliziten Staatsverschuldung

negative Werte: Barwert des (impliziten) Vermögens.

tabelle 1: ranking 2005 ausgewählter Europäischer länder (in % des BIP)

Explizite

staatsschuld implizite

staatsschuld nachhaltig- keitsbilanz

1 norwegen 40,9 -57,8 -17,0

2Spanien 42,8 -12,2 30,6

3Schweiz 56,3 -11,7 44,7

4Österreich 61,9 164,5 226,4

5USA 58,1 169,6 227,7

6frankreich 62,4 169,7 232,1

7Deutschland 64,7 229,4 294,1

8UK 38,9 466,6 505,5

Quelle: Stiftung Marktwirtschaft (Mai 2010)

(25)

5. Grenzen der Staatsverschuldung

Die strikte Einhaltung des Maastricht-Verschul- dungskriteriums von 60% des BIP ist auf Basis dieser Studien durchaus empfehlenswert und des- halb wollen wir uns auch daran orientieren.

Betrachtet man Abbildung 13 und wendet man die von den Ökonomen empfohlenen Grenzwerte an, dann ergibt sich ein Gesamtverschuldungsgrenz- wert von 260%6.

Die tatsächliche Gesamtverschuldung aller Sektoren der betrachteten 18 oECD Ländern liegt aber deut- lich über 300%. Somit ist die Schlussfolgerung einer volkswirtschaftlichen Überschuldung meiner Mei- nung nach zulässig.

6 Öffentlicher Sektor (85%) + Privatsektor (85%) + Unternehmens- sektor (90%)

5.1 oBErGrEnzE fÜr diE

rÜcKzahlunG Von staatsschuldEn obwohl es keinen definitiven Grenzwert für die Überschuldung und somit Insolvenz eines Staates gibt, lassen sich anhand der Analyse vergangener Staatsinsolvenzen sowie Staatsschuldenkrisen Werte für die höhe der Staatsverschuldung ableiten, ab denen die Wahrscheinlichkeit einer Staatsinsolvenz bzw. negative konjunkturelle Auswirkungen deut- lich ansteigen.

Reinhart/Rogoff (2009) haben für die Staatsver- schuldung den Schwellenwert von 80% des BIP definiert. Eine über diesen Wert hinausgehende Staatsverschuldung führt zu einem „massiven öko- nomischen Problem“.

Cecchetti et al (2011) definieren einen Schwellenwert von 85% (bzw. eine Bandbreite von 80 – 100%).

Ab diesem Wert führt eine weitere Erhöhung der Staatsverschuldung um zehn Prozentpunkte zu einem nachhaltigen Rückgang des Wirtschaftswachstums von 0,1 Prozentpunkten. Cecchetti et. al. (2011) ermitteln ähnliche Grenzwerte für die Verschuldung privater haushalte (85%) und Unternehmen (90%).

Betreffend der Quote der Auslandsverschuldung sehen Manasse et al (2003) einen Wert von größer 50% des BIP und Reinhart/Rogoff (2009) einen Wert von größer 30% bis 35% als Grenzwert an, ab dem die Ausfallswahrscheinlichkeit des Staates deutlich erhöht wird.

Um außerordentliche Entwicklungen ohne negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft zu vermeiden, empfiehlt sich ein Verschuldungsgrad deutlich unter- halb dieser Grenzen.

abb. 13: Entwicklung der Gesamtverschuldung (in % des BIP sowie der einzelnen Sektoren)

330 280 230 180 130 80 30

Gesamt

= Öffentlicher + Privater Sektor

Öffentlicher Sektor Privater Sektor

= Haushalte + Unternehmen

Haushalte Unternehmen

85

1980 90 95 00 05 2010 Quelle: Cecchetti et al (2011)

Bemerkung: 18 oECD Länder, ungewichteter Durchschnitt

(26)

5. GREnZEn DER STAATSVERSChULDUnG

und langfristig ein ausgeglichener Staatshaushalt anzustreben ist.

In Zukunft muss es klare fiskalpolitische Regeln geben, deren Einhaltung mit Konsequenzen kon- trolliert wird, um zu vermeiden, dass diese neuen Regeln genauso ungeahndet und regelmäßig verletzt werden wie die Maastricht-Kriterien (siehe Abb. 15).

Dies wird einen umfangreichen Reformprozess zur folge haben, ist jedoch meiner Meinung nach in fast allen Volkswirtschaften der westlichen Welt machbar.

Auch historisch gesehen hat es immer wieder solche Anpassungsprozesse im Anschluss an Währungs-, Staatschulden-, Banken- und Inflationskrisen gegeben. Die Erfahrung zeigt, dass umso schneller und entschlossener agiert wurde, desto weniger schmerzlich war der Anpassungsprozess.

Auch Abbildung 14 zeigt die notwendigkeit der Staatsschuldenreduktion der größten Industrieländer.

Der Maastricht-Vertrag definiert ein haushaltsdefizit von max. 3% des BIP sowie eine Gesamtstaatsver- schuldung von max. 60% des BIP. Das Maastricht- Kriterium von 60% angewandt auf private haushalte und Unternehmen führt zu einem Grenzwert der Gesamtverschuldung in höhe von 180% des BIP, die wir für unsere Analysen als Zielwert verwenden wollen.

Ich halte fest, dass um unser Ziel eines volkswirt- schaftlichen Gleichgewichts und damit auch die finanzmarktstabilität wieder zu erreichen, die Staats- verschuldung auf einen Zielwert von maximal 60%

der volkswirtschaftlichen Produktion zu reduzieren

abb. 14: notwendige Entschuldungsmaßnahmen um die 180% schuldengrenze / Bip zu erreichen

0 50 100 150 200 180% Grenze

250 300 350 400 Öffentliche Schulden Corporate

Schulden Debt Haushalte

USA UK

Euro-Zone (16) Irland Portugal Spanien Griechenland Italien Frankreich Deutschland

Quelle: BCG (2011); Daten: Eurostat; federal Reserve;

Thomson Reuters, Datastream; Alle Daten – 2009

abb. 15: anzahl der Verstöße gegen die maas- tricht-Kriterien (1999-2010, 12 Jahre)

6 7

8 3

3

3 2

12

9 3

0

7 5 5

7 11 Deutschland

Frankreich Italien

Niederlande Spanien

Belgien Österreich Griechenland Finnland Portugal Irland Slowakei Slowenien EU USA Japan

Quelle: Bruckbauer (2011); Daten: Datastream, Bank austria Econo- mics, Market Analysis Austria

(27)

Pensionsantrittsalter, das langfristig bei 70 Jahren liegen muss, gemindert werden und der Staat effizi- enter wird. Eine Senkung der Staatsquote in Öster- reich um 5% ist hier durchaus ein Ziel, das angepeilt werden kann.

Diese Grafiken sollen verdeutlichen, dass einerseits das Vermögen für die Sanierung der Staatsfinanzen vorhanden ist, andererseits muss klargestellt werden, dass auch politisch schwierige Themen wie das Pen- sionsantrittsalter und eine effizienter Staat gleichzeitig gelöst werden müssen.

Derzeit werden viele Varianten diskutiert, wie die Staatsverschuldung auf die in den Maastrichtkrite- rien vereinbartes niveau von 60% des BIP geführt werden kann.

Die anschließenden Grafiken zeigen, dass in Öster- reich, aber auch in den westlichen Industrieländern, genügend Privatvermögen vorhanden wäre, um die Staatschulden zu reduzieren. Vermögenssteuern sind zumindest in Österreich zu rechtfertigen, da wie Abbildung 17 zeigt, sich die nettogeldvermögen stark vermehrt haben, während die Staatsschulden ähnlich stark angestiegen sind.

Vermögenssteuern sind aber nur dann gerechtfertigt, wenn die latenten Staatsverbindlichkeiten aus nicht finanzierbaren Pensionszusagen durch ein höheres

abb. 16: privatvermögen zur schuldenreduktion?

(Werte 2010; Österreich, in Mrd. EUR)

Staat

Haushaltssektor 509

Immobilien-

vermögen 690

288 Brutto-

Verschuldung Brutto- Vermögen Vermögens- steuer von 25%

(5% über 5 Jahre) 205

Quelle: eigene Darstellung; Daten: Statistik Austria, oenB

abb. 17: nettogeldvermögen der haushalte und staatsschuld in österreich (Mrd. EUR)

-400 -300 -200 -100 0 100 200 300 400

1980 85 90 95 2000 05 2010

Geldvermögen der Privaten

Staatsschuld

Quelle: Bruckbauer (2011); Daten: oenB, BMf, Datastream Bank Austria Economics, Market Analysis Austria

(28)

6. AnALySE DER fInAnZ- UnD BAnKEnKRISEn

6. Analyse der finanz- und Bankenkrisen

für die schwerste Krisenform, der globalen finanz- krise, haben Reinhart und Rogoff (2009) eine Defi- nition gewählt, die folgende vier Elemente enthält:

1. Ein oder mehrere globale finanzzentren stecken in einer systemischen (oder gravierenden) Krise irgendeines Typus.

2. Die Krise erstreckt sich auf zwei oder mehrere unterschiedliche Regionen.

3. Die Zahl der Länder, die sich in einer Krise befinden, beträgt drei oder mehr.

4. Der kombinierte, BIP-gewichtete Index-Durch- schnitt der globalen finanzkrisen7 liegt mindes- tens eine Standardabweichung über normalwert.

7 Index setzt sich aus Banken-, Währungs-, Schulden- und Inflations- krisen sowie Börsenkräche aller Länder (gewichtet nach ihrem Anteil am Welteinkommen) zusammen und kann einen Wert zwischen 0 und 5 erreichen; je nach der Krisenvariante, die sich in einem bestimmten Jahr ereignet. Dieser Index wird anschließend nach dem Anteil des jeweiligen Landes am Welteinkommen gewichtet. Reinhart

& Rogoff berechnen diesen Index jährlich für eine 66 ausgewählte Länder-Stichprobe.

Zur Analyse von finanz- und Bankenkrisen wollen wir zunächst eine Definition dieser Krisen anhand der gängigen Literatur vornehmen. Im folgenden definieren wir Krisenarten nach regionalem Auftritt (global/regional) nach Ereignis, nach quantitativen Schwellen sowie nach Ursachen und betrachten ihre zeitliche Abfolge und Zusammenhänge.

6.1 KrisEnartEn

Reinhart und Rogoff (2009), die 8 Jahrhunderte von Wirtschaftskrisen empirisch untersucht haben, unterscheiden in der Kategorie Wirtschaftskrisen:

finanzkrise, Bankenkrisen, Wechselkurskrisen sowie hoch- und hyperinflationsperioden.

Als quantitative Schwellen für eine Krise haben Reinhart und Rogoff eine jährliche Währungsher- absetzung gegenüber dem USD um mehr als 15%

bzw. eine Verringerung des Metallgehalts der im Umlauf befindlichen Münzen um mehr als 5%

oder eine Währungsreform, in deren Rahmen eine neue Währung eine stark wertverminderte frühere Währung ablöst sowie eine Inflationsrate von über 20% definiert.

Dieselbe quantitative Methodologie lässt sich auch auf die Datierung des Platzens von Spekulations- blasen (Aktien- und Immobilien) anwenden.

obwohl es den entwickelten Ökonomien gelungen ist sich aus der hochinflation zu befreien, stellen Bankenkrisen bzw. Währungszusammenbrüche wei- terhin ein Systemrisiko dar. Zu den finanzkrisen werden auch die Staatsschuldenkrisen gezählt, die eintreten, wenn Regierungen ihre Inlands- und/oder Auslandsverpflichtungen nicht erfüllen.

(29)

tabelle 2: ausgewählte Episoden globaler, regionaler oder mehrere länder betreffender wirtschaftskrisen

Episode am stärksten

betroffene globale finanzzentren

mindestens 2 unterschiedliche regionen

zahl der länder in jeder region

Die Krise von 1925 – 1926

auslandsschuldenkrise

Typ: Global

Großbritannien Europa und

Lateinamerika Griechenland und Portugal sowie praktisch alle frisch in die Unabhängigkeit entlassenen latein- amerikanischen Länder konnten ihre Auslands- schulden nicht bezahlen.

Die Panik von 1907 Bankenkrise

Typ: Global

USA Europa, Asien

und Lateinamerika frankreich, Italien, Japan, Mexiko und Chile waren besonders von den Bankpaniken betroffen.

Die Große Depression 1929-1938

inflationskrise

Typ: Global

USA,

frankreich Alle Regionen Mit Ausnahme einer hohen Inflation waren keine anderen Krisenmanifestationen vorhanden.

Die Schuldenkrise der 1980er-Jahre

Typ: Mehre Länder

USA

(keine systemische Krise)

Entwicklungsländer in Afrika, Lateinamerika und in geringerem Ausmaß Asien

Eine Welle von Zahlungsausfällen, Währungszu- sammenbrüchen und hochinflation.

Die Asienkrise von 1997-1998

Typ: Mehrere Länder

Japan Asien, Europa

und Lateinamerika Betraf anfangs Südostasien. Im Jahr 1998 wurden auch Russland, die Ukraine, Kolumbien und Brasilien erfasst.

Die globale Kontraktion von 2008

Typ: Global

USA,

Großbritannien Alle Regionen In Europa häuften sich die Bankenkrisen; in allen Regionen kam es zu Börsenkrächen und Währungszusammenbrüchen gegenüber dem Dollar.

Quelle: Reinhart/Rogoff (2009)

(30)

6. AnALySE DER fInAnZ- UnD BAnKEnKRISEn Des Weiteren unterscheiden die Ökonomen zwi- schen verschiedenen Krisentypen je nach Ereignis (Banken-, Wechselkurs-, Inlands-/Auslandsschul- denkrise). In Anlehnung an die Ausführungen von Reinhart und Rogoff (2009) habe ich in Tabelle 3 die jeweiligen Definitionen für die Krisentypen nach Ereignis zusammengestellt bzw. systematisiert.

tabelle 3: Krisenarten nach Ereignis

KapitalmarKtKrisE wEchsElKursKrisE BanKEnKrisEn

Vermögenspreisblase leitwährungen

(Eur / usd / Yen) lokale

Immobilienwert: +/- 15%

Aktienkurs: +/- 40%

– jährliche Währungsherabsetzung gegenüber dem USD > 15%

– eine Verringerung des Metallgehalts der im Umlauf befindlichen Münzen

> 5% oder

– eine Währungsreform in deren Rahmen eine neue Währung eine stark wertverminderte frühere Währung ablöst

– Inflationsrate > 20%

die Schließung, fusion, Übernahme durch den Staat bzw. die umfangreiche staatliche Unterstützung eines wichtigen finanzinstitutes ( oder einer Gruppe an Instituten) bzw. Bank Runs, die zur Schließung, fusion oder Übernahme durch den Staat eines oder mehrerer finanzinstitute führen; (10% der Bankaktiva)

staatsschuldEnKrisE

auslandsschuldenkrise inlandsschuldenkrise

Versäumnis einer Regierung, die Schuldenzinsen / fällige Rück- zahlungsrate zu begleichen; inkl. fälle, bei denen umgeschuldete Kredite zu für die Gläubiger ungünstigeren Bedingungen als im ursprünglichen Schuldenkontrakt vereinbart getilgt werden

siehe links, sowie das Einfrieren von Bankeinlagen und/

oder eine erzwungene Umwandlung solcher Einlagen von Dollar in Landeswährung

Quelle: Reinhart/Rogoff (2009); eigene Darstellung

(31)

mit mangelnder finanzaufsicht und Bankenkrisen scheinen so eng miteinander verbunden zu sein, dass ihnen eine Schlüsselrolle für die Auslösung dieser Krisen zukommt8. Kaminsky und Reinhart (1999) liefern empirische Beweise, dass die Wahrscheinlich- keit einer Bankenkrise nach einer zuvor erfolgten finanzmarktliberalisierung größer ist als die Wahr- scheinlichkeit einer Bankenkrise ohne zuvor erfolgter Liberalisierung.

finanzmarktliberalisierung erleichtert den Zugang der Banken zu Auslandskrediten und führt zu ris- kanteren Kreditvergabepraktiken im Inland.

finanzinnovationen stellen ebenso eine Variante des Liberalisierungsprozesses dar. Explosionsartige Wachstum des finanzdienstleitungssektors vor einer Bankenkrise und die Implosion nach der Krise sind ebenfalls regelmäßig zu beobachtende Vorgänge. Phi- lippon (2007) hat analysiert, dass im Zeitraum von

8 Caprio/Klingebiel (2003)

6.2 ursachEn/auslösEr EinEr BanKEnKrisE

Zahlreiche Ökonomen haben Wirtschaftskrisen untersucht und versucht diese zu systematisieren bzw.

zu antizipieren. Einig sind sich die Krisentheoretiker, dass sich Bankenkrisen durch die Liberalisierung der finanzmärkte (was zu einem überproportionalen Wachstums des finanzdienstleistungssektors führt), Anstieg der Kapitalmobilität, heftige Kreditzyklen oder Immobilienblasen ankündigen.

In obenstehender Übersicht (Abb. 18) habe ich zwi- schen Industrieländern und Schwellen- bzw. Ent- wicklungsländern unterschieden.

6.2.1 KapitalmoBilität

Perioden ausgeprägter internationaler Kapitalmo- bilität haben wiederholt im Verlauf der längeren Wirtschaftsgeschichte internationale Banken- krisen ausgelöst. Deregulierung in Kombination

abb. 18: ursachen und schematischer ablauf von Bankenkrisen in industrieländern sowie schwellen- bzw. Entwicklungsländern

INDUSTRIELÄNDER

KREDITBOOM

STEIGENDE VERMÖGENSPREISE / BLASEN

DIREKTINVESITIONEN BIP-WACHSTUM

KURS- / BZW. PREISVERFALL KAPITALABZUG

OUTPUT-VERLUST

INNOVATION WIRTSCHAFTLICHER AUFSCHWUNG

SCHWELLEN- UND ENTWICKLUNGSLÄNGER Kapitalverkehrs-

liberalisierung Kapitalmobilität /

-zuflüsse Reformen im

Finanzsektor Kapitalzuflüsse Produktivitäts- steigerungen Finanz-

innovationen

Quelle: Reinhart/ Rogoff (2009); IWf 09.2011; World Economic outlook; eigene Darstellung

(32)

6. AnALySE DER fInAnZ- UnD BAnKEnKRISEn

6.2.2 KapitalzuflÜssE

Reinhart und Reinhart (2009) führen für über- trieben Zu- und Abflüsse von Kapital in einzelnen Ländern den Begriff „Kapitalstrombonazas“ ein.

Diese sind definiert als Kapitalzuflüsse, gemessen am BIP, die über Jahre um mehrere Prozentpunkte über dem langjährigen Durchschnitt zunehmen.

Die Wahrscheinlichkeit einer Bankenkrise steigt in folgen einer Kapitalstrombonanza („bedingte“ oder

„begründete“ Bankenkrise). Die Mehrheit der Länder (61%) zeigt eine größere Tendenz zu Bankenkrisen im Zusammenhang mit Kapitalstrombonanzas. Bei einer Berücksichtigung der Daten nach 2007 würde dieser Prozentsatz noch höher ausfallen.

6.2.3 KrEditzYKlEn

Ein Anstieg des Kapitalzuflusses in einer Volkswirt- schaft wird oftmals von einem Anstieg der Kredit- menge gefolgt. Mendoza und Terrones (2008) haben festgestellt, dass den durch Kreditbooms 1976 bis 1985 in den USA der volkswirtschaftliche

Beitrag des finanzdienstleistungssektors einschließ- lich des Versicherungswesens zum BIP im Schnitt 4,9% betrug und von 1996 bis 2005 auf 7,5% anstieg.

tabelle 4: der Effekt einer Kapitalstrombonanza auf die wahrscheinlichkeit einer Bankenkrise in einer auswahl von 66 ländern, 1960 – 2007

indikator % an ländern

Wahrscheinlichkeit einer Kapitalstrombonanza-

bedingten Bankenkrise (Dreijahresfenster) 18,4 Unbegründete Wahrscheinlichkeit 13,2

Unterschied 5,2

Prozentsatz der Länder, in denen die begründete Wahrscheinlichkeit höher ist als die unbegrün-

dete Wahrscheinlichkeit 60,9

Quelle: Reinhart/Reinhart (2009)

abb. 19: Kapitalmobilität und das auftreten von Bankenkrisen alle länder 1800 – 2009

Kapitalmobilitätsindex (linke Skala)

Kapitalmobilitätsindex (linke Skala)

1900

1918 1914

1860

1825 1980

1945

1800 10 20 30 40 50 60 70 80 90 1.0

0.9 30

25 20 15 10 5 35

0 0.8

0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0.0

90 80 70 60 50 40 30 20

10 2000

Anteil der Länder, die in Bankenkrisen gerieten, Dreijahressumme (rechte Skala) Quelle: Reinhart/Rogoff (2009); vgl. auch: Kaminsky/Reinhart (1999), Bordo et al. (2001), obstfeld/Tylor (2004), Caprio et al. (2005)

(33)

tabelle 5: immobilienpreisblasen und Bankenkrisen

land Krisenjahr höhepunkt tiefstand dauer des

abschwungs ausmaß des immobilien- preisrückgangs (in %)

Entwickelte ökonomien

finnland 1991 1989 1995 Sechs Jahre -50,4

Japan 1992 1991 Anhaltend Anhaltend -40,2

norwegen 1987 1987 1993 fünf Jahre -41,5

Schweden 1991 1990 1994 Vier Jahre -31,7

Spanien 1997 1978 1982 Vier Jahre -33,3

asiatische ökonomien

hongkong 1997 1997 2003 Sechs Jahre -58,9

Indonesien 1997 1994 1999 fünf Jahre -49,9

Malaysien 1997 1996 1999 Drei Jahre -19,0

Philippinen 1997 1997 2004 Sieben Jahre -53,0

Südkorea 1997 2001 Vier Jahre -20,4

Thailand 1997 1995 1999 Vier Jahre -19,9

andere aufstrebende ökonomien

Argentinien 2001 1999 2003 Vier Jahre -25,5

Kolumbien 1998 1997 2003 Sechs Jahre -51,2

aktuelle fälle

Irland 2007 2006 Anhaltend Anhaltend -18,9

Spanien 2007 2007 Anhaltend Anhaltend -3,1

USA 2007 2005 Anhaltend Anhaltend -16,6

Quelle: Reinhart/Rogoff (2009)

Die Tabelle zeigt dass die Dauer des Abschwungs eines Immobilienpreiszyklus zwischen 4 und 6 Jahre liegt und dass kaum ein Unter s chied zwischen entwickelten oder aufstrebenden Ökonomien betreffend des Ausmaßes des Rückgangs der realen Immobilienpreis von ihrem höchst- ihren Tiefststand im Zusammenhang mit Bankenkrisen erkennbar ist. Das Ausmaß des Preisrückgangs liegt erfahrungsgemäß zwischen 20 – 50%.

(34)

6. AnALySE DER fInAnZ- UnD BAnKEnKRISEn

6.3 finanzindiKatorEn fÜr KrisEn Eine Vielzahl von Studien widmet sich dem Thema, welche makroökomischen Variablen und Indikatoren eine finanzkrise vorhersagen können. Krisen sind jedenfalls vorhersehbar, ein anerkanntes Prognose- instrument ist jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorliegend.

Reinhart und Rogoff (2009) geben in Tabelle 6 einen Überblick über frühindikatoren für Banken- und Währungskrisen.

ausgelösten Krisen oftmals ein plötzlicher Anstieg der Kapitalzuflüsse vorausging. Kreditbooms wie- derum führen in vielen, wenn auch nicht allen fällen zu finanzkrisen. Der wichtigste Auslösungsfaktor für diesen Zusammenhang sind kreditfinanzierte Vermögenspreisblasen.

6.2.4 VErmöGEnsprEiszYKlEn Die Immobilienblase in der USA Ende 2005 gilt als hauptursache für das Auslösen der globalen finanzkrise. Bordo und Jeanne (2007), stellen bei der Untersuchung von entwickelten Ökonomien im Zeitraum von 1970 – 2001 fest, dass Bankenkrisen die Tendenz haben, sich entweder auf dem höhe- punkt eines Immobilienbooms oder unmittelbar nach dem Platzen der Immobilienblase zu ereignen.

Die lang anhaltenden Abschwünge der Immo- bilienpreise nach finanzkrisen stehen im Gegensatz zum Verhalten der realen Aktienkurse nach einer Bankenkrise. finanzkrisen infolge geplatzter Aktien- blasen dauern üblicherweise deutlich weniger lange als infolge von Immobilienpreisblasen.

Aktienkurse erreichen ihren höchststand typischer- weise ein Jahr nach einer Bankenkrise und sinken nach der Krise für 2-3 Jahre. Die Erholung ist drei Jahre nach der Krise insofern abgeschlossen, als die realen Aktienkurse nach einer Krise im Schnitt höher liegen als vor dem Krisenereignis. Ausnahme von dieser Regel ist Japan nach der Immobilienpreis- blase von 1991.

abb. 20: Entwicklung realer aktienkurse vor einer Krise

170 160 150 140 130 120 110 100 180

90

t-4 t-3 t-2 t-1 t t+1 t+2 t+3 t+4 -16%

-10%

Quelle: Reinhart/Rogoff (2009)

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