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Die Identifikation von Angebots- und Nach- frageaspekten auf dem Kreditmarkt wurde in der Literatur bereits ausführ- lich behandelt

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Als die aktuelle Krise einsetzte, ver- langsamte sich in Österreich – wie auch in den meisten anderen Ländern des Euroraums – das Wachstum der Bank- kredite an nichtfinanzielle Unterneh- men deutlich; einige Zeit ging das Volumen der aushaftenden Ausleihungen sogar zurück. Angesichts der starken Abschwächung der Kreditdynamik stellt sich die Frage, ob diese Verlangsamung in erster Linie auf einen Rückgang der Nachfrage oder eine Verminderung des Kreditangebots zurückzuführen ist (und ob bzw. inwieweit eine Verminderung als Kreditklemme zu werten ist). Die Identifikation von Angebots- und Nach- frageaspekten auf dem Kreditmarkt wurde in der Literatur bereits ausführ- lich behandelt. Allerdings wird die klare Abgrenzung von Angebots- und Nach-

fragefaktoren in der empirischen Arbeit nach wie vor durch einen Mangel an angemessenen Daten erschwert.

Der vorliegende Beitrag trägt zur wachsenden Literatur bei, in der Daten aus Kreditumfragen verwendet werden.

Konkret werden die Auswirkungen von Angebot und Nachfrage auf die Entwick- lung der Kreditvergabe österreichischer Banken an Unternehmen im Euro- Währungsgebiet auf Grundlage der österreichischen Ergebnisse der Umfrage zum Kreditgeschäft im Euroraum (Bank Lending Survey – BLS) analysiert.2 Mit dem BLS werden qualitative Informa- tionen über die Kreditbeziehungen zwischen Banken und dem nichtfinan- ziellen privaten Sektor (Unternehmen und private Haushalte) erhoben. Einer- seits bietet der BLS zeitnähere Infor-

Wissenschaftliche Begutachtung:

Julia von Borstel, Deutsche Bundesbank Der vorliegende Beitrag reiht sich in die wachsende Anzahl ökonomischer Studien ein, in

denen mithilfe von Daten aus der Umfrage zum Kreditgeschäft im Euroraum (Euro Area Bank Lending Survey – BLS) Determinanten des Wachstums der Kreditvergabe an Unter nehmen analysiert werden. Es wird der Zusammenhang zwischen Kreditwachstum und aus dem BLS gewonnenen Informationen mittels Bayesian Model Averaging untersucht. Den Ergebnissen zufolge reagiert das Volumen der Unternehmenskredite in Österreich in erster Linie auf Veränderungen in der Nachfrage, während Angebotseffekten eine untergeordnete Rolle zukommt. Darüber hinaus ergab die Analyse, dass die aktuelle Krise die Kreditvergabe der Banken an Unternehmen nicht über ihren Einfluss auf Kreditrichtlinien und Kreditnachfrage hinaus bremste. In Österreich liegen demnach keine Anzeichen einer Kreditklemme (Credit Crunch) nach der Definition von Bernanke und Lown (1991) vor. Nach der weiter gefassten Begriffsbestimmung von Owens und Schreft (1993), die auch preisunabhängige Konditionen berücksichtigt, lässt sich eine Kreditklemme allerdings nicht so eindeutig ausschließen. Weiters werden in der vorliegenden Studie konzeptionelle Fragen des Begriffs Kreditrichtlinien und methodische Aspekte, die bei der Analyse von Kreditentwicklungen unter Verwendung von BLS-Daten zu berücksichtigen sind, behandelt.

Christian Beer, Walter Waschiczek1

1 Oesterreichische Nationalbank, Abteilung für volkswirtschaftliche Analysen, christian.beer@oenb.at,

walter.waschiczek@oenb.at. Die Autoren danken Martin Feldkircher für hilfreiche Kommentare. Übersetzung aus dem Englischen.

2 Unter Banken sind „Kreditinstitute“ gemäß EZB-Monetärstatistik (MONSTAT) zu verstehen, das heißt Unter- nehmen, deren Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren. „Unternehmen“ sind nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften gemäß dem Euro- päischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG 95).

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mationen über Entwicklungen auf dem Kreditmarkt als die monatlichen Mel- dungen der Banken. Andererseits erleich- tert er die Analyse von Angebots- und Nachfragebedingungen auf dem Kredit- markt, die aus den von den Banken gemeldeten statistischen Daten nicht direkt hervorgehen. Letzterer Aspekt soll in der vorliegenden Studie genutzt werden. Im BLS geben die Kredit- manager führender Banken regelmäßig eine Einschätzung der Kreditnachfrage und der Kreditrichtlinien ihrer Insti- tute ab. In der vorliegenden Studie – wie auch in anderen Studien mit Bezug auf den BLS oder sein US-amerikani- sches Gegenstück, den Senior Loan Officer Survey (SLOOS) – werden die Kreditrichtlinien als Indikator für das Kreditangebot interpretiert. Daher sollte der BLS einen bedeutenden Beitrag zum Verständnis der Dynamik von Kreditaggregaten leisten können.

Bei den meisten Studien in diesem Bereich stellt die Kürze der verfügbaren Zeitreihen ein Problem dar. Dies trifft sowohl auf den BLS, der erstmals im Jänner 2003 durchgeführt wurde (und sich auf das vierte Quartal 2002 bezog) als auch auf den SLOOS zu. Obwohl die Erhebung des Federal Reserve System (Fed) schon längere Zeit durch- geführt wird als der BLS, sind die SLOOS-Zeitreihen, die in einigen Stu- dien herangezogen werden, nicht viel länger als jene, die derzeit in Bezug auf den BLS verfügbar sind, da es im Lauf der Jahre zahlreiche Änderungen des für den SLOOS verwendeten Frage- bogens gab (Schreft und Owens, 1991).3 Die EZB hat in jüngster Zeit eine Reihe von Studien veröffentlicht,

im Rahmen derer BLS-Daten über das Euro- Währungsgebiet analysiert wer- den.4 Da die EZB auf Einzelländerdaten zugreifen kann, wird in diesen Studien ein länderübergreifendes Panel ver- wendet, das alle am BLS teilnehmen- den Länder umfasst. Dies erhöht die Anzahl der Beobachtungen und gleicht die Einschränkungen, die sich aus dem vergleichsweise kurzen Untersuchungs- zeitraum des BLS ergeben, aus. Die mit Jänner 2003 beginnende Zeitreihe ist nunmehr lange genug für eine erste ökonometrische Analyse auf nationaler Ebene. Ent sprechend liegen erste Artikel auf Grundlage nationaler BLS-Aggregate vor (Deutsche Bundesbank, 2009, für Deutschland; Lacroix und Montornès, 2009, für Frankreich). Del Giovane et al. (2011) und Blaes (2011) untersuchen auf Grundlage von Einzelrückmeldungen aus größeren nationalen BLS-Samples (Italien bzw. Deutschland) den relativen Einfluss von Angebots- und Nachfrage- faktoren auf die Kreditvergabe der Banken an Unternehmen.

Der vorliegende Beitrag stellt inso- fern eine Erweiterung der bestehenden Literatur dar, als damit die erste syste- matische empirische Analyse der öster- reichischen BLS-Ergebnisse und gene- rell eine der ersten Untersuchungen nationaler BLS-Ergebnisse geboten wird. Zudem handelt es sich um eine der ersten empirischen Studien der Determinanten der Unternehmens- kredite in Österreich seit Beginn der Krise; damit lassen sich auch Rück- schlüsse darauf ziehen, ob in Öster- reich eine Kreditklemme vorliegt oder nicht. Hinsichtlich der verwendeten Methode ist der vorliegende Beitrag

3 Lown et al. (2000) verwenden zum Beispiel Datensätze von Q3 90 bis Q4 98 (sowie von Q3 73 bis Q1 84), und die von Lown und Morgan (2006) verwendete Zeitreihe ist nicht viel länger (Q2 90 bis Q2 02). Cunningham (2006) sowie Bayoumi und Melander (2008) hatten bei ihren Analysen von SLOOS-Daten eine längere Zeitreihe zur Verfügung (Q2 91 bis Q3 07).

4 De Bondt et al. (2010); Ciccarelli et al. (2010); Hempell und Kok Sørensen (2010); Maddaloni und Peydró (2011).

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– nach Wissen der Autoren – die erste Studie, in der Bayesianische Verfahren eingesetzt werden, um den sich aus dem begrenzten A-priori-Wissen über die genauen Auswirkungen der BLS- Variablen auf das Kreditwachstum erge- benden Unsicherheiten Rechnung zu tragen.

Die vorliegende Studie gliedert sich wie folgt: In Kapitel 1 wird kurz auf die Zielsetzung und die dem BLS zu- grunde liegende Methodik sowie auf die Repräsentativität der BLS-Ergebnisse eingegangen. Auf dieser Grundlage wird in Kapitel 2 das Konzept „Kredit- richtlinien“ ausführlicher beleuchtet.

Kapitel 3 behandelt einige konzeptio- nelle Fragen, die bei der Heranziehung von BLS-Daten zur Analyse von Kredit- entwicklungen berücksichtigt werden müssen, die empirische Analyse wird in Kapitel 4 präsentiert. Abschließende Schlussfolgerungen finden sich in Kapi- tel 5.

1 Bank Lending Survey

Der BLS wird seit Jänner 2003 unter hochrangigen Kreditmanagern in füh- renden Banken im gesamten Euroraum durchgeführt. Dabei werden unter- schiedliche Aspekte im Zusammenhang mit Kreditrichtlinien, -bedingungen und -nachfrage abgefragt. Da der BLS euroraumübergreifend angelegt ist, beziehen sich alle in der Umfrage enthaltenen Fragen auf Kredite, die an Ansässige im gesamten Euro-Wäh- rungsgebiet gewährt werden. Der BLS basiert auf einem Standardfragebogen mit 18 Fragen. Sieben Fragen beziehen sich auf Kredite an Unternehmen, zehn auf Kredite an private Haushalte (unter- teilt in Wohnbau- und Konsumkredite bzw. sonstige Kredite), und eine offene Frage stellt auf jene Kreditmarktent- wicklungen ab, die von den übrigen Fragen möglicherweise nicht erfasst werden.

Die Unterteilung nach Sektor und Kreditzweck spiegelt mehr oder weni- ger jene der EZB-Monetärstatistik (MONSTAT) wider. Im Bereich der Kre- dite an Unternehmen sind die Fragen zu Kreditrichtlinien und Kreditnach- frage zusätzlich nach Laufzeit (kurzfris- tige Kredite mit einer ursprünglichen Laufzeit bis zu einem Jahr und langfris- tige Kredite) und Unternehmensgröße unterteilt (kleine und mittlere Unter- nehmen (KMUs) und große Unter- nehmen, wobei der Schwellenwert bei einem jährlichen Netto umsatz von 50 Mio EUR liegt). In jeder dieser Kategorien bewerten die befragten Banken Kreditrichtlinien und -nach- frage – sowohl rückblickend (über die vergangenen drei Monate) als auch vor- ausschauend (Erwartungen im Hinblick auf die drei Folgemonate). Dement- sprechend wurden die Banken bei der ersten Umfrage im Jänner 2003 auf- gefordert, die Entwicklungen im vierten Quartal 2002 zu beurteilen und ihre Erwartungen für das erste Quartal 2003 bekannt zu geben. In Bezug auf die Gesamtkredite an Unternehmen wird detailliert abgefragt, welche Faktoren die Kreditrichtlinien und -nachfrage beeinflusst haben und inwieweit sich die Bedingungen für die Gewährung von Krediten verändert haben. Im Bereich der Kreditricht linien wird nach folgen- den Faktoren differenziert: Refinanzie- rungskosten und bilanzielle Restriktio- nen (Eigenkapitalkosten, Finanzierungs- bedingungen der Bank auf den Märkten und Liquiditätsposition der Bank), Wett- bewerbssituation (Konkurrenz durch andere Banken, Nichtbanken und Markt- finanzierung) sowie die Risikoeinschät- zung der befragten Bank (Konjunktur- aussichten allgemein, branchen- oder firmenspezifische Faktoren und Wert- haltigkeit der Sicherheiten). Die Fragen zu den Einflussfaktoren im Bereich Kreditrichtlinien und -bedingungen

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wurden 2008 um eine Unterteilung nach Unternehmensgröße erweitert.

Davon abgesehen ist der Standardfrage- bogen über den gesamten Umfragezeit- raum unverändert geblieben. Allerdings wurde er um eine Reihe von Zusatz- fragen ergänzt – vor allem seit Beginn der Krise.

Die Beantwortung der Fragen zu den Kreditrichtlinien erfolgt auf Basis einer fünfstufigen Skala von „deutlich gelockert“ bis „deutlich verschärft“, jener zur Kreditnachfrage mittels einer Skala von „deutlich gesunken“ bis „deut- lich gestiegen“. Da qualitative Infor- mationen zu vierteljährlichen Verände- rungen abgefragt werden, sind keine Rückschlüsse auf die absoluten Werte zu Kreditnachfrage und Kreditricht- linien möglich.

Das Sample der in den BLS einbe- zogenen Banken soll die jeweiligen nationalen Bankenmärkte so gut wie möglich abbilden, wobei gleichzeitig die Anzahl der Banken in den unter- schiedlichen Ländersamples so niedrig wie möglich gehalten wurde. In Öster- reich gehören fünf Banken zur BLS- Stichprobe – eine Anzahl, die mit den Samples anderer Länder ähnlicher Größe vergleichbar ist (Berg et al., 2005;

Waschiczek, 2003).

2 Kreditrichtlinien und Kreditnachfrage

In den Erläuterungen des BLS-Frage- bogens, die den Kreditmanagern der Banken vierteljährlich übermittelt wer- den, werden Kreditrichtlinien wie folgt definiert:

„(…) die internen Richtlinien oder Kriterien, die die Kreditpolitik einer Bank widerspiegeln. Sie umfassen die schriftlich festgelegten und die unge- schriebenen Kriterien oder sonstigen

Gepflogenheiten im Zusammenhang mit dieser Politik, die festlegen, welche Art von Krediten eine Bank als wün- schenswert erachtet und welche nicht, welche geografischen Prioritäten vor- gesehen sind, welche Sicherheiten als akzeptabel gelten und welche nicht usw.“

Demgemäß sind Kreditrichtlinien jene allgemeinen Vorgaben, die zu einem bestimmten Zeitpunkt auf alle potenziellen Kreditkunden einer Bank anzuwenden sind. Sie spiegeln somit die Fähigkeit und Bereitschaft einer Bank zur Risikoübernahme (= ihre Risikoein- stellung) sowie deren Geschäftspolitik gegenüber unterschiedlichen Sektoren, Branchen, Regionen oder Risikokate- gorien wider. Anders gesagt, zeigen sie an, welche Art Kunde die Bank als Kre- ditnehmer präferiert. Daher können die Kreditrichtlinien für potenzielle Kredit- nehmer aus verschiedenen Sektoren mit derselben Risikobewertung durchaus unterschiedlich ausfallen, wenn eine Bank das Kreditgeschäft in einem bestimmten Sektor forcieren möchte.

Ebenso kann sich die Risikoeinstellung einer Bank im Lauf der Zeit ändern, sodass trotz gleichbleibendem Risiko eines Unternehmens zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedliche Kredit- richtlinien angewendet werden.5

Auf operativer Ebene bestehen Kre- ditrichtlinien einerseits aus schriftlichen Vorgaben zur Vorgangsweise bei Kredit- entscheidungen sowie andererseits aus mündlichen Anweisungen und lange geübten bankinternen Praktiken. Sie beinhalten alle Aspekte des Kredit- vergabeprozesses, von der Bewertung des Kreditwerbers (z. B. Kreditscoring- Modelle) und des zu finanzierenden Vorhabens bis zu dem bankinternen Prozess zur Genehmigung von Krediten.

Änderungen der Kreditrichtlinien kön-

5 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Risikoeinstellung einer Bank nicht mit dem Kredit- risiko zu verwechseln ist, das ein bestimmter Kreditnehmer darstellt.

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nen somit auf unterschiedliche Art und Weise vorgenommen werden, etwa durch die Einführung eines neuen Risikobewertungsmodells, eine Ände- rung der betragsmäßigen Schwellen- werte, die die bankinternen Entschei- dungsbefugnisse unterschiedlicher hie- rarchischer Ebenen bei der Kredit- gewährung regeln etc.

Dementsprechend kann eine Ände- rung der Kreditrichtlinien verschiedene Auswirkungen haben. So können stren- gere Kreditrichtlinien zu verminderten Kreditvolumen, höheren Zinsen oder zu einer Verschärfung von nicht zins- bezogenen Konditionen führen, z. B.

im Hinblick auf Gebühren, Sicherheiten- erfordernisse, Zusatz- und Nebenver- einbarungen sowie andere Elemente (z. B. Betrag, Laufzeit, Zugangsbedin- gungen etc.) bzw. – wie in den meisten Fällen anzunehmen sein wird – zu einer Kombination dieser Faktoren.

Die tatsächlichen Bedingungen für die Kreditgewährung, die letztendlich auf einen bestimmten Kreditvertrag anzu- wenden sind, spiegeln allerdings nicht nur die geltenden Kreditrichtlinien, sondern auch die Kreditnachfrage wider.

Sie werden zwischen den beiden betrof- fenen Parteien ausgehandelt und können daher von den ursprünglich (seitens der Bank) vorgesehenen bzw. (vom Kunden) angepeilten Konditionen abweichen. Es kann sogar sein, dass Kreditrichtlinien überhaupt nicht in konkreten Kredit- verträgen umgesetzt werden, wenn z. B.

ein Kreditnehmer die Bedingungen für die Kreditgewährung als zu nachteilig empfindet oder wenn aus den Kredit- richtlinien hervorgeht, dass die Bank überhaupt keine neuen Kredite in einem bestimmten Sektor oder in einer be- stimmten Region zu vergeben wünscht.

Für die Variabilität der Kreditricht- linien gibt es zwei unterschiedliche Erklärungszugänge. Dem ersten zufolge würden Änderungen von Kreditricht-

linien ausschließlich im Zusammen- hang mit bankinternen Faktoren (z. B.

Finanzierungsposition der Bank, sons- tige mögliche bilanzielle Restriktionen oder Anpassung des Kreditvergabe- prozesses der Bank) stehen. Diesem Erklärungsansatz nach werden Kredit- richtlinien unabhängig von der Bonität des Kreditnehmers festgelegt, wes- wegen Änderungen bei Kreditricht- linien als „reine Kreditangebotseffekte“

angesehen werden können (Ciccarelli et al., 2010). Diese Sichtweise ist im Einklang mit der häufig verwendeten Definition des Begriffs der Kredit- klemme (Credit Crunch) von Bernanke und Lown (1991), derzufolge eine Kreditklemme eine signifikante Links- verschiebung der Angebotskurve der Bankkredite ist, bei der sowohl der risikolose Realzinssatz als auch die Qua- lität potenzieller Kreditnehmer kons- tant bleiben.

Dem zweiten Ansatz zufolge können sich Kreditrichtlinien auch in Abhän- gigkeit des mit einem Kreditnehmer verbundenen Kreditrisikos ändern (sowohl des tatsächlichen Kreditrisikos als auch des von der betreffenden Bank wahrgenommenen Risikos). Diese zweite Erklärung steht im Einklang mit der Credit-Crunch-Definition von Owens und Schreft (1993), derzufolge eine Kreditklemme eine Periode drastisch verstärkter Rationierung der nichtpreislichen Elemente der Kredit- vergabe (…) ist, die einen sprunghaft gestiegenen Einsatz von Kreditratio- nierung umfasst (…), der von Verände- rungen im Risikoprofil der Kredit- nehmer unabhängig sein kann (aber nicht muss). Eine Verschärfung von Kreditrichtlinien kann sich allerdings nicht nur in preisunabhängigen Kondi- tionen niederschlagen, sondern auch in Form höherer Zinssätze oder Zins- margen, die einen bestimmten Refe- renzzinssatz (z. B. Leitzins- oder Geld-

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marktsatz) übersteigen.6 Der BLS ermög- licht aufgrund der darin enthaltenen Informationen über die Determinanten der Veränderung von Kreditrichtlinien eine Analyse nach beiden Kredit- klemmekonzepten. Betrachtet man diese Determinanten, so stellt eine Veränderung des Kreditvergabever- haltens in jedem Fall eine Anpassung der Kreditrichtlinien dar, unabhängig davon, ob sie bankintern oder von einer Änderung (des wahrgenommenen) Risi- kos, das einem einzelnen Kreditneh- mer zugeschrieben wird, motiviert ist.

Im Gegensatz zu den Kreditricht- linien wird die Kreditnachfrage in den BLS-Erläuterungen nicht definiert. Für gewöhnlich wird Nachfrage als die Menge an Waren oder Dienstleistungen definiert, die ein Marktteilnehmer unter sonst gleich bleibenden Bedin- gungen zu einem bestimmten Preis zu kaufen gewillt und in der Lage ist. Im Fall von Unternehmenskrediten zur Finanzierung von Anlageprojekten wer- den Unternehmen die Kreditkosten im Regelfall begleichen können und wollen, wenn der (erwartete) Netto- barwert des Projekts die sich aus den preislichen und preisunabhängigen Bedingungen für die Kreditgewährung ergebenden (abgezinsten) Kosten über- steigt. Aufgrund dieses Zusammenhangs ergeben sich zwei Charakteristika der Kreditnachfrage: Erstens ist die Zah- lungsfähigkeit des Unternehmens mit einem beträchtlichen Grad an Unsi- cherheit hinsichtlich der Bewertung der Erfolgsaussichten des zu finanzierenden Projekts verbunden. Zweitens ist die Kreditnachfrage von der Kreditver-

gabepolitik des Bankensektors nicht unabhängig. Insofern als das Zinsniveau und andere Bedingungen für die Kreditgewährung von der Kreditver- gabepolitik einer Bank abhängen, können Anpassungen der Kreditricht- linien auch die Kreditnachfrage beein- flussen. Operativ betrachtet ist die Kreditnachfrage nicht auf formale Kreditanträge beschränkt, sondern kann auch andere Informationen zur Kredit- nachfrage umfassen, die Bankmitar- beiter im Kreditbereich erheben.

3 Verwendung von BLS-Daten für Analysezwecke: Daten und konzeptionelle Fragen

Die vorliegende Studie basiert auf jenen BLS-Ergebnissen für Österreich,7 zu denen es vergleichbare Kreditdaten aus der MONSTAT gibt. Die verwendeten Daten reichen von Beginn der Umfrage (d. h. vom vierten Quartal 2002) bis einschließlich viertes Quartal 2011.

Für die vorliegende Analyse stehen somit 37 Datenpunkte zur Verfügung.

Da die MONSTAT keine Unterteilung der Kredite nach Unternehmensgröße vorsieht, werden die Gesamtkredite an Unternehmen sowie kurz- und lang- fristige Kredite analysiert. Nachdem der BLS sich auf den gesamten Euro- raum bezieht, sind hier mit „Krediten“

die Ausleihungen aller österreichischen Kreditinstitute an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften im Euro-Wäh- rungsgebiet gemeint.

Im Prinzip spiegeln die im BLS abgefragten Kreditkategorien die Defi- nitionen der MONSTAT wider. Auf- grund konzeptioneller Diskrepanzen

6 In Bezug auf den geldpolitischen Transmissionsmechanismus kann der erste Erklärungsansatz (Veränderung von Kreditrichtlinien aufgrund bankinterner bilanzieller Restriktionen) in Richtung Bankkreditkanal gedeutet werden und zweiterer (Anpassung der Kreditrichtlinien nach Maßgabe der Risikowahrnehmung der Bank) dem Bilanzkanal zugeordnet werden.

7 Die BLS-Ergebnisse für Österreich sind unter www.oenb.at/en/img/dl_umfrage_zum_kreditgeschaeft_im_

euroraum-oesterreich_ergebnisse_tcm16-19007.zip einsehbar.

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führen allerdings Veränderungen der Kreditrichtlinien oder der Kreditnach- frage nicht notwendigerweise zu Ver- änderungen der in der MONSTAT gemeldeten Kreditvolumen, auch wenn alle übrigen Parameter unverändert bleiben. Änderungen von Kreditricht- linien und der Kreditnachfrage beein- flussen die Bruttoneukreditvergabe der Banken. Die MONSTAT bildet jedoch nur den Bestand an Krediten ab, das heißt, dass die einzigen Entwick- lungen, die auf ihrer Grundlage unter- sucht werden können, Kreditbestands- veränderungen sind. Um Nettotransak- tionen berechnen zu können, bereinigte die EZB diese Bestandsveränderungen um Reklassifikationen, Neubewertun- gen, Wechselkursentwicklungen und andere nicht transaktionsbedingte Ver- änderungen. In den derart bereinigten Daten sind Tilgungen allerdings nicht berücksichtigt.8 Alternativ könnte die EZB-Zinssatzstatistik genutzt werden, die Daten zu Kreditvolumen aus dem Neugeschäft enthält. Da die betref- fende Statistik allerdings darauf abzielt, Zinssatzänderungen so genau wie möglich abzubilden, umfasst die Defi- nition des Neugeschäfts neben der Bruttoneukreditvergabe auch Neuver- handlungen und -vereinbarungen zwi- schen Kunde und Bank hinsichtlich bestehender Kredite. Daher wurden für die vorliegende Analyse Nettotrans- aktionsdaten verwendet. Zur Berech- nung der vierteljährlichen Wachstums- raten der Kreditvolumen werden die saisonal bereinigten Werte der Netto- transaktionen (im Zähler) und der aus- stehenden Kreditvolumen (im Nenner) herangezogen.

Ein weiterer in diesem Zusammen- hang zu berücksichtigender Punkt ist,

dass sich die Frage zu Kreditrichtlinien im BLS sowohl auf Kredite als auch auf Kreditlinien bezieht, während die MONSTAT nur ausstehende Kredite abdeckt (= ausgenutzte Kreditlinien).

Eine Lockerung von Kreditrichtlinien kann einerseits zur Vergabe neuer Kredite führen und andererseits zur Gewährung neuer (oder höherer) Kre- ditlinien; in den MONSTAT-Kredit- daten scheinen Letztere allerdings erst auf, sobald sie tatsächlich genutzt werden. Umgekehrt kann eine Ver- schärfung von Kreditrichtlinien in einer Verringerung von Kreditlinien resul- tieren, doch solange die Linien die gezogenen Kreditvolumen übersteigen, scheint dies in der MONSTAT nicht als Verringerung des Kreditvolumens auf.

Ähnlich beziehen sich Kreditrichtlinien nicht nur auf bereits gewährte Kredite, sondern auch auf alle Kreditanträge, und eine geringere Kreditnachfrage kann auch zu einer Herabsetzung nicht ausgeschöpfter Kreditlinien führen, was wiederum nicht als eine Verminderung der ausgezahlten Kreditvolumina auf- scheint.

Die vorliegende Studie basiert auf den aggregierten BLS-Umfrageergeb- nissen aller Banken im österreichischen Sample. Die Antworten werden mit- hilfe eines Diffusionsindex aggregiert, der die Antwortoption „etwas“ bzw.

„leicht“ mit dem Faktor 0,5 und die Option „deutlich“ mit 1 gewichtet. Dies entspricht der Form, in der die OeNB regelmäßig die nationalen Ergebnisse des BLS veröffentlicht. Die Wahl dieser Gewichtungsfaktoren ist etwas will- kürlich. Alternativ könnte auch die Differenz zwischen dem Prozentsatz der Banken, die eine Verschärfung der Kreditrichtlinien angeben, und dem

8 Seit Anfang 2009 erhebt die OeNB Daten zum Bruttovolumen der Neukreditvergabe an Unternehmen und private Haushalte sowie der an diese neu gewährten Kreditlinien. Derzeit sind die daraus verfügbaren Zeitreihen aller- dings für eine empirische Analyse noch unzureichend.

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Anteil jener Banken, die eine Lockerung melden (Nettoprozentsatz), herangezo- gen werden; dies würde aber bedeuten, dass dem von den Banken gemeldeten Ausmaß der Verschärfung bzw. Locke- rung nicht Rechnung getragen wird.

Überdies ist diese von der EZB in ihren regelmäßigen Berichten verwendete Messgröße auch nicht völlig frei von Willkür, da sie als Diffusionsindex betrachtet werden kann, der leichte und deutliche Verschärfungen (bzw. Locke- rungen) von Kreditrichtlinien gleich gewichtet. Daraus ergibt sich dieselbe Ermessensproblematik bei der Gewich- tung der Antworten, und darüber hinaus geht die Zusatzinformation über das Ausmaß der Verschärfung (Locke- rung) verloren. Außerdem ermöglicht der Diffusionsindex praktisch betrachtet eine höhere Granularität der möglichen Werte der Zeitreihe. Bei einer Stich- probe, die n Banken enthält, führt die Verwendung von Nettoprozentsätzen zu (2n+1) möglichen Ergebnissen, während die Verwendung des Diffu- sionsindex fast doppelt so viele ergibt (4n+1). Dies ist aufgrund der geringen Stichprobengröße vor allem im Fall Österreichs relevant.

Bisherige Studien haben sowohl aggregierte Zeitreihen als auch die einzelnen Antworten der an den jewei- ligen Erhebungen teilnehmenden Ban- ken untersucht. Bei Analysen mit mik- roökonomischen Fragestellungen wer- den tendenziell eher die individuellen Antworten der Banken verwendet.9 In Studien, die sich mit makroökonomi- schen Themen befassen und sich auf die Entwicklung von Gesamtkredit- aggregaten und deren Determinanten

konzentrieren, kommen meistens Län- deraggregate zum Einsatz. Aus ökono- metrischer Sicht erscheint es nahe- liegend, die Einzelantworten der Banken als Stichprobe zu verwenden und der tatsächlichen Kreditvergabe gegen- überzustellen; allerdings sprechen zu- mindest im Fall Österreichs konzeptio- nelle Bedenken gegen diesen Zugang.

Der BLS ist darauf ausgerichtet, Ergeb- nisse auf aggregierter Basis zu liefern (und nicht darauf, das Kreditvergabe- verhalten einzelner Banken zu beobach- ten). Entsprechend wurde das öster- reichische BLS-Panel derart zusam- mengestellt, dass es eine aggregierte Zeitreihe liefert, die das nationale Bankensystem repräsentativ abbildet.

Da die Anzahl der Banken in Öster- reich im internationalen Vergleich sehr hoch ist, die Gruppe der im BLS berücksichtigten österreichischen Ban- ken allerdings angesichts der geringen Größe des österreichischen Marktes sehr klein gehalten werden muss, ist der Erfassungsgrad der österreichischen Stichprobe relativ gering. Darüber hin- aus wurden Zeitreihen zu Kreditent- wicklungen auf Einzelbankebene im Lauf der letzten Jahre durch Fusionen und Übernahmen sowie Abspaltungen und Umstrukturierungen innerhalb der jeweiligen Bankengruppen verzerrt.

4 Empirische Analyse 4.1 Deskriptive Analyse

Die durchschnittliche (saisonal berei- nigte) Quartalswachstumsrate der Kre- dite österreichischer Banken an Unter- nehmen (alle Laufzeiten) belief sich über den gesamten Untersuchungszeitraum auf 1,0 % (Tabelle 1 und Grafik 1). Bei

9 Ein Beispiel liefern Berger und Udell (2004), die Daten auf Einzelbankebene zu den Kreditvergaberichtlinien US-amerikanischer Banken anwendeten, um ihre „Institutional Memory“-Hypothese als mögliche Erklärung für die Prozyklizität des Kreditgeschäfts der Banken anhand des Verhaltens von Bankmitarbeitern im Kreditbereich zu testen. Ähnlich nutzen Bassett et al. (2011) Einzelbankdaten aus der US-amerikanischen Umfrage zur Messung von Kreditangebotsschocks.

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Unterteilung der Stichprobe in zwei Untergruppen – Q4 02 bis Q2 08 (Zeit- raum vor der Krise) und Q3 08 bis Q4 11 (Krise) – sind im Zeitraum vor der Krise höhere durchschnittliche Wachstumsraten zu verzeichnen (1,2 %) als in der Krisenperiode (0,7 %). Das- selbe Muster zeigt sich bei den langfris- tigen Krediten (1,7 % vor der Krise gegenüber 1,2 % nach Einsetzen der

Krise); kurzfristige Kredite gingen während der Krise im Durchschnitt betrachtet sogar zurück (–0,6 %), nach- dem sie im Zeitraum vor der Krise auch nur moderat angestiegen waren (+0,3 %).10 Im Jahr 2003, dem ersten vollen Jahr des Untersuchungszeitraums, gingen die Unternehmenskredite fast so stark zurück wie auf dem Höhepunkt der Krise 2009 (–0,15 % gegenüber

10 Dabei ist zu beachten, dass diese Ergebnisse von der genauen Definition des Krisenzeitraums abhängen. Definiert man das dritte Quartal 2007 als Beginn der Krise, so ist das Wachstum der Gesamtkredite und der langfristigen Kredite im Krisenzeitraum höher.

tabelle 1

Deskriptive Statistik – Österreich

kredite (Wachstumsrate in %) kreditrichtlinien faktoren Nachfrage insge­

samt kurz­

fristig lang­

fristig insge­

samt kurz­

fristig lang­

fristig refinan­

zierungs­

kosten und bilanzielle restrik­

tionen

Wett­

be­werbs­

situation risiko­

einschät­

zung

insge­

samt kurz­

fristig lang­

fristig

Gesamter Untersuchungszeitraum (Q4 02 bis Q4 11, n = 37)

Unverändert, in % 0,00 0,00 0,00 27,03 29,73 45,95 24,32 37,84 10,81 29,73 24,32 21,62 Verschärft1, in % 16,22 51,35 5,41 56,76 37,84 45,95 54,05 8,11 45,95 48,65 43,24 29,73 Gelockert1, in % 83,78 48,65 94,59 16,22 16,22 16,22 21,62 54,05 43,24 21,62 32,43 48,65 Minimum –0,92 –5,06 –1,96 –0,50 –0,50 –0,60 –0,47 –0,03 –0,50 –0,30 –0,40 –0,40

Maximum 3,71 4,59 3,75 0,10 0,10 0,20 0,10 0,17 0,17 0,20 0,20 0,30

Median 0,62 –0,10 1,33 –0,10 0,00 0,00 –0,03 0,03 0,00 0,00 0,00 0,00 Mittelwert 1,03 –0,00 1,47 –0,09 –0,04 –0,10 –0,06 0,03 –0,07 –0,05 –0,04 0,03 standardabweichung 1,25 2,45 1,24 0,15 0,14 0,18 0,12 0,05 0,17 0,12 0,13 0,16

Zeitraum vor der Krise (Q4 02 bis Q2 08, n = 23)

Unverändert, in % 0,00 0,00 0,00 13,04 30,43 43,48 21,74 30,43 8,70 30,43 26,09 17,39 Verschärft1, in % 13,04 39,13 8,70 65,22 34,78 47,83 56,52 8,70 43,48 34,78 43,48 17,39 Gelockert1, in % 86,96 60,87 91,30 21,74 34,78 8,70 21,74 60,87 47,83 34,78 30,43 65,22 Minimum –0,92 –5,06 –1,96 –0,30 –0,30 –0,50 –0,23 –0,03 –0,43 –0,20 –0,20 –0,10

Maximum 3,53 4,59 3,53 0,10 0,10 0,20 0,07 0,17 0,17 0,20 0,10 0,30

Median 0,89 0,82 1,97 –0,10 0,00 0,00 –0,03 0,03 0,00 0,00 0,00 0,10

Mittelwert 1,24 0,34 1,65 –0,08 –0,02 –0,08 –0,04 0,04 –0,04 –0,01 –0,03 0,10 standardabweichung 1,32 2,56 1,38 0,12 0,12 0,15 0,08 0,05 0,15 0,11 0,11 0,13

Krisenzeitraum (Q3 08 bis Q4 11, n = 14)

Unverändert, in % 0,00 0,00 0,00 50,00 28,57 50,00 28,57 50,00 14,29 28,57 21,43 28,57 Verschärft1, in % 21,43 71,43 0,00 42,86 42,86 42,86 50,00 7,14 50,00 71,43 42,86 50,00 Gelockert1, in % 78,57 28,57 100,00 7,14 28,57 7,14 21,43 42,86 35,71 0,00 35,71 21,43 Minimum –0,78 –4,38 0,20 –0,50 –0,50 –0,60 –0,47 –0,03 –0,50 –0,30 –0,40 –0,40

Maximum 3,71 3,15 3,75 0,10 0,10 0,10 0,10 0,10 0,10 0,00 0,20 0,10

Median 0,55 –0,66 0,94 0,00 0,00 0,00 –0,03 0,00 –0,03 –0,10 0,00 –0,05 Mittelwert 0,69 –0,58 1,16 –0,11 –0,07 –0,14 –0,09 0,02 –0,11 –0,11 –0,05 –0,08 standardabweichung 1,09 2,22 0,95 0,19 0,18 0,22 0,16 0,03 0,19 0,10 0,17 0,15 Quelle: OeNB.

1 In Bezug auf das Kreditwachstum bedeutet „verschärft“ eine Abnahme und „gelockert“ eine Zunahme der Kreditvergabe.

(10)

–0,24 %, auf Basis durchschnittlicher Quartalsraten).

Die Kreditrichtlinien für Unterneh- menskredite wurden von den Banken in 21 Quartalen verschärft und sechsmal gelockert; in zehn Quartalen blieben sie unverändert. Im Zeitraum vor der Krise wurden die Kreditrichtlinien vergleichsweise häufiger verschärft (in 15 von 23 Quartalen) als nach Beginn der Krise (6 von 14). Gemessen am durch- schnittlichen Diffusionsindex waren die Verschärfungen (in Nettobetrachtung) allerdings während der Krise etwas stärker (–0,11) als zuvor (–0,08). Die Richtlinien für langfristige Kredite wurden häufiger und in einem etwas größeren Ausmaß verschärft als jene für kurzfristige Kredite.

Gemäß BLS ging die Kreditnach- frage in allen Jahren außer in den Jah- ren 2006 und 2007 leicht zurück. Ins- gesamt sind ein Nettorückgang der Nachfrage nach kurzfristigen Krediten und nach Krediten insgesamt sowie

eine leichte Erhöhung der Nachfrage nach langfristigen Krediten zu beob- achten. Während des Krisenzeitraums sank die Nachfrage nach Krediten über das gesamte Laufzeitenspektrum. Am deutlichsten fiel dieser Rückgang im ersten Krisenjahr aus. Laut BLS wirkte sich im Bereich der Nachfrage der Finan- zierungsbedarf der Unternehmen stärker auf die Kreditnachfrage aus als die Nutzung anderer Finanzierungsquellen.

4.2 Modellrahmen

In der vorliegenden Studie werden die saisonal bereinigten Quartalswachs- tumsraten der Kredite an Unternehmen auf die BLS-Angebots- und Nachfrage- variablen regressiert. Dafür wird ein autoregressives Distributed-Lag-Modell verwendet, das heißt, dass die Erklä- rungsvariablen aus verzögerten Werten der abhängigen Variable und der unab- hängigen Variablen bestehen. Lags wer- den deshalb miteinbezogen, da davon ausgegangen werden kann, dass es zwi-

Veränderung gegenüber dem Vorquartal, saisonal bereinigt Kreditwachstum

0,04

0,03

0,02

0,01

0,00

–0,01

–0,02

Diffusionsindex

Kreditrichtlinien und Kreditnachfrage

0,3 0,2 0,1 0,0 –0,1 –0,2 –0,3 –0,4 –0,5 –0,6

Diffusionsindex1

Kreditrichtlinien – Erklärungsfaktoren

0,3 0,2 0,1 0,0 –0,1 –0,2 –0,3 –0,4 –0,5 –0,6

2003 2005 2007 2009 2011 2003 2003

Gesamtkredite an Unternehmen

Grafik 1

Quelle: OeNB.

1 Mittelwert der zugrunde liegenden Einzelfaktoren.

Kreditrichtlinien Kreditnachfrage

Bilanzielle Restriktionen Wettbewerbssituation Risikoeinschätzung

2005 2007 2009 2011 2005 2007 2009 2011

(11)

schen dem Zeitpunkt, zu dem eine Bank die strategische Entscheidung trifft, ihre Kreditrichtlinien zu ändern, bzw. zu dem Unternehmen ihren Kre- ditbedarf äußern, und dem Zeitpunkt, zu dem sich dies in den von den Banken gemeldeten Kreditdaten niederschlägt, zu einer Wirkungsverzögerung kommt.

Diese Verzögerung ist zum einen rein operativ bedingt. Es kann eine Zeit dauern, bis eine von den verantwort- lichen Gremien einer Bank getroffene Entscheidung von Filialmitarbeitern im Kundenverkehr umgesetzt wird. Die Bearbeitung von Kreditanträgen bis zur Auszahlung von Kreditmitteln und zur bilanziellen Erfassung der diesbezüg- lichen Forderung der Bank erfordert auch einige Zeit. Außerdem können sich Kreditrichtlinien auf Kreditlinien auswirken, bevor sie tatsächlich aus- bezahlte Kredite beeinflussen. So kann z. B. eine Verschärfung von Kreditricht- linien zu einer Reduzierung von Kredit- linien führen. Liegt das derart gesenkte Kreditlimit immer noch über dem vom Kunden gezogenen Betrag, so kann es sein, dass der ausstehende Kreditbetrag von einer solchen Herabsetzung unbe- rührt bleibt. Zusätzlich kompliziert wird die Sache dadurch, dass die Wirkungs- verzögerung zwischen einer Verände- rung der Kreditrichtlinien und der sich daraus ergebenden Veränderung bei den ausstehenden Krediten nicht immer konstant ausfallen muss. Wie bereits erwähnt, muss eine Anpassung der Kre- ditrichtlinien nicht notwendigerweise zu Änderungen im Kreditvergabevolu- men führen; sie kann auch die Preise der gewährten Kredite beeinflussen, das heißt den verrechneten Zinssatz sowie die Kreditnebenkosten. Daher können sich zwei im BLS gleich erfasste Veränderungen (z. B. Verschärfungen von Richtlinien) unterschiedlich auf das Kreditwachstum auswirken. Zu guter Letzt kann sich auch die Kreditnach-

frage zu verschiedenen Zeitpunkten (z. B. in unterschiedlichen Phasen des Konjunkturzyklus) unterschiedlich auf das Kreditvolumen auswirken, sodass dasselbe Ausmaß an Verschärfung unterschiedliche Konsequenzen zeigen kann. Für Schätzungszwecke ist es ent- scheidend, wie viele Lags maximal im Modell berücksichtigt werden, da die Anzahl der zu schätzenden Parameter mit der Anzahl der Lags steigt. Das vorliegende Modell sieht maximal drei Lags vor, da davon auszugehen sein dürfte, dass es nicht länger als drei Quartale dauert, bis sich Anpassungen von Kreditrichtlinien oder Änderungen der Kreditnachfrage in der tatsächlichen Kreditentwicklung niederschlagen.

Es werden zwei Spezifikationen ge- schätzt: Spezifikation 1 berücksichtigt die Informationen zum Kreditangebot im BLS durch Einbeziehung des Diffu- sionsindex für die Veränderung der von den Banken bei der Gewährung von Krediten bzw. Kreditlinien angewandten Kreditrichtlinien. Spezifikation 2 sollte durch die Verwendung der Umfrage- ergebnisse zu den Faktoren, die Kredit- richtlinien beeinflussen (Kapitel 1), zu- sätzliche Erkenntnisse zur Rolle ange- botsseitiger Faktoren bringen. Dies sollte eine Unterscheidung zwischen dem rein angebotsseitigen Ansatz zur Erklä- rung einer Verringerung von Kredit- volumen und dem weiter gefassten, auch Risikoveränderungen berücksich- tigenden Zugang ermöglichen. In diesem Zusammenhang stellen Hempell und Kok Sørensen (2010) für den Euroraum und Del Giovane et al. (2011) in Bezug auf Italien fest, dass sowohl Kapital- beschränkungen als auch die Risiko- wahrnehmung der Banken einen signi- fikanten (negativen) Einfluss auf das Kreditwachstum haben. Blaes (2011) zeigt für Deutschland, dass der bank- bezogene Angebotsfaktor einen Erklä- rungsbeitrag hinsichtlich der Verlang-

(12)

samung der Kreditvergabe während der Krise leistet. Um diese Faktoren in die Analyse einfließen zu lassen – und gleichzeitig die Anzahl der erklärenden Variablen gering zu halten – wurden die Daten zu den Faktoren mit Einfluss auf Kreditrichtlinien mittels Hauptkom- ponentenanalyse kondensiert (Hempell, 2007; Blaes, 2011). Damit wird ein Faktor im Zusammenhang mit bilan- ziellen Restriktionen (Variable „Bilanz“) und ein Faktor, der Risikoerwägungen widerspiegelt (Variable „Risiko“), extra- hiert. Im Bereich des Wettbewerbs konnte kein Faktor ermittelt werden, vermutlich aufgrund der geringen Va- riation dieser Variablen. Daher berück- sichtigt Spezifikation 2 zusätzlich zu der Nachfragevariable die Risiko- und Bilanzvariablen. Es ist zu beachten, dass Spezifikation 2 für alle Laufzeiten geschätzt wurde, obwohl die BLS-Frage zu den Einflussfaktoren sich auf Kredite insgesamt bezieht.

Ein Aspekt, den jede Analyse der Kreditentwicklung der letzten Jahre einschließen muss, ist eine Einschät- zung krisenbedingter Effekte. In dieser Hinsicht wird im Prinzip Hempell und Kok Sørensen (2010), Blaes (2011) und Del Giovane et al. (2011) gefolgt, die für den Zeitraum vom dritten Quartal 2007 bis zum vierten Quartal 2009 eine Krisen-Dummy-Variable mit dem Wert 1 verwenden.11 Allerdings wird in der vorliegenden Studie die Dauer der Krise vom dritten Quartal 2008 bis zum Ende der Zeitreihe der Stichprobe definiert, da aufgrund der vorliegenden Analyse die Insolvenz von Lehman Brothers und deren Folgen stärkere Auswirkungen auf die österreichischen Banken hatten als die US-Subprime-

Krise davor. In den Robustheitstests werden auch Interaktionseffekte zwi- schen der Krisen-Dummy-Variable und den BLS-Variablen berücksichtigt. Da die Meldebestimmungen für Kredite in den zugrunde liegenden österreichischen Statistiken im zweiten Quartal 2005 geändert wurde, wird auch eine wei- tere Dummy-Variable miteinbezogen, die diesem Quartal entspricht.12

Die BLS-Angebots- und Nachfrage- variablen sollten alle Determinanten des Kreditwachstums widerspiegeln.

Allerdings ist a priori nicht klar, welche dieser Variablen in das Modell aufge- nommen werden sollten und welche Lags zu berücksichtigen sind. Grund- sätzlich könnte dieses Problem umgan- gen werden, indem alle Variablen mit der maximalen Anzahl an Lags in die Regression aufgenommen werden. Aller- dings erscheint die Schätzung eines solchen Modells nicht sinnvoll, da das geringe Ausmaß an verfügbaren Daten eher ein relativ einfaches Modell erfor- dert. Eine Möglichkeit, ein kleineres Modell zu erhalten, besteht darin, eine große Anzahl von Modellen zu schätzen, sie anhand verschiedener Kriterien zu vergleichen (z. B. Modellgüte anhand des Bestimmtheitsmaßes) und dann ein Modell auszuwählen (schrittweise Modellsuche). Eine derartige Vorgangs- weise hat aber einige Nachteile: Die letztendliche Modellauswahl kann von dem verwendeten Verfahren und der Reihenfolge, in der die Modelle unter- einander getestet werden, abhängen.

Darüber hinaus bedeutet eine sequen- zielle Anwendung einfacher Signifikanz- tests, dass das genaue Signifikanzniveau nicht berechnet werden kann (siehe z. B. Freedman, 1983). Wenn man sich

11 Hempell und Kok Sørensen (2010) verwenden ergänzend die aus den krisenbezogenen Zusatzfragen gewonnenen Informationen, um die relative Bedeutung der verschiedenen Faktoren zu untersuchen, die Angebotsverknappungen vor und seit Beginn der Krise bedingten. Im Fall Österreichs korrelieren diese Variablen allerdings stark mit der Bilanzvariable, weshalb sie nicht in der vorliegenden Analyse verwendet wurden.

12 Seit dem Berichtsstichtag 30. Juni 2005 werden Kreditdaten in Form von Nominalwerten gemeldet.

(13)

auf ein einziges Modell konzentriert, erfolgen sämtliche Rückschlüsse über Kreditdeterminanten und jegliche Be- urteilung der Fähigkeit des BLS zur Abbildung der Kreditdynamik ohne Berücksichtigung der Modellunsicher- heit. Zur Überwindung dieser Probleme wird Bayesian Model Averaging (BMA) genutzt.13 Das BMA-Verfahren stellt nicht darauf ab, ein einziges optimales Modell zu ermitteln, sondern berück- sichtigt alle möglichen Modelle. Mit den Informationen aus den Daten kann berechnet werden, wie wahrscheinlich jedes Modell ist. Somit ermöglicht das BMA-Verfahren Rückschlüsse, die nicht von Modellspezifikationen abhängen.

Letztlich wird darauf abgezielt, die A-posteriori-Verteilung (bzw. einige ihrer Momente) jener Parameter zu ermitteln, die von Interesse sind. Die A-posteriori-Verteilung kombiniert In- formationen aus den Daten und der A- priori-Wahrscheinlichkeitsverteilung, die a priori (d .h. vor Kenntnis der rele- vanten Daten) getroffene Annahmen über die Koeffizientenwerte widerspie- gelt. Die relativ hohe Varianz der ge- wählten A-priori-Wahrscheinlichkeits- verteilung trägt der A-priori-Unsicher- heit hinsichtlich der Koeffizientenwerte Rechnung. Zusätzlich zu A-priori-Wahr-

scheinlichkeitsverteilungen für die Ko- effizienten müssen auch A-priori-Wahr- scheinlichkeitsverteilungen für die Mo- delle gewählt werden, die die ursprüng- lichen Annahmen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit eines jeden Modells widerspiegeln.14 Für Berechnungszwecke wird das von Feldkircher und Zeugner (2009) entwickelte R-Paket15 BMS ver- wendet.

Nachstehend liegt das Hauptaugen- merk auf den Ergebnissen der BMA- Analyse, und zwar erstens auf der A- posteriori-Inklusionswahrscheinlich- keit (Posterior Inclusion Probability – PIP), die die Bedeutung einer spezi- fischen Variable bei der Erklärung der Kreditentwicklung widerspiegelt. Die Inklusionswahrscheinlichkeit wird als Summe der A-posteriori-Modellwahr- scheinlichkeit über alle Modelle berech- net, die diese Variable beinhalten, wobei die A-posteriori-Modellwahr- scheinlichkeit anzeigt, wie wahrschein- lich jedes Modell unter Berücksichti- gung der Daten ist.16 Zweitens wird der A-posteriori-Mittelwert für jede Variable ermittelt. Der A-posteriori-Mittelwert entspricht einem gewichteten Durch- schnitt der Mittelwerte der A-Posteriori- Verteilung der Parameter in den einzel- nen Modellen. Dabei werden entweder

13 Einen relativ aktuellen Überblick zur Anwendung von Model Averaging in der Ökonomie bietet z. B. Moral-Benito (2011).

14 Für die nachstehend präsentierten Ergebnisse werden die BRIC g-prior (g = max(N,K2)) und eine Beta-Binomial- a-priori-Modellwahrscheinlichkeitsverteilung verwendet (Ley und Steel, 2009) mit A-priori-Modellgröße K2, wobei K die Anzahl der Erklärungsvariablen ist und N die Anzahl der Beobachtungen. Aufbauend auf einer Einschwingphase („burn-ins“) von 500.000 Durchläufen werden zwei Millionen Iterationen durchgeführt. Es wurden auch andere A-priori-Wahrscheinlichkeitsverteilungen angewandt, aber die Hauptergebnisse blieben davon unbeeinflusst.

15 R ist eine Sprache und Umgebung für statistische Berechnungen und Grafiken (R Development Core Team, 2011).

16 Bei Darstellung der zu schätzenden Beziehung als y = X β+ε, wobei y für das Kreditwachstum steht, X die Matrix der Erklärungsvariablen darstellt (einschließlich einer Konstanten und der verzögerten abhängigen Variable) und ε einen Zufallsschock, lässt sich die PIP einer spezifischen Variablen (Xi) wie folgt darstellen:

PIPXi= Prob(βi ≠ 0 | y, X) = ∑j:βi ≠ 0 p(Mj | y, X), wobei p(Mj | y, X) die A-posteriori-Modellwahrscheinlichkeit eines Modells j abbildet. Diese wird als p(Mj | y, X) = (p(y | Mj, X)p(Mj)) / (p(y | X)) berechnet, wobei p(y | Mj, X) die Randwahrscheinlichkeit des Modells j ist, p(Mj ) die A-priori-Modellwahrscheinlichkeit und p(y | X) die integrierte Likelihood darstellt, die über alle Modelle hinweg konstant ist.

(14)

alle Modelle (unbedingter Mittelwert) oder nur jene Modelle, in denen die Variable beinhaltet ist (bedingter Mit- telwert), berücksichtigt.17 Die verwen- deten Gewichte sind die A-posteriori- Modellwahrscheinlichkeiten. Weiters wird als Streuungsmaß die A-posteriori- Standardabweichung, die nicht nur die Parameterunsicherheit, sondern auch die Modellunsicherheit berücksichtigt, berechnet.

4.3 Ergebnisse

Tabelle 2 zeigt die kumulative A-poste- riori-Wahrscheinlichkeit für die Berück- sichtigung von zumindest einem Lag der Erklärungsvariablen18 sowie die einfache PIP für die Krisen-Dummy- Variable. Aus Tabelle 2 geht hervor, dass verzögertes Kreditwachstum eine wichtige Rolle bei der Bestimmung des aktuellen Kreditwachstums spielt.

Daneben trägt die Nachfrage zur Erklä- rung des Kreditwachstums bei, wäh- rend angebotsseitige Variablen nur eine geringe Rolle spielen. Die A-posteriori- Inklusionswahrscheinlichkeit ist im Fall der Krisen-Dummy-Variable relativ ge- ring. Dies deutet darauf hin, dass die Krise das Kreditwachstum nur über

ihren Effekt auf Angebot und Nach- frage beeinflusste.

Tabelle 3 bietet einen genaueren Überblick zu den Gesamtkrediten und zeigt die diesbezüglichen Ergebnisse für die verschiedenen bei der Analyse ver- wendeten Lags. Für die Interpretation der A-posteriori-Inklusionswahrschein- lichkeit bietet sich die von Raftery (1995) vorgeschlagene Klassifizierung an: Raftery sieht schwache Anhalts- punkte dafür, dass ein Regressor als Bestimmungsgröße dient, wenn dieser eine PIP zwischen 50 % und 75 % auf- weist. Bei einer PIP zwischen 75 % und 95 % spricht er von positiven Anhalts- punkten; bei einer Inklusionswahr- scheinlichkeit von 95 % bis 99 % von starken und von sehr starken Anhalts- punkten bei einer PIP über 99 %.

Tabelle 3 untermauert die aus Tabelle 2 gewonnene Beobachtung, dass Nach- fragevariablen für die Kreditentwick- lung wichtiger sind (d. h. eine höhere Inklusionswahrscheinlichkeit haben) als Angebotsvariablen. Im Hinblick auf Wirkungsverzögerungen zeigen die vor- liegenden Ergebnisse, dass der zweite Lag für die Kreditentwicklung von besonders hoher Bedeutung ist, was

17 Der bedingte Mittelwert (Tabelle 2) wird wie folgt berechnet: E(βi | y, X) = ∑j:βi ≠ 0 p(βi | y, X, Mj)p(Mj | y, X).

18 Formal entspricht die kumulative A-posteriori-Inklusionswahrscheinlichkeit der Variable

iProb((βi,t–1 ≠ 0) v (βi,t–2 ≠ 0) v (βi,t–3 ≠ 0) | y, X), wobei t–s,s = 1,2,3 die Wirkungsverzögerung darstellt.

tabelle 2

Kumulierte A-posteriori-Inklusionswahrscheinlichkeit

Gesamtkredite kurzfristige kredite langfristige kredite

spezifikation 1 spezifikation 2 spezifikation 1 spezifikation 2 spezifikation 1 spezifikation 2

kreditwachstum 0,96 0,92 0,36 0,20 0,94 0,84

kreditrichtlinien 0,41 0,38 0,27

Bilanz 0,26 0,21 0,11

risiko 0,15 0,29 0,25

Nachfrage 1,00 0,97 0,79 0,47 0,91 0,77

krisen­dummy 0,10 0,04 0,09 0,04 0,11 0,08

Quelle: eigene Berechnungen, OeNB.

Anmerkung: Wahrscheinlichkeiten über 0,5 sind fett gedruckt.

(15)

darauf hindeutet, dass es rund zwei Quartale dauert, bis sich Veränderun- gen in der Nachfrage auf das Kredit- wachstum niederschlagen. Darüber hinaus bildet Tabelle 3 den A-posteriori- Mittelwert und die A-posteriori-Stan- dardfehler ab. Die Koeffizienten (und Standardfehler) sind inklusionsabhängig, das heißt, sie werden als gewichteter Durchschnitt der Koeffizientenwerte ausschließlich jener Modelle berechnet, in denen die relevante Variable enthal- ten ist. Dies ermöglicht einen Vergleich der Koeffizienten mit Schätzergebnissen, die aus Standardregressionen gewonnen werden. Außerdem sind die Koeffizien- ten standardisiert, das heißt, alle Variab- len sind so normalisiert, dass ihr Mit- telwert null ist und ihre Standard- abweichung eins. Auf diese Weise kön- nen die Auswirkungen der unterschied- lichen Erklärungsvariablen auf das Kreditwachstum einfach verglichen werden, da standardisierte Koeffizien- ten anzeigen, um wie viele Standard-

abweichungen sich das Kreditwachs- tum verändert, wenn sich eine Erklä- rungsvariable um eine Standardabwei- chung erhöht.

Die Vorzeichen der Koeffizienten fallen im Großen und Ganzen erwar- tungsgemäß aus – größere Nachfrage oder gelockerte Kreditrichtlinien führen zu stärkerem Kreditwachstum. Eine Er- höhung der Nachfrage um eine Standard- abweichung (entspricht einem Anstieg des Diffusionsindex um 0,12 Punkte) führt zu einem maximalen Anstieg des Kreditwachstums um 0,56 Standard- abweichungen (entspricht etwa 0,7 Pro- zentpunkten). Die maximale Wirkung tritt zwei Quartale nach der Verände- rung der Nachfrage ein. Den vorliegen- den Ergebnissen zufolge lässt sich das Kreditwachstum weder ganz, noch teilweise durch bilanzielle oder Risiko- erwägungen erklären. In diesem Sinn deuten die empirischen Befunde der vorliegenden Studie nicht auf das Vor- liegen einer Kreditklemme hin.

tabelle 3

Schätzergebnisse für Gesamtkredite – Österreich

spezifikation 1 spezifikation 2 Variable lag pip a­posteriori­

Mittelwert a­posteriori­

standard­

abweichung

pip a­posteriori­

Mittelwert a­posteriori­

standard­

abweichung

kreditwachstum 1 0,12 0,15 0,17 0,12 0,15 0,17

2 0,93 0,42 0,12 0,93 0,42 0,12

3 0,12 0,12 0,14 0,12 0,12 0,14

kreditrichtlinien 1 0,21 –0,21 0,14

2 0,25 0,21 0,12

3 0,10 0,07 0,14

Bilanz 1 0,06 –0,15 0,23

2 0,20 0,27 0,14

3 0,04 0,02 0,17

risiko 1 0,07 –0,21 0,23

2 0,05 0,13 0,21

3 0,08 0,22 0,20

Nachfrage 1 0,65 0,29 0,11 0,41 0,29 0,12

2 0,99 0,56 0,12 0,96 0,57 0,13

3 0,12 0,13 0,14 0,05 0,11 0,16

dummy 2005 0,77 –0,31 0,10 0,63 –0,32 0,11

krisen­dummy 0,10 0,07 0,13 0,04 0,03 0,14

Quelle: eigene Berechnungen, OeNB.

Anmerkung: Für Koeffizienten mit einer PIP über 0,5 sind die Ergebnisse fett gedruckt.

(16)

Die zuvor dargestellten Ergebnisse werden durch eine Analyse der fünf besten Modelle, jener fünf Modelle mit der höchsten A-posteriori-Modellwahr- scheinlichkeit, bestätigt (Tabelle 4). Die fünf besten Modelle beinhalten alle Kre- ditwachstum und -nachfrage (jeweils mit einem Lag von zwei Perioden). Das beste Modell und zwei weitere der besten fünf Modelle berücksichtigen die Nach- frage mit einer Wirkungsverzögerung von einer Periode sowie die 2005-Dum- my-Variable. Die Ergebnisse zur Modell- unsicherheit sind auch in Tabelle 4 dar- gestellt. Im Bereich der Gesamtkredite beträgt die A-posteriori-Modellwahr- scheinlichkeit des besten Modells 17 % (Spezifikation 2: 16 %). Die A-posteriori- Modellwahrscheinlichkeiten der fünf besten Modelle gemeinsam belaufen sich auf 45 % (55 %), sind aber ab dem drit- ten (vierten) Modell sehr gering. Für Spezifikation 1 können auch alle poten-

ziellen Modelle spezifiziert und unter Verwendung von OLS (Ordinary Least Squares) geschätzt und mittels unter- schiedlicher Tests verglichen werden, um ein „bestes Modell“ zu ermitteln. In Bezug auf die Gesamtkreditvergabe der österreichischen Banken entspricht das gemäß diesem Ansatz ausgewählte „beste Modell“ dem nach der Bayesianischen Methode ausgewählten.

Zur Ermittlung des Erklärungswerts der vorliegenden Schätzergebnisse wird das beste Modell (d. h. das Modell mit der höchsten A-posteriori-Modellwahr- scheinlichkeit) und das Medianmodell (d. h. das Modell, das alle Variablen mit einer PIP über 0,5 einschließt) mittels OLS geschätzt und das entsprechende bereinigte R2 berechnet.19 Im Bereich der Gesamtkredite beträgt das berei- nigte R2 0,68 bei Spezifikation 1 und 0,61 (Spezifikation 2). Die Haupter- gebnisse bleiben auch bei Einschluss

tabelle 4

Beste Modelle

spezifikation 1 spezifikation 2

Variable lag 1 2 3 4 5 Variable lag 1 2 3 4 5

kreditwachstum 1 kreditwachstum 1

2 x x x x x 2 x x x x x

3 3

kreditrichtlinien 1 Bilanz 1

2 x 2 x

3 3

Nachfrage 1 x x x risiko 1

2 x x x x x 2

3 3

dummy 2005 x x x Nachfrage 1 x x

krisen­dummy 2 x x x x x

3

dummy 2005 x x x

krisen­dummy a­posteriori­

Modellwahr­

scheinlichkeit 0,17 0,13 0,06 0,06 0,03 0,16 0,12 0,12 0,08 0,07

Quelle: eigene Berechnungen, OeNB.

Anmerkung: Die Tabelle zeigt die in den fünf besten Modellen enthaltenen Erklärungsvariablen sowie die A-posteriori-Modellwahrscheinlichkeit für Spezifikation 1 und Spezifikation 2.

x zeigt an, dass die Variable im Modell berücksichtigt ist; bei nicht berücksichtigten Variablen bleibt das entsprechende Feld leer.

19 Die Qualität von BMA-Ergebnissen wird häufig anhand ihrer Prognosegüte beurteilt. Aufgrund der geringen Anzahl an Beobachtungen erscheint eine Prognose bei den vorliegenden Daten allerdings wenig sinnvoll.

(17)

weiterer Variablen (z. B. Bruttoanlage- investitionen, BIP, Zinssätze) oder eines Terms, der Interaktionseffekte zwischen den BLS-Variablen und der Krisen- Dummy-Variable zulässt, unverändert.

Das Wachstum der kurzfristigen Kre- dite kann mithilfe der BLS-Variablen nicht sinnvoll modelliert werden. Dies könnte auf die hohe Volatilität kurz- fristiger Kredite zurückzuführen sein.

Kurzfristige Kredite werden innerhalb eines Jahres zurückgezahlt. Aus diesem Grund ist die Differenz zwischen neu gewährten Krediten, auf die sich der BLS-Fragebogen bezieht, und den in der MONSTAT abgebildeten Netto- transaktionen besonders ausgeprägt.

Bei den langfristigen Krediten beträgt das bereinigte R2 0,57, und die Ergeb- nisse deuten darauf hin, dass die Kre- ditentwicklung hauptsächlich durch die Nachfrage bestimmt wird.

4.4 Einordnung der Ergebnisse für Österreich

Die Erkenntnis, dass die Nachfrage die Kreditentwicklung in Österreich maß- geblich bestimmt, unterscheidet die vorliegenden Ergebnisse von jenen ähn- licher Studien zu anderen Regionen.

Diese kamen mehrheitlich zu dem Schluss, dass sowohl im Euroraum (De Bondt et al., 2010; Hempell und Kok Sørensen, 2010) als auch in den USA (Lown et al., 2000; Cunningham, 2006;

Bayoumi und Melander, 2008) der Einfluss von Kreditrichtlinien auf Kre- ditentwicklungen stärker ist als jener der Nachfrage. Beiträge zu einzelnen Euroraum-Ländern gelangten zu der- selben Erkenntnis (z. B. Blaes, 2011, für Deutschland; Lacroix und Montornès, 2009, für Frankreich).

Um die Ergebnisse für Österreich besser einordnen zu können, wurde

auch eine Schätzung der Gesamtkredit- entwicklung für Deutschland und den Euroraum durchgeführt.20 Dies ermög- licht einen Vergleich der vorliegenden Ergebnisse mit jenen aus Studien zu diesen Ländern. Ein Vergleich mit Deutschland ist außerdem deshalb in- formativ, weil der österreichische und der deutsche Finanzsektor große struk- turelle Ähnlichkeiten aufweisen (beide sind bankenbasierte Finanzsysteme mit einer hohen Bankendichte und starken Hausbankbeziehungen). In Österreich und Deutschland war ein ähnliches Wachstum des Kreditvolumens zu be- obachten, das vor der Krise stets unter dem Euroraum-Durchschnitt lag. Auch der Verlauf der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung war in Österreich und Deutschland relativ vergleichbar, sowohl vor als auch nach Beginn der Krise.

Tabelle 5 bildet die kumulative PIP für Gesamtkredite in Deutschland und im Euroraum ab. Sie zeigt, dass bei der Erklärung des Gesamtkreditwachstums sowohl in Deutschland als auch im Euro-Währungsgebiet angebotsseitige Faktoren eine größere Rolle spielen als nachfrageseitige. Diese Beobachtung entspricht den Ergebnissen der zuvor erwähnten Studien, die sich anderer Methoden bedienen (was nahelegt, dass die abweichenden Resultate für Österreich nicht auf methodische Unterschiede zurückzuführen sind).

Außerdem deuten die aus Spezifikation 2 gewonnenen Ergebnisse darauf hin, dass in Deutschland angebotsseitige Faktoren das Kreditwachstum haupt- sächlich über Risikoerwägungen beein- flussten, während im Euroraum bilan- zielle Gründe stärker zum Tragen kamen. Darüber hinaus ist die PIP der Krisen-Dummy-Variable für den Euroraum in Spezifikation 1 relativ

20 Die BLS-Daten für den Euroraum wurden von der EZB-Website abgerufen, jene für Deutschland von der Website der Deutschen Bundesbank.

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