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im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

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Academic year: 2022

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Internetadressen:

Parlament:

http://www.parlament.gv.at/

Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus:

http://nationalfonds.org

Österreichische Gesellschaft für Literatur:

http://www.ogl.at/

Volkstheater:

http://www.volkstheater.at/

Gedenkveranstaltungen gegen Gewalt und Rassismus

im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

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Gedenkveranstaltungen gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

Matinee

Sonntag, 4. Mai 2008, 11.00 Uhr Matinee des Volkstheaters im Sitzungssaal des Nationalrates

„War nie Kind ...“

Montag, 5. Mai 2008, 11.00 Uhr Veranstaltung

im Historischen Sitzungssaal des Parlaments

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Lesungen:

Hilde Sochor

Katharina Stemberger Jakob Seeböck

Peter Wolsdorff

Musikalische Umrahmung:

Annelie Gahl

Moderation:

Sandra Kreisler

Auswahl und Zusammenstellung

Lebensgeschichten:

Nationalfonds

der Republik Österreich

für Opfer des Nationalsozialismus (Dr.inRenate S. Meissner,

Mag.aMaria Luise Lanzrath, Mirjam Langer)

Literarische Textauswahl und -zusammenstellung, Dramaturgie:

Österreichische Gesellschaft für Literatur

(Marianne Gruber, Dr. Manfred Müller)

4. MAI 2008

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Eröffnung und Begrüßung: Mag.aBarbara Prammer, Präsidentin des Nationalrates

Lebensgeschichten: Erika Nemschitz, Peter Feldmann

Ruth Klüger: aus „weiter leben. Eine Jugend“

Christian Muthspiel: aus „Augenblicke.“Miniaturen für Violine solo

Lebensgeschichten: Rosa W., Alfred Wagner, Maria Gabrielsen, Hubert Amberger

Karl Stojka: aus „Auf der ganzen Welt zu Hause. Das Leben und Wandern des Zigeuners Karl Stojka“

Heinrich Ignaz Franz Biber: „Passacaglia“für Violine solo

Lebensgeschichten: Paul Porges, Karoline B.

Ilse Aichinger: aus „Die größere Hoffnung“

Giacinto Scelsi: „L’âme aillée“

Lebensgeschichten: Margarethe Budroni, Norbert Abeles

Programm der Matinee

4. MAI 2008

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Lesungen:

Hilde Sochor

Katharina Stemberger Jakob Seeböck

Peter Wolsdorff

Musikalische Umrahmung:

Jugendorchester der Werkskapelle Laufen Gmunden-Engelhof

Leitung: Christa Schindlauer

Werkauswahl:

Univ.-Prof. Dr. Gerold W. Gruber (exil.arte)

Bearbeitung der Musikstücke:

MMag. Dr. Lukas Haselböck Moderation:

Sandra Kreisler

Auswahl und Zusammenstellung

Lebensgeschichten:

Nationalfonds

der Republik Österreich

für Opfer des Nationalsozialismus (Dr.inRenate S. Meissner,

Mag.aMaria Luise Lanzrath, Mirjam Langer)

Literarische Textauswahl und -zusammenstellung, Dramaturgie:

Österreichische Gesellschaft für Literatur

(Marianne Gruber, Dr. Manfred Müller)

5. MAI 2008

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Eröffnung und Begrüßung: Helmut Kritzinger, Präsident des Bundesrates

„Memento“– Eine Installation der Ars Electronica Linz

Rede der Präsidentin des Nationalrates, Mag.aBarbara Prammer

Ernst Krˇenek, Lustiger Marschaus: „Drei lustige Märsche für Blasorchester“ op. 44 (1926)

Lebensgeschichten: Erich Richard Finsches, Lucia Johanna Heilman, Friedrich K., Ingeborg Dürnecker

Ilse Aichinger: aus „Die größere Hoffnung“

Walter Arlen, Humoreskeaus: „Altes Lied und Humoreske, Bruchstücke aus meiner Wiener Jugend“ (1991)

Lebensgeschichten: Susanne Doris Hochhauser, Emma Urschitz, Andreas H.

Hans Gál, Ländleraus: „Promenadenmusik für Blasorchester“ (1926)

Programm der Gedenkveranstaltung „War nie Kind“

5. MAI 2008

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Grußwort Barbara Prammer

1997 haben Nationalrat und Bundesrat Entschließungen angenommen, die den 5. Mai, den Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen, zum „Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus“

erklären. Seitdem ist dieser Tag Herausforderung und Auftrag für uns. Er ist Auftrag, weil er uns fordert, die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wach zu halten. Er ist Herausforderung, weil seine Vorbereitung, seine Gestaltung und sein Begehen sich gegen jene stellen, die einen Schlussstrich unter die Geschichte ziehen wollen.

Der Gedenktag im Parlament unterbricht die Routinen dieses Hauses. An diesem Tag werden wir angesichts der Gräueltaten während des Nationalsozialismus mit dem konfrontiert, was Menschen anderen angetan haben, wie Menschen darunter gelitten haben und heute noch leiden, und auch wie Menschen Mut fassen konnten, gegen diese Gewalt aufzustehen. Diese Begegnungen und Erfahrungen fordern zum Nachdenken über die Grundlagen und die Gestaltung unseres Zusammenlebens heraus.

In den vergangenen Jahren haben die Veranstaltungen aus Anlass des Gedenktages an Breite und Tiefe gewonnen. Heuer findet erstmals auch eine Matinee am Vortag der Gedenksitzung statt, die das Parlament gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft

© Petra Spiola

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für Literatur und dem Volkstheater vorbereitet hat und durchführt. Der Gedenktag wird umrahmt von vielen Veranstaltungen, darunter vor allem den Zeitzeugentagen 2008 und einem kongruenten Seminar für Lehrerinnen und Lehrer.

Dieses Jahr ist durch zahlreiche Jubiläen und Gedenktage geprägt. Wir erinnern an die Gründung der Republik vor 90 Jahren, die Beseitigung der parlamentarischen Demokratie vor 75 Jahren und vor allem an den so genannten Anschluss vor 70 Jahren.

2008 ist geprägt durch die Erinnerung an Ereignisse und Geschehen, die Staat und Verfassung, Politik und Gesellschaft in Österreich im 20. Jahrhundert gekenn- zeichnet haben und bis heute prägen.

„War nie Kind…“ – das Leitmotiv des diesjährigen Gedenktages – ist ein Versuch, uns mit den Ereignissen vor 70 Jahren und den Verbrechen des Nationalsozialismus einmal aus der Perspektive der jüngsten Opfer auseinanderzusetzen.

Schließlich sind jene, die uns heute berichten, was sie erlebt haben, und was geschehen ist, die Kinder von damals. Sie tun dies auf eine Weise, die bei Kindern und Jugendlichen von heute das Interesse an dem, was geschehen ist, weckt. Mehr noch, sie tun es in einer Weise, die es ermöglicht, Anteil zu nehmen, sie sich als „Gleichaltrige“ vorzustellen, und gerade deshalb nicht nur über etwas zu wissen, sondern auch aus der Geschichte zu lernen.

Grußwort Barbara Prammer

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Am Gedenktag möchte das Parlament diesem Engagement der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen seine Anerkennung entgegenbringen.

An diesem Gedenktag möchten wir einmal mehr unseren Blick schärfen für das, was geschehen ist. Lange wurden die Fragen nach Kindheit und dem Erleben von Kindern im Nationalsozialismus wenig gestellt. Das wirkt unbegreiflich angesichts der Tatsache, dass eineinhalb Millionen jüdische Kinder umgebracht wurden, dass un- zählige Kinder wegen Krankheit, Behinderung oder einfach nur wegen ihres Verhaltens eingesperrt, gequält und getötet wurden. Das wirkt unbegreiflich angesichts des Verlusts aller sozialen Netze, den so viele Kinder erfahren mussten – plötzlich getrennt von Eltern, Geschwistern, Freunden. Das wirkt unbegreiflich angesichts der NS-Ver- brechen gegen die Kinder und angesichts der gesellschaftlichen Ächtung, die so viele von Ihnen auch danach erfahren mussten – weil sie Jüdinnen und Juden, Roma oder Sinti, weil sie Sloweninnen und Slowenen waren, weil ihre Eltern politisch verfolgt wurden, weil ihre Eltern den Mut gehabt haben, gegen das Regime zu kämpfen.

Die Lebenszeugnisse, die in der Matinee und in der Gedenksitzung vorgelesen werden, aber auch deren literarische Verarbeitung in Texten von Ruth Klüger, Ilse Aichinger und Karl Stojka, verweisen nicht nur auf das, was in der Zeit des Nationalsozialismus geschehen ist. Sie machen deutlich, wie ein ganzes Leben dadurch geprägt wurde. Sie machen

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deutlich, was es heißt, Kindheit zu verlieren, sie machen deutlich, dass Kindheit nach dem Krieg nicht „einfach weitergeht“, dass man nicht einfach wieder in die Schule zurückkehrt und spielt, als wäre nichts gewesen.

Viele Menschen machen Matinee und Gedenktag durch ihr Engagement möglich. Ich möchte dem Nationalfonds für die Opfer des Nationalsozialismus danken, der die autobio- graphischen Texte zusammengestellt hat. Die Österreichische Gesellschaft für Literatur hat die literarischen Texte ausgewählt und wesentlich an der Vorbereitung mitgearbeitet. Für die Gestaltung danke ich den Schauspielerinnen und Schauspielern des Volkstheaters, Sandra Kreisler, dem Ars Electronica Center Linz, Annelie Gahl und ganz besonders dem Jugendorchester der Werkskapelle Laufen Gmunden-Engelhof in Kooperation mit exil.arte.

Die jungen Musikerinnen und Musiker, die ich bei einer Probe kennenlernen durfte, und die sich auch mit dem Komponisten Walter Arlen getroffen haben, sind Beispiele dafür, was dieser Gedenktag möglich macht, und auf welch vielfältige Weise die Auf- forderung, niemals zu vergessen, heute weitergetragen werden kann.

Barbara Prammer

Präsidentin des Nationalrates

Grußwort Barbara Prammer

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Grußwort Helmut Kritzinger

Seit über zehn Jahren ist es eine gute Tradition geworden, dass Nationalrat und Bundesrat gemeinsam am 5. Mai den Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus abhalten. Im Jahr 2008 erhält dieser Gedenktag noch ein- mal eine besondere Bedeutung. Wir erinnern heuer an viele große Ereignisse, die die Geschichte Österreichs geprägt haben. Am Gedenktag wird uns bewusst, was viele große Entwicklungen im Leben ganz konkreter Menschen bewirkt haben, wo diese Menschen schon als Kinder ungeheure Gewalt und Demütigung erfahren mussten, wo ihr ganzes Leben dadurch geprägt wurde.

Die Frage nach der Kindheit im Nationalsozialismus steht im Mittelpunkt des heurigen Gedenktages. Das ist ein weites Thema, und es hat lange gedauert, bis sich Gesellschaft, Politik und Geschichte darum angenommen haben. Kindheit im Nationalsozialismus – das ist die Demütigung und Verfolgung, die unfassbare Gnadenlosigkeit der Nazis im Umgang mit jüdischen Kindern. Das ist der Versuch, einem Volk seine Hoffnung und Zukunft, die in den Kindern liegt, zu nehmen. Kindheit im Nationalsozialismus – das ist die Verfolgung von kranken und behinderten Kindern, von Kindern, deren Leben nicht als wert erachtet wurde, gelebt zu werden. Kindheit im Nationalsozialismus – das ist die gesellschaftliche Ächtung und die große Angst der Kinder, deren Eltern oder Geschwister Widerstand gegen das

© Michael Kress/PRofi-Press

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Regime geleistet haben. Kindheit im Nationalsozialismus – das heißt auch Aufwachsen in einem verbrecherischen Regime, in einer Zeit des Krieges. Für viele Kinder hat es Aufwachsen unter einem andauernden Druck auf Anpassung aber auch unter dem Lock- ruf der Verführungen eines Regimes geheißen, das keine Skrupel hatte, Buben noch im letzten Aufgebot zum „Kanonenfutter“ zu machen.

In fast jeder Biographie prägen die Muster der Kindheit die Gestalt und die Erfahrungs- möglichkeiten des späteren Lebens. Ihr Leben wurde und wird mitbestimmt vom Krieg, den niemand vergessen kann, von der Diktatur, von dem Menschheitsverbrechen, das wir nicht vergessen dürfen. Ihr Leben wurde und wird mitbestimmt vom Verlust der Kind- heit, der Heimat, vom Verlust vieler Familienmitglieder und Freunde. Ihr Leben konnte nach dem Ende des Krieges nicht einfach weitergehen, die Kindheit und Jugend nicht einfach wieder aufgenommen werden.

Viele von ihnen haben lange darüber geschwiegen, ja so manches musste wohl auch über- deckt werden, weil Kindheit in unserer Gesellschaft gerne als unbeschwert gesehen wird.

Wer spricht da schon über die Schrecken der Kindheit? – Viele beginnen erst im fort- geschrittenen Alter wieder mehr darüber nachzudenken, und manche sind auch bereit, darüber zu erzählen. Die Texte, die im Rahmen der Matinee und in der Gedenksitzung gelesen werden, und die anschließend im „Parlament Transparent“ veröffentlicht werden,

Grußwort Helmut Kritzinger

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sind Beispiel für den Mut, der dazu gehört, Lebenszeugnis abzulegen. Sie sind Beispiel dafür, wie schwer es ist, das darzustellen und zu vermitteln, was geschehen ist, wie schwer sich vieles in Worte kleiden lässt.

Dieser Gedenktag wird somit auch zur Einladung, unsere Aufmerksamkeit und unseren Sinn für Sprache zu schärfen: wenn wir über Geschichte reden, wenn wir von der Geschichte erzählen, und gerade auch wenn wir – ganz im Sinne des Gedenktages – auch über Gewalt und Rassismus heute nachdenken.

Der Gedenktag erfüllt aber noch eine weitere Aufgabe: Vor kurzem hat das Projekt

„erinnern.at“ des Unterrichtsministeriums gemeinsam mit der Volkshochschule Hietzing Mitglieder des Nationalrats, des Bundesrats und der Landtage, ebenso wie Bürger- meisterinnen und Bürgermeister in ganz Österreich über Gedenken und Erinnern heute be- fragt. Die Auswertung dieser Umfrage zeigt, dass Gedenken und Erinnern für viele eine große Bedeutung haben, dass es aber nicht immer einfach ist, die entsprechenden Formen zu finden, und dass freimütig zugegeben wird, dass sehr oft auch das Wissen über die Geschichte und den Umgang damit fehlt.

Wenn wir am heutigen Gedenktag die Opfer und die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen würdigen, dann müssen wir auch mitbedenken, dass sehr bald kaum mehr jemand da sein

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wird, um unsere Fragen zu beantworten. Gerade dann wird auch den Politikerinnen und Politikern zunehmend eine wichtige Rolle und Verantwortung in Hinblick auf Gedenken und Erinnern zukommen. Die Umfrage zeigt uns, dass es hier auch der Hilfestellung bedarf. Für mich erfüllt der Gedenktag dabei eine solche Aufgabe, denn er zeigt uns Möglichkeiten und fordert uns zum Handeln auf.

Helmut Kritzinger

Präsident des Bundesrates

Grußwort Helmut Kritzinger

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Foto 01

Warschauer Ghetto

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Der Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus und die parlamentarischen Gedenkveranstaltungen im Mai 2008

Der Nationalfonds hat es seit seiner Gründung 1995 als wichtige Aufgabe angesehen, für die Opfer des Nationalsozialismus da zu sein. Seine Arbeit umfasst zum einen die An- erkennung von all jenen Menschen, die Opfer des Nationalsozialismus geworden sind – sei es aus rassischen, politischen, religiösen oder anderen Gründen. Zum anderen nahm der Nationalfonds Entschädigungszahlungen an die Opfer vor und unterstützt seit 2001 den Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus.

Der Nationalfonds fördert aber auch im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages Projekte, die Opfern des Nationalsozialismus zugute kommen oder der wissenschaftlichen Erforschung des Nationalsozialismus und des Schicksals seiner Opfer dienen. Projekte, die dem Erinnern gewidmet sind, gewinnen in dem Maße an Bedeutung, als Zeit verstreicht und die Erinne- rungen der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen verloren zu gehen drohen. Es ist dem National- fonds ein besonderes Anliegen, Projekte, die gegen das Vergessen ankämpfen, zu unterstützen. Die meisten Überlebenden sind heute schon sehr betagt, 80 Jahre und darüber. Ihre Stimmen als Zeitzeuginnen und Zeitzeugen werden immer leiser. Die Generation unserer Kinder und Enkelkinder wird keine Gelegenheit mehr haben, persönlich mit diesen Menschen zu sprechen. Die Erfahrungen müssen dokumentiert werden, um sie für das kollektive Gedächtnis zu bewahren.

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Im Sinne seiner bildungspolitischen Verantwortung versucht der Nationalfonds, mit der Aufarbeitung des unter dem nationalsozialistischen Regime begangenen Unrechts zu einem besseren Verständnis von politischen Vorgängen für die Zukunft beizutragen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Nationalfonds haben im Laufe ihrer Tätigkeit viele Überlebende persönlich kennen gelernt und verbinden mit deren Schicksalen und Lebensgeschichten jeweils ganz eigene, individuelle Erinnerungen.

Bei der Planung der Veranstaltungen anlässlich des diesjährigen Gedenktages hat der Nationalfonds auch auf diese Erinnerungen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückgegriffen. So konnten wir Lebensgeschichten von Menschen, die über ihr Ver fol gungs schicksal berichten wollen, vorschlagen, und Menschen die Möglichkeit geben, ihre Geschichte zu erzählen – Geschichten, die sonst vielleicht vergessen worden wären.

Die im Rahmen von Matinee und Gedenkveranstaltung gelesenen Texte sind Berichte von Menschen, die sich seit der Gründung des Nationalfonds im Jahr 1995 an uns gewandt haben und als Opfer anerkannt wurden, weil sie – damals noch Kinder – vom national- sozialistischen Regime verfolgt worden waren. Diese Verfolgung hatte viele Gesichter, und jedes Schicksal ist einzigartig. Die Auswahl der vorgestellten Schicksale ist ein Versuch, diese Vielfalt widerzuspiegeln.

Im Laufe der Jahre hat sich zwischen vielen Überlebenden und dem Nationalfonds eine starke Vertrauensbasis entwickelt. Obwohl vielen dieser Menschen das Erzählen

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schwer fiel – oft wurden böse Erinnerungen wachgerufen, das Erlittene noch einmal durch- lebt – haben sie dennoch ihre Erinnerungen mit uns geteilt. Für diese Bereitschaft – beson- ders auch im Rahmen von Veranstaltungen wie diesen –, ihre Erfahrungen an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben, wollen wir an dieser Stelle unseren besonderen Dank aussprechen.

Im Archiv des Nationalfonds warten Tausende weitere solcher Geschichten darauf, noch gelesen und gehört zu werden. Der Nationalfonds hat das Gedenkjahr 2008 zum Anlass genommen, Lebensgeschichten von Opfern auch auf seiner Homepage www. nationalfonds.org zu veröffentlichen.

Die Gedenkveranstaltungen des Parlaments im Jahr 2008 – sowohl die Matinee am 4. Mai als auch der Gedenktag am 5. Mai – sind jedoch ein ganz besonderer Anlass, um die Schicksale dieser Menschen an diesem zentralen Ort der Demokratie in Erinnerung zu rufen – auch in dem Bewusstsein, dass ihre Geschichten für die so vieler anderer Opfer stehen, auch für jene, die nicht überlebt haben und mit deren Leben auch deren Lebensgeschichten ausgelöscht wurden.

Hannah M. Lessing

Generalsekretärin des Nationalfonds

Der Nationalfonds und die parlamentarischen Gedenkveranstaltungen im Mai 2008

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Matinee Sonntag, 4. Mai 2008

4. MAI 2008

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Erika Nemschitz

Selbst Erlebtes aus einer schrecklichen Zeit

Frau Nemschitz wurde im Jänner 1932 in Wien ge- boren. Da ihr Vater Jude war, wurde Frau Nemschitz 1941 von der Schule verwiesen. Sie besuchte dann eine sogenannte „Mischlingsschule“, die jedoch nach einem Jahr geschlossen wurde. Danach wurde sie

von Klosterschwestern unterrichtet. Sie musste den Judenstern tragen und im Mai 1941 wurde ihr zwangsweise der Name „Sara“ verliehen. Der Vater von Frau Nemschitz wurde entlassen und in einem sogenannten „Judenbetrieb“ beschäftigt. Gegen Ende des Krieges musste er zum Schanzenbauen ins Burgenland, wo ein Wall zum Schutz gegen die heranrückende Rote Armee angelegt wurde.

Es ist seltsam, aber je älter ich werde, umso mehr Erinnerungen kommen wie Schatten aus der Versenkung.

4. MAI 2008

Biografien

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Peter Feldmann

Das Wunder des Überlebens

Herr Feldmann wurde am 27. August 1925 in Wien als Sohn einer jüdischen Familie geboren. Kurz nach dem

„Anschluss“ wurde ihm der weitere Besuch des Gymnasi- ums untersagt und bis zu seiner Ausreise musste er eine Hauptschule besuchen. Der Vater von Herrn Feldmann

wurde verhaftet und war vier Monate in Schutzhaft. Die Familie verließ im Dezember 1938 Wien und lebte neun Monate in Holland bei Verwandten. Im August 1939 wollte die Familie von Frankreich aus mit einem Schiff nach Chile emigrieren. Da in der Zwischenzeit der Krieg ausgebrochen war, kam die Familie Feldmann in ver- schiedene Lager, bis sie dann im Jänner 1940 ausreisen konnte. Herr Feldmann lebt heute noch in Chile.

Es waren Jahre der Not und Armut, aber wir hatten ein besseres Los gezogen als 36 Mitglieder unserer Familie, die in diversen Konzentrationslagern umgekommen sind.

4. MAI 2008

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Rosa W.*

Wir haben nur Eier gesucht ...

Frau Rosa W. wurde 1933 als sechstes von insgesamt zehn Kindern in Kärnten geboren. Ihre Eltern waren slowenische Kleinbauern und unterstützen die Parti- sanen. Ihre Mutter verköstigte diese und oft war es so, dass nichts mehr übrig blieb und die Kinder hungern

mussten. Immer wieder wurden Frau W. und ihre Familie von der SS bedroht, schikaniert und miss- handelt. Die jüngste Schwester von Frau W. hat sich von einem solchen Erlebnis nie wieder erholen können und lernte nie mehr richtig sprechen.

* Die mit Sternchen (*) gekennzeichneten Namen sind frei erfunden, um die Anonymität der betreffenden Personen zu wahren.

Als der Krieg begann, wurde unsere Familie ein wichtiger Punkt in dieser Widerstandsbewegung.

Biografien

4. MAI 2008

(24)

Alfred Wagner

Jugend hatte ich keine

Herr Wagner wurde am 24. September 1943 als un- eheliches Kind in Wien geboren. Da sein Vater Jude war, musste Herr Wagner versteckt werden. Durch die

schlechten Lebensbedingungen, den Licht- und Vitaminmangel erkrankte er bereits im Säuglingsalter schwer, an den Folgen leidet er noch heute. Seine Eltern konnten damals nicht heiraten und so wurde die Ehe erst 1945 nach dem Krieg geschlossen.

Nach der mörderischen Ideologie der damaligen Regierung waren Kinder wie ich unerwünscht und entsprechend versteckt wurde ich auch damals in Wien gehalten. Ich habe die Hoffnung nie aufgege- ben, vielleicht doch noch im neuen Jahrtausend eine Geste der Ge-

rechtigkeit und Anerkennung zu erleben. 4. M

AI 2008

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Maria Gabrielsen

Die Asche von verbrannten Menschen

Frau Gabrielsen wurde am 3. Jänner 1934 in Wien ge- boren. Ihr Vater war Jude. Frau Gabrielsen und ihre sechs Geschwister sowie ihr Vater wurden von ihrer eigenen Mutter denunziert. Die Kinder kamen zunächst

für drei Jahre in ein Kinderheim und anschließend in das Konzentrationslager Theresienstadt, wo sie unter anderem die Asche von verbrannten Menschen in Schachteln schaufeln mussten. Der Vater von Frau Gabrielsen wurde in Auschwitz vergast. Frau Gabrielsen lebt heute in Norwegen.

Mein Vater und wir Kinder – wir waren sieben Geschwister – wurden von unserer eigenen Mutter politisch angezeigt. Mit 13 Jahren kam ich dann zur Erholung nach Norwegen und habe hier meine neue Heimat gefunden.

Biografien

4. MAI 2008

(26)

Hubert Amberger

... er tauchte mich immer und immer wieder in diesen Wäschetrog

Herr Amberger wurde am 1. Dezember 1934 in Unter- meislingen/NÖ geboren. Von November 1940 bis April

1945 war er mit seiner Familie im „Zigeunerlager Lackenbach“, wo er auf einer benachbarten Landwirt- schaft Zwangsarbeit leisten musste. Er wurde dort auch misshandelt und schwer traumatisiert. Er leidet bis heute an den psychischen und physischen Folge- schäden.

Sie dürfen mir glauben, dass meine Familie, bis zum heutigen Tag, nichts von dieser Geschichte wusste, da ich mit niemandem darüber sprechen wollte, wie über so manch andere Ereignisse aus dieser Zeit.

4. MAI 2008

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Paul Porges

1938 und die folgenden Jahre aus der Sicht eines Sechsjährigen

Herr Porges wurde am 14. Mai 1932 in Spittal/Drau geboren. Der Vater von Herrn Porges war Jude, wes- wegen er seine Arztpraxis aufgeben musste. Er wurde

1943 verhaftet und im Mai 1944 nach Auschwitz deportiert, wo er ums Leben kam. Herr Porges selbst war als sogenannter „Mischling ersten Grades“ von jeder höheren Schulbildung ausgeschlossen und musste während der Zeit des Nationalsozialismus insgesamt sieben Jahre die Volksschule besuchen.

Mein Vater hatte 1938 als praktischer Arzt eine sehr gut gehende Praxis, die er aufgeben musste, weil es Juden verboten war, „Arier“

zu behandeln. Auch den Doktortitel durfte er nicht mehr führen.

Dankbare Patienten haben später eine Gedenktafel am Haus angebracht.

4. MAI 2008

Biografien

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Karoline B.*

Kärntner sprich Deutsch

Frau B. wurde im November 1935 als zehntes von ins- gesamt zwölf Kindern einer slowenischen Familie in Kärnten geboren. Ihr Vater war von Beruf Schuhmacher und besaß eine kleine Landwirtschaft. Da zu Hause nur slowenisch gesprochen wurde, verstand Frau B. kein Wort, als sie 1941 in die Volksschule kam. Für jeden

kleinen Fehler wurde sie bestraft. Die Familie unter- stützte die Partisanen und deshalb gab es ständig Haus- durchsuchungen und Verhöre durch Polizei und Gestapo. Im Dezember 1942 wurde der Vater von Frau B.

verhaftet. Er wurde 1943 entlassen, hat sich aber psychisch nie mehr erholen können.

* Die mit Sternchen (*) gekennzeichneten Namen sind frei erfunden, um die Anonymität der betreffenden Personen zu wahren.

Nachts kamen die Partisanen und bei Tag die Polizisten. Die Partisanen wurden von uns bedient und die Polizisten/Gestapo bedienten sich selbst.

4. MAI 2008

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Margarethe Budroni Der Masernmann

Frau Budroni wurde am 16. Mai 1935 in Wien geboren.

Ihr Vater betätigte sich aktiv am Widerstand gegen den Nationalsozialismus, indem er als Zugsführer der ÖBB jüdische Kinder und Erwachsene aus Polen in unbe- setzte Gebiete schaffte. Beim „Masernmann“ hatte die Übergabe nicht mehr funktioniert und der Vater von

Frau Budroni wurde im Jänner 1942 verhaftet. Frau Budroni wurde vom Schulbesuch ausgeschlossen und die Familie verlor die Wohnung. Bei Fliegeralarmen durf- ten Frau Budroni und ihre Mutter als „Volksschädlinge“

nicht in den Luftschutzkeller. Frau Budroni kam aufs Land zu Pflegeeltern und erlebte dort die letzten Kriegs- monate gemeinsam mit ihrer Mutter, wo sie im Keller eines Bauern hausen durften. Im Juni 1945 kehrte ihr Vater als gebrochener Mann aus dem KZ Dachau heim.

Den Einzug der russischen Armee erlebte ich Zehnjährige mit dem Bewusstsein einer Erwachsenen. Ich wünschte mir, dass dieses Heer von Jasagern zum Dritten Reich NEIN gesagt und gehandelt hätte wie mein Vater. Meine Geschichte, die Erlebnisse eines Kindes, wäre aufzuzeichnen nicht nötig gewesen.

Biografien

4. MAI 2008

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Norbert Abeles

Ich glaube, dass ich im Großen und Ganzen noch Glück gehabt habe ...

Herr Abeles wurde am 17. September 1923 in Wien als Sohn einer jüdischen Familie geboren. Sein Vater ver- starb neun Monate vor dem „Anschluss“, seine Mutter wurde 1943 deportiert und ist verschollen. Herr Abeles selbst wurde vom Schulbesuch ausgeschlossen und

mehrere Male tätlich angegriffen. Im Dezember 1938 fuhr er mit einem Kindertransport von Wien nach Groß- britannien. Anfangs wurde er dort mit anderen Kindern in hölzernen Badehütten untergebracht, später kam er in eine Farmschule. 1940 war er drei Monate als

„feindlicher Ausländer“ interniert. 1956 ging er mit seiner Frau von dort nach Afrika, wo Herr Abeles auch heute noch lebt.

Ich bin schon lange im sub-saharen Afrika und habe mich deshalb entschlossen, meinen Lebensabend hier zu verbringen, obwohl ich Österreich sehr liebe. Es war aber ein sehr schwerer Entschluss.

4. MAI 2008

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Klüger, Ruth: weiter leben. Eine Jugend.- München:

DTV, 3. Aufl. 1994 (dtv Literatur; 11950) Lizenzausg. des Wallstein-Verl., Göttingen, Seite 128-137

Ruth Klüger wurde am 30. Oktober 1931 in Wien geboren; sie lebt als Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin in den USA.

Ruth Klüger, Tochter eines jüdischen Frauenarztes, war von frühester Kindheit an mit dem Antisemitismus und der systematischen Ausgrenzung der Juden aus dem öffentlichen Leben in Wien konfrontiert. 1942 wurde sie im Alter von elf Jahren gemeinsam mit ihrer Mutter nach Theresienstadt deportiert. Nach mehr- jährigem Aufenthalt in den Konzentrationslagern Auschwitz-Birkenau und Groß-Rosen gelang ihr zu- sammen mit ihrer Mutter knapp vor Kriegsende, während eines der sogenannten „Todesmärsche“, die Flucht. Ihr Vater, der noch vor Kriegsbeginn ins Ausland geflüchtet war, und ihr Halbbruder wurden in Konzentrationslagern ermordet.

Die Geschichte ihrer Kindheit und Jugend in der Zeit des Nationalsozialismus hat Ruth Klüger in ihrem auto biografischen Buch „weiter leben. Eine Jugend“

erzählt.

Nach Kriegsende machte Ruth Klüger in Bayern das Abitur und begann in Regensburg ein Germanistik- studium, das sie nach ihrer Emigration in die USA 1947 zunächst in New York fortsetzte und später an der University of California, Berkeley, abschloss.

Von 1980 bis 1986 war sie Professorin für Germanistik an der Princeton University, danach an der University of California. Zahlreiche Gastprofessuren führten sie unter anderem nach Göttingen und Wien.

Auszeichnungen (Auswahl): Rauriser Literaturpreis (1993), Johann-Jacob-Christoph von Grimmelshausen- Preis (1993), Marie-Luise-Kaschnitz-Preis (1994), Öster- reichischer Staatspreis für Literaturkritik (1997), Prix Mémoire de la Shoa (1998), Thomas-Mann-Preis (1999),

Literatur

4. MAI 2008

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Zitat aus „weiter leben. Eine Jugend“

»Fast jeder Überlebende hat seinen ›Zufall‹, das Besondere, Spezifi- sche, das ihn oder sie unvermutet am Leben erhalten hat. (...) Die Menschen, die heute noch die Auschwitznummer am Arm haben, sind praktisch alle älter als ich, älter zumindest um die zwei, drei Jahre, die ich mir damals zugelogen habe. Ausnahmen gibt es, vor allem die Zwillinge, an denen der Dr. Mengele seine Aftermedizin ausprobiert hat. Dann gibt es noch welche in meinem Alter, die schon an der Rampe selektiert und gleich weiterverfrachtet wurden und, weil sie mehrere Kleidungsstücke übereinander trugen, nicht als Kinder erkannt wurden. Aber die waren dann eben nur an der Rampe, haben keine Nummer, waren nicht im Lager selbst. Um von dort wegzukommen, mußte man eigentlich älter sein.«

Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch (2001), Goethe-Medaille (2005), Roswitha-Preis (2006), Lessing-Preis des Freistaates Sachsen (2007)

Weitere Publikationen (Auswahl): Frauen lesen anders.

Essays (1996), Katastrophen. Über deutsche Literatur (1997), Ein alter Mann ist stets ein König Lear – Alte Menschen in der Dichtung. Wiener Vorlesungen. (2004)

4. MAI 2008

(33)

Stojka, Karl; Pohanka, Reinhard: Auf der ganzen Welt zu Hause. Das Leben und Wandern des Zigeuners Karl Stojka. - Wien: Picus-Verl., 1994, Seite 52-60

Die katholische Roma-Familie Stojka, die in Wohn- wagen lebte und Pferdehandel trieb, musste sich nach dem „Anschluss“ in Wien ansiedeln. Karl Stojkas Vater, der zunächst eine Fabriksarbeit angetreten hatte, wurde deportiert und 1941 im Konzentra ti onslager Mauthausen ermordet. Die restliche Familie wurde nach und nach in unterschiedliche Lager verschleppt.

Karl Stojka wurde mit elf Jahren in der Schule verhaftet und mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in das sogenannte Zigeunerlager von Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sein sechsjähriger Bruder Ossi an Flecktyphus und Unterernährung starb. Weitere Stationen waren die Konzentrationslager Buchenwald und Flossenbürg. Als Überlebender der Todes- märsche wurde Karl Stojka im April 1945 von ameri- kanischen Truppen befreit.

„Die Nazis haben meinen Vater ermordet und meinen Bruder. Man hat mir alles genommen, was mir lieb und teuer war. Ich hatte keine Vergangenheit mehr, keine Gegenwart und schon gar keine Zukunft.“

Nach dem Krieg lebte Karl Stojka in verschiedenen Län- dern, bevor er sich 1973 endgültig in Österreich niederließ. In den siebziger Jahren begann er zu malen. Seine Bilder, in denen er auch seine Kind- heitserinnerungen in den Konzentrationslagern ver- arbeitete, wurden in zahlreichen europäischen Staaten, in den USA und Japan ausgestellt.

Auszeichnungen (Auswahl): Auszeichnung des Holo - caust Memorial Centers in Washington D. C.

(1992), Verleihung des Berufstitels „Professor“ (1999), Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien (2001)

Weitere Publikationen (Auswahl): Mein Name im Dritten Reich: Z·5742 (2000), Wo sind sie geblieben ...? (2003)

Literatur

4. MAI 2008

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»Wenn ich heute auf mein Leben zurückblicke, so waren sicher das prägende Element die Jahre des Krieges und die Zeit im Konzentrati- onslager. Ich war ein Kind damals, niemand soll aber glauben, dass nicht auch ein Kind die Eindrücke aufnimmt und speichert. Heute noch sehe ich sie vor mir, die Baracken, den Stacheldraht und die Men- schen, die eigentlich schon Tote waren. Man hat mich später oft ge- fragt: Bist du böse auf die Deutschen, die dir das angetan haben? Ich sagte immer darauf: Ich bin nicht den Deutschen böse, denn es war nicht das Volk, das mir die Kindheit und meine Gesundheit geraubt hat, es waren Menschen, die mir das angetan haben, und wenn ich etwas nicht verstehe, dann das, wieso Menschen anderen Menschen so etwas antun können. Wenn ich heute im Radio höre, dass es in Ländern wie in Rumänien, in Polen und in der Tschechoslowakei schon wieder Ausschreitungen gegen Zigeuner gibt, so macht mich das sehr traurig, weil ich sehe, dass es schon wieder beginnt. Ich fürchte um mein Volk, um die letzten freien Überlebenden der wandernden Rasse.

Die Juden sind nun nur mehr wenige, nun hasst man die Zigeuner, weil man immer diejenigen hasst, von denen man glaubt, dass sie anders sind als man selbst. Dabei wollen die Zigeuner nur eines, in Ruhe gelassen werden, für sich leben, ihre Kultur behalten und so leben, wie es ihnen gefällt, ohne die anderen Menschen zu belästigen.«

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Aichinger, Ilse: Die größere Hoffnung.

Roman. - Frankfurt a. M.: Fischer-Taschenbuch-Verl., 1974 . - (Fischer-Taschenbücher ; 1432) Seite 22-29 Die am 1. November 1921 in Wien geborene Ilse Aichinger zählt zu den bedeutendsten deutsch- sprachigen Autorinnen der Gegenwart. Als Tochter einer jüdischen Ärztin und eines nicht-jüdischen Lehrers überlebte sie die NS-Zeit mit ihrer Mutter in Wien. Ihre Zwillingsschwester konnte 1939 recht- zeitig nach England fliehen.

Nach dem Krieg studierte Ilse Aichinger fünf Semester lang Medizin, konzentrierte sich aber schon bald haupt- sächlich auf die Literatur und nahm eine Stelle als Lek- torin im S. Fischer Verlag an. Ihre erste literarische Veröffentlichung, der 1946 in der Zeitschrift „Plan“ er- schie nene „Aufruf zum Mißtrauen“, in dem sie vor einer an der Vorkriegs-Vergangenheit orientierten Selbst - sicherheit warnte, war wegweisend für ihr weiteres Werk.

Im 1948 erschienenen Roman „Die größere Hoffnung“

thematisierte sie das Schicksal des Mädchens Ellen, einer „Halbjüdin“, in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes. Das Buch gilt bis heute als ein Schlüsselwerk der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur, brachte aber zunächst nicht den Durchbruch in eine große litera rische Öffentlichkeit. Dieser erfolgte vier Jahre später, 1952, als die Erzählung „Spiegelgeschichte“ den Preis der Gruppe 47 erhielt.

Weitere Auszeichnungen (Auswahl):

Anton-Wildgans-Preis (1968), Literaturpreis der Stadt Wien (1974), Georg-Trakl-Preis (1979), Petrarca-Preis (1982), Franz-Kafka-Preis (1983), Großer Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (1991), Manès-Sperber-Preis (1991), Großer Österreichischer Staatspreis für Literatur und Österreichischer Staats- preis für Europäische Literatur (1995), Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln (2002)

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Literatur

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Weitere Werke (Auswahl):

Der Gefesselte (Erzählungen, 1953), Nachricht vom Tag (Erzählungen, 1954), Zu keiner Stunde (Szenen und Dialoge, 1957), Wo ich wohne (Erzählungen, Gedichte, Dialoge, 1963), Eliza Eliza (Erzählungen, 1965), Auckland (4 Hörspiele, 1965), Verschenkter Rat

(Gedichte, 1978), Kleist, Moos, Fasane (Kurzprosa, Erzählungen, Erinnerungen, Aufzeichnungen 1950-85, 1987), Kurzschlüsse (Prosagedichte, 2001), Film und Verhängnis. Blitzlichter auf ein Leben (Erinne- rungen und Filmkritiken, 2001), Unglaubwürdige Reisen (2005)

Zitat aus „Die größere Hoffnung“

„Großmutter, warum antwortest du nicht, Großmutter, willst du leben?“ Wie gejagt flohen die Atemzüge aus den halboffenen Lippen der Sterbenden. Ellen senkte lauschend den Kopf und stemmte die Finger in die Matratzen.

„Willst du leben?“

„Ja“, seufzte die Nacht stellvertretend und legte die Hände auf die Schultern der alten Frau.

„Dann mach ich dich lebendig«, sagte Ellen entschlossen (...).

Verzehrender Wille durchbrauste sie, riß ihr Herz auf und öffnete ihre Ohren.“

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Lesungen:

Hilde Sochor

Ausbildung: Studium der Germanistik und Theater- wissenschaft, Schauspielunterricht bei Leopold Rudolf und Wolfgang Heinz.

1949–1996 Ensemblemitglied des Volkstheaters. Mehr als 130 Rollen, mehrere Inszenierungen. Gründung und Leitung der Schauspielschule Volkstheater. Zahlreiche Film- und TV-Rollen. Rollen am Volkstheater zuletzt u.a. in Geschichten aus dem Wiener Wald, Die Physiker, Grace & Glorie, Späte Gegend.

Auszeichnungen: Goldenes Verdienstkreuz des Landes Wien, Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien, Ernennung zum Professor, Nestroy-Ring, Karl-Skraup-Preis, Kammerschauspielerin.

Katharina Stemberger

Ausbildung: Cellostudium am Konservatorium in Wien und Salzburg, Schauspielausbildung bei Eva Zilcher und im Hollywood Acting Workshop in LA.

Engagements u.a. Theater der Jugend München, Theater an der Kö Düsseldorf, Stadttheater St. Gallen, Wiener Volkstheater, Carinthischer Sommer, Som- merfestpiele Melk, Festspiele Rosenburg; neben Bühnentätigkeit auch zahlreiche Film- und Fernseh- produktionen, u.a. mit Franz Antel und Reinhard Schwabenitzky.

Rollen u. a.: Yvette Portier (Mutter Courage), Hortensia (Der Widerspenstigen Zähmung), Hyppolita/Titania (Ein Sommernachtstraum), Herzeleide (Parzival).

Solostücke: u. a. The Juliet Letters

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Mitwirkende

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Jakob Seeböck

Ausbildung: Franz-Schubert-Konservatorium in Wien.

Engagements: Schlossfestspiele Kobersdorf, St. Pöltner Landestheater, Ateliertheater, Volkstheater u.a.

Rollen u.a.: Der tollste Tag, Miami Murder Show, Elisabeth von England, Der Raub der Sabinerinnen.

Peter Wolsdorff

Schauspieler, Regisseur und Intendant.

Engagements an verschiedenen Theatern, Mitglied des Volkstheaterensembles von 1974 bis1991.

Intendanz: Sommerspiele Carnuntum, 1991–2002;

Theaters St. Pölten 2001.

Gründung des Instituts neue Impulse durch Kunst und Pädagogik. Am Volkstheater Regie bei Die Moral der Frau Dulska.

Rollen u.a.: in Der Revisor, Figaro lässt sich scheiden, Der Verschwender, Der Schatten.

Auszeichnungen: u.a. Raimund-Ring.

Musikalische Umrahmung:

Christian Muthspiel: aus „Augenblicke“

Heinrich Ignaz Franz Biber: Passacaglia Giacinto Scelsi: „L´âme aillée“

Die Kombination dieser drei Werke möchte einen Bogen spannen, in dem Vergangenes nicht auf sich beruhen bleibt, sondern in Gegenwart und eine mögliche Zukunft mit hineinschwingt.

Christian Muthspiel

Österreichischer Komponist, Jazzmusiker, Posaunist;

geboren 1962 in Judenburg/Steiermark.

Die Augenblicke sind kurze Kompositionen, die als

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Reflexion auf Heinrich Ignaz Franz Bibers Passacaglia entstanden sind.

„... einen Augenblick in Klang festhalten; diesen Moment konstruktiv weiterentwickeln; nicht immer die erste Idee verwenden; doch dem ersten Einfall vertrauen.

Und weiterschreiben, immer weiterschreiben ...“

Heinrich Ignaz Franz Biber

Böhmischer Komponist, bedeutendster Geigenvirtuose seiner Zeit; geboren 1644 in Wartenberg/Böhmen, gestorben 1704 in Salzburg. Die Passacaglia, ursprünglich Bezeichnung für einen spanischen Volks- tanz, ist der krönende Abschluss von Bibers fünf- zehnteiligem Zyklus der Mysteriensonaten(1670), ein innig kreisendes Gespräch mit einem Schutzengel.

65 Mal umspielt die rein gestimmte und unbegleitete Geige das schlichte Thema von vier absteigenden Tönen in unerschöpflicher Phantasie, Spielfreude und Virtuosität.

Giacinto Scelsi

Italienischer Komponist, geboren 1905 bei La Spezia, gestorben 1988 in Rom. Eines Tons in allen seinen Dimensionen inne zu werden – indem er wieder und wieder den selben anschlug, um dessen Verschwinden zu lauschen – hat den italienischen Komponisten Giacinto Scelsi 1950 von geistigen Verwirrungen geheilt. Von da an blieb es sein Anliegen, ins Innere des Tons, in dessen Tiefe einzudringen, dessen Auftauchen, allmähliche Wandlungen und sein Verschwinden zum Klingen zu bringen.

Annelie Gahl

Die im Jahr 1965 geborene Wiener Geigerin kann be- reits auf eine bewegte und vielseitige Karriere zurück- blicken: Studium am Mozarteum und der Wiener Musikhochschule, Stipendium der Alban-Berg-Stiftung, Studienaufenthalt an der Northern Illinois University

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Mitwirkende

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bei Shmuel Ashkenasi. Seit 1995 ist sie Mitglied der Camerata Salzburg und wirkt auch regelmäßig in Harnoncourts Concentus Musicus mit. Sie war Stimm führerin/Konzertmeisterin bei der Wiener Akademie und nahm Lehrverpflichtungen an einer Wiener Musikschule und an der Universität Mozarteum wahr.

Ihrem besonderen Interesse für Kammermusik fol- gend – vornehmlich im Bereich der „Alten“ und „Neuen“

Musik – nahm sie an zahlreichen internationalen Festivals teil. Mit dem Tänzer Mario Mattiazzo ent- wickelte sie die Stücke Incantation, Im Lärm Stilleund Membranam Wiener Schauspielhaus und dem Theater Odeon, durchwegs basierend auf Improvisationsarbeit.

Mit ihrer ersten Solo-CD innaron(2004) hat Annelie Gahl den ihr als Solistin gebührenden Erfolg gelandet.

Annelie Gahl ist Trägerin des Anton-Bruckner-Preises der Wiener Symphoniker.

Moderation:

Sandra Kreisler

Sie wurde 1961 geboren, ist amerikanische Staats- bürgerin und wuchs im direkten Umfeld von Literatur und Theater auf – insbesondere des literarischen Chansons und des Kabaretts. Ihre Eltern sind Topsy Küppers und Georg Kreisler.

Ausbildung: Nach dem Studium an der Amerikanischen Schule in Wien und Berlin nahm Sandra Kreisler Unter- richt in Gesang, Schauspiel und Rhetorik.

Sandra Kreisler wurde vor allem im Radio tätig, wo sie seit 1982 regelmäßig bei Sendungen der Sparten Kultur, Aktueller Dienst, Dokumentation, Literatur, Wissenschaft und Religion mitwirkt. Zudem betreut sie Sendungen aus diesen Sparten auch im TV; sie ist gefragte Werbe- und Synchronsprecherin. Ebenso sind auch zahlreiche Filmaufnahmen und TV-Serien anzuführen. Im Theater und Musikbereich spielte Sandra Kreisler in den Jahren zwischen 1983 und 1994

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an Häusern wie dem Theater in der Josefstadt, der Gruppe 80, diversen Stadttheatern der Bundesländer und zahlreichen Kleinbühnen und Tourneetheatern.

Sie leitete schon 1983/84 eine eigene Musik- Kabarettgruppe mit Auftritten in Wien und Graz.

Nachdem Sandra Kreisler in mehreren deutschsprachi- gen TV-Shows Auftritte hatte, kehrte sie dem klassi- schen Wort-Theater endgültig den Rücken, und arbeitet, von Filmproduktionen abgesehen, seit 1994 ausschließlich musikalisch und als Solokünstlerin: Seit 1994 ging Sandra Kreisler mit insgesamt 10 verschie- denen Solo-Chansonprogrammen auf Tournee durch europäische Länder. Häufig wurde sie von österreichi- schen Kulturämtern im Ausland eingeladen, dem Publikum auch das berühmte und traditionsreiche Wiener jüdische Kabarett-Chanson vorzustellen. Eine Amerika-Tournee und die Produktion einer CD krönten im Jahre 1998 ihre Arbeit. Außerdem erarbeitet und präsentiert Kreisler ständig musikalische Programme, speziell für diverse Ereignisse in Wirtschaft und Kultur,

die sie seit 1995 zu einer gefragten Entertainerin bei festlichen Anlässen dieser Bereiche werden ließen. Als Moderatorin war sie bei unzähligen politischen, künstlerischen oder wirtschaftlichen Anlässen tätig.

Ihre Tätigkeit als Sprecherin in Funk, Fernsehen und Werbung geht ungebrochen weiter. Seit dem Jahr 2002 beschäftigt sie sich zunehmend mit dem Unterrichten von AWS (acting while singing), das sie im deutsch- sprachigen Raum zu intensivieren sucht. Im Juli 2005 war sie Dozentin an der Sommerakademie Eisenstadt für den Bereich Chanson- und Lied-Interpretation, nachdem sie schon jahrelang privat Unterricht in diesem Fach erteilt hatte.

Zu ihren letzten CD-Veröffentlichungen gehören:

Penetrant Besinnlich (2006) und Von Vorn mit Anlauf (2008). Sandra Kreisler ist Lale Andersen-Preisträgerin des Jahres 2006.

Weitere Informationen:

http://www.sandrakreisler.com/

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Mitwirkende

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Foto 02 Merkblatt

Kindertransport nach England

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Foto 03

Jüdische Kinder treffen in London ein

Foto 04

Ankunft von jüdischen Flüchtlingen aus Deutschland in England

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„War nie Kind“

Montag, 5. Mai 2008

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Foto 05

2000 österreichische Emigranten lassen sich in Shanghai nieder

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„Memento“ – Computeranimation mit Musik

Das Grauen des Holocaust wird besonders auch bei Einzelschicksalen und der Nennung von Namen deut- lich. Grundlage der Projektion sind die Namenslisten von ermordeten Kindern in Auschwitz (zu finden auf der Website von Yad Vashem). Hunderte von Namen wurden mit Hand abgeschrieben und als Handschrift digitalisiert.

Ein spezielles Programm, das der Künstler Zachary Lieberman geschrieben hat, animiert diese Schriftzüge in sehr aussagekräftiger Weise: Die Projektionsfläche ist schwarz, immer mehr Namen erscheinen in weißer Handschrift und bewegen sich ruhig gleitend über die Projektionsfläche. Nach einer Weile wird der Schriftzug in die Länge gezogen, so als wäre er ein Faden, dessen

beide Enden man in die Hand nimmt, um ihn heftig gerade zu ziehen. Es bleibt nur mehr eine weiße leicht gewellte Linie über, die nach einiger Zeit verlöscht.

Nicht nur das Ermorden, sondern das Auslöschen von Menschen, ihrer Identität und der dahinter liegende Versuch, auch die Kultur auszulöschen, wird durch diese karge, aber umso eindrucksvollere Arbeit zum Ausdruck gebracht. Begleitet wird die Computer- animation von einer sehr ruhigen sphärischen Musik von Brian Eno.

„Memento“ wird von Ars Electronica Linz / Ars Electronica Futurelab ausgeführt.

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Erich Richard Finsches

„Bleib stark und grüß mir die Mama!“

Herr Finsches wurde am 11. September 1927 in Wien als Sohn einer jüdischen Mittelstandsfamilie geboren.

Als 10jähriger wurde er von der Gestapo verhaftet und kam dann zur Zwangsarbeit nach Eisenerz. Von dort konnte er fliehen. Da er gesucht wurde, musste er

danach versteckt als U-Boot leben. Nach zwei Jahren wurde er wieder aufgegriffen und erneut zur Zwangs- arbeit verpflichtet. Im April 1942 gelang ihm die Flucht nach Ungarn, wo er aktiv im Widerstand tätig war. Später wurde er nach Auschwitz und Dachau deportiert. Dort wurde er am 29. April 1945 von der US-Armee mit einem Körpergewicht von 29 kg befreit.

Was ich als Kind erlebt habe, ist für mich heute noch ein Albtraum.

5. MAI 2008

Biografien

(48)

Lucia Johanna Heilman Stockfinster!

Frau Heilman wurde am 25. Juli 1929 in Wien als Jüdin geboren. Der Bergkamerad ihres Vaters versteckte sie und ihre Mutter in seiner Werkstätte, wo er den beiden

einen zwei bis drei Quadratmeter großen Verschlag baute. Sie musste dort Finsternis, Hunger und Kälte ertragen, hatte niemals Kontakt mit Gleichaltrigen und lebte in der ständigen Angst, entdeckt zu werden.

Frau Heilman überlebte mit ihrer Mutter als eine der ganz wenigen den Holocaust versteckt in Wien.

Noch heute zucke ich zusammen, wenn es an der Tür oder auch nur das Telefon läutet

5. MAI 2008

(49)

Friedrich K.*

„Judenbengel! Kannst nicht aufpassen!“

Herr K. wurde im März 1936 in Wien geboren. Aufgrund seiner jüdischen Abstammung – seine Mutter war Jüdin – war er in der Volksschule Drohungen und Übergriffen von Lehrern und Mitschülern ausgesetzt.

Auch in seinem Wohnhaus musste er Anpöbelungen und Diskriminierungen erdulden und lebte in der ständigen Angst vor Deportation.

* Die mit Sternchen (*) gekennzeichneten Namen sind frei erfunden, um die Anonymität der betreffenden Personen zu wahren.

Ganz überwindet man die Erlebnisse dieser grausamen Zeit nie.

5. MAI 2008

Biografien

(50)

Ingeborg Dürnecker

„Verdeckte Spuren“ – Mein Leidensweg vom Spiegelgrund!

Frau Dürnecker wurde am 5. Oktober 1934 in Wien ge- boren. Sie wurde mit drei Monaten im Jänner 1935 bei Minusgraden von ihren leiblichen Eltern ausgesetzt.

Dann war sie bei Pflegeeltern, von denen sie misshan- delt wurde. Im Alter von sieben Jahren kam sie – auf- grund von Misshandlungen und Verwahrlosung – für sechs Wochen auf die Kinderübernahmestelle. An- schließend wurde sie für 18 Monate auf den Spiegel- grund gebracht und danach für knappe fünf Jahre in das Kinderheim Erlanghof.

Mir hat man keine Häuser, Schmuck oder dergleichen genommen.

Sondern 62 Jahre meines Lebens.

5. MAI 2008

(51)

Susanne Doris Hochhauser

Jude Hochhauser ist in diesem Haus unerwünscht Frau Hochhauser wurde am 30. November 1933 als Tochter jüdischer Eltern in Wien geboren. Ihr Vater wurde nach Dachau und Buchenwald deportiert und im Jänner 1939 wieder entlassen. Daraufhin wurde ihm ein Ultimatum zur Ausreise gestellt. Die Familie hatte

das Glück, ein Visum nach Bolivien zu bekommen, und so musste Frau Hochhauser als Fünfjährige mit ihrer Familie emigrieren. Im Juni 1939 kamen sie in Bolivien an. Dort war es ihnen als Juden und Ausländer nicht gestattet, sich in den Städten niederzulassen, und sie wurden in Dörfer abgeschoben. 1968 über- siedelte Frau Hochhauser mit ihrer Mutter in die USA, wo sie seither lebt.

Obwohl ich sehr begabt war, habe ich nicht einmal die Matura machen können.

5. MAI 2008

Biografien

(52)

Emma Urschitz

Oft kamen auch Deutsche Soldaten auf den Hof Frau Urschitz wurde am 11. Dezember 1931 als zweites von vier Kindern des Ehepaares Agnes und Johann Lipusch in Remschenik geboren. Die Eltern von Frau Urschitz waren Slowenen und sprachen kaum Deutsch.

Deshalb hatte Frau Urschitz in der Schule unter Diskriminierungen und tätlichen Angriffen zu leiden.

Ab dem Jahr 1941 unterstützte ihre Familie die Aktivi- täten der Partisanen. Auch die Kinder der Familie wur- den deshalb von Deutschen Soldaten immer wieder bedroht und waren grauenvollen Erlebnissen aus- gesetzt.

Uns wurde gedroht, wenn wir nicht sofort ruhig sind, wird die Mutter sofort erschossen.

5. MAI 2008

(53)

Andreas H.*

Geboren im Lager Lackenbach

Herr H. wurde im Jahr 1942 im „Zigeunerlager Lacken- bach“ in einer Holzbaracke geboren. Aufgrund der schlechten hygienischen Bedingungen und der man- gelhaften Ernährung erkrankten viele Menschen im

Lager. Auch Herr H. hatte Typhus, zweimal die Ruhr und musste als Säugling und Kleinkind unter ständigem Hunger leiden. Das Haus der Familie in Mörbisch wurde enteignet.

* Die mit Sternchen (*) gekennzeichneten Namen sind frei erfunden, um die Anonymität der betreffenden Personen zu wahren.

Da ich als Kleinstkind den Holocaust erlebte, ja mitten hinein- geboren wurde, und noch heute als Erwachsener an den mir damals zugezogenen Leiden sowohl seelisch als auch körperlich laboriere, so ersuche ich Sie, diese Zeilen über das Leid, das Menschen während des Holocaust zugefügt wurde, egal welcher Nation oder Gruppe zugehörig, nicht einfach hinweg zu blättern, sondern nachzudenken und persönlich, so weit wie möglich, mitzuhelfen, derartiges Leid zu verhindern.

5. MAI 2008

Biografien

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Aichinger, Ilse

Die größere Hoffnung. Roman. - Frankfurt a. M.: Fischer- Taschenbuch-Verl., 1974. - (Fischer-Taschenbücher ; 1432), Seite 122-128

(Biografie siehe Matinee, Seite 34)

5. MAI 2008

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Lesungen:

Hilde Sochor, Katharina Stemberger, Jakob Seeböck, Peter Wolsdorff

(Biografien siehe Matinee, Seite 36)

Musikalische Umrahmung:

Ernst Krˇenek

wurde am 23. August 1900 in Wien geboren. Er hatte sich in verschiedenen musikalischen Genres einen Namen gemacht, sein größter Erfolg war aber die 1929 in Leipzig uraufgeführte „Jazz-Oper“ Jonny spielt auf.

Die Aufführung dieser Oper wurde – trotz oder gerade wegen des Erfolges – von Schmähungen der National- sozialisten begleitet; ab 1933 war seine Musik von den Nazis verboten. Als Protest gegen den allgegen-

wärtigen Faschismus trat Krˇenek zum Katholizismus über und schrieb seine Zwölftonoper Karl V., deren Uraufführung 1934 in Wien verhindert wurde. Nach dem „Anschluss“ Österreichs emigrierte er in die Ver- einigten Staaten, wo er an diversen Universitäten und Colleges lehrte. Seine Schaffenskraft, die viele stilistische Strömungen des 20. Jahrhunderts über- nahm und in eine persönliche Musiksprache ver- wandelte, hielt bis zum Ende seines Lebens an (er starb 1991 in Palm Springs, Kalifornien).

Walter Arlen

wurde am 31. Juli 1920 in Wien als Walter Aptowitzer geboren. Als Jugendlicher wurde er Zeuge der anti- semitischen Hetze und der Brutalitäten der Na tio nal - sozialisten. Obwohl er von der Gestapo gesucht wurde, war es ihm möglich zu fliehen und über Triest per Schiff in die amerikanische Emigration zu gelangen. Er über- siedelte nach Los Angeles, wo er als Musikkritiker der

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Mitwirkende

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Los Angeles Times tätig war, sowie als Professor an der Universität Loyola Marymount (wo er eine Abteilung für Musikwissenschaft gründete und auch leitete). Seit seiner Pensionierung hat er sich aber wieder verstärkt der Komposition gewidmet. Der Großteil seines Œeuvres besteht aus Liedern und Klavierstücken, welche eine frei tonale Musiksprache besitzen.

Hans Gál

wurde am 5. August 1890 in Brunn am Gebirge nahe Wien geboren. Schon ab 1909 war er als Lehrer für Kontrapunkt und Harmonielehre tätig. Er übernahm die Direktion des Konservatoriums in Mainz, musste aber wegen seiner ungarisch-jüdischen Abstammung nach der Machtergreifung Hitlers Deutschland wieder ver- lassen und kehrte nach Wien zurück. 1938 emigrierte er nach England und wurde – wie viele österreichische Emigranten – auf der Isle of Man interniert. Zwischen 1945 und 1965 lehrte er an der Universität Edinburgh

und leitete auch das Edinburgh Chamber Orchestra.

Gál erhielt zweimal den österreichischen Staatspreis (1915, 1958), den Kompositionspreis der Stadt Wien (1926) und den Order of the British Empire (1964). Sein Kompositionsstil ist stark von der Spätromantik geprägt, seine „Wienerischen“ Stilmittel sind zwischen Schubert und Brahms angelegt. Seine Werke umfassen 4 Symphonien, Konzerte und ein umfangreiches Kammermusikschaffen.

Gerold W. Gruber und exil.arte

Die Auswahl der Werke besorgte Gerold W. Gruber, Professor an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und Obmann des Vereins „exil.arte.“

Der Verein versteht sich als Clearingstelle für die Koordination aller mit der Thematik des Exils befassten Institutionen, Organisationen und Personen. Ins- besondere auf den Gebieten der Musik, des Musik- theaters und des Films soll der von den National-

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sozialisten vertriebenen, verfemten und ermordeten Künstlern gedacht werden. Die wissenschaftliche Arbeit konzentriert sich derzeit auf die Erfassung sämt- licher weltweit verstreuter Nachlässe und Teilnachlässe, auf die Förderung wissenschaftlicher Arbeiten und anderes mehr.

Die drei ausgewählten Werke wurden speziell für die Aufführung im Parlament von dem Komponisten und Musikwissenschaftler Lukas Haselböck arrangiert und eingerichtet.

Lukas Haselböck

wurde 1972 geboren, studierte Musikwissenschaft, Komposition und Gesangspädagogik und dissertierte über Regers späte Instrumentalwerke. Er ist am Institut für Analyse, Geschichte und Theorie der Musik der Uni- versität für Musik und darstellende Kunst Wien als Uni- versitätsassistent tätig.

Weitere Informationen: http://www.exilarte.at/ und http://www3.mdw.ac.at/

Das Jugendorchester der Werkskapelle Laufen Gmunden-Engelhof

Seit vielen Jahren bemüht sich die Werkskapelle Laufen um eine gediegene und intensive Jugendarbeit.

Im Jahr 2005 wurde gemeinsam mit der Volksschule Gmunden-Traundorf eine Bläserklasse als Projekt ein- gerichtet, das großes Interesse bei den Eltern und bei den Kindern weckte. Der wichtigste Aspekt ist sicher, dass die Jugendlichen von Beginn zusätzlich zum Instrumentalunterricht einen Orchesterunterricht erhalten; somit fällt das jahrelange Üben im Alleingang weg. Die Kinder – sie sind zwischen 6 und 14 Jahre alt – werden von Jungmusikerinnen und Jungmusikern unterstützt, die bereits dem Jugendorchester angehören.

Das Jugendorchester kann schon einige musikalische Erfolge aufweisen. In den letzten beiden Jahren wurde

5. MAI 2008

Mitwirkende

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Foto 06

Jugendorchester der Werkskapelle Laufen Gmunden-Engelhof mit Barbara Prammer und Walter Arlen

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sowohl in der Marschwertung als auch in der Konzert- wertung ein „ausgezeichneter Erfolg“ erspielt. Das Jugendorchester absolviert regelmäßig Auftritte.

Christa Schindlauer

ist die 1980 geborene Leiterin des Jugendorchesters.

Seit 2004 betreut sie – seit 2006 als Jugendreferentin – die Jugendarbeit der Werkskapelle Laufen. Frau Schind- lauer besucht den Lehrgang für die Kapellmeister- ausbildung bei Fritz Neuböck und arbeitet haupt- beruflich im Personalwesen in der Papierindustrie.

Walter Arlen und das Jugendorchester der Werkskapelle

Walter Arlen ist eine der letzten Persönlichkeiten, welche die brutale Vertreibung durch die National- sozialisten miterleben mussten, und die – wie so viele seiner Generation – die Wiener respektive österrei- chi sche Kultur in die Emigration mitnahmen und sich

mit großem Enthusiasmus dieser Tradition verpflichtet fühlten – trotz der ungeheuerlichen Erlebnisse und der Leiden, denen sie und ihre Verwandten ausgesetzt waren.

Im Zusammenhang mit dem Jugendorchester der Werkskapelle Laufen bot sich die Gelegenheit, im Rah- men eines Workshops eine Begegnung mit dem Kom- ponisten zu arrangieren, bei welchem auch die Präsidentin des Nationalrats Mag.aBarbara Prammer teilnehmen konnte. Walter Arlen erzählte aus seinem Leben, beantwortete Fragen der Kinder und diskutierte mit ihnen über die Kompositionen, welche doch erheblich von ihren Hörgewohnheiten abwichen.

Die Jugendlichen waren davon begeistert, wie Walter Arlen sich mit ihren Vorstellungen auseinandersetzte.

Walter Arlen war seinerseits beeindruckt von der Ernsthaftigkeit und Gewissenhaftigkeit der Proben- arbeit.

Weitere Informationen: http://www.wk-laufen.at/

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Mitwirkende

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Moderation:

Sandra Kreisler

(Biografie siehe Matinee, Seite 39)

5. MAI 2008

Legenden der Abbildungen:

Umschlag: Mahnmal für die Opfer vom Spiegelgrund auf dem Gelände des OWS (Otto-Wagner-Spitals) in Wien. Foto: Bernhard Kollmann

Foto 01 (Seite 15) Titel: Warschauer Ghetto

Beschreibung: Geige spielender Junge auf der Straße.

Autor: Heydecker, Joe J.

Signatur: #1565475-Cl 3131/2/30a –

Österreichische Nationalbibliothek / Bildarchiv Datierung: 03.1941

© ÖNB

Foto 02 (Seite 41)

Merkblatt: Kindertransport nach England

Archiv Nationalfonds: Merkblatt – Kindertransport, hg. von der Fürsorge-Zentrale der IKG Wien, 1938

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Foto 03 (Seite 42)

Titel: Jüdische Kinder treffen in London ein Beschreibung: Jüdische Kinder aus Berlin und Hamburg treffen in Waterloo Station in London ein.

Körperschaft: Keystone Signatur: #356237-S 52/11 –

Österreichische Nationalbibliothek / Bildarchiv Datierung: 02.02.1939

© BAA/OEGZ Foto 04 (Seite 42)

Titel: Ankunft von jüdischen Flüchtlingen aus Deutschland in England

Beschreibung: Eine jüdische Familie mit

Kinderwagen bei ihrer Ankunft in Southampton.

Körperschaft: Keystone Signatur: #356363-S 53/38 –

Österreichische Nationalbibliothek / Bildarchiv Datierung: 21.06.1939

© BAA/OEGZ

Foto 05 (Seite 44) Flüchtlingsschiff

Titel: 2000 österreichische Emigranten lassen sich in Shanghai nieder

Beschreibung: Jüdische Auswanderer treffen mit dem italienischen Dampfer

„Conte Verde“ in Shanghai ein.

Körperschaft: New York Times Photo Signatur: #356293-S 52/9 – Österreichische Nationalbibliothek / Bildarchiv

Datierung: um 1939

© BAA/OEGZ Foto 06 (Seite 57)

Jugendorchester der Werkskapelle Laufen Gmunden-Engelhof

© WK Laufen, Foto Josef Reiter

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Impressum:

Herausgeber: Parlamentsdirektion Wien Mitarbeit: Esther Deutsch, Julia Groiß, Marianne Gruber, Thomas Holzinger,

Christoph Konrath, Mirjam Langer, Maria Luise Lanzrath, Hannah M. Lessing, Renate S.

Meissner, Manfred Müller, Andrea Steiger Redaktion: Karl Megner

Druck: Fischer KG

Graphische Gestaltung: Bernhard Kollmann Wien, im Mai 2008

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Internetadressen:

Parlament:

http://www.parlament.gv.at/

Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus:

http://nationalfonds.org

Österreichische Gesellschaft für Literatur:

http://www.ogl.at/

Volkstheater:

http://www.volkstheater.at/

Referenzen

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