• Keine Ergebnisse gefunden

durch Sprach(en)wissen

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "durch Sprach(en)wissen"

Copied!
126
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

durch Sprach(en)wissen

Verein Projekt Integrationshaus

1020 Wien, Engerthstraße 161-163 Tel: 21 23 520Fax: 21 23 520 DW 19 http:\\www.integrationshaus.org e-mail:[email protected]

Dieses Projekt wurde durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur finanziert und unter Leitung von Dr.Susanna BUTTARONI durchgeführt vom:

(2)

I n h a l t

Heinz GRUBER: Vorwort 3

1. Maria DIPPELREITER: VIS – mehr als ein Akronym 5

2. Susanna BUTTARONI: Thematische Einführung 7

2.1 Das Projekt 7

2.2 Sprachwissenschaft und der Ansatz des „Interkulturellen Lernens“ 10

2.3 Das Lehr- und Lernkonzept 13

3. Susanna BUTTARONI, Ute WEIGL-BRABEC, Georg GOMBOS:

Qualitätskriterien für die Sprachvermittlung im Kindergarten 15

3.1 Sprachen und früher Sprachenerwerb 16

3.2 Die Rolle der Kindergartenpädagog/inn/en und der Sprachen im Kindergarten 26

3.3 Eltern und Öffentlichkeit 37

3.4 Didaktische Rahmenbedingungen 38

3.5 Beruflicher Status 40

4. Gabriele KHAN-SVIK: Fragebogenerhebung zur Einstellung von

Beschäftigten im Kindergarten zu Einsprachigkeit und Mehrsprachigkeit 42

4.1 Zur Situation in österreichischen Kindergärten 42

4.2 Die Forschungsfrage 43

4.3 Durchführung der Fragebogenerhebung 44

4.4 Beschreibung der Stichprobe 44

4.5 Gruppierung der Variablen zu den Dimensionen 54

4.6 Zusammenhänge und Beeinflussungen 56

4.7 Resümee 59

4.8 Literatur 60

5. Maria-Magdalena SEHER: Zwei- und mehrsprachige Kindergärten in Kärnten.

Arbeitsbedingungen und Konzepte aus der Sicht des Betreuungspersonals (Aus- wertung der Ergebnisse aus einer Diplomarbeit) 62

5.1 Inhaltliche Beschreibung 62

5.2 Wichtigste Ergebnisse 63

5.3 Empfehlungen 66

(3)

6. Marianne ERASIMUS, Christina HABERLEITNER, Ute WEIGL-BRABEC, Claudia WIMMER: Unterrichtsmodule für den Didaktik- und Praxisunterricht

an Bildungsanstalten 68

6.1 Einleitung 68

6.2 Mehrsprachigkeit 69

6.3 Eine Fremdsprache im Kindergarten 74

6.4 Interkultureller Kontext: Aktivitäten zum Themeneinstieg 83

6.5 Resümee 92

6.6 Anhang: Arbeitsmaterialien 92

7. Susanna BUTTARONI, Marianne ERASIMUS, Georg GOMBOS, Christine HABERLEITNER, Gabriele KHAN-SVIK, Andrea POLLAK-HÖRTENHUBER, Ute WEIGL-BRABEC, Claudia WIMMER: Literatur für Kindergarten-

pädagog/inn/en 99

7.1 Einführung 99

7.2 Weitere empfohlene Werke 100

8.

Maria DIPPELREITER: Weitere Literaturhinweise, (Online)-Ressourcen und Datenbanken zum Thema „Vorschulische Integration

durch Sprach(en)wissen“ 113

8.1 Literatursuche – Strategien, Phasen, Arbeitsweisen 113

8.2 Publikationen in Papierform 114

8.3 Online-Ressourcen 116

8.4 EPMP-Ressourcen 119

9. Klaus DIEMERT: Schlusswort 120

10. Hinweise zu den Autor/inn/en 122

(4)

Heinz GRUBER Vorwort

Die österreichische Bundesregierung legte im Abschnitt „Umfassende Integration“ auch jene Zielsetzungen fest, die als Beitrag des Bildungssystems zur Integration von Migrant/inn/en gelten können. Dem Erwerb guter Sprachkompetenzen und der Sprachförderung soll Vorrang gegeben werden, um eine sprachlich-soziokulturelle Integration „von Anfang an“ zu garantieren. Bereits an zweiter Stelle wird genannt, dass schon im Kindergarten kindgemäße Sprachförderungsprogramme geschaffen werden sollen.

In einem Vortrag an den Ministerrat wurden diese Zielsetzungen konkretisiert, woraus ein Arbeitsprogramm des Bildungsministeriums abgeleitet wurde. Obwohl im Ressort keine Zuständigkeit für Kindergärten gegeben ist, stellt die Ausbildung der Kindergärtner/innen1 sehr wohl einen bedeutenden Ansatzpunkt für die pädagogische Ausrichtung des Kindergartens dar.

Bildung braucht im Spannungsfeld von Regionalismus, Nationalkultur und Globalisierung die Dimension „Identitätsbildung“ – Sprache ist kein isoliertes Merkmal sondern in einen kom- plexen kulturell-sozialen Hintergrund eingebettet. Im Zentrum der Maßnahmen des Bundes- ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur steht daher die Annahme, dass

„sprachliche und kulturelle Integration durch fördernde und identitätsstärkende Maßnahmen gelingt“. Wegen seiner intensiven praktischen und theoretischen Beschäftigung mit der Thematik wurde der „Verein Integrationshaus“ mit dem Projekt zur Pädagogischen Tatsachenforschung („Vorschulische Integration durch Sprach(en)wissen“) beauftragt.

Je besser es in der vorschulischen Erziehung – als der sensiblen Phase der Entwicklung - gelingt, den Spracherwerb zu fördern, umso besser sind die anschließenden Bildungserfolge.

Die Kinder sind dann in weiterer Folge oft Vermittler und „Animateure“ für die Eltern, ebenfalls die deutsche Sprache zu erlernen. Aufgeschlossene Kindergarten- und Schulgemeinschaften bemühen sich, auf den Prinzipien des interkulturellen Lernens aufbauend, das Lernen zwischen den Generationen zu intensivieren und damit Schwellenängste und Barrieren zur Erwachsenenbildung und zum Lebenslangen Lernen abzubauen.

1 - Hinweis: Für den gesamten Text findet der §16 (“Sprachliche Gleichbehandlung”) des mit BGBl Nr. 94/2001 veröffentlichten Frauenförderungsplanes Anwendung

(5)

Bei der Gestaltung der Sprachförderung sucht das BMBWK auch den Dialog mit den Kirchen, den Wissenschaftern, den Sozialpartnern, den Gebietskörperschaften und den Nicht- Regierungsorganisationen.

Die in diesem Projekt dargestellten Ergebnisse inkludieren Aufträge für alle Bezugspartner denn – um mit dem österreichischen Lehrer, Dichter und Aphoristiker Ernst FERSTL zu sprechen - „Das Erreichen eines Zieles ist etwas Vorübergehendes, das Auf-dem-Weg- Bleiben eine lebenslange Aufgabe.“

(6)

1.

Maria DIPPELREITER

Vorschulische Integration durch Sprach(en)wissen: Mitgestalten am „Haus des Seins“

Die österreichische Bundesregierung formulierte als Anliegen im „Regierungsvorhaben im Arbeitsübereinkommen für die 21.Legislaturperiode“ unter der Projektnummer „0093, Sub- projektnummer 02, BMBWK“ Maßnahmen, die vom Bildungsressort (innerhalb seiner Zuständigkeit für die Aus- und Fortbildung von Kindergartenpädagog/inn/en“) gesetzt werden:

unter dem Stichwort „Interkulturelle Kindergarten-Bildungsarbeit mit dem Schwerpunkt Sprachförderung“ waren die Erarbeitung neuer Modelle und die Sammlung kindergartenpädagogischer Konzepte genannt

unter „Aus- und Fortbildung“ wurden als Desiderata Angebote zur Realisierung des Unterrichtsprinzips „interkulturelle Bildungsarbeit“ und die Konzeption geeigneter Fortbildungsmaßnahmen formuliert.

Das war ein Beginn, um bestehenden Anliegen wirksam zum Durchbruch zu verhelfen:

Information wurde dringend benötigt, vorhandene Erfahrungen sollten reflektiert werden können. Wenn der Lehrplan der Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik (beispielsweise für den Unterrichtsgegenstand Pädagogik in der 5.Klassezur Thematik „Interkulturelle Erziehung“) durch das Formulieren von Bildungszielen zu realisieren ist, so könnte ein Grobziel lauten „Die Schüler/innen sollen theoretischen Input zum Thema interkulturelle Kindergarten-Bildungsarbeit unter dem Schwerpunkt Sprachförderung erwerben und ihn mit praktischen Erfahrungen verbinden“. Ein solches Grobziel wäre zumindest eine

„pädagogische Absichtserklärung“. Sehr oft gerät – bei allen guten Absichten – aber schon hier die Bildungs- und Lehrarbeit ins Stocken: Wie erwerbe ich selbst, als Lehrer/in bzw. als Übungskindergärtner/in, die Kompetenzen für eine zeitgemäße und sachrichtige Realisierung dieser Ziele?

Um für Lehrende einschlägige Fortbildungsveranstaltungen zu organisieren und dabei die Situation im Berufsfeld darzustellen, fehlte es sowohl an Belegen („Wo und wie erfolgt interkulturelle Bildungsarbeit unter dem Aspekt der Sprachförderung?“) als auch an wissenschaftlich begründeten präskriptiven Aussagen („Was könnten aus Sicht der

(7)

Sprachwissenschaft und der Interkulturellen Pädagogik unsere Leitlinien sein?“), die Orientierung für pädagogisches Handeln hätten sein können.

Wir waren von Anfang an von eindeutigen Absichten geleitet:

eine theoretische Annäherung an das Thema (durch Auseinandersetzung mit den hier vorgestellten Positionen des Forscher-Teams) bieten zu wollen

zum Weiter-Lesen „anzustiften“ (Fachliteratur zum Thema wird vorgestellt)

als Aufforderung zur Beobachtung interkultureller Bildungsarbeit allgemein und speziell (unter den hier vorgestellten und erweiterbaren Kriterien)

eine „Initialzündung“ zum Ausprobieren von Unterrichtssequenzen oder –einstiegen (durch hier vorgestellte Spiele für die Schüler/innen an den Bildungsanstalten) auszulösen

„Wie viele Sprachen braucht ein Kind - wann und auf welche Art soll es diese zu lernen beginnen?“ Diese Frage war Ausgangsbasis unserer Arbeit. Und sie stellte sich in verschiedenen Zusammenhängen: „Was gilt für Englisch und Französisch im Kindergarten....?“, „Welche sprachdidaktischen und pädagogischen Initiativen braucht die vorschulische Eingliederung von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache..?“ ; diese zwei Themenstellungen verlangten ganz unterschiedliche Zugangsweisen. Und doch war etwas allen diesen Fragen gemeinsam: Es zeigte sich rasch, dass es um weit mehr als nur um

„Sprache“ im Sinne von „Verständigungsmittel“ geht.

Martin HEIDEGGER beispielsweise bezeichnet Sprache als „das Haus des Seins“. Was bedeutet das für ein Kind beliebiger Herkunft, das seine Sprache und Identität inmitten

„anderssprachiger“ Kinder im Kindergarten als ein „Schneckenhaus des Seins“ mit sich herumträgt? Wie können wir als Pädagog/inn/en „das Haus des Seins“ vergrößern helfen ohne einfach nur neues Sprachwissen überzustülpen und mitgebrachtes Wissen in einen

„Abstellraum“ zu verbannen? So gesehen wäre vorschulische Integration durch Sprach(en)wissen das wertschätzende Erweitern (nicht das unsensible Abwerten) eines (Er)lebensraumes. Solides Sachwissen und gelebte Menschenfreundlichkeit – mehr braucht es nicht, um ein tragfähiges Fundament zu einem „Haus des Seins“ für die heranwachsende Generation zu schaffen; das nötige Sachwissen wird durch die Autor/inn/en eröffnet – „Menschenfreundlichkeit“ anzustreben bleibt unser gemeinsamer Auftrag!

(8)

2. Susanna BUTTARONI Thematische Einführung

2.1 Das Projekt

Die vorliegende Publikation ist eine Sammlung von Materialien zur Fortbildung von Kinder- gartenpädagog/inn/en. Sie entstand im Rahmen des einjährigen Projektes „Vorschulische Integration durch Sprach(en)wissen”2. Ziel des Projektes war die Förderung der Mehr- sprachigkeit (Erwerb der L2 und von Fremdsprachen bei gleichzeitiger Förderung der L1) bereits im Kindergarten.

Die im Projekttitel erscheinenden Begriffe drücken wesentliche Aspekte der dahinter stehen- den Lern- und Lehrkonzepte aus. Die Bezeichnung „vorschulisch“ wird hier ohne Bezug- nahme auf das Bildungsangebot „Vorschule“ und nur in Bezug auf die betreffende Erziehungszeit angewendet - sie ist also als „Kindergartenzeit”, aber auch einfach als

„Lebenszeit des Kindes vor der Schule” zu verstehen. Die Autor/inn/en wollten die Proble- matik der Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit vom Gesichtspunkt des natürlichen Sprach(en)erwerbs aus betrachten, da dieser unverzichtbare Hinweise für die optimale Entwicklung der frühen Mehrsprachigkeit liefert. In diesem Kontext werden institutionelle Aspekte - die wohl auch eine entscheidende Rolle spielen mögen - zum Zweck der Einfachheit und Klarheit der Behandlung also beiseite gelassen.

In jedem einzelnen Anwendungskontext eine genaue und eindeutige Definition des Begriffs

„Integration” zu liefern scheint uns in den letzten Jahren der westeuropäischen Geschichte wichtiger denn je geworden zu sein, selbst bei allen Einschränkungen, die die Knappheit einer kurzen Definition aufzwingt. So entspricht unsere Interpretation von „Integration“ einem Prozess des gegenseitigen, respektvollen und aktiven Kennenlernens, der von den Mitgliedern zweier unterschiedlicher Kulturen, die zusammen leben, in die Wege geleitet und durchge- führt wird. Dabei sollen keine bestimmten, abschließenden Ergebnisse erwartet werden, viel- mehr kann der Integrationsprozess als Entwicklung von gegenseitigen und kontinuierlichen Annäherungsinitiativen betrachtet werden. Unsere Auffassung von „Integration“ steht also im eindeutigen Gegensatz zur Interpretation von „Integration” als bloße Anpassung der

(9)

schwächeren Mitglieder einer Gesellschaft - in unserem spezifischen Fall also Migrant/inn/en und Flüchtlinge - an die in der Mehrheitsgesellschaft herrschenden Sitten.

Eine schematische Gegenüberstellung der herkömmlichen Auffassung von Integration und der dementsprechenden meist angewandten pädagogischen Praxis im Kindergartenbereich einerseits, und andererseits des im Projekt geltenden Integrationskonzeptes erscheint in Tabelle im Folgenden3:

Gegenüberstellung der herkömmlichen Auffassungen und Praxis von “Integration” und denjenigen, die im Projekt gelten.

Herkömmliche

Auffassung von „Integration”{PRIVATE}

im Kindergartenbereich

Im Projekt geltende Auffassung von „Integration”

im Kindergartenbereich

Aufnahme von Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache; Eingliederung in den Regelkindergarten.

Gleichberechtigtes Leben und Lernen im Kindergarten.

Zwei-Gruppen-Theorie (Kinder mit Erstsprache Deutsch und Kinder anderer Erstsprache).

- Theorie einer heterogenen Gruppe.

Reduzierte und parzellierte Bildungsinhalte bei Kindern mit anderer Erstsprache als Deutsch.

Kooperation am gemeinsamen Gegenstand in Projekten.

Ressourcen für Kinder mit anderer Erstsprache als Deutsch.

- Ressourcen für die Kindergartengruppe.

Individuelle Curricula für Einzelne;

Förderung von Deutsch für Kinder mit anderer Erstsprache.

- Individualisiertes „Curriculum für Alle”;

Mehrsprachigkeit.

Fokus auf die betreffenden Kinder mit anderer Erstsprache als Deutsch.

- Fokus auf die ganze heterogene Gruppe.

Muttersprachliche Betreuer/innen als Unterstützung für Kinder mit anderer Erstsprache als Deutsch.

Zwei- bzw. Fremdsprachige Betreuer/innen als selbstständige und gleichberechtigte

Kindergärtner/innen bzw. als Unterstützung für Gruppen und Kindergärtner/innen.

2 Das Projekt wurde 2001-2002 von einem Team von Expert/inn/en in Sprachwissenschaft, Pädagogik und Didaktik unter der Koordination vom Verein “Projekt Integrationshaus” finanziert durch das österreichische Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Abt. V/9a) durchgeführt.

3 Die Tabelle ist die bearbeitete Version eines Schemas, das im folgenden Artikel erschienen ist: ZETTL, Monika, WETZEL, Gottfried & SCHLIPFINGER, Verena. 2001. “Qualität der Integration von Kindern mit erhöhtem Förderbedarf im Kindergarten – Hält der Inhalt, was die Verpackung verspricht?”. Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft, Nr. 3-4 [63-72].

(10)

„Sprach(en)wissen“ ist hingegen eine absichtlich mehrdeutige Bezeichnung, die sich auf unterschiedliche Wissensformen im sprachlichen Bereich bezieht. Als Gegenstand dieses Wissens betrachten wir sowohl die Erstsprache4 (L1) als auch weitere Sprachen (L2), die auf natürlicher Weise durch menschliche Kontakte und Kommunikation erworben werden (also nicht im Unterricht oder durch bewusstes Lernen beherrscht).

Die L1 und die L2 sind jedoch mit unterschiedlichen Formen von Wissen verbunden: Das implizite Wissen über die L1, das jeder Mensch besitzt5, wird ohne ausdrücklichen Unterricht gewonnen6, ist unbewusst und bleibt normalerweise unbewusst. Es gibt zwar Personen, die sich gelegentlich für die Herkunft eines Wortes interessieren und darüber nachdenken; es existieren auch Menschen wie die Linguist/inn/en, für die Überlegungen über die L1 (aber meistens über andere Sprachen auch) das ganze berufliche Leben ausmachen. - für die meisten Personen jedoch sind Wörter bloße Kommunikationsmittel, über die nicht viel nachgedacht wird.

Es ist hingegen öfter der Fall, dass sich ein Erwachsener an gewissen Elementen einer für ihn noch neuen Sprache Interesse findet, zum Beispiel an neuen Wörtern, die ganz ähnlich oder vielleicht ganz anders klingen als in der Erstsprache. Nur Personen, die einen eher

„schulischen“ Ansatz zur L2 haben, stellen sich Fragen über die Regeln der L2. Kinder im Vorschulalter, die gerade eine L2 erwerben, mögen wiederum vielleicht bewusste Vergleiche zwischen Wörtern aus den beiden Sprachen anstellen, kaum aber zwischen sprachlichen Regeln.

Die Behauptung der im Projekt tätigen Autor/inn/en ist nun, dass jede Form von sprachlichem Wissen - sei es bewusst oder unbewusst, möge es die L1 oder die L2 betreffen - dazu beitragen kann, in der betreffenden Gesellschaft „Integration“ zu verwirklichen, und zwar in dem oben erwähnten menschengerechten, demokratischen und solidarischen Sinne des Wortes.

Wie kann sich das (un)bewusste Wissen über eine oder mehrere Sprachen auf die Integration von Kindern im Vorschulalter positiv auswirken? (Somit sind wir bei der Erklärung für das Wort „durch” im Projekttitel angelangt).

4 In der Literatur durch “L1” abgekürzt und gewöhnlich auch als “Muttersprache” bezeichnet, mit einer Definition, die wir aber ungenau finden.

5 Ausnahme: Personen mit Sprachstörungen, die mit einer Krankheit oder Traumata verbunden sind.

6 Der Behauptung, dass die Erstsprache “durch” die Zuneigung von Erwachsenen erworben werde, können unzählige Gegenbeispiele entgegengesetzt werden. Dazu siehe die betreffende Literatur in Teil 4,

“Literaturhinweise”.

(11)

Die gemeinte Auswirkung ist natürlich nicht unmittelbar. Wie in jeder sozialen Umgebung, die sich für Bildung zugänglich macht, wird jedoch hier auch ein erweiternder Effekt erwartet, die in diesem Kontext die Auffassung von „Kultur“, „Zivilisation“, „menschliche Ressourcen“ und schließlich „erforderliche Sprachenpolitik“ betrifft. Dazu nur ein einziges Beispiel: Wird die Komplexität bestimmter afrikanischer Sprachen mit der Schlichtheit bestimmter Aspekte des Englischen (Wortformen, Satzbau) verglichen, wird wahrscheinlich etwas mehr „Respekt“ gegenüber Menschen hervorgerufen, die z.B. Kikuyu7 als L1 haben.

Werden nämlich Sprachen nach ihrer Struktur analysiert, erweisen sich Bezeichnungen wie

„primitiv“ bei der Betrachtung der hohen Komplexität jedes Sprachsystems im besten Fall als fehl am Platz. Was bei der Analyse von Sprache(n) hingegen entsteht (oder entstehen sollte) ist eine tiefe Beachtung der kognitiven Ressourcen des Menschen, ein lebhaftes Interesse für seine Fähigkeit, diese Ressourcen an immer wieder neue Anreize anzupassen (z.B. beim Erwerb neuer Sprachen) und möglicherweise auch der Wunsch, den Menschen bei seinem Abenteuer in neuen sprachlichen und kulturellen Welten im Geiste zu begleiten, um die Entfaltung seiner neu entwickelten und potentiellen Ressourcen zu verfolgen. Um eine einem unserer Autor/inn/en nahe stehende Bezeichnung zu verwenden8, bieten also Überlegungen über das Phänomen „Sprache“ und die damit verbundenen Erscheinungen eine einmalige

„Bildungschance“ zur Entwicklung einer intellektuell höher entwickelten und gerechteren Gesellschaft.

Dass mit dieser Bildungschance ein unschätzbares intellektuelles und soziales Potential verbunden ist entspricht einer weiteren Annahme des Projektteams, die sich im Projekt- akronym („VIS”) verbirgt: in der lateinischen Sprache ist dies das Wort für „Kraft“.

2.2 Sprachwissenschaft und der Ansatz des „Interkulturellen Lernens“

Den Autor/inn/en ist bewusst, dass die mehrsprachige Erziehung den Pädagog/inn/en komplexe und vielschichtige Fragen stellen, wie z.B.:

“Die Erst- und die Zweitsprache interagieren in der kognitiven Entwicklung des Kindes: Wie kann ich diesbezüglich mit mehrsprachigen Kindern in meinem Kindergarten am besten umgehen?”

7 Kikuyu ist eine Bantu-Sprache, die in Kenya gesprochen wird.

8 Vgl. das Projekt “Bildungschance” zur Fortbildung von Kindergartenpädagog/inn/en, von Georg GOMBOS (Universität Klagenurt) koordiniert und vom österreichischen Bundeskanzleramt gefördert (1999-2002).

(12)

“Auch die Kultur des Herkunfts- und des Zielsprachenlandes wirken sich in der Sozialisation des Kindes aufeinander aus: Wie kann ich Elemente der betreffenden Kulturen allen Kindern meiner Gruppe am besten vermitteln?”.

Auf solche Fragestellungen können kaum definitive, im optimalen Ausmaß differenzierte bzw. vollständige Antworten geliefert werden. Was aber im Rahmen einer Publikation wie dieser geleistet werden kann ist, Pädagog/inn/en aus dem Kindergartenbereich einen Ansporn zu bieten, sich mit den überaus aktivierenden Fragen des Spracherwerbs, der interkulturellen Erziehung und auch der optimalen Organisation des Sprachenangebots im Kindergarten- system intensiver zu beschäftigen, um die didaktische Praxis mit noch mehr Selbstsicherheit und besserem Erfolg gestalten zu können.

Ein wesentlicher Beitrag zur Entwicklung der frühen Mehrsprachigkeit in einem integrations- fördernden sozialen Kontext wird von der Kooperation zwischen verschiedenen, aber miteinander verbundenen Wissenschaftsbereichen auf der Ebene der Ausbildung von Päda- gog/inn/en, der Bildungsorganisation und der Entwicklung von Curricula erwartet (vgl.

BUTTARONI 1997, 2001; BUTTARONI & PAULA 19999).

Die Sprachwissenschaft, und zwar sowohl der Bereich, der sich mit der Analyse der Sprache

„an sich” befasst (d.h., die „theoretische Linguistik”), als auch der Bereich, der die Ent- wicklung der Sprachfähigkeit erforscht (die „Psycholinguistik”), kann Pädagog/inn/en bei Fragenstellungen unterstützen, die in der alltäglichen didaktischen Praxis von wesentlicher Bedeutung sind. Im Unterschied zu dem, was oft vom Hörensagen in Bezug auf Sprache nur behauptet wird (z.B. “Latein ist eine strukturierte Sprache. Mein Kind soll also Latein lernen, damit es gescheiter wird”), kann die Sprachwissenschaft fundierte Informationen liefern, die zur Klärung des grundsätzlichen Problems “Woraus besteht die Fähigkeit, sich in einer bestimmten Sprache auszudrücken?” und der vielen daraus abzuleitenden Fragen zumindest zum Teil beitragen können. Davon hängen Entscheidungen seitens Eltern und Pädagog/inn/en ab, die das Leben eines Kindes im Kindergartenalter wesentlich beeinflussen können. Aus der Perspektive eines serbischsprachigen Kindes in Österreich betrachtet, könnten diese Fragen z.B. konkret wie folgt lauten:

9 BUTTARONI, Susanna. 1997. Fremdsprachenwachstum. Ismaning: Hueber; ders. 2000. “Früher Mehrsprachigkeit: Bedarf und Möglichkeiten”. ÖDaF-Mitteilungen 1. Wien. [24-38]; dies. und PAULA, Andreas (Hg.). 1999. Ehe, Berge und schwarze Katzen. Meran: Alpha&Beta.

(13)

“Zu Hause höre ich serbisch, im Kindergarten aber fast immer deutsch, manchmal auch andere Sprachen. Im Kindergarten kann ich mit Milica und Roman auch serbisch sprechen.

Die Erwachsenen dort haben mir aber gesagt, dass ich serbisch nicht sprechen darf. Warum denn, wenn Milica und Roman mich dadurch sehr wohl verstehen?”

“Warum wiederholen die Erwachsenen im Kindergarten immer wieder, was ich sage? Und warum verlangen sie manchmal von mir, dass ich wiederhole, was ich ohnehin schon ganz deutlich gesagt habe?”

Heutzutage lässt sich die europäische Gesellschaft nicht mehr in Termini von einsprachigen

„nationalen Völkern” beschreiben. Dies erfolgt nicht nur durch zunehmende Reisefähigkeit und -genuss ihrer wohlhabenderen Mitglieder, sondern auch wegen einer sich allgemein ver- stärkenden, beruflich oder politisch begründeten Mobilität, wie es bei Migrant/inn/en bzw.

Flüchtlingen der Fall ist. Anhand des Kontaktes mit dem „Anderen“ entstehen bei Kindern Fragen, die oft in der didaktischen Praxis als problematisch dargestellt werden, z.B.:

“Warum wird mir manchmal im Kindergarten gesagt, ich soll etwas nicht machen, das bei mir zu Hause wohl niemanden stört?”

“Warum feiere ich an bestimmten Tagen Feste zu Hause mit meinen Eltern und ihren Freunden und an ganz anderen Tagen im Kindergarten?”

Dazu gibt es positive Antworten aus den persönlichen Erfahrungen zahlreicher Päd- agog/inn/en sowie aus der betreffenden Literatur: Die bewusste und reflektierte Wahr- nehmung dieser in den europäischen Ländern noch relativ neuen Vielfältigkeit führt zu einer differenzierteren, sensibleren und toleranteren Auffassung unserer sich so schnell ändernden Welt. Durch den Ansatz des „interkulturellen Lernens” - ein Begriff, der sich erst in den letzten Jahrzehnten in der Didaktik durchgesetzt hat - wird eben versucht, aus unterschiedlichen kulturellen Erfahrungen Elemente, Ansätze und Perspektiven „heraus lernen” zu lassen, die die Entwicklung einer demokratisch orientierten, respektvollen Einstellung anderen Weltkulturen gegenüber fördern können.

(14)

2.3 Das Lern- und Lehrkonzept

Aus den beiden Bereichen „Sprachwissenschaft“ und „Interkulturelles Lernen“ stammen die theoretischen und didaktischen Voraussetzungen für das Entstehen des Projektes, das die vorliegende Materialiensammlung hervorgebracht hat.

Zu dieser Einführung gehört nun auch zumindest eine kurze Darlegung des Lern- und Lehrkonzeptes, auf dem die hier angebotenen (sprach)didaktischen Empfehlungen beruhen.

Die relevantesten Aspekte dieses Konzeptes sollen also im Folgenden kursorisch angegeben werden:

Beim Kind ergibt sich Spracherwerb in natürlicher Form: es handelt sich um ein Wachstumsprozess. In Bezug auf Kommunikationsfähigkeit ist der Mensch mit kognitiven Ressourcen ausgestattet, die kein Tier - selbst wenn hoch entwickelt, wie z.B. Schimpansen - besitzt. Nur der Mensch kann ein so komplexes Kommunikationsmittel wie die Sprache kreativ anwenden: es gibt keine Vergleichsbasis z.B. mit Äußerungen, die Papageien wieder- holen, mit Befehlen, die bestimmte Affen befolgen (z.B. „Gib mir...!“), oder Wünschen, die sie ausdrücken können (z.B.: „eine Banane essen“).

Der Erwerb der L1 - und unter natürlichen Bedingungen jeder L2 auch - beginnt unbewusst und lässt sich nur zum Teil steuern: die sprachwissenschaftliche Analyse hilft dabei festzu- stellen, was unbewusst ist und bleibt (die Anwendung struktureller Aspekte: z.B., Grammatik, Intonation), und was hingegen von der Außenwelt verändert werden kann (inhaltliche Elemente: z.B. Wortschatz, Stil).

Verglichen mit dem erwachsenen Menschen ist das Kind bis zu einem gewissen Alter (die so genannte „kritische Zeit”, die - grob definiert - der Pubertät entspricht) besonders und auf besondere Weise flexibel, was der Erwerb von Sprache betrifft. Studien, die auch Sprach- störungen betreffen, belegen dies. Abweichungen von dieser allgemeinen Regel („Ich kenne einen Erwachsenen, der 7 Sprachen spricht“) sind genau zu überprüfen (siehe hier unten).

Die Flexibilität beim Spracherwerb gilt ebenso in Bezug auf die Fähigkeit, zusätzliche Sprachen (L2) zu erwerben. Für Erwachsene gelten jedoch Einschränkungen, die in bestimmten Sprachbereichen (Aussprache, Intonation, Wortformen) besonders auffällig sind.

(15)

Der Erwerb zusätzlicher Sprachen in Kindesalter erfolgt - grob betrachtet - nach ähnlichen Verläufen wie der Erwerb der Erstsprache. Diese Ergebnisse aus Studien der 60er Jahre (in und über Englisch, aber auch über Deutsch und andere, meist westeuropäischen, Sprachen) werden anhand sprachspezifischer Daten präzisiert, je mehr über den Erwerb anderer Sprachen erfahren wird.

Kinder, die in einer zweisprachigen Umgebung aufwachsen, neigen dazu, sich ohne beson- dere Mühe beide Sprachen anzueignen. Kommen sie mit mehreren Sprachen in Kontakt und liefert die Kommunikation in diesen Sprachen ausreichend Informationen darüber (genug Wörter und genug Sprachstrukturen, mit einem englischen Wort ausgedrückt genug „Input”), entwickeln sie spontan auch in diesen Sprachen eine hohe Kompetenz.

Die außerordentliche Fähigkeit von Kindern, mit Sprache(n) umzugehen, schafft nicht selten der Erwachsenenumgebung Probleme:

wissen die Kinder mehr als die Erwachsenen (Eltern, Lehrer/inn/en), fehlt den letzteren ein wesentliches Kontrollinstrument;

verglichen mit einsprachigen Gleichaltrigen zeigen manche mehrsprachige Kinder Lücken in bestimmten Sprachbereichen: es fehlen Mittel zu einer passenden Diagnostik („Was fehlt in seiner/ihrer Sprache? Warum?“) und Ressourcen für eine adäquate Intervention („Was tun?

Wie? Wann? Wie oft?“).

Das ideale Mehrsprachigkeitsmodell sieht das Angebot mehrerer Sprachen in einer natürlichen Umgebung vor. Auch Sprachen, die kein hohes ökonomisches bzw. soziales Prestige aufweisen (wie z.B. eine „Migrant/inn/en-Sprache“), sollten in dieses Mehrsprachig- keitsmodell übernommen werden, wenn sie zur sozialen Realität des Kindes gehören (Kommunikationssituationen im Kindergarten und in der Freizeit) bzw. zur Realität der Gesellschaft, in der das Kind lebt (vgl. DJI-Projekt in Deutschland 1999-200010).

H i n w e i s: Den Leser/inne/n ist das Projektteam für Kommentare und Anregungen dankbar. Sie können an den Verein “Projekt Integrationshaus” (z.Hd. Dr. Susanna BUTTARONI Engerthstraße 161-163,1020 – Wien E- mail: [email protected]) gesendet werden.

10 BERG, Ulrike, JAMPERT, Karin & ZEHNBAUER, Anne. 2000. “Weihnachten, Bayram und Oktoberfest.

Kulturenvielfalt aus der Perspektive von Kindern.” In: Deutsches Jugendinstitut (Hg.). Das Forschungsjahr 2000. [21-34]

(16)

3. Susanna BUTTARONI, Georg GOMBOS, Ute WEIGL-BRABEC Qualitätskriterien

11

für die Sprachvermittlung im Kindergarten

In Österreich finden wir eine Reihe von Kindern, die mit einer nicht-deutschen Sprache in die Kindergärten kommen. Ihre sprachliche Förderung in Deutsch, in ihrer Erstsprache und in vielen Fällen noch in einer weiteren Sprache wie Englisch oder Italienisch sollte bereits im Kindergarten ansetzen.

Es stellen sich eine Reihe von Fragen, wie Kindergartenpädagog/inn/en, -helfer/innen und –didaktiker/innen am besten mit einer mehrsprachigen Gruppe vorgehen sollten, welche didaktischen Prinzipien sie beachten sollten. Dabei gilt es, Aspekte des Erstspracherwerbs, Zweitspracherwerbs und des Fremdspracherwerbs zu berücksichtigen.

Der vorliegende Text versucht anhand von oft gestellten Fragen kurze und klare Antwor- ten aus der Sicht der Spracherwerbsforschung und der interkulturellen Pädagogik zu geben sowie didaktische Richtlinien für die Förderung der frühen Mehrsprachigkeit zu bieten. Er ist in folgende thematische Abschnitte gegliedert und innerhalb der Abschnitte in einzelne Fragen gegliedert:

Sprachen und früher Spracherwerb

Die Rolle der Kindergärtner/inn/en und der Sprachen im Kindergarten Eltern und Öffentlichkeit

Didaktische Rahmenbedingungen Beruflicher Status.

Literaturhinweise dazu finden sich in der kommentierten Literaturliste an anderer Stelle im vorliegenden Materialpaket.

11 Die Autor/inn/en bevorzugen den Ausdruck „Qualitätskriterien“ gegenüber dem gewöhnlich gebrauchten und etwas absolut klingenden Ausdruck „best practice criteria“.

(17)

3.1 Sprachen und früher Sprachenerwerb

3.1.1 Wie viele Sprachen hat ein Kind?

Jeder Mensch ist von der Natur bereits bei der Geburt zur Entwicklung eines Sprachsy- stems „vorbereitet“. Die sprachliche Fähigkeit, die genetisch vorbestimmt ist, braucht je- doch ausreichend sprachliches Material, um aktiviert zu werden: diese Entwicklung ähnelt also einem Baum, der an unterschiedlichen Stellen Nahrung (Wasser, Mineralien, Sonnen- energie) aufnimmt. Vorausgesetzt, dass das Kind im ausreichenden Ausmaß Kommunika- tion in einer Sprache erlebt, „wächst“ also die Erstsprache (L1) schnell und in einem ähn- lichen Zeitraum bei allen Kindern.

Das Sprachsystem findet durch Informationen über mehrere Sprachen ebenso „Nahrung“.

Der Sprachbaum wird dadurch nicht schwächer, im Gegenteil: die Verästelungen vermehren sich und eine neue „Baumvarietät“ entsteht: ein zwei- oder mehrsprachiger Mensch. Solche Menschen sind alles andere als rar auf unserer Welt: mehrsprachig oder zumindest zweisprachig sind die meisten Menschen. Dabei soll nicht nur an Personen, die viel reisen, oder an Bevölkerungen der Grenzregionen gedacht werden. Die meisten afrikanischen und viele asiatische Länder sind mehrsprachig, selbst wenn es nur eine oder zwei offiziell anerkannte Sprachen gibt.

Im Prinzip können wir also sagen, dass ein Kind mehrere Sprachen „hat“, wenn wir ihm mehrere Sprachen zukommen lassen.

3.1.2 Warum mehr als eine Sprache?

Die Fähigkeit, in mehreren Sprachen zu kommunizieren, bringt dem Kind keinerlei Nach- teil, sondern ausschließlich viele Vorteile. Die praktischen Vorteile in einer Welt, die von einer immer ausgeprägteren Mobilität gekennzeichnet ist, sind naheliegend. Weniger be- kannt ist die – seit einigen Jahrzehnten empirisch unterstützte - Tatsache, dass sich das zwei- bzw. mehrsprachige Kind in Bezug auf seine kognitive Entwicklung als offener und flexibler in der Kommunikation und für sprachliche Phänomene sensibler, geschickter und kreativer erweist. Unterschiedliche Sprachen bieten ihm außerdem Zugang zu unter- schiedlichen Kulturen, was dazu beiträgt, dass die Weltanschauung des kleinen Menschen breiter und großzügiger wird.

(18)

3.1.3 Wie viele Sprachen erträgt ein Kind?

Was als Beantwortung der Frage 2. gesagt wurde, leitet zur Antwort auf Frage 3. über: Ein Kind im Kindergartenalter kann zwei, drei, vier und – im Prinzip – noch mehr Sprachen

„ertragen“. Vom quantitativen Gesichtspunkt betrachtet, weist die Sprachfähigkeit sogar einen Verstärkungseffekt auf: Je mehr (und unterschiedlichere) Sprachen eine Person kann, desto einfacher wird es für sie, weitere Sprachen zu erwerben. Daraus folgt, dass die Annahme, dass es im Kopf des Kindes quasi „nur Platz für eine Sprache“ gäbe, absolut unbegründet ist.

Wesentlich ist aber dabei auch die Frage, wie das Kind mit diesen Sprachen in Kontakt kommt: unter welchen sozioökonomischen und psychologischen Bedingungen, von wem und wie vermittelt, womit assoziiert, mit welcher Kontinuität usw. In Abhängigkeit von diesen einzelnen Faktoren kann der Erwerbserfolg sehr unterschiedlich sein. Der Punkt ist hier also nicht, dass das Kind von der Quantität der Sprachen überfordert wird, sondern dass die Rahmenbedingungen, unter denen der Erwerb der jeweiligen Sprachen erfolgt, entscheidend sind. Der Behandlung mancher dieser wesentlichen Aspekte sind einige Fra- gen im Folgenden gewidmet.

3.1.4 Warum so viele Sprachen so früh?

Für den frühen Beginn von Mehrsprachigkeit sprechen einige Erkenntnisse der Sprach- und Entwicklungspsychologie sowie der Sprachwissenschaften. Demnach werden z.B. das Lautbild einer Sprache bzw. die Aussprache sehr früh gefestigt. Erwachsene kennen das Problem, bestimmte Laute einer Sprache nur durch bewusstes Training erzeugen zu kön- nen, weil diese in der Muttersprache nicht existieren. Die frühe Auseinandersetzung mit Sprachen soll dem Kind ein weitergefasstes Spektrum von Lautbildern vermitteln und es dadurch befähigen, Fremdsprachen akzentfrei(er) zu erwerben.

Die Vorteile einer frühen Konfrontation mit neuen Sprachen ist durchaus nicht auf die Aussprache eingeschränkt: auch bestimmte Regelbereiche einer (neuen) Grammatik, die eine hohe Komplexität aufweisen, werden im Kindesalter unbewusst und fehlerfrei erwor- ben. Erwachsene, die sich hingegen tendenziell bewusst mit Sprachregeln beschäftigen („Grammatik lernen“) sind hinsichtlich der Beherrschung dieser Grammatikaspekte viel weniger erfolgreich.

(19)

Die Vorteile des Kindes beim Erwerb neuer Sprachen liegen darin, dass es diese direkt aus der Umwelt erschließt, ohne Umwege zu gehen wie etwa Analogie oder gar Übersetzungen aus der Erstsprache. Wenn nicht von oberflächlich ehrgeizigen Erwachsenen getrieben, zielt das Kind nicht darauf, gleich am ersten Tag etwas in der neuen Sprache zu produzieren.

Ähnlich wie bei seiner L1 neigt es spontan dazu, eine lange Zeit durch Informationen aus dem Kontext die Bedeutung von Wörtern selbst zu erschließen und sie zusammen mit (un- bewussten) Regeln zu speichern - was irreführend als „passives Wissen“ beschrieben wird.

Eines Tages beginnt das Kind, diese breite Basis an Kenntnissen in seiner Produktion auch anzuwenden und zeigt dabei eine Selbstsicherheit, zu der Erwachsene mit ihrem konzen- trierten Lernen selten fähig sind.

Werden nur die kurzen, formelartigen Äußerungen beachtet, die Erwachsene typischer- weise an ihrem ersten Sprachkurstag zur Freude des Freundeskreis produzieren („Lass mich einmal hören, wie man ‚Guten Tag‘ auf Chinesisch sagt!“), erscheint der Fremd- spracherwerbsprozess beim Kind viel langsamer. Wird jedoch die „Solidität“ des Wort- schatz- und Grammatikerwerbs bzw. der Erwerb seiner tadellosen Phonologie (Ausspra- che, Intonation) betrachtet, kommen die Vorteile eines Früherwerbs in aller Deutlichkeit hervor.

Im Kindergarten werden räumliche und zeitliche Bedingungen zum Fremdspracherwerb angeboten, die denjenigen beim L1-Erwerb ähneln: Der Tagesablauf bietet in einer bei- nahe familiären Struktur Anlass zur Gestaltung unterschiedlicher Kommunikationssitua- tionen - von der Begrüßung in der Früh über unterschiedliche Interaktionsformen (bei den gemeinsamen Mahlzeiten, dem Schlafengehen, Zähneputzen usw.) bis hin zum Abschied.

Darüber hinaus stellen die Puppenecke, der Bauplatz, die nachgebaute Küche für die Kin- der die Möglichkeit dar, „die große Welt“ auch in einem neuen Sprachkode nachzuemp- finden und nachzuspielen. Ein optimales Terrain, auch um mit einer neuen Sprache zu spielen.

3.1.5 Fremdsprache: Muss es Englisch sein?

Natürlich muss die Fremdsprache im Kindergarten nicht unbedingt Englisch sein. Unsere Kindergartengruppen sind von vielen Sprachen durchzogen, vor allem von Migrant/inn/en-Sprachen.

(20)

Englisch hat sich zwar zur Weltsprache entwickelt und nimmt daher in vielen Ländern ei- nen großen Stellenwert ein. Darüber hinaus bietet sich Englisch im Kindergarten deshalb oft an, weil es die einzige Fremdsprache ist, die die Kindergartenpädagogin/der Kinder- gartenpädagoge gelernt hat. Einige Kindergartenpädagog/inn/en haben auch einige Zeit im englischsprachigen Ausland verbracht und sind daher motiviert, diese Sprache in die Kin- dergartenarbeit mit einfließen zu lassen.

Die Kindergartengruppen in Österreich sind jedoch von vielen anderen Sprachen durchzo- gen, vor allem von Migrant/inn/en-Sprachen. Es bietet sich daher ein sehr weites Spektrum an Sprachen an.

Der Tatsache, dass diese Sprachen selten eingesetzt werden, erklärt sich außer durch den oft niedrigen sozioökonomischen Status auch durch mangelnde Information darüber, auf welche Art und Weise Sprachen vermittelt bzw. thematisiert werden können bzw. wie leitende Kindergartenpädagog/inn/en der Sprache mehr Raum in meiner Gruppe geben können.

Mit dem Thema „Mehrsprachigkeit“ hat sich die Kindergartenpädagogik noch wenig aus- einandergesetzt und Sprachprojekte im Kindergarten beruhen meist auf Eigeninitiativen von Kindergartenpädagog/inn/en und Eltern, die oft zu wenig sprachwissenschaftlich un- terstützt sind.

3.1.6 Wie viel L1 soll ein Kind können?

Die Spracherwerbsforschung stammt aus den 60er Jahren und ist daher eine relativ

„junge“ Wissenschaft. Daher existiert noch keine detaillierte und allgemein geltende Be- schreibung der in bestimmten Altersstufen vom Kind zu erwartenden sprachlichen Ele- mente und Kompetenzen, die auch als Bezugspunkt für Pädagog/inn/en und Didakti- ker/innen gebraucht werden könnte. Was als Orientierung für die didaktische Praxis aber sehr wohl hilfreich sein kann, sind die in Bezug auf mehrere (westliche) Sprachen darge- stellte „Erwerbshierarchien“, die die sprachliche Entwicklung vom Lallen zur Artikulation von Lauten, Wörtern, Wortgruppen und Sätzen umfassen. Auch hinsichtlich mancher „in- terner“ Gesetze, die diese Hierarchien in bestimmten Sprachen (darunter Deutsch) regeln, konnten bereits sprachwissenschaftlich fundierte Daten gewonnen werden12. Obwohl diese Beschreibungen noch zahlreiche Lücken aufweisen, können Pädagog/inn/en und Didakti-

12 Bibliographische Hinweise sind in der Literaturliste zu finden, die im vorliegenden Materialienpaket veröf- fentlicht wurde.

(21)

ker/innen daraus wertvolle Hinweise darüber gewinnen, welche „Sprachleistungen“ vom Kind in einem bestimmten Alter eher oder gar nicht zu erwarten sind. Z.B. wäre es unrea- listisch, von einem einjährigen Kind mit L1-Deutsch zu erwarten, dass es einen Satz wie

„Der Mann mit dem karierten Hemd“ oder „Wenn ich nur ein Eis haben könnte!“ produ- ziert: die Kindersprache in diesem Alter ist eher von bestimmten Kriterien in Bezug auf die Wortwahl (z.B. Gebrauch konkreter Wörter wie „blau“ statt abstrakter Wörter wie „ka- riert“) eingeschränkt, weist eine Satzlänge von maximal 1 oder 2 Wörter auf, während die Struktur der geäußerten Sätze eher einfach ist (z.B. ohne „wenn“-Sätze, ohne Konjunktiv und ohne Partikeln wie „nur“). Diese Elemente erscheinen in späteren Phasen.

Das Vorhandensein solcher natürlicher Erwerbsreihenfolgen spricht außerdem dafür, den L1-Erwerb als weitgehend biologisch bestimmten Prozess zu betrachten, der von außen kaum positiv beeinflusst (beschleunigt, intensiviert) werden kann13. Allerdings kann der Spracherwerbsprozess sehr wohl negativ beeinflusst werden, wenn das Kind keinen Kon- takt mit reichlichem, anziehendem, interessantem, differenziertem Sprachmaterial findet bzw. in einer psychologisch bzw. sozial negativ gekennzeichneten Umgebung aufwachsen muss.

3.1.7 Was lernt das Kind noch durch die Sprache?

Der Beantwortung dieser Frage stellt an das Kürzegebot der vorliegenden Publikation eine beachtliche Herausforderung: einfacher wäre es zu erwähnen, was nicht durch die Sprache gelernt werden kann, so grundlegend ist Sprache für Menschen und so umfangreich ist sie zur Regelung menschlichen Lebens. Um die Frage wenigstens anzureißen, können wir unter den zahlreichen kognitiven Vorteilen des Spracherwerbs unterscheiden zwischen:

Wissen über Gegenstände (wie z.B. die Welt, die Menschen, ihre Weltanschauungen), Wissen über die Sprache selbst („Meta-Ebene“) und

Wissen über Funktionen der Sprache (wozu die Sprache dienen kann).

Als Gegenstände sind die Welt, Menschen und Weltanschauungen zu erwähnen. Durch die sprachliche Beschreibung ferner Gegenstände, Erscheinungen und Ereignisse kann die Welt verbal kennen gelernt werden. Durch sprachliche Beschreibungen bzw. ihren eigenen

13 Eine Ausnahme wird vom Wortschatzerwerb dargestellt, der aber auch im wesentlichen Ausmaß von der kognitiven Entwicklung des Kindes abhängig ist. Kinder mögen z.B. zwar vom häufigen und intensiven Vorle- sen eine Bereicherung ihres Wortschatzes gewinnen, der Erwerb von Nomina, die abstrakte Begriffe bezeichnen (z.B. „Sympathie“, „Leichtigkeit“, „Einfluss“), wird aber unabhängig davon vom kognitiven Alter einge- schränkt.

(22)

Sprachgebrauch (Vorstellung, Konversation) werden Menschen ebenso differenziert wahrgenommen. Andere Weltanschauungen können durch direkte sprachliche Informationen, durch die Analyse des Sprachgebrauchs (vgl. Psychoanalyse!) oder auch durch die Analyse mancher Aspekte anderer Sprachen indirekt erfahren werden. Der letztere Fall betrifft linguistisch sensible Personen, die durch die Analyse von Wortschatz, Wortbildung, Zeitformen und Verbmodi eines bestimmten Sprachsystems eine Vorstellung davon gewinnen können, was in der betreffenden Sprache ausgedrückt werden kann und was umschrieben werden muss (auch ohne davon etwaige Annahmen über den „Geist“ einer bestimmten Sprachkultur abzuleiten). Mit anderen Worten: Jede Sprache stellt eine eigene Konstruktion der Wirklichkeit dar.

Kulturen und Geschichte können unmittelbar durch die Sprache in der Form von Literatur, Theater, Rhetorik, Humor, mündlichen Traditionen, aber auch mittelbar - durch Erzählungen über Kulturen und Geschichte - erfahren werden.

Die Beobachtung und die unbewusste Reflexion über die Sprache selbst erfolgt selbst bei Kindern im Kindergartenalter. Zum Beispiel werden Elemente der Grammatik, obwohl sie z.T. komplex und nur durch abstrakte Worte zu beschreiben sind, von den Kindern in Form von Sprachspielen (z.B. selbst produzierte Kinderreime mit ähnlich klingenden, durch eine einzelne Silbe unterschiedliche Wörter) aufgegriffen. Diese Neigung zum Sprachspiel wurde verstärkt bei zweisprachigen Kindern beobachtet, wobei die Unterschiede zwischen den beiden Sprachen als Ansporn zu dieser „mentalen Gymnastik“

dienen.

Dem Kind sollte aber auch geholfen werden, seine Sensibilität für die unterschiedlichen Funktionen der Sprache (z.B. als Machtinstrument bzw. Diskriminierungsmittel) zu entwickeln. Man denke zum Beispiel an den Gebrauch der Sprache in der Politik oder in der Werbung, bei der die Zuhörer/innen durch die Wahl von Wörtern und Sprachstilen beeinflusst werden sollen. Informationen darüber, durch welche unterschiedlichen Mittel unterschiedliche Ziele in der Kommunikation erreicht werden können, unterstützen das Kind dabei, diese funktionalen Unterscheidungen wahrzunehmen und selbst die Sprache auch stilistisch gezielt einzusetzen.

(23)

3.1.8 Sprachliche Fehler beim Kind: Wie gehe ich damit um?

Was das Kind durch das Sprechen erreichen will ist zu kommunizieren, verstanden zu werden. Daher sollte der kommunikative Aspekt auch bei der Wahrnehmung seiner Äuße- rungen durch Erwachsene und bei ihren Reaktionen darauf eine zentrale Rolle spielen.

Selbst bei fehlerhaften Äußerungen bleibt der Prozess des Einander-Verstehens wichtiger als irgendeine sprachpädagogische Arbeit. Die Äußerungen des Kindes sollen daher auf jeden Fall ernst genommen werden.

Die kommunikative Funktion kann trotz Fehlerhaftigkeit gegeben sein, das Vorhandensein von Fehlern ist also nur ein Teilaspekt der Kommunikation. Die Fehler selbst haben ihrer- seits eine äußerst wichtige Funktion bei der Entwicklung der sprachlichen Fähigkeit des Kindes (vgl. die Antworten auf Frage 6., 10. und 12.), sie verweisen auf den Stand der in- neren Sprachentwicklung beim Kind, auf seine „innere Grammatik“.

Daher lautet unsere Antwort auf die Frage „Wie ich mit Fehlern umgehen kann“ zunächst einmal: respektvoll und wertschätzend.

Eine weitere Antwort auf diese Frage findet sich in dem Anspruch, dem Kind eine reich- haltige, anregende sprachliche Umwelt zu bieten: ich kann bzw. soll etwa die Äußerung des Kindes richtig wiederholen und nachfragen, ob das Kind das so meint. Dies kann und soll ich durchaus möglichst redundant machen - d.h. das Gemeinte in mehreren sprachli- chen Varianten wiederholen. Auf keinen Fall sollte das Kind zurechtgewiesen werden oder gar mit irgendwelchen - noch so einfachen - Regeln belastet werden: da ein Kind im Kindergartenalter nicht einmal kognitiv im Stande ist, abstrakte Sprachregeln bewusst zu lernen, wäre dies sinnlos und kontraproduktiv. Die Aufgabe der Kindergartenpädago- gin/des Kindergartenpädagogen ist es - bildlich gesprochen -, im Kontakt dem Kind reich- lich Sprache in vielen Varianten zu „geben“. Dies ermöglicht dem Kind, die Sprache nach und nach zu erwerben - so wie dies alle Kinder mit mindestens einer Sprache tun.

3.1.9 Wie viele Kulturen kann ein Kind erfahren?

Ein Kind kann mit mehreren Kulturen gleichzeitig aufwachsen. Dies gilt auch für die Sprachen, die ein wesentliches Element einer jeden Kultur darstellen. Wichtig ist nur, dass das Kind die Kulturen durch Menschen erfährt und dass dies über einen längeren Zeitraum geschieht. Das Kind lernt dann am Modell: Irgendwann wird ihm bewusst, dass z.B. die Großmutter eine andere Sprache spricht, sich in manchen Situationen sich anders verhält und vielleicht auch anders kleidet als sonst. Schwierig kann es für das Kind nur werden, wenn die unterschiedlichen Kulturen sehr verschiedene Werte haben, die sich in Handlun-

(24)

gen ausdrücken und das Kind noch nicht differenzieren kann: Wenn es z.B. zuhause lernt, dass es einer Autoritätsperson aus Höflichkeit nicht in die Augen zu sehen hat, dies aber im Kindergarten als unhöflich erlebt und gewertet wird, dann ist ein Erklärungsbedarf vorhanden. Man muss dem Kind bewusst machen, dass verschiedene Menschen durchaus verschiedene Verhaltensweisen erwarten – und das beides richtig, in unserem Beispiel also beides höflich sein kann. Selbstverständlich müssen Kindergartenpädagog/inn/en selbst sensibel sein für derartige interkulturelle Kommunikationsunterschiede, die zu mehr oder weniger starken Missverständnissen führen können.

3.1.10 Wie viel L2 soll ein Kind können?

„Wie viel ein Kind in einer Sprache können soll“ bedeutet nichts anderes als sich zu fra- gen, „Wie viel können durchschnittliche Kinder im gleichen Alter, mit ähnlichem kogniti- vem Niveau, sozio-ökonomischem Status, in eine ähnlichen psychologischen Lage usw.?“

Mit anderen Worten, um Erwartungen an den Leistungen eines Kindes formulieren zu können, müssen wir vor allem wissen, was er/sie überhaupt fähig ist zu leisten. Bereits hinsichtlich des L1-Erwerbs haben wir gesehen (vgl. Antwort auf Frage 6. oben), dass es nicht so leicht ist, ein allgemein gültiges Bild über die sprachlichen Fähigkeiten eines

„Durchschnittskindes“ zu gewinnen. In Bezug auf die Entwicklung einer genauen und all- gemeinen Darstellung des L2-Erwerbsprozesses ergeben sich ähnliche, aber größere Schwierigkeiten als beim L1-Erwerb. Dies ist mit der Anzahl und der Unterschiedlichkeit der Faktoren verbunden, die den Erwerb einer neuen Sprache, selbst in einem sehr frühen Alter beeinflussen können. In einer Reihenfolge, die keine wertende Funktion hat, erwäh- nen wir beispielsweise:

soziale und ökonomische Faktoren: z.B. die Rolle der L2-Sprache und –Kultur im Ver- gleich zur entsprechenden Rolle der L1-Sprache und –Kultur („dominierte Sprachen“ vs.

„dominierende Sprachen“); ob die L2 die Sprache beider Elternteile oder nur eines El- ternteils ist; ob die Eltern mit dem Kind die L1 oder die L2 sprechen (siehe dazu auch die Antwort auf Frage 15.);

institutionelle Faktoren: z.B. ob die L2 auch die Kindergarten- bzw. Schulsprache ist; ob im Kindergarten bzw. in der Schule Leistungen in der L2 der gleiche Wert wie Leistungen in der L1 beigemessen wird;

(25)

erwerbspsychologische bzw. didaktische Faktoren: z.B. ob der Kontakt mit der L2 zum er- sten Mal im Kindergarten oder bereits früher (im Park, im Wohnhaus, im Freundeskreis der Eltern) erfolgte; ob die L2 die einzige Kommunikationssprache in der Kindergruppe ist;

psychologische Faktoren: z.B. ob das Kind mit der L2 gefühlsmäßig positive Erfahrungen, Kontakte und Beziehungen hatte bzw. hat.

Kompetenzfaktoren: ob die L2-Sprecher in der Umgebung des Kindes diese Sprache ausreichend gut, d.h. differenziert sprechen, oder ob bei ihnen bereits eine Sprachverarmung eingetreten ist.

In Anbetracht der Varietät dieser zahlreichen Faktoren lautet das „Erfolgsrezept“ bezüg- lich des L2-Erwerbs für Pädagog/inn/en und Didaktiker/innen ähnlich, wie oben in der Antwort auf Frage 24. erwähnt: in der L2-Kommunikation mit dem Kind sich sprachlich so großzügig und sensibel wie möglich zu verhalten, ohne die Fortschritte in der L2 forcieren zu wollen (vgl. was in Bezug auf den L1-Erwerb in der Antwort auf Frage 6.

angeführt wurde). Sehr wichtig ist, dass sich die Kindergartenpädagog/inn/en mehr auf das reichhaltige Kommunikationsangebot konzentrieren, als auf die Evaluation der sprachlichen Leistungen des Kindes. Andererseits kann für eine Kindergartenpädagog/inn/en sehr spannend sein, zu beobachten, was alles an sprachlicher Entwicklung tagtäglich beim Kind abläuft und wie viel die Kinder letztlich doch können.

Also nicht die Bewertung, sondern vielmehr ein „interessiertes Zuhören“ zu entwickeln, wäre eine eigene, fruchtbare Aufgabe, die Kindergartenpädagog/inn/en im Rahmen ihrer Aktivität leisten könnten.

3.1.11 Sprachmischung: Ist das schlimm?

Wenn Kinder Sprachen zu mischen beginnen, so ist dies als ein positives Zeichen zu wer- ten: Sie gehen vom passiven Verstehen der schwächeren Sprache zu einem aktiven Ge- brauch über. Oft tun sie das eben dadurch, dass sie Wörter der für sie schwächeren Spra- che in Sätze der stärkeren einzubauen beginnen. Über längere Zeit hinweg bleibt aller- dings die Struktur (die Grammatik) der stärkeren Sprache erhalten. Erst langsam geht das Kind dazu über, mehrere Wörter mit den Regeln der schwächeren Sprache zu verknüpfen.

Dabei wird die Sprachmischung meist schwächer. Sprachmischung ist also eine Über- gangsvariante. Das Kind „entmischt“ die beiden Sprachen wieder, sofern es ausreichend sprachliche Vorbilder vorfindet. D.h., dass es wichtig ist, dass die Personen, mit denen das

(26)

Kind in Kontakt kommt, eindeutig mit den Sprachen umgehen: am besten ist, wenn eine Bezugsperson mit dem Kind die eine, eine andere Bezugsperson mit dem Kind die andere Sprache konsequent spricht („Eine Person-Eine Sprache“-Prinzip). Wo dies nicht möglich ist, ist es wichtig, dass die Bezugsperson zumindest phasenweise und/oder an spezielle Situationen gebunden bei einer Sprache bleibt. Mit anderen Worten, die Person sollte nicht wahllos zwischen den Sprachen hin und her pendeln (Sprachwechsel) und dies schon gar nicht in einer Redesequenz oder einem Satz (Sprachmischung) tun. Weiters ist bedeutsam, dass das Kind erlebt, dass die Sprache in seiner Umgebung auch von anderen Menschen gesprochen wird. Zum einen hat dies Vorbildcharakter für das Kind, indem es sieht und hört, wie Menschen in dieser Sprache miteinander kommunizieren und zum anderen kann das Kind dadurch symbolisch erfahren, dass diese Sprache über den engen familiären Kreis hinaus von Menschen als Kommunikationsmittel eingesetzt wird.

3.1.12 Wie viel Fremdsprache(n) soll ein Kind können?

Beim Erwerb von Fremdsprache(n) gilt in noch größerem Ausmaß das, was in Bezug auf den L2-Erwerb erwähnt wurde (vgl. die Antwort auf Frage 10. oben), denn die Anzahl der potentiell variierenden Faktoren ist noch höher. Außerdem ist auch die Intensität des Kontaktes der Kinder mit der neuen Sprache geringer und variabel: während die L2 – selbst bei einem sehr zurückgezogenen sozialen Leben – das Kind „umhüllt“, sind die Gelegenheiten zu fremdsprachlicher Kommunikation (direkte Interaktionen, Konversation, Radio- oder Fernsehsendungen, nebenbei wahrgenommene Gespräche auf der Straße u.ä.) unvergleichlich seltener: im Fachjargon sprechen Didaktiker/innen von „geringerem In- put“. Finden Fremdsprachenphasen im Kindergarten statt, erfolgt dies in sehr variierenden Formen und zeitlichem Ausmaß: manchmal werden Spielstunden mit einer/einem externen Native Speaker organisiert, manchmal gestalten Kindergartenpädagog/inn/en selbst bestimmte Tagesabläufe in der Fremdsprache. Auch abgesehen von den noch mangelnden Informationen über einen „optimalen“ Erwerbsablauf wird es also kaum möglich, im Voraus zu bestimmen, welche Leistungen in der Fremdsprache vom Kind erwartet werden können.

In Anbetracht all dieser Aspekte sollte also das Fremdsprachenerwerbskonzept Ziele pla- nen, die auf die jeweils gegebenen Möglichkeiten und Rahmenbedingungen abgestimmt sind.

(27)

Im Allgemeinen kann jedoch Folgendes gelten: Während in der ersten Erwerbsphase eine spontane, freie Produktion in der Sprache nicht zu erwarten ist, kann das Kind bald fähig sein, dank seiner „passiven“ Sprachkenntnisse auf die neue Sprache zu reagieren (z.B.

Aufforderungen entschlüsseln zu können). Durch das Wiedergeben von Texten in der Fremdsprache, z.B. in Form von Liedern, Reimen und Geschichten, kann das Kind Laute üben und Sprachmelodien übernehmen.

Erstrebenswert ist jedenfalls der bereits oben hinsichtlich des L1- und L2-Erwerbs erwähnte Reichtum und die Kontinuität des Sprachangebots, sowie die Notwendigkeit, Kinder, die beginnen, die neue Sprache selbst einzusetzen, in ihren Bemühungen zu motivieren.

Als „Output“ des Fremdsprachenangebots ist darüber hinaus die Sensibilisierung für eine andere, unterschiedliche Sprache und Kultur zu erwarten: damit wird ein Nebenprodukt mitgeliefert, das - selbst wenn nicht leicht von außen zu überprüfen oder zu quantifizieren – einen kleinen, aber sehr wertvollen Beitrag zur Entwicklung einer gleichberechtigten mehrsprachigen und multikulturellen Gesellschaft bringen kann.

3.2 Die Rolle der Kindergartenpädagog/inn/en und der Sprachen im Kindergarten

3.2.1 Wie viele Sprachen sollen Kindergartenpädagog/inn/en können?

Die Sprachvermittlung im Kindergarten sollte am besten einer muttersprachlichen Bezugsperson bzw. einer Person, die über eine hohe Sprachkompetenz und eine Aussprache auf Muttersprach-Niveau verfügt, anvertraut werden. Eine zweisprachig aufgewachsene Kindergartenpädagogin kann beispielsweise selbst die Rolle der Sprachvermittlerin in den beiden betreffenden Sprachen übernehmen. Freilich kann aber einzelnen Kindergartenpädagog/inn/en nicht zugemutet werden, alle in der Gruppe existierenden Erstsprachen zu vertreten.

Trotzdem ist das Problem, einen adäquaten Raum zu schaffen, damit die Kinder ihre Erst- sprache leben können, nicht unlösbar: Ein praktikabler Weg kann einerseits durch die Mo- bilisierung aller im Kindergarten vorhandenen personellen Ressourcen, und andererseits durch die Anwendung eines fundierten pädagogischen Mehrsprachigkeitskonzeptes ge- funden werden.

Bezüglich der personellen Ressourcen können einsprachig aufgewachsene Kinder- gartenpädagog/inn/en, die über wenig Fremdsprachenkenntnisse verfügem, versuchen, mit

(28)

Hilfe anderer Personen – Kollegin/Kollege, Helfer/in bzw. externe Person wie etwa ein Elternteil - Sprachen in der Kindergruppe umzusetzen bzw. das vorhandene Sprachpotential der Kinder positiv unterstützen. Gemeinsam, etwa mit einer Helferin/einem Helfer deren/dessen Muttersprache eine Migrant/inn/en-Sprache (wie z.B.

in Österreich Türkisch oder Serbisch) ist, kann die Kindergartenpädagogin/der Kindergartenpädagoge ein Zweisprachigkeitskonzept für die betreffenden Kindergruppe entwerfen und in der Bildungsarbeit umsetzen.

Von wesentlicher Bedeutung ist es jedenfalls, dass Kindergartenpädagog/inn/en stets In- teresse an und Offenheit gegenüber den unterschiedlichen Sprachen und Kulturen im All- gemeinen, den Familiensprachen der Kinder insbesondere hegen und zeigen.

3.2.2 Wer soll die erste Sprache (L1) vermitteln?

Die Antworten auf die Fragen 1., 3. und 13. geben Anlass zur Frage, aus welcher Quelle das Kind die passende „Nahrung“ zur Entwicklung seines Sprachsystems gewinnen kann:

Wer kann dem Kind das notwendige reichliche, differenzierte, attraktive und nicht künst- lich vereinfachte (d.h., natürlich-komplexe) Sprachmaterial anbieten? In der direkten per- sönlichen Interaktion sind es Personen, die im Stande sind, mit dem Kind eine attraktive (interessante, lustige) und gefühlsmäßig ihm nahestehende Kommunikation zu gestalten (vgl. Antwort auf Frage 18.). Das sind Personen, die sich während eines Gesprächs nicht überlegen müssen, wie ein gewisses Wort in der Zielsprache heißt bzw. in welcher Form oder Position dieses Wort im Satz stehen soll, oder auch ob es zur betreffenden Situation passt: D.h., eine Person, die sich in der Kommunikation mit dem Kind nicht bezüglich der Form des Gesprächs immer wieder Gedanken machen muss, sondern sich auf die zentra- len Aspekte der Interaktion mit dem Kind (vgl. wieder die Antwort auf Frage 18.) kon- zentrieren kann. Idealerweise sind diese Personen L1-Sprecher/innen der Zielsprache („Native Speakers“) bzw. Personen, die eine dem Native Speaker ähnliche Kompetenz der betreffenden Sprache aufweisen.

3.2.3 Warum sprechen die Eltern nicht deutsch mit dem Kind?

Vielleicht sprechen die Eltern nicht deutsch mit dem Kind, weil sie wissen, dass es für das Kind besser ist, wenn sie bei der Sprache bleiben, die sie auf einem höheren Niveau spre- chen können. Dies ist meist auch die Sprache, die das Kind zuerst gelernt hat und die es

(29)

gilt, weiter zu fördern (vgl. die Antwort auf Frage 21. unten). Geschieht dies nicht, dann wird die sprachlich-kognitive Entwicklung des Kindes auf dem Altersstand des Kindes

„eingefroren“. Das kann weitreichende und negative Folgen haben. Grundsätzlich sollte also gelten, dass man die Eltern dabei unterstützt, das Kind in seiner ersten Sprache zu fördern.

Es ist auch sinnvoll, das Kind im Kindergarten, später in der Schule in der Erst- oder Her- kunftssprache zu fördern und daneben zu trachten, ein qualitativ und quantitativ reichhal- tiges Angebot in der zweiten und auch in einer weiteren Sprache zu bieten. Wenn das also geschieht, dass in zwei oder mehreren Sprachen ein qualitativ und quantitativ gutes Ange- bot vorherrscht, dann kann beobachtet werden, dass das Kind nicht etwa beide Sprachen getrennt und unabhängig voneinander lernt, sondern dass die beiden Sprachen einander sozusagen helfen. Dies kann sich auf den Wortschatz beziehen, auf Lern- und Kommuni- kationsstrategien sowie auf eine erhöhte Sensibilität für sprachlichen Ausdruck. Ein weite- rer positiver Effekt besteht darin, dass das Kind früher oder später über beide Sprachen nachzudenken beginnt, Analogien und Unterschiede findet. Dies ist für das Lernen jegli- cher weiterer Sprache eine sehr gute Voraussetzung.

3.2.4 Was soll ich tun, wenn ich die L1 eines Kindes nicht kann?

Auch Personen die keine Native Speaker sind, können einen fruchtbaren Beitrag zum Wachstum der Sprachkompetenz des Kindes liefern, vorausgesetzt, dass all die vorhande- nen Sprachressourcen maximal und nach einer optimalen Verteilung angewandt werden.

In Abwesenheit eines Native Speaker geht es darum, eine realistische, aber möglichst großzügige Wahl der persönlichen und materiellen Sprachressourcen zu treffen. Ist z.B.

eine Kindergartenpädagogin/ein Kindergartenpädagoge gar nicht mit der L1 des Kindes vertraut, kann sie/er sich trotzdem bemühen, selbst mindestens einige Alltagsformeln in dieser Sprache auswendig zu lernen (z.B. Begrüßungen und Glückwünsche: vgl. auch die Antwort auf Frage 20. und 29.), die auf die Kommunikation mit den Eltern bezogen sind).

Befinden sich in der Gruppe weitere Kinder mit derselben L1, wird die Kindergartenpädagogin/der Kindergartenpädagoge die Interaktion unter ihnen immer wieder fördern (aber ohne sie zu „ghettoisieren“!).

Es wird außerdem versucht werden, den betreffenden Kindern Spielmaterialien in ihrer L1 anzubieten. Dazu gehören vor allem Tonmaterialien (Kassetten mit Liedern und Märchen,

(30)

womöglich Videos), aber auch (Bilder)Bücher14. Danach wird festzustellen sein, ob diese Materialien das Interesse des Kindes im erwünschten Ausmaß wecken können. Vor allem wegen der fast unwiderstehlichen Anziehungskraft von Videofilmen, und zum Teil auch von Liedern, ist es wohl zu erwarten, dass diese Materialien auch die Aufmerksamkeit von Kindern mit anderen L1 erregen können. Dies wäre hätte einen zusätzlichen positiven Ef- fekt auf die interkulturelle Interaktion innerhalb der ganzen Kindergruppe.

3.2.5 Kann ich trotzdem die Kommunikation mit dem Kind aufrecht erhalten, wenn es nicht durch Worte möglich ist?

Am Anfang des Kindergartenjahres ist es kein Einzelfall, dass ein Kind in der Tür steht, das kein Wort deutsch versteht. Und ebenso ergibt sich, dass das pädagogische Personal die Erstsprache des Kindes nicht versteht. In diesen Fällen gewinnt die nonverbale Kom- munikation eine wesentliche Rolle. Durch Gesten und Mimik soll das betreffende Kind je- denfalls das Gefühl erfahren, willkommen zu sein. Durch den Kontext bzw. Anschau- ungsmaterialien versteht das Kind, worum es in der betreffenden Situation geht. Wesent- lich ist zu Beginn dem Kind zu vermitteln, dass die Kindergartenpädagogin/der Kinder- gartenpädagoge für seine Situation Verständnis hat: Sie/er sollte sich Zeit nehmen, das Kind zumindest in seiner Sprache zu begrüßen (vgl. die Antwort auf Frage 16. oben) und ihm Spiele zu zeigen, die es gerne spielen möchte.

Kindergartenpädagog/inn/en sind hier, wie in anderen Bereichen auch, ein Vorbild für die anderen Kinder: Wenn diese sehen, wie die Kindergartenpädagogin/der Kindergartenpäd- agoge mit dem Kind umgeht, das ihre Sprache noch nicht versteht, werden sie ebenso ein- fühlsam wie sie handeln und das Kind z.B. in ihrem Spiel willkommen heißen.

Darüber hinaus kann die Kindergartenpädagogin/der Kindergartenpädagoge in vielen Fäl- len dem Kind auch dadurch den Anschluss erleichtern, dass sie/er die Mehrsprachigkeit der Gruppe nutzt und Kinder mit weiteren Sprachen zur Interaktion mit dem „Neuling“

ermutigt.

14 Derzeit sind Netzwerke zum Austausch von Sprachmaterialien in „seltenen“ Sprachen wegen des dazu erfor- derlichen, beachtlichen organisatorischen Aufwandes in Österreich leider noch selten und von kleineren Dimen- sionen. Zur Redaktionszeit der vorliegenden Publikation – März 2001 – ist jedoch der Aufbau eines breiteren Netzwerkes als Inhalt eines EU-Projektes geplant, mit Beteiligung von Österreich, Deutschland und Italien als Partnerländern, unter der Koordination vom Verein „Projekt Integrationshaus“.

(31)

3.2.6 Wie zeige ich Wertschätzung für die „Sprache“ des Kindes?

Eine solche Wertschätzung beginnt damit, dem Kind ausreichendes Sprachmaterial für das maximale Wachstum seiner Sprachfähigkeit zu bieten. Mit dem Kind häufig verbal zu kommunizieren, anhand von verbalen und nonverbalen Stimuli über verschiedene Themen zu reden, die es zur Äußerung seiner Eindrücke, Meinungen und Gefühle anregen, sind alle Zeichen des „Vertrauens“ seitens der Erwachsenen, dass die kindliche Sprachfähigkeit ein starkes Potential darstellt. Die Möglichkeit, die dem Kind ständig gegeben werden sollte, frei nachzufragen, gehört zu diesem Klima der intensiven verbalen Interaktion.

Die selbe „großzügige“ Haltung wirkt sich auch dann positiv aus, wenn es darum geht, die Äußerungen des Kindes anzunehmen: Aufmerksamkeit, Wertschätzung für die Kommunikationsinhalte und positiv formulierte Informationen bei sprachlichen Abweichungen des Kindes (zu den „Sprachfehlern“ des Kindes siehe Frage 8. oben) vermitteln dem Kind den Eindruck, dass das sprachliche Mittel glaubwürdig und verlässlich ist und ermutigen das Kind dazu, davon intensiveren Gebrauch zu machen.

Feinfühlige, erfahrene, mit kinderzentrierter Arbeit vertraute Kindergartenpädagog/inn/en werden zu diesem Zeitpunkt erkannt haben, dass das hier oben angebotene „Rezept“ ei- gentlich nichts Sprachspezifisches enthält: hier geht es eher um die selben „guten Rat- schläge“, die hinsichtlich der allgemein-kognitiven Entwicklung des Kindes gelten. Aber gerade das ist der springende Punkt: Sprache ist keine Ressource, deren Entwicklung mit speziell ausgeklügelten Tricks künstlich gefördert werden muss, sondern ein Instrument der kognitiven und sozialen Entwicklung des Kindes, das von der Großzügigkeit und Fein- fühligkeit der kindergartenpädagogischen Arbeit automatisch enorm profitiert. Wesentlich ist dabei „nur“, dass die Erwachsenen diese Entwicklung nicht durch Hindernisse in Form von Einschränkungen, Verarmungen und Verzerrungen hemmen oder sogar unterbinden.

3.2.7 Hat die Sprache des Kindes im Kindergarten Platz, auch wenn dort niemand sonst diese Sprache spricht?

Alle Sprachen der Kinder sollten einen Platz im Kindergarten haben, damit die sprachliche Vielfalt und - in Ansätzen - die kulturelle Vielfalt für alle Kinder erlebbar wird.

Engagierte und sprachbewusste Kindergartenpädagog/inn/en werden sich bemühen, sensibel und respektvoll auf die Äußerungen der Kinder einzugehen bzw. manchmal auch die Kinder zu Äußerungen in ihrer Sprache zu animieren. Sensibel und respektvoll

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Da mit der vorgeschlagenen Methode eine viel stärkere Sensibilisierung für ökonomische Experimente erreicht wird als durch ein Literaturstudium, kann dieser Ansatz besonders

Darüber hinaus ist insbesondere notwendig, dass die mangelnde Immunität gegen eine durch eine Impfung vermeidbare Erkrankung als ursächlich für die Ansteckung der Patientin oder

Darüber hinaus lassen sich damit Linien oder über- geordnete Systeme mit verringertem Aufwand einbinden.“ Ein weite- rer absoluter Pluspunkt der Engineering-Umgebung ist, dass sich bei

Darüber hinaus kann bei einer Änderung des/der Familiennamen der Eltern eine neuerliche Namensbestimmung für das Kind durchgeführt werden; dies ist insbesondere

 Qualifizierungsangebote für Lehrende: Um eine kompetenzorientierte Leh- re zu ermöglichen, bedarf es vor allem Lehrender, die hinreichend qualifi- ziert und darüber hinaus

Darüber hinaus bietet MathCityMap seit Juni 2020 eine Community-Webseite, die diese Art des Arbeitens noch verstärken soll – auch für Nutzerinnen und Nutzer, die sich nicht

 Sprache ist auch wichtige Grundlage für die Entwicklung sozialer Kompetenzen. Denn mit Sprache können wir unsere Eindrücke verarbeiten und Gefühle ausdrücken. Und wir erfahren

Darüber hinaus ist insbesondere notwendig, dass die mangelnde Immunität gegen eine durch eine Impfung vermeidbare Erkrankung als ursächlich für die