P.b.b. 02Z031105M, Verlagsort: 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A/21 Preis: EUR 10,–
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Kardiologie Journal für
Austrian Journal of Cardiology
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mit Autoren- und Stichwortsuche EPU-Corner: Komplexe Diagnose
einfache Lösung: Fallbericht einer nodofaszikulären Tachykardie Schönbauer R, Fiedler L
Roithinger FX
Journal für Kardiologie - Austrian
Journal of Cardiology 2020; 27
(11-12), 410-412
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410 J KARDIOL 2020; 27 (11–12)
Komplexe Diagnose, einfache Lösung:
Fallbericht einer nodofaszikulären Tachykardie
R. Schönbauer1, L. Fiedler2, F. X. Roithinger2
Aus der 1Medizinischen Universität Wien, Universitätsklinik für Innere Medizin II, Abteilung Kardiologie und dem 2Landesklinikum Wiener Neustadt, Abteilung Kardiologie
Einleitung
In der heutigen Zeit haben wir durch modernste dreidimen- sionale Mappingsystem- und Ablationskatheter-Technolo- gien großartige Hilfestellung zur Ablationsbehandlung von Arrhythmien. Und glücklicherweise ist die richtige Differen- tialdiagnose von ventrikulären und supraventrikulären Ar- rhythmien im Rahmen der invasiven elektrophysiologischen Untersuchung zumeist eindeutig. Dennoch gibt es immer
wieder Fälle, bei denen die Diagnosefindung komplexer ist als angenommen. In diesen Fällen sind uns nach wie vor diagnos- tische Pacingmanöver, die schon vor Jahrzehnten entwickelt worden sind, sehr hilfreich.
Fallbericht
Eine 45-jährige Frau leidet seit ihrer Jungend an rezidivieren- den, rhythmischen, tachykarden Palpitationen. Die klinische
Tachykardie konnte im Vorfeld bereits mehrfach durch Gabe von Adenosin ter- miniert werden. Abgesehen davon be- stehen keine Komorbiditäten. Aufgrund dieser Vorbefunde wurde die Indikation zur invasiven elektrophysiologischen Untersuchung und ggf. Ablation gestellt.
Nach Positionierung von vier diagnosti- schen Kathetern im rechtsventrikulären Apex (RVA), Sinus coronarius (CS), im hohen rechten Atrium (HRA) und am His zeigen sich in Ruhe komplett unauf- fällige Leitungszeiten.
Unter dekrementalem ventrikulären Pacing zeigt sich eine zentrische atriale Aktivierung. Allerdings lässt sich dar- unter stets die klinische Tachykardie in- duzieren (Abb. 1a).
Unter programmierter atrialer Stimu- lation zeigt sich einerseits eine duale atrioventrikuläre- (AV-) Knotenphy- siologie. Außerdem wird auch dar- unter nach einem Sprung auf die „slow pathway“-Leitung immer wieder die klinische Tachykardie mit einer Zyklus- länge von 410 ms induziert (Abb. 1b).
Im Gegensatz zum Ruhe-EKG präsen- tiert sich die klinische Tachykardie als Breitkomplextachykardie mit typischer Linksschenkelblock- (LSB-) Morpholo- gie (Abb. 2).
Aufgrund der dafür typischen Induktion (über „Sprung auf die Slow-pathway- Leitung“ und „Echo“) und des kurzen ventrikuloatrialen- (VA-) Intervalls (70 ms) während der Tachykardie wird
EPU-Corner
Abbildung 1: Induktion der klinischen Tachykardie. (a): Induktion der Tachykardie während inkrementalem ventrikulärem Pacing; (b): Induktion der Tachykardie durch programmierte atriale Stimulation.
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EPU-Corner
zunächst einmal das Vorliegen einer typischen AV-nodalen Reentrytachykardie mit LSB-Aberranz vermutet.
Um diese Verdachtsdiagnose abzusichern, erfolgt noch ein ventrikuläres Entrainment während laufender Tachykardie („Morady-Manöver“) [1]. Das Ergebnis spricht aber eindeutig gegen unsere Verdachtsdiagnose einer AV-nodalen Reentry- tachykardie und für das Vorliegen einer AV-Reentrytachy- kardie auf dem Boden einer akzessorischen Leitungsbahn, nachdem das „Post-pacing“-Intervall nur 40 ms über der Ta- chykardie-Zykluslänge und das gepacte VA-Intervall nur 40 ms über dem VA-Intervall der Tachykardie liegt (Abb. 3).
Um nun doch das Vorliegen einer akzessorischen Leitungs- bahn nachzuweisen, erfolgt eine Stimulation mittels einzel- ner ventrikulärer Extrastimuli simultan zur His-Aktivierung während laufender Tachykardie. Hier gelingt zunächst kein atrialer „reset“ (Abb. 4a). Mit zunehmender Vorzeitigkeit des ventrikulären Extrastimulus zeigt sich dann allerdings doch eine vorgezogene atriale Aktivierung („reset“) [2] (Abb. 4b).
Zusammenfassend können die Ergebnisse der unterschied- lichen Pacingmanöver in erster Linie nur durch das Vorliegen einer antidromen atrio-ventrikulären Tachykardie (AVRT) er-
klärt werden. Nachdem die Tachykardie immer erst mit einem
„Sprung“ auf den „slow pathway“ des AV-Knotens initiiert wird, ist anzunehmen, dass die akzessorische Leitungsbahn auch von dort ihren Ursprung nimmt. Da im Oberflächen- EKG eine typische LSB-Morphologie vorliegt, dürfte sie in den rechten Schenkel des Reizleitungssystems münden. Somit dürfte es sich in erster Linie um die Spezialform einer nodofas- zikulären akzessorischen Leitungsbahn handeln [3] (Abb. 5).
So komplex die Diagnose dieser supraventrikulären Tachykar- die war, so einfach gestaltete sich die Therapie. Durch Modi- fikation des „slow pathway“ durch Radiofrequenzablation an typischer Stelle war die Tachykardie in weiterer Folge nicht mehr induzierbar und auch im weiteren Verlauf blieb die Pa- tientin frei von tachykarden Palpitationen.
Diskussion und Konklusion
Als „Mahaim fibers“ werden akzessorische Leitungsbahnen zusammengefasst, die als Ursprung und/oder Zielort das spe- zifische kardiale Reizleitungssystem haben. Die bekanntesten (weil auch häufigsten) unter ihnen stellen atriofaszikuläre Bahnen dar (typisches Mahaim), welche ihren Ursprung zu- meist am lateralen Trikuspidalannulus haben und in den rech-
Abbildung 2: Oberflächen-EKG. (a): Klini- sche Tachykardie; (b): Sinusrhythmus
Abbildung 3: Ventrikuläres Entrainment über den rechtsventrikulären Apex (RVA) mit 370 ms während der lau- fenden Tachykardie, gefolgt von „post pacing“-Intervall (450 ms) und klinischer Tachykardie (410 ms); Stimulo-atriales (SA-) Intervall 180 ms; ventrikulo-atriales (VA-) Intervall 140 ms.
EPU-Corner
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ten Schenkel münden. Typischerweise zeigen diese Patienten bereits in Ruhe eine diskrete ventrikuläre Präexzitation und ein verkürztes His-ventrikuläres (HV-) Intervall. Außerdem kommt es dann während Pacing im Bereich des lateralen rech- ten Atriums zum Auftreten einer LSB-Morphologie als Hin- weis für eine nun exklusive Leitung über die atriofasikuläre Bahn mit Mündung in den rechten Schenkel [3]. Nodoven- trikuläre und nodofaszikuläre Bahnen stellen eine sehr seltene Sonderform der „Mahaim fibers“ mit verschiedenen Leitungs- möglichkeiten dar [4].
In den meisten der bisher beschriebenen Fälle allerdings (so- wie auch in unserem Fall) entspringen diese Bahnen aus dem Bereich des „slow pathway“ des AV-Knotens [3,4].
Im Unterschied zum „typischen Mahaim“ zeigte sich in unse- rem Fall die für Mahaim spezifische Leitungscharakteristik (verkürztes HV-Intervall) immer erst während AV-Leitung über den „slow pathway“.
Mahaim-Tachykardien sind generell in erster Linie antidrome Tachykardien, da „Mahaim fibers“ ausschließlich antegrad leiten. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, immer das HV- Intervall während der Tachykardie zu messen und mit dem HV-Intervall im Sinusrhythmus (und ohne ventrikuläre Prä- exzitation) zu vergleichen. Ist es in der Tachykardie deutlich kürzer bzw. 0 ms (so wie in unserem Fall) oder sogar negativ, so ist dies schon ein wertvoller Hinweis für das eventuelle Vor- liegen einer Mahaim-Tachykardie, noch bevor Pacingmanöver durchgeführt werden.
Literatur:
1. Michaud GF, Tada H, Chough S, Baker R, Wasmer K, et al. Differentiation of atypical atri- oventricular node re-entrant tachycardia from orthodromic reciprocating tachycardia us- ing a septal accessory pathway by the response to ventricular pacing. J Am Coll Cardiol 2001; 38: 1163–7.
2. Wellens H, Durrer D. The role of an accessory atrioventricular pathway in reciprocal tachycardia. Observations in patients with and without the Wolff-Parkinson-White syn- drome. Circulation 1975; 52: 58–72.
3. Grogin HR, Lee RJ, Kwasman M, Epstein LM, Schamp DJ, et al. Radiofrequency catheter ablation of atriofascicular and nodoventricular Mahaim tracts. Circulation 1994; 90: 272–81.
4. Hoffmayer KS, Lee BK, Vedantham V, Bhimani AA, Cakulev IT, et al. Variable clinical fea- tures and ablation of manifest nodofascicular/ventricular pathways. Circ Arrhythm Electrophysiol 2015; 8: 117–27.
Korrespondenzadresse:
Dr. Robert Schönbauer
Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Innere Medizin II, Abteilung Kardiologie
A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18–20 E-Mail: [email protected]
Abbildung 5: Schematische Darstellung des Mechanismus einer antidromen nodofaszikulären Tachykardie. AVN = AV-Knoten; FP =
„fast pathway“; SP = „slow pathway“; RBB = rechter Schenkel;
LBB = linker Schenkel; NF = nodofaszikuläre Bahn mit Ursprung aus dem SP und Mündung in den RBB
Abbildung 4: Ventrikuläre Ex- trastimuli. (a): Ventrikulärer Extrastimulus 10 ms vor His- Aktivierung ergibt keine vor- gezogene atriale Aktivierung (kein „reset“); (b): Ventrikulärer Extrastimulus 7,0 ms vor His- Aktivierung ergibt eine vorge- zogene atriale Aktivierung um 30 ms („reset“).
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