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zum Bericht des

Lucona-Untersuchungsausschusses

Wortprotokolle über die

Zeugeneinvernahmen

Band 4

Seite 1419 bis Seite 1892

(2)

Protokolle

über die

Vernehmung von Zeugen vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß zur Untersuchung

1. der Tätigkeit der am gerichtlichen Strafverfahren in der Causa Lucona beteiligten bzw. in dieses involvierten Behörden und der damit zusammenhängenden Verantwortlichkeiten sowie

2. der Verantwortlichkeiten im österreichischen Bundesheer für die angebliche Überlassung von Sprengmitteln an Udo Proksch *)

Zeugen zum Thema "Vorgänge im Bereich des lustizressorts":

7. April 1989: Dr. Ofner. . . . " 1420

Dr. Nemec . . . 1467

Zeugen zum Thema "Vorgänge im Bereich der Sicherheitsdirektion Niederösterreich": 10. April 1989: Reitter . . . 1496

Traninger. . . . . . . . . . . . 1527

Dr. Liepold . . . . . . . . . . 1549

11. April 1989: Dr. Schüller . . . 1565

Zeugen zum Thema "Vorgänge im Bereiche des Bundesministeriums für Inneres": 11. April 1989: Dr. Köck . . . . . . . . . . . 1584

Dr. Szymanski . . . 1609

Rudas . . . 1613

Voglstätter . . . 1645

19. April 1989: Blecha . . . 1655

Blecha - Rudas . . . 1693

Blecha - Dr. Danzinger . . . . . . . 1724

Mag. Bernkopf. . . . . . . . . . .. 1743

Blecha - Mag. Bernkopf. . . . " 1756 Blecha - Rudas . . . 1768

Blecha - Dr. Köck . . . . . . 1772

20. April 1989: Dr. Demei. . . . . . . . . . . .. 1793

Dr. Günter Blecha . . . 1828

Zeugen zum Thema "Vorgänge im Bereiche des Justizressorts": 20. April 1989: Dr. Jäger . . . 1851

Dr. Schiemer . . . 1868

Dr. Schneider . . . 1874

*) Aufgrund eines Beschlusses des Untersuchungsausschusses iS § .33 Abs. 3 GOG 1975 waren bei den Zeugeneinvernahmen Medienvertreter als Zuhörer anwesend.

Österreichische Staatsdruckerei. 0100 9

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20. Sitzung: 7. April 1989

Beginn der Sitzung: 10 Uhr 5 Minuten

Obmann Steiner: Ich eröffne die heutige Sitzung des Untersuchungsausschusses und möchte Sie alle sehr herzlich begrüßen.

Herr Abgeordneter Dr. Graff hat sich krank ge- meldet. Er läßt alle herzlich grüßen; er wird zur nächsten Sitzung wahrscheinlich wieder erschei- nen.

Frau Dr. Partik-Pable hat sich zur Geschäftsord- nung gemeldet. - Bitte.

Helene Partik-PabLe (zur Geschäftsordnung):

Ich beantrage folgendes:

Erstens: Die Beischaffung der Konsignationsli- sten aus Salzburg, denn es hat sich bei der Staats- polizei herausgestellt, daß die Konsignationslisten in Wien nicht mehr vorhanden sind. Aus diesen Konsignations!isten geht hervor, wer in der Staats- polizei die Schriftstücke, die aus Salzburg gekom- men sind, erhalten hat.

Zweitens: Ersuchen an die Bundesländer- Versi- cherung, die eingesehenen und gekennzeichneten Urkunden in Kopie dem Untersuchungsausschuß zur Verfügung zu stellen, und zwar zum Beweis- thema "Ablauf des Versicherungsgeschäftes umi Prämienendabrechnung".

Drittens: Die Vernehmung von Dr. Petrak, Ge- neraldirektor der Bundesländer- Versicherung - zum Beweis dafür, daß die BundesLänder- Versi- cherung eine AufkLärung verhindern wollte, indem sie Pretterebner einen Geldbetrag für das Nichter- scheinen seines Buches angeboten hat.

Viertens: Die Vernehmung von Dr. Fred Sino- watz über sein Gespräch am 23. 11. 1984 mit Udo Proksch - zum Beweis dafür, daß Udo Proksch an Sinowatz das Ersuchen gerichtet hat, in seiner Strafsache Einfluß zu nehmen. Dieses Gespräch hat nämlich zu einem Zeitpunkt stattgefunden, als die StaatsanwaLtschaft die EinLeitung der Vorun- tersuchung vorgeschLagen hat, dann aber die Ein- leitung der Voruntersuchung am 30. 11. 1984 ab- gelehnt worden ist.

Fünftens: Die Vernehmung von Dipl.-Ing. Nor- bert Zwatz, und zwar zum Beweis für seine Be- hauptung, daß ihm DemeL erzählt habe, DemeL und Gratz hätten belastendes Material hinsichtlich Udo Proksch im "Club 45" vernichtet.

Sechstens beantrage ich die neuerliche Ladung von Dr. Löschenkohl, weil mir bekannt geworden ist, daß die Familie Löschenkohl jetzt wieder in Wien ist.

Siebentens: Eine Anfrage an den Bundesminister für fustiz Foregger über das Ergebnis der weiteren

Erhebungen der Staatsanwaltschaft Wiener Neu- stadt über den Tod des ehemaligen Ministers Lüt- gendorf.

Achtens: Beischaffung des Tagebuches in der Sa- che des Todes Lütgendorfs, denn wenn sc/wn das Ministerium Zweifel daran hat, daß damaLs, als der Tod des Verteidigungsministers eingetreten ist, der Obduktionsbefund vollständig gemacht wor- den ist, dann, glaube ich, ist es notwendig für den Ausschuß, daß man nunmehr auch hinsichtlich der Aufklärung, die dem fustizministerium zukommen wird, Anordnungen trifft.

Obmann Steiner: Ich würde vorschlagen, daß wir eine Geschäftsordnungssilzung am Ende der Montag-Sitzung abhalten. Wir werden diese gan- zen Anträge natürlich auch im Lichte des Auftra- ges, den der Untersuchungsausschuß hat, nämlich:

"Untersuchung der Tätigkeit der am Verfahren Be- teiligten beziehungsweise in dieses involvierten Be- hörden und der damit zusammenhängenden Ver- antwortlichkeiten", prüfen.

Herr Dr. Rieder hat sich gemeldet.

Rieder: Herr Vorsitzender! Ich will in der Sache nicht aufhalten. - Ich stimme zu, daß wir das in einer Geschäftsordn/lngssitzung erledigen, daß wir über die Anträge entscheiden sollen, ich möchte aber doch zu der Fülle der Vorschläge zwei Be- merkungen machen.

Das eine ist, daß ich mich veranlaßt sehe, im Hinblick auf eine Reihe von Merkwürdigkeiten - Frau Dr. Partik-Pable hat ja diesen Bereich direkt angesprochen - die Frage zu stellen, ob wir es als Ulttersuchungsausschuß wirklich dabei bewenden lassen können, derzeit den Bereich der Maßnah- men, die ultter dem Titel "Fahndung" geführt wer- den, auszuklammern, weil es da in den Unterlagen, die uns übermittelt worden sind, einige Dinge gibt, die ich eigentlich aLs skandalös bezeichnen möchte.

Ich möchte zunächst einmal in einer Geschäfts- ordnungssitzung darüber sprechen, weil ich Rück- sicht nehme auf unsere bisherigen Vereinbarun- gen, glaube aber, daß das eigentLich ein Maß er- reicht hat, daß man damit sehr wohL in die Öffent- lichkeit gehen muß. - Ich meine damit Telefon- überwachungen, um konkret anzusprechen, wor- um es geht.

Das zweite ist, daß es mich aufgrund übermittel- ter Unterlagen merkwürdig berührt, daß offen- sichtlich die fustiz keinerlei wie immer gearteten Schritte unternimmt, um nach Löschenkohl zu fahnden. Ich ersuche Sie daher, daß wir dann auch darüber sprechen, wie wir an den fustizminister

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1420 Lucona-Untersuchungsausschuß - 20. Sitzung - 7. April [989

herantreten können. ob konkrete Schriue im Sinne des Untersuchungsauftrages unternommen wer- den. - Danke.

Obmann Steiner: Danke sehr.

Herr Dr. Ermacora, bitte.

Ermacora: Ich möchte zu den Anträgen und jetzt auch zur Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr.

Rieder feststellen. was ich schon mehrfach hier ge- tan habe, daß nämlich das, was der Herr Vorsit- zende gerade vorgelesen hat, was unseren Auftrag und unser Mandat betrifft, ein verfahrensrechtlich klar präzisierter Auftrag ist: Es geht um die Behör- den und um die Verantwortlichkeit derselben. Und ich verstehe wirklich nicht. worum man das immer wieder sagen muß, obwohl das doch den Mitglie- dern dieses Ausschusses längst bekannt sein müßte.

Trotzdem werden immer wieder solche Anträge gestellt. die wirklich nicht von unserem Mandat er- faßt sind. Ich möchte das nur feststellen und dar- über meine Überraschung, mein Erstaunen zum Ausdruck bringen.

Obmann Stein er: Danke sehr.

Als nächster Zeuge ist Herr Bundesminister au- ßer Dienst, Abgeordneter Dr. Ofner vorgesehen.

Ich bitte, den Zeugen hereinzubitten.

Ermacora: Ergänzend dazu darf ich sagen: Ich habe diese Ausführung deshalb gemacht. damit wir nicht dann plötzlich bei der Erstellung des Berich- tes in Diskussionen über den Umfang unseres Man- dates eintreten. Das möchte ich ganz deutlich her- vorheben.

Obmann Steiner: Sind die fraktionellen Gesprä- che zu Ende? - Dann wollen wir mit der Zeugen- einvernahme beginnen.

Protokoll über die Zeugeneinvernahme

von Dr. Harald Ofner Abgeordneter zum Nationalrat

im Sinne des. § 271 StPO (10.13 Uhr)

Obmann Stein er: Herr Bundesminister außer Dienst, Herr Abgeordneter Dr. Ofner, Sie werden vom Untersuchungsausschuß als Zeuge vernom- men.

Ich mache Sie ausdrücklich darauf aufmerksam.

daß Sie als solcher die Wahrheit sagen müssen und nichts verschweigen dürfen. Eine falsche Zeugen- aussage wäre gerichtlich strafbar.

Nach § 153 Strafprozeßordnung haben Sie je- doch die Möglichkeit, sich der Aussage zu ent- schlagen, wenn die Beantwortung einer Frage für

Sie oder einen Ihrer Angehörigen Schande oder die Gefahr straf gerichtlicher Verfolgung oder ei- nes unmittelbaren und bedeutenden vermögens- rechtlichen Nachteiles mit sich brächte.

Ihr Name für das Protokoll, bitte.

Ofner: Dr. Harald Ofner.

Obmann Steiner: Ihr Geburtsdatun, bitte.

Ofner: 25. 10. 1932.

Obmann Steiner: Ihr Beruf.

Ofner: Rechtsanwalt.

Obmann Steiner: Und Ihr Wohnort, bitte.

Ofner: Mödling, Grenzgasse 14-18.

Obmann Steiner: Danke sehr.

Ich möchte Sie nun fragen: Wie haben sie zum ersten Mal von dieser Sache "Lucona" Kenntnis bekommen? In welcher Weise sind Sie erstmals da- mit befaßt worden?

Ofner: Herr Vorsitzender! Ich darf zunächst ei- nen Brief des Bundesministers für Justiz Foreg- ger vorlegen, der meine Entbindung von der Amtsverschwiegenheit beinhaltet; ich habe mich zur Sicherheit davon entbinden lassen. Es ist rechtlich nicht ganz klar, ob es hat sein müssen.

(Der Zeuge überreicht Obmann Steiner ein Schriftstück.)

Obmann Steiner: Ich danke. Ich möchte das vielleicht kurz vorlesen:

"An Herrn Bundesminister a. D., Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Harald Ofner. Betrifft: Ent- bindung von der Amtsverschwiegenheit.

In EntspreChung Ihres Ansuchens vom 6. 3.

1989 werden Sie hiemit vor Ihrer Aussage vor dem parlamentarischen Lucona- Untersuchungs aus- schuß von der Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit entbunden.

14. März, Bundesminister Foregger."

Danke schön, bitte zu den Akten.

Ofner: Darf ich die Frage beantworten?

Obmann Steiner: Bitte sehr.

Ofner: Ich habe meiner Erinnerung nach - ich glaube nicht, daß sie mich trügt - erstmals aus den Medien über die Problematik Proksch -

"Lucona" erfahren.

Obmann Steiner: Danke sehr.

Herr Dr. Gaigg, bitte.

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Gaigg: Darf ich Sie biuen. Ihre letzte Aussage zu wiederholen; sowohl meinem Kollegen Ermacora wie auch mir ist das jetzt entgangen.

Ofner: Der Herr Vorsitzende hat die Frage an mich gerichtet, auf welchem Wege ich das erste Mal von der Problematik, um die es da geht, er- fahren hätte. Ich habe geantwortet ...

Gaigg: Wann?

Ofner: Das kann ich nicht sagen. Aber irgend- einmal haben die Dinge begonnen, ein Ge- sprächsthema in der Öffentlichkeit zu werden. Es ist vor allem von einer Zeitungsgruppe sehr vehe- ment immer wieder berichtet worden. und das ist natürlich auch an mir nicht spurlos vorüberge- gangen.

Gaigg: Herr Zeuge.' Von wann bis wann sind Sie Bundesminister für Justiz gewesen?

Ofner: Ich war vom Mai 1983 - ich kann den Tag nicht auswendig genau sagen bis 21. Jänner 1987 Bundesminister für Justiz.

Gaigg: Was, Herr Zeuge. ist Ihnen im Mai 1983 über die Person des Udo Proksch bekannt geH..'e- sen?

Ofner: Ich kenne ihn persönlich bis heute nicht, ich habe manchmal den Eindruck, daß ich einer der wenigen Österreicher bin, die ihn nicht persönlich kennen. Man hat aber Proksch aus Medienberichten auch in anderen Zusammen- hängen, ich würde fast sagen, seit Jahren und Jahrzehnten "gekannt". Und auf diese Art und Weise hat man sich ein Bild gemacht, von dem ich nicht erst heute erkläre, sondern das wiederholt getan habe, daß ich es nicht als günstiges Bild gesehen habe.

Gaigg: Ich möchte die Frage etwas konkreter stellen: Wußten Sie im Mai 1983. daß Udo Proksch im sogenannten "Club 45" eine maßgebliche Rolle spielt? Und gleich anschließend die zweite Frage:

Sind Ihnen damals die ausgezeichneten Beziehun- gen des Udo Proksch zu sozialistischen Spitzenpo- litikern und auch Regierungsmitgliedern bekannt gewesen?

Ofner: In einem Ausmaß, so wie jeder auf- merksame und politisch interessierte Zeitungsle- ser das wissen konnte. Ich persönlich habe den Eindruck gehabt, daß er der Hausherr - wahr- scheinlich ein zutreffender Eindruck -, vielleicht auch ein Organisator dieses "Club 45" sei. Es ist auch, wenn ich mich nicht irre, schon damals im- mer wieder durch die Medien gegeistert, daß er gute Ost-Kontakte hätte, und mitunter habe ich mir gedacht, ob das sehr gescheit ist, wenn Spit- zen aus Politik und Wirtschaft in Räumen ver- kehren, die jemandem gehören, dem solche Kon-

takte nachgesagt werden - mit allen Möglichkei- ten technischer Art und ähnlichem, was es da gibt.

Gaigg: Um Mißverständnisse von vornherein nicht aufkommen zu lassen, darf ich den Inhalt Ihrer Antwort konkret so präzisieren. daß Ihnen zu diesem Zeitpunkt auch seine guten bis sehr guten Kontakte zu sozialistischen SpitzenpoliLikern be- kannt waren.

Ofner: Ohne sie im Detail zu kennen, in dem Maße, in dem der interessierte Zeitungsleser das wissen mußte.

Gaigg: Herr Zeuge! Mit Erlaß des Justizministe- riums vom 30. August 1983 ist die Causa Lucona, wie wir wissen. zur Berichtssache erklärt worden, das heißt. es mußte über Auftrag beziehungsweise regelmäßig von der Staatsanwaltschaft. Ober- staatsanwaltschaft an das Ministerium berichtet

werden. In welcher Form und inwieweit sind diese Berichte. beginnend mit September 1983, Ihnen zur Kenntnis gekommen?

Ofner: Ich bin das erste Mal im Haus in die Problematik Proksch - "Lucona" im September, Oktober 1984 eingebunden worden, und zwar im Rahmen einer Information aus der dafür zustän- digen Sektion IV. Alle Vorgänge, die sich in dem Jahr vorher abgespielt haben, also auch der Be- richtsauftrag, der am 30. 8. 1983 ergangen ist, und andere Abläufe sind ohne meine Einschal- tung in der Hierarchie Staatsanwaltschaft-Ober- staatsanwaltschaft-Bundesministerium für Justiz - ohne Bundesminister - über die Bühne ge- gangen.

Gaigg: Ist das. Herr Zeuge. auch so zu verste- hen. daß Sie in diesem Zeitraum von niemandem - konkret: weder von Proksch. Daimler noch auch von seinen Rechtsvertretern noch auch von Freunden beziehungsweise Bekannten des Proksch - angesprochen worden sind auf diese Causa, die sich ja letztlich in Ihrem Verantwortungs bereich abgespielt hat?

Ofner: Es hat in der gegenständlichen Causa eine sehr intensive Interventionstätigkeit seitens der Anwälte gegeben, wobei das, was der Privat- beteiligten vertreter der B u ndesländer-Versiche- rung auf dem Gebiet geleistet hat, alles, was mir in meinen bis dahin 25 Berufsjahren als Anwalt untergekommen ist, weit in den Schatten gestellt hat. Ich habe so etwas gar nicht für möglich ge- halten, daß man so flächendeckend und so inten- siv, daß es schon in das Gegenteil umschlägt, in- tervenieren kann.

Es sind auch Interventionen von den Proksch- Anwälten - das war damals die Kanzlei Dami- an/ Amhof - unternommen worden. Ich bin aber überfordert, wenn ich Ihnen sagen sollte, wann

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1422 Lucona-Untersuchungsausschuß - 20. Sitzung - 7. April 1989

solche Schritte unternommen worden sind in den Einzelheiten; ich bin ja wahrscheinlich einer der wenigen Zeugen ohne Akt und auch nicht mehr im Amt. Also ich bin viel auf mein Gedächtnis angewiesen und auf einige wenige Unterlagen, die ich habe. Ich kann nur sagen, daß sehr intensiv seitens Massers interveniert wurde, nach meinem Eindruck auf allen Ebenen, und in einer etwas schüchterneren Form von der Kanzlei Dami- an/Amhof. Ich kann Ihnen aber nicht mehr sagen, wann das begonnen hat.

Gaigg: Meine Frage noch etwas konkreter: Herr Zeuge, ist bei Ihnen persönlich von den von Ihnen Erwählllen beziehungsweise ganz konkret von so- zialistischen Politikern interveniert worden oder - das war Ihrer Schilderung nicht zu entnehmen - nur bei Beamten des Ministeriums?

Orner: Es ist so gewesen, daß man - ich begin- ne bei dem von mir Erstgenannten, nämlich bei dem Privatbeteiligtenvertreter Masser - von Masser hören hat können, daß er überall unter- wegs ist und sehr stark unterwegs ist, von dem es zwei Ereignisse gibt, die sich mir schon einge- prägt haben. Das eine ist eine Urlaubsreise des für diese zuständigen Sektionschefs im Justizministe- rium Fleisch. Der ist mit der AUA ...

Gaigg: Herr Zeuge, ohne unhöflich sein zu wol- len. aber meine Zeit ist sehr bemessen. Bitte beant- worten Sie ganz konkret die Frage!

Orner: Entschuldigen Sie! - Ich glaube, daß es mir gelungen ist, zu erwirken, daß Masser niemals bis in mein Zimmer vorgedrungen ist. Ich kann es aber nicht ganz ausschließen, daß er vielleicht doch dagewesen wäre. Man weiß ja nicht, daß man für die Geschichte tätig ist, die einem sechs Jahre später abverlangt, was sich da vielleicht al- les ereignet hat. Ich glaube, daß entweder Damian oder Amhof einmal bei mir gewesen sind, bis in mein Zimmer gekommen sind, kann aber auch das nicht mit Sicherheit sagen.

Es hat auf der politischen Ebene natürlich ein Gesprächsthema in diesem Zusammenhang gege- ben, das aber nie das Ausmaß der Intervention erreicht hat. Es ist an einer Nebenfront einmal zu einem - "Einschreiten" wäre vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck - Vorgehen sowohl seitens des damaligen Bundesministers Gratz als auch des damaligen Bundeskanzlers Sinowatz ge- kommen, nämlich im Zusammenhang damit, daß Papiere, vor allem ein Brief von Gratz an den damals inhaftierten Proksch, die sich im Gerichts- akt befunden haben, sich im Handumdrehen fak- similiert in einer Zeitung wiedergefunden haben.

Das hat dann zu Schritten gegenüber der Justiz, mit den Vorwürfen mir gegenüber von seiten Gratz und Sinowatz geführt, und man hat von mir verlangt, aufzuklären, auf welche Art und Weise das geschehen konnte, daß Aktenstücke,

noch bevor sie sozusagen einjournalisiert sind oder ähnliches, schon den Weg in die Medien ge- funden haben. Es ist aber damals nicht gelungen, im Detail aufzuklären, wie das geschehen ist.

Aber um es noch einmal zusammenzufassen:

Sehr intensive Interventionen Massers, nach mei- ner Meinung schon umkippend in ihr Gegenteil im Effekt, dann: übliche anwaltliche Intervention der Proksch-Anwälte Damian/Amhof, politische Gespräche. von interessiert bis zu hämisch, auf der adäquaten Ebene, aber keine Intervention au-

ßer von der Anwaltsseite. Wie gesagt: die Ausnah- me hinsichtlich des Weges von Papieren in ein Wochenblatt, glaube ich.

Gaigg: Es ist bereits 1984 in der "Schweizeri- schen Handelszeitung" ein vom Chefredakteur die- ses Organes Martin Ungerer verfaßter Beitrag, ein Kommentar zur Causa Lucona erschienen, in dem es Ulller anderem hieß. ganz kurz:.,ln Österreich kommt zurzeit ein gewaltiger Politfilz zum Vor- schein. in den hohe und höchste Beamte. darunter der österreichische Außenminister Gratz, tief ver- strickt sind. Ulller der wohltätigen Politdecke streckten offensichtlich Ganoven, Ostspione und Betrüger ihre Fühler aus. Zentrale Figur in diesem Kriminalstück ist Demel-Inhaber Udo Proksch.

der sich höchster Protektion in Regierungskreisen erfreut. "

Dieser Artikel hat dann in der weiteren Folge auch zu einer Klage geführt, über die erst kürzlich ein Schweizer Gericht endgültig elllschieden hat, und zwar mit der Feststellung, daß dringendster Tatverdacht auch in Richtung Mord zum damali- gen Zeitpunkt bereits gegeben war.

Meine konkrete Frage, Herr Zeuge: Ist Ihnen dieser Artikel 1984 zur Kenlllnis gelangt?

Orner: Wann ist der 1984 erschienen?

Gaigg: Den genauen Zeitpunkt kann ich nicht angeben. Mit Sicherheit weiß ich, daß dieser Arti- kel 1984 erschienen ist.

Orner: Ich kann es nicht ausschließen, aber ich glaube eher nicht. Mir ist nicht einmal der Titel dieses Blattes bekannt; trotzdem kann ich nicht ausschließen, daß mir das irgendwann einmal je- mand gezeigt oder vorgehalten hat, aber Sie ha- ben offenbar das Lucona-Buch vor sich. Späte- stens bei der Lektüre dieses Buches, also am 20. Dezember 1987, habe ich wahrscheinlich, so wie Sie es mir vorgehalten haben, auch das gele- sen, aber wieder vergessen.

Gaigg: Herr Zeuge! Der Akt ist Ihnen am 14. 12.

1984 vorgelegt worden. Kurz zusammengefaßt:

Alllrag der Staatsanwaltschaft Wien auf Einleitung der Vorulllersuchung, ablehnende Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft, positive Stellungnah- me, das heißt mit dem Alllrag der Staatsanwalt-

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schaft Wien übereinstimmende Stellungnahme in RichlUng auf Einleitung einer VOrllfltersuchung durch die zuständige Abteilung Ihres Ministeriums.

Dieser Akt ist dann zwei Monate bei Ihnen gele- gen, ohne daß Ihrerseits eine Veranlassung getrof- fen worden wäre. Zwei Monate in einer Causa wie dieser ist ein verhältnismäßig langer Zeitraum.

Bitte wie begründen Sie diese Tatsache? Worin liegt die Ursache dafür, dajJ ier Akt so lange bei Ihnen lag, bis Sie dann letZlLich Ende Jänner 1985 eine Efltscheidung getroffen haben?

Ofner: Ich darf zunächst ein bisserl präzisieren:

Der Akt ist nicht zwei Monate bei mir gelegen, sondern er ist am 13. 12. 1984 in das Ministerse- kretariat gegangen, und meine Erledigung ist am 25. Jänner 1985 draufgeschrieben worden.

(Gaigg: Sechs Wochen.') Es war lang, aber es wa- ren doch nicht volle zwei Monate. Ich gebe nur zu bedenken, daß in diesem Zeitraum die Weih- nachtsfeiertage mit allem Zubehör gefallen sind.

Ich gebe zu bedenken, daß es keine leicht zu fäl- lende Entscheidung gewesen ist. Ich habe mir die Dinge überlegt, gebe aber auch zu bedenken, daß in einer Causa, in der es der Geschädigte, nämlich der Privatbeteiligte, sechseinhalb Jahre hindurch offenbar bewußt unterläßt, eine strafrechtliche Implikation auch nur zu riskieren, zwei Wochen mehr als ein normaler Ablauf vielleicht kaum eine Rolle spielen können.

Ich bin damit bei dem Thema, daß immer wie- der gefragt wird: Wer ist denn schuld an Verzöge- rungen in Sachen Proksch, und ich verweise dar- auf, daß in den Monaten und Jahren seit der Ein- leitung der gerichtlichen Vorerhebungen, also seit Sommer 1984, bis zu meinem Ausscheiden aus dem Amt im Jänner 1987 - das sind 1985 1986 zweieinhalb Jahre -, glaube ich, 61

Zeug~n ver~

nommen sind, und zwar in der halben Welt. Die Antwort darauf, wer da verzögert habe, muß bei jedem, der den Justizbetrieb in Österreich nur halbwegs kennt, lauten: Offensichtlich überhaupt niemand, denn wer nur einen Mietzinsprozeß um ein paar Tausend Schilling mit fünf Zeugen führt, der erhält eine Vorstellung darüber, wie schnell eigentlich alles in Sachen Proksch-Lucona über die Bühne gegangen ist.

Aber daß man bei einer solchen Materie dann, wenn das das erstemal zum Minister hinauf- kommt - weil offenbar die Beamten der Ansicht sind, jetzt wird die Sache so ernst, daß wir den Minister einschalten -, noch dazu dann, wenn diese Feiertagskombination hineinkommt, bei ei- ner Causa, die vom Betroffenen arg verzögert wurde, nicht den einen oder anderen Tag oder die eine oder andere Woche wiegen darf, dieser Mei- nung bin ich.

Gaigg: Herr Zeuge.' Die Stellungnahme der zu- ständigen Sektion des Justizministeriums, verfaßt

von Sektionschef Fleisch beziehungsweise Gene- ralanwalt Mayerhofer, geht ja in die Richtung, die

Voruntersuchung mit Rücksicht auf die Beweislage zuzulassen.

Sie haben dann letztlich die Entscheidung ge- fällt, das nicht zu tun; es gibt also diesen von Ihnen handschriftlich verfaßten Aktenvermerk.

Meine Frage: Haben Sie den Akt - Sie haben sich die Elllscheidung nicht leicht gemacht, sagten Sie - studiert, beziehungsweise welche Teile des Aktes haben Sie studiert, und womit haben Sie Ihre Entscheidung begründet?

Ofner: Ich habe den Akt sicher nicht zur Gänze studiert. Es ist der ... Ein Ministerium - ich schiebe das ein - ist monokratisch organisiert;

das heißt, Organ ist nur der Bundesminister. Es ist daher so, daß das Schriftstück, das Generalan- walt Mayerhofer verfaßt und das Sektionschef Fleisch approbiert hat, ein Erledigungsentwurf für mich gewesen ist.

Ich habe mich nämlich damals entschlossen - sicher ohne den ganzen Akt, auch nicht in den Teilen, die ich zur Verfügung gehabt habe, zu stu- dieren, sondern vor allem aufgrund des Berichtes, der mir vorgelegen ist, aber auch aufgrund der Gesamtkonstellation -, der Ansicht, der Absicht der Oberstaatsanwaltschaft nicht entgegenzutre- ten.

Das hat eine ganze Reihe von Gründen gehabt, die ich gerne auszubreiten bereit bin, glaube aber, daß ein ganz entscheidender Grund darin gelegen gewesen ist, daß der Vorschlag der Oberstaatsan- waltschaft ja nicht dahin gehend gelautet hat, so- zusagen für immer oder auf unbestimmte Zeit zu unterscheiden, daß keine Voruntersuchung statt- zufinden habe, sondern daß es - wenn ich es auswendig richtig weiß - ausdrücklich heißt:

vorerst und derzeit und vorbehalten, daß man eben gesagt hat, es sollen einige genau genannte Beweise noch durchgeführt werden - die Ver- nehmung der Zeugen Egger und Egli etwa, ich glaube, eine nochmalige Vernehmung des Zeugen Voglstätter oder ähnliches - und daß man dann neuerlich und damit wohl erst in der Sache selbst über das Vorhaben: Voruntersuchung, ja oder nein? entscheiden werde.

Das ist mir plausibel erschienen, zumal mit ei- ner ganz ähnlichen Begründung - Kompliziert- heit des Falles und ähnliches -, mit der im Okto- ber 1984 die Staatsanwaltschaft ihren Vorschlag, zu beantragen, Voruntersuchung einzuleiten, be- gründet hat, auch wenige Monate vorher der An- trag, Vorerhebungen einzuleiten, begründet wor- den ist.

Ich bin unter dem Eindruck gestanden, daß in einer Causa, in der wir alle von tiefem Mißtrauen erfüllt waren - mein Nachfolger im Amt hat ir- gendwann einmal den Ausdruck im Fernsehen gebraucht: Wir haben das Gefühl gehabt, das ist

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1424 Lucona-Untersuchungsausschuß - 20. Sitzung - 7. April 1989

eine .,Räuberpistole". und man weiß so gar nicht, was man davon halten soll -, daß also in dieser Causa, die so lange zurückliegt, gezielte Schritte - durchaus unter Einschaltung der Staatsanwalt- schaft - zweckmäßiger erscheinen - und nur darauf kommt es ja an -. als ohnegezielte Schrit- te die Dinge geschehen zu lassen.

Ich verweise aber darauf: Es hat dann länger gedauert, als man ursprünglich annehmen hat können, bis die von mir genannten Zeugen ver- nommen gewesen sind, und kaum waren sie ver- nommen, hat auch die Staatsanwaltschaft erklärt:

Kommando zurück, wir brauchen keine Vorun- tersuchung, es geht auch mit Vorerhebungen!

Das heißt, der Vorbehalt, den die Oberstaatsan- waltschaft in einer ganz bestimmten Richtung da- mals gesetzt hat, ist durch den weiteren Ablauf der Dinge in seiner Richtigkeit bestätigt worden.

Die Oberstaatsanwaltschaft hat vorgeschlagen, die Durchführung von ganz konkret angeführten Beweisen noch abzuwarten und dann zu entschei- den. Und offenbar ist das wirklich wesentlich ge- wesen, denn kaum sind die Beweise durchgeführt worden, hat auch die Staatsanwaltschaft die These vertreten, Vorerhebungen tun 's.

Und mit den Vorerhebungen ist man ja schließ- lich zum Ziel gekommen. Eines Tages, am 21. Jänner 1987, gab es den Ofner nicht mehr, und es war auch der Oberstaatsanwalt Müller praktisch gleichzeitig weg, es waren neue Männer da, und niemand hat etwa jetzt begonnen, die Voruntersuchung zu beantragen oder einzuleiten.

Man hat nach fünfviertel Jahren dann eine For- malvoruntersuchung unmittelbar vor Anklageer- hebung eingeleitet, das heißt, man ist mit den Vorerhebungen, in deren Rahmen, glaube ich, bis auf einen einzigen Zeugen alle noch in meiner Zeit vernommen worden sind, zum Ergebnis ge- langt.

Es ist im Jahre 1985, und zwar im Herbst, bis zu meinem Ausscheiden aus dem Amt mehrmals von mir sozusagen angefragt worden - vom Mi- nisterium und auch von mir angefragt worden -, wie die Dinge stehen, wie es mit der Absicht, Vor- untersuchungen einzuleiten, ausschaue. Es ist ab Herbst 1985 die These vertreten worden, das wäre nicht gerechtfertigt, Vorerhebungen genügen.

Ich wiederhole es noch einmal: Bis auf einen einzigen Zeugen, bei dem es irgendwelche Pro- bfematik beim Protokollieren in Hongkong gege- ben hat oder ähnliches, sind alle in meiner Zeit vernommen worden. Der Akt war von dieser Warte aus noch in der Zeit Ofners fertig, und es hat die Staatsanwaltschaft auch im Herbst 1986 angekündigt, daß es etwa um die Jahreswende von 1986 auf 1987 zur Endantragsstellung kom- men werde. - Das heißt, auch der Erfolg hat mir recht gegeben.

Ich glaube alles in allem, daß nach meinem rechtlichen Kalkül nach dem Gesamteindruck, den ich gewonnen habe - ich komme ja aus die- ser Branche, ich bin ja Anwalt, und ich weiß es auch zu würdigen, wenn in einem Zivilprozeß dann, wenn jemand glaubt, ihn vielleicht zu ver- lieren, plötzlich der Schritt zu den Strafbehörden unternommen wird und man sich dort bemüht, Terrain vielleicht aufzuholen, das man vorher selbst versäumt hat -, daß also unter dem Ge- samtaspekt nach meinem Kalkül, nach meinem Wissen und nach meinem Gewissen die Vorerhe- bungen der richtige Schritt gewesen sind.

Es ist aber noch etwas dazugekommen: Wenn die unterste Behörde, die Staatsanwaltschaft, den möglichen Weg A vorschlägt, die Oberbehörde, die Oberstaatsanwaltschaft, den möglichen Weg B und mir dieser mögliche Weg B mit seiner Be- gründung und mit dem darin enthaltenen Vorbe- halt, das eventuell zu ändern, wenn gewisse Dinge auf dem Tisch liegen, zweckmäßig erscheint, rechtlich plausibel erscheint, dann wäre es für mich noch möglich gewesen, mit Weisung die un- mittelbar unter mir angesiedelte Behörde, näm- lich die Oberstaatsanwaltschaft zu desavouieren, aber ich habe dafür im Hinblick auf die Sach- und Rechtslage keinen Grund gesehen.

Und der Erfolg - ich wiederhole es -, der Erfolg hat diesem Weg recht gegeben. Es ist bis zu meinem Ausscheiden aus dem Amt und dann unter meinem Nachfolger bis zur Formaluntersu- chungserhebung einige Tage vor Einbringung der Anklageschrift mit diesen meinen Vorerhebun- gen weitergearbeitet worden, und sie haben zum Erfolg geführt.

Gaigg: Herr Zeuge! Im fraglichen Zeitpunkt, lahreswende 1984/85, lag den lustizbehörden be- reits der rund 200 Seiten umfassende Bericht der Sicherheits direktion Niederösterreich vor, zuzüg- lich 110 Beilagen, zuzüglich Nachtragsbericht, aus dem auf grund der Geständnisse eines Herrn Bar- tos und eines Herrn Kölbl eindeutig festgestellt werden konnte, daß nie eine Erzaufbereitungsanla- ge zu Proksch nach Piesting gebracht worden ist und daß eine solche nie von dort nach Chioggia transportiert worden ist. Das heißt, es sind sowohl die Zollpapiere erschlichen als auch die Papiere bei der Transportfirma gefälscht worden.

Es gab also in diesem Zeitpunkt wirklich schon eindeutige Beweise, daß hier eine Betrugssache vorliegt und zwangsläufig darüber hinaus durch den Untergang des Schiffes auch noch, wenn man es jetzt unter den Mordtatbestand subsumiert, ver- suchter Mord oder Gefährdung durch Sprengstoff.

Es nimmt daher also schon wunder, daß ange- sichts dieser Beweislage die Oberstaatsanwalt- schaft und in weiterer Folge auch Sie die Meinung vertreten haben, Vorerhebungen genügen, nämlich aus dem Gesichtspunkt heraus, daß ja mit Vorun-

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tersuchung auch andere Maßnahmen möglich ge- wesen wären, und auch aus dem Gesichtspunkt heraus, daß die Frage des Umkommens von sechs Personen ja im Raum gestanden ist.

Konkret meine Frage: Nachdem Sie die Meinung Ihrer Herren im eigenen Ministerium letztlich nicht geteilt haben und befunden haben, es sollten die Vorerhebungen weitergeführt werden, haben Sie in diesem Zeitraum bis zur Entscheidung mit dem Generalanwalt Mayerhofer und dem Sektionschef Fleisch - beides hochqualifizierte Beamte mit langjähriger einschlägiger Erfahrung - ein Ge- spräch darüber geführt, warum und wieso sie zum Unterschied von den Herren der Oberstaalsan- waltschaft der Meinung wären, es sollte also doch die Voruntersuchung eingeleitet werden?

Ofner: Nicht der Oberstaatsanwaltschaft. son- dern im Gegensatz zu den Herren des Ministe- riums. Sie haben sich versprochen. Herr Abge- ordneter.

Gaigg: Ja, ob Sie Gespräche konkret mit Mayer- hofer und mit Fleisch geführt haben?

Ofner: Ich darf einmal etwas weiter ausholen.

Der Vorhalt, den Sie mir machen, erschiene plau- sibel, wenn ich damals hergegangen wäre und die Einstellung etwa empfohlen oder herbeigeführt oder ihr das Wort geredet hätte. Ich habe einen der beiden möglichen Verfolgungsschritte gutge- heißen, den, der mir von der unmittelbar unter mir angesiedelten Behörde begründet vorgeschla- gen worden ist. Und der war noch dazu erfolg- reich.

Ich glaube, daß man mir diese damalige Ent- scheidung vorwerfen könnte. wenn ich trotz des Vorliegens von Beweisergebnissen, die für die Schuld der Betroffenen gesprochen haben, etwa auf Einstellung gegangen wäre oder aber wenn sich am Schluß herausgestellt hätte, daß ich mich geirrt habe in meiner rechtlichen Beurteilung, daß ich in Richtung Vorerhebungen gegangen bin, und es wäre irgend etwas schiefgelaufen. Ich habe es vorgezogen, den Vorschlag meiner Unter- behörde zu akzeptieren, und dieser Weg war der richtige im Effekt.

Ich glaube - ich betone es noch einmal, ich bin nicht sicher nach fünf, sechs Jahren, alles ganz präzise sagen zu können -, ich habe sicher nicht mit Mayerhofer gesprochen, denn der Mann aus der zuständigen Sektion IV, der diese Gespräche zu führen gehabt hat, war der Sektionschef Fleisch; also nicht mit Generalanwalt Mayerho- fer, sondern mit Sektionschef Fleisch. Aber ich glaube eher nicht, daß ich in der Materie selbst mit ihm Gespräche geführt habe, bevor ich diesen handschriftlichen Aktenvermerk, der eh schon durch alle Zeitungen gegeistert ist, geschrieben

habe.

Gaigg: Herr Zeuge.' Letzte Frage: Ist Ihnen in dem Zeitpunkt, in dem Sie diesen handschriftli- chen Vermerk. diese Weisung geschrieben haben.

bekannt gewesen, daß das Oberlandesgericht Wien einen Beschluß zugunsten des Udo Proksch bezie- hungsweise der Firma Zapata gefällt hat, und hat das Ihre Entscheidung beeinflußt?

Ofner: Sie haben den Ausdruck Weisung ver- wendet. Ich bin der Meinung, damals keine Wei- sung gegeben zu haben, und ich bin auch bereit, das rechtlich zu erläutern und zu erörtern. Aber Ihre Frage zielt in eine andere Richtung.

Es hat eine ganze Reihe von Entscheidungen in dem damals anhängig gewesenen Zivilverfahren gegeben, aber die, auf die Sie anspielen, habe ich damals noch nicht gekannt. Wenn ich sie gekannt hätte, wäre sie wahrscheinlich ein weiteres Mo- ment in der Richtung gewesen, nicht mit Weisung gegenüber der Oberstaatsanwaltschaft auf Vorun- tersuchung zu entscheiden. Aber ich habe sie nicht gekannt.

Gaigg: Danke.

Obmann Steiner: Danke. - Herr Dr. Pilz, bitte.

Pilz: Danke. Herr Dr. Ofner! Ich glaube, einlei- tend können wir uns sicher leicht darüber einigen, daß ein wesentlicher Unterschied zwischen Vorer- hebung und Voruntersuchung darin besteht, daß bei der Voruntersuchung ein weisungsungebunde- ner Richter, ein Untersuchungsrichter, die ganzen Handlungen leitet.

Jetzt meine erste Frage in diesem Zusammen- hang: Wie lange waren Sie eigentlich schon Rechts- anwalt, als Sie im Mai 1983 Justizminister wurden?

Ofner: Ich habe die Gerichtspraxis im Jahr 1958 begonnen, bin im Jahr 1959 Konzipient ge- worden und habe, glaube ich, 1965 meine Kanzlei eröffnet.

Pilz: Das heißt, Sie waren im Jahr 1980 rund 15 Jahre als Rechtsanwalt bei Gericht und so wei- ter.

Ofner: Als selbständiger, ja.

Pilz: Als selbständiger.

Ofner: Von 1965 bis 1980 etwa 15 Jahre, ja.

Pilz: Gut. Im Jahr 1980 haben Sie im Parlament, und zwar genau am 2. Dezember 1980, einen Aus- flug ins Grundsätzliche unternommen. Ich zitiere

wörtlich: "Ein kleiner Ausflug ins Grundsätzliche, meine Damen und Herren. Das Grundsätzliche, das ist die Frage: weisungsgebundene Staatsanwäl- te. In unserer Republik gibt es, wie überall sonst in Demokratien westlicher Prägung auch, unabhängi- ge. unversetzliche, selbstverständlich nicht wei-

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1426 Lucona-Untersuchungsausschuß - 20. Sitzung - 7. April 1989

sungsgebundene Richter. Das gehört so, das ist gut so. Aber es ist insofern zum Teil wirkungslos, als dieser mit allen berechtigten Privilegien ausgestat- tete Richter überhaupt nur dann tätig werden kann, wenn ein weisungsgebundener Beamter, nämlich der Staatsanwalt, es zuläßt, daß er nur dann tätig werden kann und daß er sofort seine Tätigkeit ein- zustellen hat, wenn der weisungsgebundene Staats- anwalt das will. Das ist ein Bruch im System der Unabhängigkeit des Richters. Und es iST auch ein Verstoß - so meine ich - gegen den Grundsatz der Gewaltentrennung, der gleichfalls in allen De- mokratien westlicher Prägung unbestritten ist. "

Das haben Sie am 2. Dezember 1980 gesagt.

Selbstverständlich - und das konzediere ich Ihnen gern - nicht im Zusammenhang mit Udo Proksch, Hans Peter Daimler und Lucona, sondern im Zu- sammenhang mit Hannes Androsch.

Sie haben offensichtlich Ihre Meinung geändert.

Warum?

Ofner: Ich zitiere einen berühmten Schon- nicht-mehr-Zeitgenossen namens Konrad Ade- nauer, dem ähnliches irgendwann einmal vorge- halten worden ist und der sinngemäß gesagt hat:

Niemand hindert einen daran, von einem Tag auf den anderen gescheiter zu werden.

Pilz: Wir müssen jetzt im Lauf dieser Befragung - oder zumindest wäre mir das sehr recht - draufkommen, wann dieser Tag stattgefunden hat und was für ein besonderer Tag war, der Sie da in so eine adenauer'sche Situation kommen hat las- sen.

Ich zitiere weiter: "Ich kann mich nicht auf den Standpunkt stellen, die Justiz hat von der Gesetzge- bung und von der Verwaltung getrennt zu sein, wenn ich zugleich auf dem Umweg über einen wei- sungsgebundenen, und zwar dem Justizminister und damit der Verwaltung weisungsgebundenen, Staatsanwalt entscheidend in den anderen Bereich - nämlich in die Rechtsprechung - eingreifen kann. {(

Halten Sie das für richtig?

Ofner: Ich halte es nicht mehr für richtig, und ich bin gerne bereit, es Ihnen auch zu erläutern.

Unser strafrechtliches System besteht auf der Grundlage des Umstandes, daß es in der Mitte den weisungsungebundenen, unabhängigen, un- absetzbaren, unversetzbaren Richter gibt. Links und rechts von ihm agieren Weisungsgebundene.

Das ist auf der Seite des Verteidigers - dort fällt es nur niemandem auf - eben der Strafver- teidiger, der ja weisungsgebunden ist von seiten seines Mandanten. Niemandem würde es einfal- len, zu sagen: Das ist doch allerhand, daß jetzt in einem Akt der Rechtspflege der Rechtsanwalt, der Verteidiger nur das tun und lassen darf, was ihm der Klient angeschafft hat. Niemandem fällt

es ein, zu verlangen, daß etwa der Verteidiger sagt: So, jetzt erlegen Sie den Kostenvorschuß, er- teilen mir Information und was ich mache, müs- sen Sie schon mir überlassen.

Dem entspricht aber auf der anderen Seite der Staatsanwalt als der Anwalt der Republik. Der strafrechtliche Verfolgungsanspruch steht nicht dem einzelnen Staatsanwalt zu, er steht auch nicht dem Oberstaatsanwalt zu oder einem Ange- hörigen einer dieser Behörden, er steht der Repu- blik Österreich zu. Und der Repräsentant der Re- publik Österreich in diesen Dingen ist der Bun- desminister für Justiz.

Wären alle Beteiligten im Strafverfahren unab- hängig - der Richter, der Verteidiger und der Staatsanwalt - , dann wäre das ein bißehen so wie Billard, nicht, mit den Kugeln, die alle herumren- nen, und niemand weiß so genau, wo sich dann das alles trifft. Und darüber hinaus gäbe es keinen Verantwortlichen.

Pilz: Gut.

Ofner: Ich halte es - ich darf das ein bisserl noch weiterentwickeln vielleicht ...

Pilz: Nein.

Ofner: Genügt es Ihnen?

Pilz: Es genügt mir wirklich. Es geht in diesem Zusammenhang eigentlich um einen anderen Punkt, nämlich um die Frage: Was ist l-vann pas- siert, daß der erfahrene Rechtsanwalt Dr. Dfner, der im Fall Androsch die Gewaltentrennung und die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet sieht, plötzlich als Justizminister Dfner eine völlig ande- re Meinung und in der Frage der Weisungsgebun- denheit der Justizbehörden bei Verfolgungsaufträ- gen eigentlich eine komräre Meinung einnimmt?

Wir wollen jetzt gemeinsam versuchen draufzu- kommen, wann das passiert ist und warum das pas- siert ist.

Vielleicht ist es am gescheitesten, wenn wir da- mit beginnen: Warum sind Sie im Jahr 1980 zu dieser Meinung gelangt, daß durch die ständigen Weisungen vom Justizministerium und von der Dberstaatsanwaltschaft die Unabhängigkeit der Ju- stiz gefährdet ist und es wesentlich vernünftiger ist, unabhängige Untersuchungsrichter in solchen Ver- fahren unbeeinflußt arbeiten zu lassen?

Ofner: Das weiß ich nimmer. Ich gebe Ihnen auch gerne alle Antworten, nur gebe ich zu be- denken, daß ich als Zeuge über Wahrnehmungen auszusagen habe und eigentlich nicht über Über- legungen, die ich zu einer Zeit und in Dingen, die durch den Auftrag, den der Ausschuß vom Parla- ment erhalten hat, wohl nicht gedeckt sind, ange- stellt habe. Ich kann's auch nicht sagen. Ich weiß nicht, in welchem Rahmen 1980 konkret diese

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Äußerungen gefallen sind, ich kann nicht sagen, wie ich zu dem Schluß gekommen bin. Sie waren mir nicht in Erinnerung.

Pilz: Sie können sich also nicht mehr daran erin- nern, wie Sie damals als einer der Wortführer ge- gen die Sozialistische Partei in der Frage Androsch die Weisungsgebundenheit von Staatsanwälten und so weiter beurteilt haben. Das haben Sie vergessen.

Ofner: Kann ich mich nicht erinnern.

Pilz: Können Sie sich nicht erinnern?

Ofner: Kann ich mich nicht erinnern.

Pilz: Aha.' Gehen wir einen Schritt weiter. Ich zitiere weiter:., Und es beginnt sich die Sache als für das Prinzip. für das System unserer Demokra- tie sehr bedenklich darzustellen, wenn diese Wei- sungen noch dazu mündlich erfolgen können, wenn sie daher nirgends festgehalten sind, wenn sie nicht der Kontrolle. durch welche Instanzen im- mer, unterliegen. "

Haben Sie auch in diesem Punkt, in der Frage der mündlichen. nicht kontrollierbaren Weisun- gen, Ihre Meinung geändert?

Ofner: Da kann ich Ihnen vielleicht ein bisserl weiterhelfen. Es ist in meiner Ära das erste Staatsanwaltschaftsgesetz in Österreich über- haupt geschaffen worden. Der damals sehr junge Kaiser Franz Joseph hat im Jahr 1849, im Alter von 19 Jahren ...

Pilz: Na. es ist schon interessant. daß Sie sich an den Kaiser Franz foseph . ..

Ofner: Also. Sie dürfen mich nicht immer fra- gen und dann nicht antworten lassen!

Pilz: ... erinnern können und nicht an den Dr.

Androsch, aber . ..

Ofner: Bitte, Sie haben mich gefragt, ob ich meinen Standpunkt geändert habe. Ich werde ver- suchen, Ihnen darzulegen, inwieweit er gleichge- blieben ist.

Im Jahr 1849 hat der Kaiser Franz Joseph unter dem Eindruck der Revolution ein Jahr zuvor sei- nem Justizminister Schmerling - wie es wörtlich heißt - aufgetragen, schleunigst ein Staatsan- waltschaftsgesetz zu schaffen, und mit, ich glau- be, 135 Jahren Verspätung oder so ähnlich ist es unter dem Justizminister Harald Ofner dann ge- kommen. Es war ein einhelliges Gesetz, auch die Opposition war damals damit einverstanden, auch die Richtervereinigung, auch der Verein der Staatsanwälte. Und da ist vieles von dem, was vor- her unzukömmlich gewesen sein mag - Münd- lichkeit, zu geringer Gewissensschutz für die Be- troffenen und ähnliches mehr -, ausgeräumt,

verbessert oder in einer anderen Form festge- schrieben worden.

Das heißt, es hat eine Konsequenz, wenn Sie wollen, aus der ursprünglichen Haltung des Ha- raid Ofner, an die ich mich nicht erinnern kann, die Sie mir vorgehalten haben, gegeben in der Form, daß ein sehr modernes und das erste Staatsanwaltschaftsgesetz überhaupt in meiner Ära gekommen ist, das alle diese heiklen Berei- che, die vorher, glaube ich, auf sechs Vorschriften verteilt gewesen sind, erstmals genau normiert, erstmals genau geregelt hat.

Pilz: Hat es unter Ihrer Ministerschaft fern- mündliche Weisungen gegeben?

Ofner: Von wem an wen?

Pilz: Zum Beispiel des Abteilungsleiters an den Oberstaatsanwalt-Stellvertreter Dr. Wasserbauer;

mit Abteilungsleiter ist offensichtlich der Dr. May- erhofer gemeint.

Ofner: Das weiß ich nicht.

Pilz: Das wissen Sie nicht.

Ofner: Aber ich halte alles für denkbar, und es wäre damals auch gedeckt gewesen vor dem neu- en Gesetz.

Pilz: Das wäre gedeckt gewesen. Ich sehe schon ein, daß da offensichtlich der Minister Blecha und etliche andere an Vergeßlichkeit leiden und daß da offensichtlich System dahintersteckt, aber Sie kön- nen doch nicht alles vergessen haben. was Sie im fahr 1980 an Grundsätzlichem an der österreichi- schen Justiz für reform würdig gehalten haben.

Sie sagen da: " ... es beginnt sich die Sache . ..

für . .. unsere Demokratie sehr bedenklich darzu- stellen, wenn diese Weisungen noch dazu mündlich erfolgen . .. "

Ofner: Ich habe Ihnen schon erklärt, Herr Ab- geordneter, dann ist das neue Staatsanwaltschafts- gesetz gekommen, und das hat diese Dinge in der Richtung geregelt, wie sie sich's gewünscht hat.

Pilz: Herr Doktor Ofner.' Ich habe Sie nicht nach Gesetzen gefragt, nicht nach dem Staats an- waltschaftsgesetz, sondern einzig und allein da- nach, ob das, was unter Ihrer Ministerschaft prak- tiziert worden ist, mit dem übereinstimmt, was Sie als Oppositionsabgeordneter von einem fustizmi- nister und von einem lustizministerium gefordert haben. Das ist meine einzige Frage, und deswegen frage ich Sie noch einmal: Wie stehen Sie dazu, daß es unter Ihrer Ministerschaft aus dem fustizmi- nisterium und aus der Oberstaatsanwaltschaft fernmündliche Weisungen gegeben hat, gegen die Sie im Parlament am 2. Dezember 1980 schärf- stens aufgetreten sind?

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1428 Lucona-Untersu<.:hungsausschuß - 20. Sitzung - 7. April 1989

Ofner: Ich antworte Ihnen dahin gehend, daß ich nur darauf bestehen kann, daß die Vollzie- hung im staatlichen Bereich, also auch im Bereich der Anklagebehörden, nach den bestehenden Ge- setzen erfolgt. Und was nach dem Konvolut von Vorschriften, die es vor dem in meiner Zeit ge- schaffenen Staatsanwaltschaftsgesetz gegeben hat, Rechtens gewesen ist, über das kann sich der eine oder der andere, der Minister oder auch nicht der Minister, freuen oder ärgern, es ist Gesetz und ist zu vollziehen.

Pilz: Dann frage ich Sie anders.

Ofner: Ich bitte um Nachsicht, lassen Sie mich bitte antworten. Sie fragen mich ausführlich, ich möchte auch ... Ich könnte es mir leicht machen und könnte mit einem Zitat von Marx - oder Lenin, glaube ich, ist es - antworten, das da lau- tet: "Das Sein bestimmt das Bewußtsein." Aber so einfach möchte ich es mir nicht machen.

Es ist so, daß auf dem Gebiet der Anklagebe- hörden und Ihrer Tätigkeit es eigentlich keine einheitlichen klaren Vorschriften gegeben hat, als ich in mein Amt eingeführt worden bin. Ich habe die Konsequenz daraus gezogen und habe in in- tensiven Verhandlungen eine einhellige Rege- lung, die auch die Zustimmung der Betroffenen gefunden hat, herbeigeführt, die vieles von dem aus der Welt geschafft hat, was vorher als nicht sehr befriedigend empfunden worden ist.

Pilz: Ich widerspreche Ihnen gar nicht, daß wir möglicherweise anhand Ihrer Entwicklung vom Abgeordneten zum Minister einen eindrucksvollen Beweis für die These, daß das Sein das Bewußtsein bestimmt, finden können.

Obmann Steiner: Könnten wir bald vom Kaiser Franz foseph wieder zurück zum Problem Lucona kommen.

Pilz: Vom Kaiser Franz foseph.

Ofner: Sie werden es besser wissen, von Marx oder von Lenin? Mir sind beide nicht so geläufig.

Pilz: Dieser Satz stammt von Hege!.

Ofner: Ich habe Sie nicht verstanden, Herr Ab- geordneter.

Pilz: Dieser Satz stammt von Hegel.

Ofner: Das glaube ich wieder nicht.

Pilz: Ist aus der deutschen Rechtsphilosophie.

Soll zumindest vom ersten Teil dieses doppelten Begriffes Ihnen näher stehen als mir.

Ich habe Ihnen eine ganz, ganz einfache Frage gestellt, nämlich die Frage: Als Oppositionsabge- ordneter haben Sie sich im fahre 1980 ganz dezi-

diert und ganz scharf gegen telefonische Weisun- gen, die offensichtlich mißbrauchbar sind, ausge- sprochen.

Ich wiederhole meine Frage: Warum haben Sie dann diese telefonischen Weisungen in Ihrem Mini- sterium in der Causa Lucona - ich konzediere noch einmal, es war nicht mehr die Causa An- drosch - geduldet?

Ofner: Zunächst unterstellen Sie etwas, was ich überhaupt nicht gesagt habe. Ich habe nicht er- klärt, daß es in der Causa Lucona telefonische Weisungen gegeben habe ...

Pilz: Nein, das habe ich Ihnen nachgewiesen.

Ofner: Ich kann es nicht ausschließen. Und ich muß auch für mich in Anspruch nehmen, daß ich mich an Ereignisse, die vor fünf, sechs Jahren be- gonnen haben als jemand, der nicht mehr im Amt ist, nicht mehr in dieser Umgebung ist, nicht über den Akt, wie es so schön heißt, verfügt, nicht in allen Details erinnern kann.

Wenn es tatsächlich Vorgänge gegeben hat, die durch das Gesetz gedeckt gewesen sind, dann habe ich mit ihnen leben müssen. Ich kann aber nicht sagen, welche telefonischen Abläufe es au- ßerhalb der Person des Harald Ofner und seiner unmittelbaren Umgebung damals allenfalls gege- ben hat.

Pilz: Seinerzeit, im fahre 1980, haben Sie das eigentlich alles sehr klar gesehen. Sie haben nicht nur grundsätzlich dazu Stellung genommen, war- um der Untersuchungsrichter, der weisungsunge- bunden ist, dem weisungsgebundenen Staatsanwalt vorzuziehen wäre, Sie haben sich nicht nur klar gegen telefonische Weisungen und Berichtsaufträ- ge ausgesprochen, sondern Sie haben auch damals im fahre 1980 sehr klar analysiert, was alles pas- sieren kann.

Ich lese Ihnen wieder vor, damit Sie sich an das fahr 1980 erinnern können. Zitat Dr. Ofner: "Es würde nur bedeuten" - wenn man weisungsfrei stellt - , "daß es keine offenen Weisungen geben wird, daß einfach telefonisch rückgefragt wird, daß einfach telefonisch erklärt wird, was der fustizmi- nister will, was andere wollen im Ministerium, in der Oberstaatsanwaltschaft, und man wäre dort, wo man jetzt hält, man könnte es nicht mit Händen fassen und daher auch nicht nachweisen."

Das heißt, Sie haben sehr genau und detailliert erklärt, was eigentlich im Ressort sehr leicht pas- sieren kann, wenn man seine Amtsgewalt bis zu einem gewissen Grad zweckemfremden oder mög- licherweise' mißbrauchen will, nämlich, daß man gar keine direkte Weisung braucht, sondern dem Oberstaatsanwalt oder dem Staatsanwalt mit Be- richtsaufträgen, mit Telefonaten und so weiter,

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schon durch die Blume klarmachen kann, was ge- wünscht wird. Das war alles der Fall Androsch.

Warum haben Sie im Fall "Lucona-Proksch" of- fensichtlich nicht mehr diese Meinung vertreten?

Ofner: Die Rede, die Sie von mir zitieren - und ich nehme an, Sie zitieren sie richtig -, ist der Ausfluß des professionellen Mißtrauens eines Oppositionsabgeordneten. Wenn er dann sieht, wie die Dinge wirklich laufen, muß er oft erken- nen, daß er zu kritisch und zu mißtrauisch gewe- sen ist.

Pilz: Heißt das jetzt, daß Sie in der Causa An- drosch unrecht gehabt haben?

Ofner: Ich habe die Dinge in der Schärfe gese- hen, in der mittlerweile wir beide sie wieder zu sehen pflegen, denn wir sind beide Oppositions- abgeordnete. Sie sind es neu, und ich bin es wie- der geworden. Und wenn einmal Sie oder ich in der Regierung sein oder wieder sein werden, dann werden wir auf einmal beide wieder erkennen, daß alles auch eine zweite Seite hat.

Pilz: Ich kann mir das durchaus in Fragen des Budgets oder so etwas vorstellen, daß man die Not- wendigkeit zu sparen und so weiter durchaus mit verschiedenen Augen sieht.

Aber sind Sie der Meinung, daß Grundfragen der Justiz, wie die Unabhängigkeit der Untersu- chungsrichter bei Verfolgungsaufträgen, davon ab- hängen, ob man sich gerade in Opposition befindet oder ob man gerade in der Regierung ist, ob man das bejaht oder ob man das verneint. Hängt das allein davon ab, ob man gerade Oppositionsabge- ordneter oder Regierungsmitglied ist, wie man dazu steht?

Ofner:Die Frage nicht, aber ihre Beurteilung.

Pilz: Das heißt . ..

Obmann Steiner: Zur Geschäftsordnung, bitte.

Ermacora (zur Geschäftsordnung): Ich höre mir diese seminaristischen AusfÜhrungen des Herrn Dr. Pilz schon seit geraumer Zeit an, ich meine, daß diese Ausführungen, wo er Aussagen, die ein Abgeordneter einmal gemacht hat, mit seiner Amtsführung vergleicht, einfach unpassend sind.

Es geht um die Untersuchung des Lucona-Pro- blems und um die allfällige Verantwortlichkeit ei- nes früheren Justizministers, aber nicht um die Mo- ralisierung, die darin besteht, daß man ihn mit frü- heren Aussagen vergleicht.

Ich würde doch bitten, Herr Vorsitzender, daß man zum Gegenstand kommt. Aber es ist seine Sa- che, Pilz'sche Sache, ob er seine halbe Stunde aus- schöpft mit solchen seminaristischen, moralisie- renden Überlegungen. Mich täten Fakten viel mehr

interessieren, aber ich werde Gelegenheit haben, auf diese hinzuweisen.

Obmann Steiner: Herr Dr. Pilz bitte.

Pilz: Ich habe geglaubt, daß derzeit nur in Kärn- ten über eine schwarz-blaue Koalition nachgedacht wird, aber ich nehme das auch gerne zur Kenntnis.

Gut.

Es geht wn den Punkt - Herr Dr. Ermacora, wir sind bereits bei diesem Punkt -, was führt zum grundsätzlichen Meinungswandel eines erfahrenen Rechtsanwalts ü.ber die Grundfrage der Justiz: Soll sie unabhängig arbeiten können? - Und die Ant-

wort war klar und eindeutig: Die Frage, ob er Op- positionsabgeordneter oder Regierungsmitglied ist.

Das war eine klare und eindeutige Antwort, und ich bin auch sehr zufrieden damit, weil ich nicht gehofft habe, diese Anlwon in dieser Klarheit und Eindeutigkeit zu bekommen. - Gut.

Gehen wir weiter zu einem Punkt, den Herr Dr.

Gaigg vorher kurz angezogen hat.

Herr Dr. Ofner.' Wenn wir die Chronologie die- ses Dezember 1985 und Jänner 1986 durchgehen - und wir sind es gemeinsam mit Dr. Wasserbauer und Dr. Müller schon durchgegangen -, dann ste- chen einige Daten besonders hervor.

Am 13. Dezember 1985 stellen Sektionschef Fleisch und seine Sektion den Entwurf für den Er- laß zur Vorunlersuchung fertig, am 30. Dezember 1985 kommt es zur Emscheidung des Oberlandes- gerichtes, am 24. Jänner 1986 OLG-Urteil, am 25. Jänner 1986 zur Enlscheidung. Gehen wir ein- mal diese Daten ganz genau durch.

Herr Dr. Ofner, sagen Sie, nachdem Sie den ganzen Akt von Ihrer Sektion bekommen haben, was ist da eigentlich zwischen dem Entgegenneh- men des Aktes lind dem Niederschreiben dieses Schriftstückes, das Sie heute nicht als Weisung be- zeichnet haben wollen - das ist ein Punkt, auf den wir später zurückkommen -, was ist in diesem Zeitraum eigentlich sachlich in der Causa Lucona passiert?

Ofner: Das war die Überlegungsfrist des Justiz- ministers, wie er entscheiden wird.

Pilz: Hat es da irgendwelche zusätzliche neuen Erkenntnisse gegeben in der ganzen Causa Luco- na. Ist da irgend etwas passiert?

Ofner: Nicht, daß es mir bewußt wäre.

Pilz: Ich meine jetzt nicht den Strafprozeß, ich meine ganz konkret auch im Bereich des Zivilpro- zesses.

Ofner: Man darf nicht den Fehler begehen, das jetzt so zu sehen, wie wenn man den Kriminalro- man von hinten zu lesen beginnt. Wenn ich auf der letzten Seite anfange, weiß ich, der Gärtner

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1430 Lucona-Untersllchllngsausschllß - 20. Sitzung - 7. April 1989

ist der Mörder. Wenn ich jetzt nachträglich schaue, was da alles war, weiß auch ich, daß da eine Entscheidung, und zwar eine für Proksch günstige Entscheidung des Obergerichtes, glaube ich, gefallen ist. Aber damals war es mir nicht bewußt.

Pilz: Ich habe in diesem Zusammenhang in den letzten Tagen mit dem Herrn Preuerebner gespro- chen, weil der Sie ja einige Male wörtlich oder in indirekter Rede in seinem Buch zitiert, und ich wollte wissen, was es damit auf sich hat. Herr Pret- terebner hat mir einen Brief geschrieben.

Dieser Brief, ich lese ihn Ihnen vollständig vor, ist kurz:

"Es ist richtig, daß ich in der Zeit zwischen Herbst 1984 und Herbst 1985 mit dem damaligen lustizminister Dr. Harald Ofner über den Fall Lll- co na mehrmals zum Teil sehr ausführlich und im Beisein seines Pressereferenten persönlich gespro- chen habe. " Die im Buch zitierten Äußerungen Dr.

0fners - ich sage Ihnen nur, welche das sind, es sind von Seite 604, 605 und 610, meines Wissens.

aber wir können es nachher noch detailliert durch- gehen und das geht auch auf die Mühlbacher-Äu- ßerungen dann zurück . ..

Ofner: Auf welche Äußerungen?

Pilz: Von Staatsanwalt Dr. Mühlbacher. auf die werden wir dann später noch zu sprechen kom- men.

Ich zitiere weiter: .,Richtig ist auch, daß mir Dr.

0fner erklärt hat, für seine Entscheidung. keine Voruntersuchung zuzulassen. sei letztlich die Tat- sache ausschlaggebend gewesen. daß auch das Zi- vilgericht zugunsten der Zapata AG entschieden habe. Nachdem er von der Entscheidung des Ober- landesgerichts vom 30. 12. 1984 Kenntnis erlangt habe, schien ihm die Einleitung der Voruntersu- chung nicht mehr notwendig gewesen zu sein. Hät- te das Oberlandesgericht hingegen die Berufung der Zapata AG abgewiesen, so wäre er dem Wunsch der Staatsanwaltschaft und seiner Ministe- rialbeamten auf Einleitung der Voruntersuchung gegen Proksch und Daimler gefolgt.

Hans Pretterebner." Ist das richtig?

Ofner: Drei Dinge dazu. Es ist nicht richtig, nach meiner Erinnerung, daß ich mehrere Ge- spräche mit ihm geführt habe. Ich glaube, es war nur eines in dieser Materie.

Es ist auch nicht richtig, daß mein Presserefe- rent dabei gewesen ist. Das war mein Sekretär Manfred Peter, und es ist nicht richtig, daß ich so gehandelt hätte, wie er sagt, oder es ihm auch nur gesagt hätte.

Pilz: Das heißt, inhaltlich ist das, was Prettereb- fler hier sagt. völlig falsch. (Ofner: Richtig!) Sagen

Sie, wie erklären Sie sich dann diese zeitliche Koinzidenz? Am 24. 1. 1985. also schon einige Zeit, nachdem der Akt zu Ihnen gekommen ist. bei Ihnen geruht hat - ich gestehe Ihnen durchaus zu.

daß die Weihnachtsfeiertage dazwischen waren - am 24. 1. 1985 also ergeht die schriftliche Ausferti- gung des OLG-Urteils. Dr. Wasserbauer besorgt sich dieses OLG-Urteil. Dr. Wasserbauer hat bis heute nicht erklären können. nicht sinnvoll erklä- ren können. zumindest vor diesem Ausschuß. war- um er sich dieses OLG- Urteil . ..

Obmann Steiner: Herr Dr. Rieder. zur Ge- schäftsordnung, bitte.

Rieder (zur Geschäftsordnung): Der Vorhalt stimmt einfach nicht. Es ist nicht erwiesen. daß der Dr. Wasserbauer es sich besorgt hat. Hingegen steht fest, daß der Richter es übermittelt hat. Das heißt. Ihre Formulierung: "er hat es sich besorgt", stimmt einfach nicht.

Obmann Steiner: Dr. Pilz, biue.

Pilz: Ich korrigiere das gern. Herr Dr. Rieder.

trotzdem ändert das an der Sache überhaupt nichts. Dr. Wasserbauer hat nicht nur diese OLG- Entscheidung. sondern etliche andere Aktenstücke des Oberlandesgerichtes, das formell nie etwas mit dem Strafprozeß zu tun hatte, erhalten und hat ebensowenig wie der damalige Leiter der Ober- staatsanwaltschaft Dr. Müller erklären können.

welchen der Rechtssache und dem Strafprozeß dienlichen Zweck das gehabt haben soll.

Am 24. 1. 1985 kommt es zu dieser schriftlichen Ausfertigung und kommt das Ganze zu Wasser- bauer und dann auch zu Müller. Einen Tag später.

am 25. 1. 1985 kommt es zu dieser Entscheidung von Ihrer Seite . ..

Helene Partik·Pable: Das ist ein falscher Vor- halt. Am 25. 1. ist es zu Wasserbauer gegangen.

Pilz: Dann war es am gleichen Tag, das ist ja noch schöner. Am 25. 1. kommt es rein, und am gleichen Tag ergeht von Ihnen die Entscheidung - ich sage noch einmal, wir werden dann drüber sprechen. ob das eine Weisung war -. daß keine Voruntersuchung stattfinden soll und daß es bei Vorerhebungen bleiben soll.

Ofner:Ja.

Rieder: Herr Vorsitzender! Der Vorhalt ist nicht unrichtig, aber bewußt irreführend unvollständig, weil sich aus den Akten ergibt. daß der Oberstaats- anwalt dieses Urteil genauso wie das vorangegan- gene Protokoll über die Berufungsverhandlung dem Ministerium zugeLeitet hat. Das muß man da- zusagen.

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