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Quar talsheft zur Geld- und Wir tschaftspolitik

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GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT

Quar talsheft zur Geld- und Wir tschaftspolitik

Stabilität und Sicherheit.

GELDPOLITIK & WIR TSCHAFT Q1 /0 9

Q1/09

Wirtschaftskrise und wirtschaftspolitische

Antworten – einige ausgewählte Themen

(2)

Schriftleitung

Peter Mooslechner, Ernest Gnan Koordination

Manfred Fluch Redaktion

Karin Fischer, Susanne Pelz Übersetzung

Ingeborg Schuch Technische Gestaltung

Peter Buchegger (grafische Gestaltung)

Walter Grosser, Franz Pertschi, Susanne Sapik (Layout, Satz) Hausdruckerei der OeNB (Druck und Herstellung)

Papier

Gedruckt auf umweltfreundlich hergestelltem Papier Rückfragen

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Medieninhaber (Verleger), Herausgeber und Hersteller:

Oesterreichische Nationalbank Otto-Wagner-Platz 3, 1090 Wien

Günther Thonabauer, Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit Internet: www.oenb.at

Druck: Oesterreichische Nationalbank, 1090 Wien

© Oesterreichische Nationalbank, 2009 Alle Rechte vorbehalten.

Im Sinne einer verbesserten Lesbarkeit wurde auf geschlechtsspezifische Formulierungen verzichtet. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich der Text immer sowohl auf Frauen als auch auf Männer bezieht.

Reproduktionen für nicht kommerzielle Verwendungen und Lehrtätigkeiten sind unter Nennung der Quelle freigegeben.

REG.NO. AT- 000311

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Schwerpunkt: Wirtschaftskrise und wirtschaftspolitische Antworten – einige ausgewählte Themen

Globale Rezession vertieft sich

Finanzkrise löst weltweiten Konjunkturabschwung aus 10

Andreas Breitenfellner, Martin Schneider, Josef Schreiner

Österreichs Exporte nach Osteuropa: Bestandsaufnahme, aktuelle Wachstumsprognosen

und Auswirkungen auf das Wachstum in Österreich 1

Christian Ragacs, Klaus Vondra

Ein Exportfrühindikator für Österreich auf Basis der Lkw-Fahrleistung 47

Gerhard Fenz, Martin Schneider

Die Umsetzung der Geldpolitik in der Krise 2007 bis 2008 57

Clemens Jobst

Die Effektivität fiskalischer Wachstums- und Konjunkturbelebungsmaßnahmen in Krisenzeiten 8

Walpurga Köhler-Töglhofer, Lukas Reiss

Analysen

Inflationsraten für österreichische Haushaltsgruppen 108

Friedrich Fritzer, Ernst Glatzer

Öffentliche Ausgliederungen: Bilanzkosmetik oder nachhaltige Verbesserung? – Fallstudie für Österreich 125

Doris Prammer

Hinweise

Abkürzungen 146

Zeichenerklärung 147

Studienübersicht zu Geldpolitik & Wirtschaft 148

Periodische Publikationen der Oesterreichischen Nationalbank 151

Adressen der Oesterreichischen Nationalbank 15

Die von den Autoren in den Studien zum Ausdruck gebrachte Meinung gibt nicht notwendigerweise die Meinung der Oesterreichischen Nationalbank oder des Eurosystems wieder.

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krise durch eine außergewöhnlich rasche und starke Verschlechterung der Wachstumsaussichten auch in Öster­

reich gekennzeichnet. Der Welthandel wird 2009 massiv zurückgehen, wo­

durch sich auch ein deutlicher Einbruch bei den österreichischen Exporten er­

geben wird. Für die kleine offene, stark exportorientierte Volkswirtschaft Öster­

reichs hat dies unmittelbare Auswir­

kungen auf die Investitionstätigkeit – die Schrumpfung der Bruttoanlage­

investitionen könnte im Jahr 2009 im

nosen von einem realen Wirtschafts­

wachstum in Österreich im Jahr 2009 von 2 % bis 2½ % ausgegangen, bis Sommer 2008 wurden die Wachstums­

prognosen zwar merklich, aber noch nicht dramatisch auf etwa 1½ % zu­

rückgenommen. Nach der Verschär­

fung der Finanzmarktsituation infolge des Zusammenbruchs von Lehman Brothers im September 2008 nahm die Größenordnung der Abwärtsrevisionen jedoch eine historisch neue Dimension an. Ende März 2009 geht die OECD

Entwicklung der Prognosen für das Jahr 2009 für Österreich

Quelle: OeNB, WIFO, IHS, OECD, Europäische Kommission, IWF.

OeNB Veränderung zum Vorjahr in % Reales BIP

3,0 2,0 1,0 0,0 –1,0 –2,0

–3,0Juni Sep. Dez. März Juni Sep. Dez.

2007 2008

in %

Inflationsrate

in %

Arbeitslosenquote1

Veränderung zum Vorjahr in % Exporte real

8,0 6,0 4,0 2,0 0,0 –2,0 –4,0 –6,0 –8,0 –10,0

Juni Sep. Dez. März Juni Sep. Dez.

2007 2008

Veränderung zum Vorjahr in % Privater Konsum real

Veränderung zum Vorjahr in %

Bruttoanlageinvestitionen2 real

WIFO IHS OECD Europäische Kommission IWF

1Eurostat-Definition; OECD: Definition der OECD.

März 2009

3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5

0,0Juni Sep. Dez. März Juni Sep. Dez.

2007 2008

März 2009

6,0 5,5 5,0 4,5 4,0 3,5

3,0Juni Sep. Dez. März Juni Sep. Dez.

2007 2008

März 2009

März 2009

Juni Sep. Dez. März Juni Sep. Dez.

2007 2008

2,5 2,0 1,5 1,0 0,5

0,0 März

2009 4,0 2,0 0,0 –2,0 –4,0 –6,0

–8,0Juni Sep. Dez. März Juni Sep. Dez.

2007 2008

März 2009

2IHS: Bruttoinvestitionen.

1 Die Autoren danken Beate Resch für die Erstellung der Grafiken.

(6)

für das Jahr 2009 von einem Rückgang des Welthandels um mehr als 13 % und von einer Schrumpfung der realen Wirtschaftsleistung im Euroraum um rund 4 % aus. Für Österreich revi­

dierten WIFO und IHS die Erwar­

tungen auf –2,2 % bzw. –2,7 % weiter nach unten.

Die Geld­ und Wirtschaftspolitik ist in dieser Situation in bisher nicht gekannter Weise gefordert. Dabei sind angesichts des außergewöhnlichen Charakters der Entwicklungen auch außergewöhnliche Maßnahmen erfor­

derlich, die nicht durch das wirtschafts­

politische „Standardrepertoire“ erfasst sind. Dies gilt für die Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzsektors ebenso wie für die Geld­ und Fiskalpolitik.

Dabei treten die üblichen Zeitverzöge­

rungen von ein bis drei Monaten, mit denen Daten zur Wirtschaftsentwick­

lung zur Verfügung stehen, in dem sich rasch ändernden wirtschaftlichen Umfeld besonders akzentuiert hervor.

Rasch verfügbaren Frühindikatoren – die auch unter den besonderen Bedin­

gungen der Krise ihren Erklärungsge­

halt behalten – kommt derzeit für die richtige Einschätzung der Wirtschafts­

dynamik ein besonders hoher Stellen­

wert zu. Das vorliegende Schwerpunkt­

heft versucht, dieser Problematik in mehreren Studien aus unterschiedlicher Perspektive nachzugehen und auf diese Weise zu einem besseren Verständnis der aktuellen wirtschaftspolitischen Herausforderungen beizutragen.

Die ersten drei Beiträge widmen sich der Analyse der internationalen und österreichischen Konjunkturent­

wicklung. Breitenfellner, Schneider und Schreiner geben einen aktuellen Über­

blick über die internationale sowie europäische Konjunkturlage und prä­

sentieren die jüngste kurzfristige Kon­

junktureinschätzung für Österreich bis zur Jahresmitte 2009. Demnach wird

das erste Halbjahr 2009 von einer tie­

fen, globalen Rezession geprägt sein.

Freilich lässt jedoch die Tatsache, dass einige Vertrauensindikatoren gemäß den letzten Beobachtungen auf sehr niedrigem Niveau einen Boden gefun­

den haben, hoffen, dass im ersten Halb­

jahr 2009 der Konjunkturtiefpunkt erreicht sein könnte und ab dem zwei­

ten Halbjahr eine vorsichtige Erholung möglich erscheint – wenn sich die in­

ternationalen Rahmenbedingungen nicht weiter verschlechtern oder neue Schocks auftreten.

Ragacs und Vondra gehen auf Basis der letztverfügbaren Exportdaten vom Dezember 2008 detaillierter auf die Frage ein, wie sehr die österreichischen Exporte nach Osteuropa bereits durch den globalen Wachstumseinbruch ge­

litten haben. 2008 gingen 17,6 % aller Warenexporte Österreichs in die in den Jahren 2004 und 2007 beigetre­

tenen EU­Mitgliedstaaten, für eine breite Definition von 30 zentral­, ost­

und südosteuropäischen sowie zentral­

asiatischen Ländern lag der Anteil sogar bei 24,6 %. Obwohl nun auch Ost­

europa von der globalen Krise erfasst wurde, ist der Wachstumsausblick in vielen Ländern Osteuropas – verglichen etwa mit dem Euroraum – nach wie vor günstiger. Simulationen mit dem Makromodell der OeNB ergeben, dass ein den rezentesten Prognosen entspre­

chender Wachstumsrückgang in Ost­

europa im Vergleich zur OeNB­

Dezemberprognose einen Wachstums­

rückgang für Österreich von 0,7 Pro­

zentpunkten impliziert.

Schließlich präsentieren Fenz und Schneider einen neuen, von der OeNB entwickelten Frühindikator für die österreichische Konjunkturentwicklung basierend auf Daten der ASFINAG über die Lkw­Fahrleistung. Dieser steht mit einer Verzögerung von nur fünf Werk­

tagen zur Verfügung und erlaubt damit

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zwei Monate rascher als bisher eine gute Einschätzung der Entwicklung im abgelaufenen Monat, vor allem der Güterexporte und der Industriepro- duktion. Dieser Indikator lässt schlie- ßen, dass sich die österreichischen Exporte im Februar und März 2009 weiter stark rückläufig entwickelt haben und demnach mit einem weiteren markanten Rückgang der realen Ex- porte im ersten Quartal 2009 zu rech- nen ist.

Zwei weitere Beiträge befassen sich mit den beiden wichtigsten makroöko- nomischen Wirtschaftspolitiken: der Geld- und Fiskalpolitik. Zunächst er- läutert Jobst die tiefgreifenden und weitreichenden Änderungen bei der Umsetzung der Geldpolitik, mit denen das Eurosystem – aber auch viele an- dere Zentralbanken weltweit – auf die Herausforderungen der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise reagiert haben.

Das geldpolitische Instrumentarium hat sich dabei als äußerst krisenfest er- wiesen. Der EZB-Rat konnte den neuen Herausforderungen sehr flexibel be- gegnen, etwa durch Anpassung der Zu- teilungsmodalitäten beim Hauptrefinan- zierungsgeschäft (unlimitierter Men- gentender), durch eine deutliche Ver- schiebung der Geldmarktoperationen zu längerfristigen Geschäften mit einer Laufzeit von drei und sechs Monaten sowie durch eine Ausweitung der refi- nanzierungsfähigen Sicherheiten. Zu- sätzlich zur deutlichen Senkung der Leitzinsen hat das Eurosystem damit vor allem zur Stabilität des Banken- und Finanzsystems sowie zur Aufrecht- erhaltung des Finanzierungskreislaufs beigetragen.

Köhler-Töglhofer und Reiss gehen der Frage nach, wie die Fiskalpolitik mit- tels Konjunktur- und Wachstumspake- ten auf den Konjunktureinbruch ant- worten und welchen Erfolg man sich realistischerweise bei der Abfederung

der realwirtschaftlichen Auswirkungen der Krise erwarten kann. Erwartungs- gemäß schränken Entscheidungs- und Wirkungsverzögerungen sowie geringe Multiplikatoren die Konjunkturglät- tung mittels diskretionärer Fiskalpro- gramme in der Praxis ein. Angesichts der Tiefe, der möglichen Länge sowie des globalen, synchronen Charakters sowohl der aktuellen Rezession als auch der konjunkturpolitischen Gegenmaß- nahmen dürfte diesen Einschränkungen in der derzeit gegebenen Situation je- doch weniger Gewicht beizumessen sein. Die von der österreichischen Bun- desregierung bislang getroffenen Infla- tions- und Konjunkturpakete sowie die Vorziehung der Einkommensteuer- reform werden das Wachstum gemäß einer Schätzung mit dem OeNB- Makromodell in den Jahren 2009 und 2010 um ¾ % bzw. ½ % (kumuliert um 1¼ %) stützen und jährlich mit einem positiven Beschäftigungseffekt von etwa 12.000 Arbeitsplätzen (kumuliert über zwei Jahre: 25.000) zeitigen. Gleich- zeitig empfehlen die Autoren aber auch eine Selbstverpflichtung zur raschen Budgetkonsolidierung nach dem Ende der Krise.

Zwei abschließende Studien befas- sen sich zwar nicht unmittelbar mit krisenbezogenen Themen, allerdings ergeben sich bei näherer Betrachtung auch hier Bezüge zur aktuellen Wirt- schaftsentwicklung. Fritzer untersucht die unterschiedliche Betroffenheit ver- schiedener Bevölkerungsgruppen durch Inflation. Die Studie findet, dass in der betrachteten Periode von Anfang 2000 bis Oktober 2008 private Haushalte mit geringeren Ausgaben eine (um etwa 0,1 Prozentpunkte) geringfügig höhere Preissteigerung ihres Verbraucherkorbs hinnehmen mussten als der durch- schnittliche private Haushalt. Dabei hängen die Inflationsunterschiede frei- lich weniger von der Höhe der Inflati-

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onsrate als vielmehr von unterschied- lichen Konsummustern, unterschied- lich hohen Konsumbudgets und rela- tiven Preisänderungen ab.

Prammer geht schließlich den Aus- wirkungen öffentlicher Ausgliederun- gen nach. Letztere werden oft mit Effi- zienzgewinnen und einer Verbesserung der öffentlichen Finanzierungssituation motiviert. Die Autorin zeigt, dass mit dem betriebswirtschaftlichen Effizienz- gewinn jedoch auch verteilungspoli- tische Implikationen einhergehen kön- nen und weiters der konjunkturpoli- tische Stabilisierungsauftrag des Staats

durch Ausgliederungen tangiert sein kann. Anhand von Fallbeispielen wird gezeigt, dass Ausgliederungen die Ein- schätzung der fiskalischen Nachhaltig- keit beeinflussen können, ohne dass dies tatsächlich erwartet werden kann.

Die Herausgeber und Autoren hof- fen, mit diesen Analysen einen kleinen Beitrag zum Verständnis der aktuellen Wirtschaftslage beitragen zu können und so die Formulierung geeigneter Antworten der Wirtschaftspolitik in einer Zeit ungewöhnlicher Herausfor- derungen zu unterstützen.

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1   Weltwirtschaft steckt tief  in der Rezession

1.1   USA: Notenbank greift zu  unkonventionellen Mitteln 

Die jüngsten veröffentlichten Daten zur Wirtschaftsentwicklung in den USA lassen noch keinen Rückschluss auf ein baldiges Ende der Rezession in der US­amerikanischen Wirtschaft zu. So ist das reale BIP im vierten Quartal 2008 wesentlich markanter als erwar­

tet um 6,3 % geschrumpft. Vor allem überraschte der starke Rückgang der Nettoimporte im Schlussquartal 2008.

Das Leistungsbilanzdefizit verringerte sich in der Folge auf 3,7 % des BIP, das geringste Defizit seit sieben Jahren;

Ende 2005 hatte es noch 6,6 % des BIP betragen. Gleichzeitig ließ die Nachfrage nach Investitionsgütern und Software deutlich nach. Der staatliche Konsum blieb die Hauptstütze der Kon­

junktur.

Im Februar 2009 lag die Industrie­

produktion um 11 % unter dem Ver­

gleichswert des Vorjahres. Die Auto­

produktion, die in den vorangegan­

genen Monaten massiv eingebrochen war, erholte sich etwas, lag aber immer noch um 38 % unter jener vom Februar 2008. Es wird allgemein mit einem weiteren BIP­Rückgang im ersten Quartal 2009 gerechnet.

Redaktionsschluss:

31. März 2009 Redaktionsschluss:

31. März 2009

gungen, einen Rückgang des Vertrauens aller Wirtschaftsakteure und einen dramatischen Einbruch des Welthandels eine globale Rezession aus. Weltweit sind Maßnahmen zur Stabili- sierung der Finanzsysteme und zur Konjunkturbelebung ergriffen worden. Diese konnten eine weitere Eskalation der Finanzkrise eindämmen. Da die Konjunkturmaßnahmen Zeit zur Entfaltung ihrer Wirkung benötigen, ist für 2009 von einer tiefen Rezession auszugehen.

In den USA ist trotz massiver Konjunkturpakete kein Ende der Rezession in Sicht. Die US- Notenbank senkte die Leitzinsen auf das historisch niedrigste Niveau und versucht nun mit unkonventionellen Mitteln die Kreditvergabe zu stimulieren.

Auch im Euroraum vertiefte sich die Rezession im vierten Quartal 2008, vor allem durch eine Abschwächung der Exportnachfrage und der Investitionen. Die Arbeitslosigkeit ist merk- lich gestiegen. Vorlaufindikatoren und Prognosen deuten auf eine weitere Verschlechterung der Konjunktur im Verlauf des ersten Halbjahres 2009. Ein Hoffnungsschimmer ergibt sich daraus, dass eine Reihe von Vertrauensindikatoren in den letzten Wochen einen Boden auf niedrigem Niveau erreicht zu haben scheinen. Der Abschwung könnte sich daher ab dem zweiten Halbjahr 2009 verflachen und zum Stillstand kommen. Die HVPI-Inflationsrate ist, getrieben vor allem durch gesunkene Energie-, Rohstoff- und Lebensmittelpreise, in den letzten Monaten stark rückläufig. Sie wird daher im Jahr 2009, aber auch 2010 deutlich unter der Preisstabilitätsdefinition des Eurosystems bleiben.

In den letzten Monaten wurde klar, dass sich die zuvor dynamisch wachsenden Schwellen- länder nicht von der Rezession abkoppeln können. Insbesondere einige Länder Zentral-, Ost- und Südosteuropas wurden von der Krise schwer erfasst. Andere Länder der Region wiederum haben zwar verschlechterte, aber nach wie vor günstigere Aussichten als der Euroraum-Durchschnitt.

Die internationale Wirtschaftskrise hat auch die österreichische Wirtschaft im Herbst 2008 erfasst. Im Oktober kam es zu einem massiven Einbruch bei Güterexporten und Industrie- produktion. Gemäß den aktuellen Ergebnissen des OeNB-Konjunkturindikators wird für das erste Quartal 2009 ein Rückgang des realen BIP um 1,5 % (saison- und arbeitstägig bereinigt, im Vergleich zum Vorquartal) erwartet. Im zweiten Quartal 2009 wird die österreichische Wirtschaft voraussichtlich um weitere –0,7 % schrumpfen.

Breitenfellner, Martin Schneider, Josef Schreiner1

Breitenfellner, Martin Schneider, Josef Schreiner1

1 [email protected]; [email protected]; [email protected]

(11)

Auch die Lage auf dem Arbeits­

markt hat sich weiter verschlechtert.

Die Arbeitslosenquote erreichte im Februar 8,1 %. Seit Beginn des Jahres 2008 gingen 4,3 Millionen Arbeits­

plätze verloren. Der Abbau an Arbeits­

kräften bewirkte einen deutlichen Anstieg der Produktivität der US­ameri­

kanischen Wirtschaft im vierten Quar­

tal 2008. Die hohe Zahl an Entlas­

sungen könnte signalisieren, dass sich die Unternehmen auf eine länger an­

dauernde Rezession einstellen. Bevor sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht verbessert und der US­amerika­

nische Immobilienmarkt die Talsohle erreicht hat, ist mit keiner Stabilisie­

rung der privaten Konsumausgaben zu rechnen. So ist die Zahl der neu begon­

nenen Hausbauten sowie der Baugeneh­

migungen weiter im Sinken. Der An­

stieg der Zwangsversteigerungen trägt zum Immobilienpreisverfall bei, der sich zuletzt sogar beschleunigte.

Die Vorlaufindikatoren für die Wirtschaftsentwicklung geben wenig Hoffnung auf eine baldige konjunktu­

relle Trendwende. Der Indikator für das Konsumentenvertrauen des Con- ference Board stabilisierte sich im März

2009 einigermaßen, nachdem er im Februar steil gefallen war. Zwar wurde die gegenwärtige Situation noch drasti­

scher als im Vormonat eingeschätzt, jedoch stiegen die in die Zukunft ge­

richteten Erwartungen. Während der Einkaufsmanager­Index für den Dienst­

leistungssektor, der rund 80 % des BIP der USA ausmacht, nach zweimona­

tiger Verbesserung wieder einbrach, hat sich die Stimmung der Einkaufs­

manager im verarbeitenden Gewerbe im Februar zum zweiten Mal aufge­

hellt. Beide Indikatoren liegen aber weiterhin deutlich unter der 50­Pro­

zent­Marke und signalisieren somit ein anhaltendes Schrumpfen der Wirt­

schaft. Überraschend gestiegen sind hingegen die Auftragseingänge für lang­

lebige Güter im Februar.

Eine graduelle Erholung der US­

amerikanischen Wirtschaft dürfte frü­

hestens in der zweiten Jahreshälfte 2009 einsetzen. Die Fed erwartet, dass die Wirtschaft im Jahr 2009 um 0,5 % bis 1,25 % schrumpfen wird. Im Jahr 2010 könnte das Wirtschaftswachstum bereits 2,5 % bis 3,3 % betragen, bevor 2011 die Zeichen wieder auf Hochkon­

junktur stehen. Dieser Ausblick ist mit

Veränderung in % zum Vorquartal

USA: Purchasing Manager Index (PMI) und BIP-Wachstum

Grafik 1

2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 –0,5 –1,0 –1,5 –2,0

Quelle: Institue for Supply Management (ISM), Bureau of Economic Analysis (BEA).

in % 70 65 60 55 50 45 40 35 30

BIP (linke Achse) Manufacturing PMI (Sachgütererzeugung)

Jän. 00 Jän. 01Jän. 01 Jän. 02 Jän. 03 Jän. 04 Jän. 05 Jän. 06 Jän. 07 Jän. 08 Jän. 09 Non-Manufacturing PMI (ohne Sachgütererzeugung)

(12)

großen Unsicherheiten behaftet. Die Fed hält dieses Szenario nur dann für realisierbar, wenn die von Regierung, Kongress und Notenbank ergriffenen Maßnahmen ihre erwünschte Wirkung erzielen. Die OECD sieht die Lage pessimistischer und prognostiziert für 2009 einen BIP­Rückgang um 4,0 %;

für 2010 erwartet sie lediglich eine wirtschaftliche Stagnation. Sie ist da­

mit wesentlich pessimistischer als die um den Jahreswechsel veröffentlichten Prognosen des IWF, der Europäischen Kommission und der Weltbank.

Das neuerliche, 787 Mrd USD schwere Konjunkturpaket der US­ame­

rikanischen Regierung ist inzwischen von beiden Häusern des Kongresses verabschiedet worden. Davon entfallen zwei Drittel auf Infrastrukturinvesti­

tionen und ein Drittel auf Steuersen­

kungen. Die OECD erwartet, dass dadurch das Budgetdefizit 2009 auf 10,2 % steigen und 2010 noch weiter zulegen wird. Präsident Obama hat in­

des angekündigt, bis zum Ende seiner Amtszeit den Fehlbetrag des Staats­

haushalts wieder um mehr als die Hälfte reduzieren zu wollen, wozu so­

wohl Steuererhöhungen, als auch Spar­

maßnahmen notwendig sein werden.

Das Federal Open Market Committee (FOMC) hat anlässlich seiner Sitzung am 16. Dezember 2008 den Zielsatz für die Federal Funds Rate erstmals als Spanne definiert und auf 0 % bis 0,25 % gesenkt, den niedrigsten Leitzinssatz in der Geschichte der USA. Die Fed kün­

digte an, die Zinsen auf absehbare Zeit auf diesem niedrigen Niveau halten zu wollen. Seit Herbst hat die Fed zudem mehrere unkonventionelle Maßnahmen gesetzt, um die Finanzkrise zu ent­

schärfen, die Banken mit Liquidität zu versorgen und spezifische Marktseg­

mente zu unterstützen. Dazu gehört unter anderem der Ankauf von ver­

brieften Immobilienkrediten.

In der FOMC­Sitzung Mitte März 2009 wurde eine Aufstockung dieser unkonventionellen Maßnahmen be­

schlossen. Die Fed hat angekündigt, langfristige Staatsanleihen im Volumen von 300 Mrd USD ankaufen zu wollen.

Sie folgt damit dem Beispiel der Bank of England, die eine ähnliche Maß­

nahme schon einige Tage davor erfolg­

reich eingeleitet hat. Die Rendite auf zehnjährige Staatsanleihen im Vereinig­

ten Königreich sank als Folge dieser Aktion erstmals seit sieben Jahren wie­

der unter die Rendite deutscher Bun­

desanleihen. Die Fed möchte mit dieser Maßnahme auch die langfristigen Zin­

sen drücken und damit zu einer Ver­

besserung der Lage auf den privaten Kreditmärkten beitragen; die Kredit­

zinsen stehen in engem Zusammenhang mit den Renditen der Staatsanleihen.

Ähnliche Aktionen hatte die Fed zu­

letzt in den 1960er­Jahren gesetzt.

1.2   Japan: stemmt sich  gegen Deflation

Japan ist derzeit besonders heftig von der globalen Wirtschafts­ und Finanz­

krise betroffen. Die japanische Wirt­

schaft befindet sich bereits seit dem zweiten Quartal 2008 in der Rezession.

Im vierten Quartal 2008 verschlech­

terte sich die wirtschaftliche Lage weiter. Das reale BIP schrumpfte um 3,2 %, das ist der gravierendste Wachs­

tumseinbruch seit dem Erdölschock vor 35 Jahren. Dazu trug vor allem der Einbruch der Exporte bei, die durch die Schwäche der Weltwirtschaft und die Aufwertung des japanischen Yen in der zweiten Jahreshälfte 2008 belastet wurden. Die japanischen Ausfuhren gingen im vierten Quartal um 13 % zu­

rück. Belastend wirkt nun die starke Exportorientierung der japanischen Wirtschaft; einstige Exportschlager, wie Kfz und Heimelektronik, finden kaum Abnehmer, und die Lagerbe­

(13)

stände nehmen rapide zu. Aber auch die Inlandsnachfrage bildete sich im vierten Quartal 2008 zurück.

Sämtliche der jüngsten Wirtschafts­

daten signalisieren eine Fortsetzung der Rezession in den kommenden Quar­

talen. Die Exporte fielen im Februar 2009 gegenüber dem Vorjahresmonat um 49 %. Im Jänner verzeichnete Japan erstmals seit 13 Jahren ein Defizit in seiner Leistungsbilanz. Die Stimmung in den Unternehmen ist so schlecht wie zuletzt in der Folge der schweren Bankenkrise 2002. Die Industrie pro­

duzierte im Jänner 2009 um 30 % we­

niger als im Vergleichsmonat des Vor­

jahres. Nur die Arbeitslosenquote ging zuletzt im Jänner 2009 leicht zurück.

Die OECD prognostiziert in ihrer Interimsprognose von Ende März für 2009 einen Rückgang des realen BIP um 6,6 %, wozu der Exporteinbruch ebenso beiträgt wie die schwache In­

landsnachfrage. Auch 2010 wird die Wirtschaft leicht um 0,5 % schrump­

fen.

Zum Jahreswechsel verdichteten sich zudem wieder die Anzeichen einer neuerlich aufkeimenden Deflation. Im Februar 2009 lagen die Inflationsrate gemessen am VPI sowie auch die Kern­

inflationsrate bei –0,1 %. Die Konsu­

mentenpreise werden laut OECD in den Jahren 2009 und 2010 um 1,2 % bzw. 1,3 % sinken. Zuletzt hatte Japan in den Jahren 1999 bis 2003 eine Deflationsperiode durchgemacht, von der sich das Land bis heute nicht voll­

ständig erholt hat. Allerdings ging die Deflationsrate im Jahresdurchschnitt damals nicht über 0,9 % hinaus.

Die japanische Regierung und die Bank of Japan (BoJ) haben jedoch ihre Lehren aus der noch nicht lange zu­

rückliegenden Deflations­ und Rezes­

sionsphase gezogen und stemmen sich diesmal massiv gegen die Krise. Die japanische Regierung hat für das kom­

mende Fiskaljahr (ab April 2009) ein Budget in Rekordhöhe beschlossen; es entspricht einem Anstieg um 6,6 % ge­

genüber dem vorangegangenen Fiskal­

jahr. Die OECD prognostiziert für 2009 ein Budgetdefizit von 6,8 %.

Damit spitzt sich die öffentliche Ver­

schuldungsquote weiter zu, die mit 170 % des BIP im Jahr 2007 bereits die höchste der großen Wirtschafts­

nationen war.

Auch die Geldpolitik wurde gelo­

ckert, seit Mitte Dezember 2008 liegt der Leitzinssatz bei 0,1 %. Um die Eigenkapitaldecke der Finanzinstitute zu stärken und ihnen damit einen grö­

ßeren Spielraum zur Kreditvergabe zu verschaffen, kauft die BoJ den Ge­

schäftsbanken kurzfristige, hoch be­

wertete Schuldverschreibungen sowie Firmenanleihen mit hoher Bonität ab.

Seit Anfang März 2009 haben Banken auch die Möglichkeit, Aktienbestände an die BoJ zu verkaufen, bisher stieß dieses Angebot jedoch auf geringe Re­

sonanz. Die Notenbank erwägt daher nun, diese Operationen auf Anleihen und Darlehen geringerer Bonität aus­

zudehnen, für die nicht leicht andere Käufer zu finden sind. Die japanische Regierung hat zudem angekündigt, einen Teil der Fremdwährungsreserven – nach China die zweitgrößten der Welt – dafür zu nützen, um unter Liquiditätsengpässen leidenden Betrie­

ben zu helfen.

1.3   China: massive 

Konjunkturprogramme

Auch Chinas Wirtschaft kann sich der Weltwirtschaftskrise nicht entziehen.

Im vierten Quartal 2008 lag das BIP­

Wachstum bei nur mehr 6,8 %, was bereits als Wachstumsrezession interpre­

tiert werden kann. Vor allem die Ex­

portwirtschaft leidet unter der Welt­

wirtschaftskrise, aber auch die Investi­

tionen im Immobiliensektor (10 % des

(14)

BIP) sind eingebrochen. Die Inflations­

sorgen des ersten Halbjahres 2008 wer­

den nun von einer Deflationserwartung abgelöst. Im Februar 2009 gingen die Konsumentenpreise bereits um 1,6 % gegenüber dem Vorjahr zurück, zum ersten Mal seit der Asien­Krise 2002.

Die Regierung hat sich zum Ziel ge­

setzt, das Wirtschaftswachstum nicht unter die 8­Prozent­Marke fallen zu lassen; darunter kann die Wirtschaft nicht genug Arbeitsplätze für Schulab­

gänger und ländliche Migranten schaf­

fen, was zu sozialen Unruhen führen könnte. Die chinesische Notenbank hat daher im Herbst 2008 ihren Leitzins­

satz fünfmal um insgesamt 216 Basis­

punkte gesenkt. Das Konjunkturpaket der Regierung beläuft sich auf rund 15 % des BIP (für 2009 und 2010) und soll, wenn nötig, noch aufgestockt wer­

den. Die großen Währungsreserven und die ausgeglichenen Budgets der vergangenen Jahre bieten den nötigen Spielraum. Exportorientierte Unter­

nehmen profitieren von Steuerrabatten;

gleichzeitig wurde die Aufwertung der Landeswährung gegenüber dem US­

Dollar gestoppt, um die Exportwirt­

schaft zu unterstützen. Die Banken, die großteils vom Staat kontrolliert wer­

den, sind zu großzügiger Kreditvergabe angehalten.

Die massiven Konjunkturstützungs­

maßnahmen scheinen bereits erste Wirkung zu zeigen. Darauf deutet der chinesische Einkaufsmanager­Index hin, der bereits dreimal in Folge gestiegen ist und nur mehr knapp unter jener Marke liegt, ab der eine wirtschaftliche Erholung signalisiert wird. China könnte sich damit früher von der Wirt­

schaftskrise erholen als andere Staaten.

Mittelfristig ist die chinesische Wirt­

schaft jedoch auf die Exportnachfrage aus großen Industrienationen angewie­

sen. Der Exportanteil von Chinas Wirt­

schaft beträgt 20 %, davon geht etwa

die Hälfte an die EU, die USA und Japan. Im Februar 2009 sank die Ex­

porttätigkeit um 27 % gegenüber dem Vorjahr.

1.4   Weltwirtschaft wird 2009  schrumpfen

Nach den Industrie­ und Schwellenlän­

dern erreicht die globale Wirtschafts­

krise nun in einer dritten Welle die Entwicklungsländer. Sowohl der IWF als auch die Weltbank erwarten, dass die Weltwirtschaft 2009 schrumpfen wird. Dies wäre der erste Rückgang seit dem Zweiten Weltkrieg. Laut Welt­

bank wird das globale Wachstum zu­

mindest 5 Prozentpunkte unter dem Potenzialwachstum liegen, Mitte 2009 könnte die Industrieproduktion ihr Vorjahresniveau um 15 % untertreffen.

Die expansive Geld­ und Wirtschafts­

politik sollte 2010 wieder ein Wachs­

tum von 2,5 % ermöglichen, das aber immer noch unter der Definition einer globalen Rezession des IWF (+3 %) läge.

Der Welthandel schrumpft bereits seit dem vierten Quartal 2008 und könnte 2009 den größten Rückschlag seit 80 Jahren erfahren. Die OECD prognostiziert einen Rückgang des globalen Handelsvolumens um 13,2 %.

Neben dem Exportnachfrageeinbruch kristallisiert sich zunehmend die man­

gelnde Bereitschaft der Banken, Han­

delskredite zu vergeben, als Hemm­

schuh für den Welthandel heraus.

2   Rezession im Euroraum 2.1    Wirtschaftsleistung stark 

rückläufig

Die Rezession, in der sich der Euro­

raum seit dem zweiten Quartal 2008 befindet, hat sich im vierten Quartal erheblich verschärft. Die Wirtschafts­

leistung schrumpfte um 1,5 % gegen­

über dem Vorquartal. Ein Rückgang in diesem Ausmaß wurde seit Bestehen

(15)

der WWU noch nicht verzeichnet. In den großen Mitgliedstaaten schrumpfte seit 1990 die Wirtschaft noch nie so stark innerhalb eines einzigen Quar­

tals. Nur in einzelnen kleineren Mit­

gliedstaaten (z. B. Finnland) kam es zu Beginn der 1990er­Jahre zu Schrump­

fungen ähnlichen Ausmaßes.

Zum Einbruch im vierten Quartal 2008 trugen beinahe alle Nachfrage­

komponenten bei, insbesondere die Nettoexporte, die Bruttoanlageinvesti­

tionen sowie der Privatkonsum. Selbst der Staatskonsum entwickelte sich negativ, da umfangreiche Konjunktur­

belebungsprogramme noch nicht (voll­

ständig) wirksam wurden. Einzig die Vorratshaltung trug positiv zum Wachs­

tum bei; in Zeiten starken Nachfrage­

rückgangs ist aber selbst das kein gutes Zeichen.

Die schwache Investitionstätigkeit ist teilweise Ausdruck sinkender Aus­

lastung bestehender Produktionsanla­

gen. Einer Umfrage der Europäischen Kommission zufolge fiel die Kapazitäts­

auslastung in der Industrie im Jänner

2009 auf 75,2 %. Dies ist nicht nur der absolut niedrigste Wert, der jemals verzeichnet wurde, sondern auch der größte Rückgang innerhalb eines Quar­

tals.

Die Rezession trifft alle großen Mitgliedstaaten stark, aber nicht gleich­

mäßig. In Deutschland und Italien ging die Wirtschaftsleistung stärker, in Frankreich und Spanien etwas schwä­

cher zurück als im Euroraum­Durch­

schnitt. Der Rückgang des deutschen BIP (–2,1 %) war fast ausschließlich auf die Exporte zurückzuführen. Offen­

sichtlich trifft der Einbruch der Ex­

portnachfrage Deutschland wegen sei­

ner für große Volkswirtschaften außer­

gewöhnlichen Außenwirtschaftsorien­

tierung (47 % Exportquote, inklusive Dienstleistungen) besonders stark.

2.2   Vorlaufindikatoren fallen auf  Rekordmarken

Sowohl die vorliegenden Vorlauf­ oder Vertrauensindikatoren als auch aktuelle Prognosen deuten auf ein Anhalten des Abschwungs im ersten Halbjahr

Außenbeitrag (Waren- und Dienstleistungen) Bruttoanlageinvestitionen

Konsumausgaben des Staats Konsumausgaben der privaten Haushalte und POoE

Quelle: Eurostat.

Vorratsveränderungen und Statistische Differenz BIP Q1

2006

Wachstumsbeitrag der Komponenten des realen BIP im Euroraum

Grafik 2

in % zum Vorquartal 2,0

1,5 1,0 0,5 0,0 –0,5 –1,0 –1,5 –2,0

Q1 Q2 Q3 Q4

Q1 Q2 Q3 Q4

Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4

2007 2008

(16)

2009. Die Industrieproduktion hat seit September 2008 eine außerge­

wöhnliche und sich beschleunigende Schrumpfung durchgemacht. Im Jän­

ner 2009 fiel die Industrieproduktion im Euroraum um 3,5 % gegenüber dem Vormonat und um 17,3 % gegenüber Jänner 2008. Diese Schrumpfungsraten übertreffen jene vorangegangener Re­

zessionen um ein Vielfaches. Die Auf­

tragseingänge der Industrie fallen seit Sommer 2008 fortdauernd.

Der von der Europäischen Kom­

mission erhobene Economic Sentiment Indicator (ESI) ist im März 2009 weiter gesunken, und hat damit erneut einen historischen Tiefstand erreicht. Die Reduktion betraf alle Komponenten mit Ausnahme des Einzelhandelsver­

trauens, das sich weiter verbesserte und dem Vertrauen im Bauwesen, das stag­

nierte. Besonders ausgeprägt war auch diesmal der Rückgang der Industrie­

komponente. Der Industrie­Einkaufs­

manager­Index verbesserte sich im März 2009 geringfügig von dem im Februar erreichten Rekordtief. Pro­

duktion und Auftragseingänge stiegen, während die Beschäftigungskompo­

nente sowie die Einschätzung der Ein­

kaufs­ und Verkaufspreise erheblich sanken.

Trotz der allgemein eher düsteren Aussichten geben eine Reihe von Indi­

katoren Hinweise auf eine Stabilisie­

rung der Konjunktur in nächster Zu­

kunft: Die Geschäftserwartungen, die als Teil des ifo Geschäftsklima­Index erhoben werden, sind im März 2009 zum dritten Mal in Folge gestiegen, der Gesamtindex erreichte allerdings im März einen neuen historischen Tief­

punkt. Die ZEW­Konjunkturerwar­

tungen für Deutschland verbessern sich seit Herbst 2008, die Talsohle dürfte demnach im Sommer 2009 erreicht werden. Der Industrie­Einkaufsmana­

ger­Index unterbrach seinen rückläu­

figen Trend und schwankt seit Dezem­

ber 2008 auf niedrigem Niveau. Seit Anfang März ist der Dow Jones EURO STOXX 50­Index um knapp 17 % ge­

stiegen.

Der private Konsum ist im vierten Quartal 2008 sehr schwach ausgefal­

len. Im Jänner 2009 war zwar das Ab­

satzvolumen im Einzelhandel gegen­

über dem Vormonat um 0,2 % gestie­

gen, gegenüber Jänner 2008 jedoch um 2,2 % gesunken. Die Neuzulassungen für Personenkraftwagen gingen im Jänner 2009 um 20,5 % gegenüber dem Vorjahreswert zurück. Gegenüber Dezember 2008 bedeutete das aller­

dings eine leichte Verbesserung. In Deutschland, Frankreich und Spanien wurden im Jänner 2009 bereits wieder mehr Neuwagen angemeldet als im Dezember 2008; offensichtlich ein Er­

gebnis der Verschrottungsprämien. Das von der Europäischen Kommission er­

hobene Konsumentenvertrauen hat sich im Februar 2009 weiter verschlechtert und damit einen neuen historischen Tiefstwert erreicht. Die quartalsweise erhobene Bereitschaft für größere Aus­

gaben in den nächsten zwölf Monaten stagnierte im ersten Quartal 2009 ebenfalls auf historischen Tiefständen oder knapp darüber. Daher ist mit kei­

ner raschen Verbesserung beim priva­

ten Konsum zu rechnen. Die pessimis­

tische Grundstimmung der Konsu­

menten steht im Widerspruch zu den Realeinkommen, die sich zuletzt dank abnehmendem Preisdruck und relativ hoher Nominallohnzuwächse positiv entwickelten. Allerdings haben sich die Arbeitsmarktaussichten eingetrübt.

Die Beschäftigung ist im vierten Quartal 2008 um 0,3 % oder rund 450.000 Personen gegenüber dem Vor­

quartal gesunken. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote ist im Jänner 2009 auf 8,2 % gestiegen, das bedeutet, dass etwa 13 Millionen Menschen arbeitslos

(17)

sind. In Spanien ist die Arbeitslosen­

quote innerhalb eines Jahres um nahe­

zu 5 Prozentpunkte auf mittlerweile 14,8 % geklettert. Aber auch in fast allen anderen Mitgliedstaaten hat nach langjährigem Abwärtstrend nun eine steigende Tendenz eingesetzt. In vielen Ländern verhindern arbeitsmarktpoli­

tische Maßnahmen eine noch ungünsti­

gere Entwicklung der Arbeitslosenrate.

Um Kündigungen zu vermeiden, stel­

len viele Betriebe auf Kurzarbeit um.

Dabei wird die Arbeitsleistung der Be­

legschaft reduziert und der Verdienst­

entgang teilweise durch staatliche Zu­

schüsse kompensiert. In Deutschland bezogen im Dezember 2008 bereits über 200.000 Beschäftigte Kurzarbeits­

geld.

Laut Prognose der Europäischen Kommission soll im Jahr 2009 die Ar­

beitslosenquote im Euroraum 9,3 % und gegen Ende des Folgejahres 10,2 % erreichen. Die von der Europäischen

Kommission erhobenen Beschäftigungs­

erwartungen haben sich im Februar 2009 in allen Branchen weiter ver­

schlechtert.

2.3  Sehr niedrige Inflation

Mit dem Platzen der Energie­ und Roh­

stoffpreisblase löste sich das zuvor viru­

lente Inflationsproblem rascher als erwartet. Nachdem die HVPI­Inflati­

onsrate im Sommer 2008 ihren Höhe­

punkt von 4 % überschritten hatte, fiel sie von Monat zu Monat rasch, bis sie im Jänner 2009 1,1 % erreicht hatte;

im Folgemonat stieg sie geringfügig auf 1,2 %, bevor sie sich im März auf 0,6 % (vorläufige Schnellschätzung) halbierte.

Der kräftige Rückgang der Teue­

rungsrate ist primär auf die Entwick­

lung der Rohstoffpreise und hier vor allem von Rohöl zurückzuführen. Der Preis für ein Barrel der Nordsee­Rohöl­

marke Brent ist seit dem Allzeitrekord­

wert von rund 145 USD pro Barrel

Gesamtindex ohne Energie und unbearbeitete Nahrungsmittel in % Quelle: Eurostat.

Industrielle, nicht energetische Güter Dienstleistungen

Bearbeitete Nahrungsmittel einschließlich Alkohol und Tabak

Komponenten des HVPI

Grafik 3

in % 4,5 4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 –0,5 –1,0

HVPI insgesamt in % Energie

Unbearbeitete Nahrungsmittel

Apr. 07 Juli 07 Okt. 07 Jän. 08 Apr. 08 Juli 08 Okt. 08 Jän. 09

(18)

Mitte Juli 2008 auf rund 45 USD gegen Jahresende gesunken. Um diesen Wert pendelte der Rohölpreis in den Wochen danach, zuletzt zeigte er allerdings wieder eine leicht steigende Tendenz mit über 50 USD pro Barrel. Aus­

schlaggebend für das insgesamt ver­

gleichsweise niedrige Energie­ und Rohstoffpreisniveau ist der weltweite Einbruch der Energie­ und Rohstoff­

nachfrage im Gefolge der Rezession.

Die Kerninflationsrate (HVPI ohne die volatilsten Inflationskomponen­

ten – Energie und unbearbeitete Nah­

rungsmittel) war seit Herbst 2008 ebenso, wenn auch weniger deutlich, gesunken und betrug im Februar 2009 nur mehr 1,7 %. Verantwortlich für die Trägheit der Kernteuerung sind haupt­

sächlich die Dienstleistungspreise, die im Februar 2009 – bedingt durch die verzögerte Wirkung der höheren Herbstlohnrunden des Vorjahres – um 2,4 % stiegen. Vor allem die Preise für Verkehrsdienstleistungen, Reisen und Gastronomie stiegen vergleichsweise kräftig. Im Vergleich zu Dienstleistun­

gen stehen Industriegüter stärker im internationalen Wettbewerb und daher unter größerem Preisdruck. Die Infla­

tionsrate für nicht energetische Indus­

triegüter ist entsprechend niedrig, wenngleich sie im Februar 2009 – trotz fallender Preise für Kfz – marginal auf 0,7 % anstieg.

Der Wechselkurs des Euro gegen­

über dem US­Dollar schwankte in den letzten Monaten stark. Von seinem Höchststand von knapp 1,60 EUR/

USD im Sommer 2008 fiel er im Herbst auf rund 1,25 EUR/USD, wohin er nach kurzer Erholungsphase Anfang März 2009 wieder zurückkehrte. Seit­

her festigte sich der Wechselkurs auf über 1,30 EUR/USD. Gegenüber dem japanischen Yen wertete der Euro im Herbst und Winter 2008 zunächst ab, seit Februar 2009 zeigt sich der Euro

jedoch wieder stärker. Effektiv, das heißt gegenüber 21 handelsgewichteten Währungen, schwankte der Wechsel­

kurs des Euro ähnlich heftig. Den ab­

rupten Fall von Sommer bis Ende Ok­

tober 2008 kompensierte der Index bis Jahresende zur Gänze (+12 %). Anfang Februar 2009 büßte er abermals fast 7 % an Wert ein, was seither jedoch wieder großteils ausgeglichen wurde.

2.4   Laufende Abwärtskorrektur  der BIP-Prognosen

Die Prognosen wurden im Lauf der letzten Monate sukzessive weiter nach unten korrigiert. In den im März 2009 erstellten gesamtwirtschaftlichen Pro­

jektionen für den Euroraum geht die EZB von einem jährlichen Wachstum des realen BIP in einer Bandbreite zwi­

schen –3,2 % und –2,2 % im Jahr 2009 sowie zwischen –0,7 % und +0,7 % im Jahr 2010 aus. In beiden Jahren wird die Jahreswachstumsrate des BIP von negativen statistischen Überhängen aus dem Vorjahr gedämpft werden. Für die 2010 projizierte graduelle Erholung sind international koordinierte Kon­

junkturprogramme sowie Maßnahmen zur Wiederherstellung der Funktions­

fähigkeit des Finanzsystems ausschlag­

gebend. Zudem sollte der Rückgang der Rohstoffpreise die verfügbaren Ein­

kommen stärken und damit der Kon­

sumzurückhaltung allmählich ein Ende setzen. Die Unsicherheit bleibt beträcht­

lich. Einerseits können die weltweit koordinierten Konjunktur­ und Finanz­

marktstabilisierungsmaßnahmen das Ver­

trauen der Wirtschaftsakteure fördern;

andererseits könnte die Finanzkrise die Rezession verschlimmern, zunehmen­

der Protektionismus den Welthandel weiter beeinträchtigen, und die Anpas­

sungen der globalen Leistungsbilanz­

ungleichgewichte mit extremen Wech­

selkursschwankungen einhergehen.

(19)

Auch die Prognosen der Europä­

ischen Kommission, des IWF oder etwa Consensus Forecast legen allesamt nahe, dass die Wirtschaft des Euro­

raums im Jahr 2009 um mindestens 2 % schrumpfen wird. Wesentlich pes­

simistischer sind die Interimsprogno­

sen der OECD. Danach soll die Wirt­

schaftsleistung des Euroraums im Jahr 2009 um 4,1 % schrumpfen. Deutsch­

land wäre demnach unter den großen Volkswirtschaften mit einer Schrump­

fung um 5,3 % am stärksten betroffen, gefolgt von Italien mit –4,3 % und Frankreich mit –3,3 %. 2010 soll der BIP­Rückgang noch 0,3 % betragen.

Ähnlich wie die BIP­Prognosen wurden auch die Inflationsprognosen laufend nach unten revidiert. Die EZB prognostiziert für das Jahr 2009 eine außergewöhnlich niedrige Teuerungs­

rate des HVPI zwischen 0,1 % und 0,7 % und für 2010 einen sehr mäßigen Preisanstieg zwischen 0,6 % und 1,4 %.

Basiseffekte infolge vergangener Ener­

giepreisentwicklungen werden die jähr­

lichen Gesamtinflationsraten mögli­

cherweise bis zur Jahresmitte 2009 vorübergehend auf negative Werte drücken. Die verfügbaren Prognosen internationaler Organisationen bestäti­

gen die Aussicht auf überaus moderate Inflationsraten in beiden Prognose­

jahren.

2.5   EZB-Rat senkt geldpolitische  Zinssätze deutlich 

Am 5. März 2009 beschloss der EZB­

Rat auf der Grundlage seiner regelmä­

ßigen wirtschaftlichen und monetären Analyse den Zinssatz für die Hauptrefi­

nanzierungsgeschäfte des Eurosystems sowie die Zinssätze für die Spitzenrefi­

nanzierungsfazilität und die Einlage­

fazilität um jeweils 50 Basispunkte auf 1,5 % (bzw. 2,5 % und 0,5 %) zu sen­

ken. Damit wurde der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte des

Eurosystems seit dem 8. Oktober 2008 in insgesamt vier Schritten um 275 Ba­

sispunkte gesenkt.

Begründet wurde diese Zinssen­

kung vor allem damit, dass die Teue­

rungsraten merklich zurückgegangen sind und den Erwartungen zufolge in den Jahren 2009 und 2010 deutlich unter 2 % bleiben werden. Ausschlag­

gebend für diese Inflationsaussichten sind der Rückgang der Rohstoffpreise sowie die Preiseffekte der Abschwä­

chung der gesamtwirtschaftlichen Akti­

vität. Die jüngsten Wirtschaftsdaten und Umfrageergebnisse lieferten wei­

tere Belege für die Einschätzung des EZB­Rats, dass die Nachfrage weltweit sowie im Euro­Währungsgebiet im Jahr 2009 sehr schwach sein dürfte. Im Jahresverlauf 2010 wird mit einer all­

mählichen Konjunkturerholung ge­

rechnet. Gleichzeitig bleiben die ver­

fügbaren Indikatoren für die mittel­ bis längerfristigen Inflationserwartungen fest auf einem Niveau verankert, das mit dem Ziel des EZB­Rats, die Preis­

steigerung mittelfristig unter, aber nahe 2 % zu halten, im Einklang steht.

Eine Gegenprüfung mit den Ergebnis­

sen der monetären Analyse bestätigt, dass der Inflationsdruck nachgelassen hat.

Mit dem Beschluss geht der EZB­

Rat davon aus, dass die Preisstabilität auf mittlere Sicht gewährleistet bleibt und somit die Kaufkraft der privaten Haushalte im Euroraum stützen wird.

Der EZB­Rat wird weiterhin dafür Sorge tragen, dass die mittelfristigen Inflationserwartungen fest auf einem Niveau verankert bleiben, das ein nach­

haltiges Wirtschaftswachstum sowie die Beschäftigung stützt und zur Finanz­

stabilität beiträgt. Dementsprechend wird der EZB­Rat auch in nächster Zeit alle Entwicklungen sehr genau verfol­

gen.

(20)

2.6   Wirtschaftspolitik ergreift  Maßnahmen zur Konjunktur- stabilisierung

Die Wirtschaftspolitik hat weltweit in den letzten Monaten ihre Anstrengun­

gen zur Stabilisierung des Finanzsys­

tems und der Konjunktur intensiviert.

In der EU wurden nicht nur die einzel­

nen Mitgliedstaaten aktiv, sondern auch die EU übernahm eine bedeutende Rolle: Auf europäischer Ebene wurde ein umfassendes wirtschaftspolitisches Programm aufgelegt, das eine abge­

stimmte Vorgehensweise für Konjunk­

turbelebungsmaßnahmen im Bereich der Realwirtschaft sicherstellt und da­

mit den Nutzen einzelstaatlicher Maß­

nahmenpakete über Multiplikatoreffekte erhöht und die geldpolitischen Maß­

nahmen ergänzt.

Mitte Oktober 2008 hat die EU eine gemeinsame Strategie zur Be­

kämpfung der Finanzkrise verabschie­

det. Die mittlerweile für 18 Staaten be­

stehenden Bankenpakete umfassen im Wesentlichen eine Erhöhung der Ga­

rantiesummen im Rahmen der Einla­

gensicherung, die Möglichkeit staat­

licher Garantien für Interbankenkre­

dite sowie staatliche Kapitalzufuhr für Banken. Seither wurde dieser gemein­

same Rahmen durch die Mitgliedstaa­

ten in Form nationaler Umsetzungs­

maßnahmen implementiert.

Ein erster wichtiger Teilbereich da­

von war eine Änderung der Einlagen­

sicherung, die von der Europäischen Kommission am 15. Oktober 2008 vor­

geschlagen wurde. Die neuen Vor­

schriften sollen den Schutz der Einleger verbessern und ihr Vertrauen in die Sicherheit ihrer Spareinlagen erhalten.

Konkret wurde vereinbart, die Min­

destdeckungssumme für Einlagen von 20.000 auf 50.000 EUR und inner­

halb eines Jahres auf mindestens 100.000 EUR zu erhöhen. Den Mit­

gliedstaaten wurde freigestellt, eine höhere Deckungssumme festzulegen, wovon einige Länder, darunter auch Österreich, Gebrauch machten. Ebenso wurde der bis dahin mögliche Selbst­

behalt bei Eintreten eines Einlagen­

sicherungsfalls abgeschafft und die Zeit­

spanne, innerhalb der ein Einlagen­

sicherungssystem die Einleger ent­

schädigen muss, auf drei Tage verkürzt.

Bis dahin betrug diese Frist drei Mo­

nate und konnte auf bis zu neun Monate ausgedehnt werden.

Daneben sticht vor allem der vom Europäischen Rat am 11. und 12. De­

Entwicklung der Leitzinssätze im Euroraum und in den USA

Grafik 4

in % 6 5 4 3 2 1 0

Quelle: Thomson Reuters.

USA – Federal Funds Target Rate Eurosystem – Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte

Juli 04 Juli 05 Juli 06 Juli 07 Juli 08

Jän. 04 Jän. 05 Jän. 06 Jän. 07 Jän. 08 Jän. 09

(21)

zember 2008 beschlossene „European Economic Recovery Plan for Growth and Jobs“ hervor. Dieses Programm sieht einen gezielten und zeitlich befris­

teten, budgetären Impuls in Höhe von rund 200 Mrd EUR bzw. 1,5 % des BIP der EU vor. Die Mittel sollen sowohl aus den nationalen Haushalten (rund 170 Mrd EUR oder 1,2 % des BIP) als auch aus den Haushalten der EU und der Europäischen Investitionsbank – EIB (rund 30 Mrd EUR oder 0,3 % des BIP) aufgebracht werden. Zum einen werden damit kurzfristige Maßnahmen zur Ankurbelung der Nachfrage, Siche­

rung von Arbeitsplätzen und Wieder­

herstellung des Vertrauens in die Wirt­

schaft und zum anderen Investitions­

maßnahmen in langfristig nachhaltiges Wachstum finanziert.

Das Maßnahmenpaket umfasst von­

seiten der EU unter anderem eine ver­

einfachte, raschere und vorgezogene Auszahlung von 1,8 Mrd EUR aus dem Europäischen Sozialfonds für aktive Arbeitsmarktmaßnahmen und Investi­

tionen von 5 Mrd EUR zur Verbesse­

rung der Energieverbundnetze und der Breitbandinfrastruktur. Weiters soll die EIB ihre jährlichen Finanzierungs­

fazilitäten um rund 15 Mrd EUR auf­

stocken und die europäischen Kohäsi­

onsfonds Investitionen im Umfang von 4,5 Mrd EUR vorziehen. Der Anwen­

dungsbereich des European Globalisation Adjustment Funds soll erweitert, eine raschere Abrufung von Finanzmitteln ermöglicht und gezielt Arbeitsmarkt­

politiken unterstützt werden. Zusätz­

lich empfiehlt die Europäische Kom­

mission die Senkung von Sozialkosten für Arbeitgeber (niedrige Einkom­

mensbereiche) sowie die permanente Reduzierung von Mehrwertsteuersät­

zen im Bereich arbeitsintensiver Dienst­

leistungen.

3   Zentral-, Ost- und 

Südosteuropa von der Krise  erfasst

3.1   Finanzkrise erreicht im Herbst  2008 Osteuropa

Vor dem Hintergrund zunehmender internationaler Risikoaversion wird seit der zweiten Hälfte 2008 auch das Risikoprofil der zentral­, ost­ und süd­

osteuropäischen EU­Mitgliedstaaten neu bewertet. Faktoren, die zu einer deutlichen Verschlechterung in der Wahr­

nehmung der wirtschaftlichen Situa­

tion geführt haben, waren eingetrübte Wachstums­ und Exportaussichten, ab­

nehmende Kapitalzuflüsse, hoher ex­

terner Finanzierungsbedarf, Währungs­

und Laufzeitinkongruenzen sowie Risi­

ken in Bezug auf gemeinsame Gläubiger des Bankensektors der Region.

Dementsprechend war diese Län­

dergruppe von der Intensivierung der Finanzmarktkrise seit Mitte September 2008 besonders stark betroffen. Zuvor hatten sich diese Volkswirtschaften seit dem Ausbruch der internationalen Finanzmarktverwerfungen Mitte 2007 vergleichsweise widerstandsfähig ge­

genüber den globalen Vorkommnissen gezeigt. Nun wurden markante Ver­

schlechterungen in allen Finanzmarkt­

segmenten verzeichnet, wobei sich be­

sonders Aktien­ und Anleihemärkte teils substanziell schlechter als in vergleichbaren Schwellenländern ent­

wickelten. Während Aktienpreise in den europäischen Schwellenländern seit Mitte September 2008 um durch­

schnittlich 46 % zurückgingen, lag der vergleichbare Wert in asiatischen und lateinamerikanischen Schwellen­

ländern bei 23,6 % bzw. bei 22 %. Ähn­

lich war die Entwicklung bei Spreads von in Euro denominierten Eurobonds:

Während die Spreads in Europa um 453 Basispunkte anstiegen, nahmen sie in Asien und Lateinamerika nur um 105 bzw. 264 Basispunkte zu.

(22)

Darüber hinaus mussten die Wäh­

rungen der Länder mit flexiblem Wech­

selkursregime deutliche Wertverluste gegenüber dem Euro hinnehmen. So werteten der polnische Zloty seit Sep­

tember 2008 um rund 29 %, der unga­

rische Forint um über 23 % und der rumänische Leu um etwa 16 % gegen­

über dem Euro ab. Die nominal­effek­

tive Wechselkursabwertung war im Gegensatz dazu weniger ausgeprägt, da der Euro im selben Zeitraum gegenüber den Währungen wichtiger Handels­

partner der Länder der Region (etwa dem Vereinigten Königreich oder Russland) aufgewertet hat.

Die Gründe für die angespannte Lage auf den Devisenmärkten waren vielfältig: Die Einschätzung der Region durch internationale Rating­Agenturen wurde deutlich pessimistischer; neue Prognosen für 2009 gingen erstmals von einer Rezession nicht nur für ein­

zelne Länder, sondern auch für die ge­

samte Region im Durchschnitt aus; und in allen Ländern wurden die Leitzinsen gesenkt (in Ungarn allerdings nach einer deutlichen Anhebung Ende Okto­

ber 2008). Neben diesen Faktoren, die zu einer allgemein schlechteren Wahr­

nehmung der Lage in der Region führ­

ten, war für die Entwicklung in Polen zum Teil auch die Auflösung von Fremdwährungsoptionen verantwort­

lich, die in wirtschaftlich besseren Zeiten zur Absicherung gegen eine mögliche weitere Aufwertung des pol­

nischen Zloty eingegangen wurde. In Ungarn bestanden zudem Unsicher­

heiten bezüglich des hohen externen Finanzierungsbedarfs.

Seit der zweiten Februarhälfte ent­

spannte sich die Situation allerdings wieder etwas. Die Tschechische Krone erholte sich deutlich und auch beim polnischen Zloty sowie beim unga­

rischen Forint war seit Anfang März 2009 eine Kräftigung zu beobachten.

Wechselkurse ausgewählter Währungen zum Euro

Grafik 5

1. Jänner 2008 = 100 140

135 130 125 120 115 110 105 100 95 90 85

Source: Thomson Reuters.

(Aufwärtsbewegung bedeutet nominelle Abwertung)

Polen Tschechische Republik

Ungarn Slowakei Rumänien

Jän. Feb. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Jän. Feb. März

2008 2009

(23)

Die Währungsabschwächung ist in zweierlei Hinsicht zu bewerten: Einer­

seits wirkt sie durch eine Verbilligung der heimischen Produktion gegen die Nachfrageschwäche auf den internatio­

nalen Märkten; eine solche hat auf­

grund der starken Exportorientierung der Region tendenziell besonders nega­

tive Auswirkungen auf die Konjunktur.

Andererseits erhöht sie aufgrund der weiten Verbreitung von auf Fremdwäh­

rung lautenden Krediten die Schulden­

last, woraus sich ein dämpfender Effekt auf die private Nachfrage ergibt. Dies trifft insbesondere auf Ungarn und Rumänien zu, deren Fremdwährungs­

anteil (insbesondere in Euro) an der ge­

samten Kreditvergabe 50 % deutlich übersteigt.

Zudem wirkt sich die Finanzmarkt­

krise vor allem über einen erschwerten Zugang zu Fremdfinanzierung negativ auf die Realwirtschaft aus. Die Investi­

tionstätigkeit wird durch folgende Fak­

toren beeinträchtigt: steigende Zins­

aufschläge, Vermögenswertverluste auf­

grund fallender Aktienmärkte, aber teils auch quantitative Kreditbeschrän­

kungen seitens der Kreditinstitute, be­

dingt durch eine Verschlechterung der Risikostruktur der Bankaktiva, verän­

derte Risikoeinschätzungen oder die Abnahme konzerninterner Kapital­

flüsse im Bankensektor. Daneben spie­

gelt sich eine Abschwächung des Kre­

ditwachstums, das in vielen Ländern während der letzten Jahre den privaten Konsum angeheizt hatte, in einer ver­

ringerten Nachfrage der privaten Haus­

halte wider. Verstärkt wird diese Ent­

wicklung durch fallende Vermögens­

preise, in einigen Ländern z. B. auch aufgrund platzender Immobilienblasen.

3.2   Kurzfristig keine Erholung  in Sicht

Die allgemeine Wirtschaftslage in den zentral­, ost­ und südosteuropäischen Staaten hat sich vor dem skizzierten Hintergrund nach Jahren dynamischen Wachstums (in einigen Ländern bis zur Überhitzung) vor allem seit dem vierten Quartal 2008 deutlich ver­

schlechtert. Das Wachstum in der Region schwächte sich markant ab und brach im Durchschnitt auf knapp 1 % ein; im dritten Quartal 2008 hatte es noch 4,8 % betragen. Neben den

Tabelle 1

Wirtschaftswachstum in den zentral-, ost- und südosteuropäischen  EU-Mitgliedstaaten

2008 2009¹ Q1 08 Q2 08 Q 08 Q4 08

Wachstumsrate des realen BIP in % gegenüber der Vorjahresperiode

Bulgarien 6,0 0,0 7,1 7,1 6,8 ,5

Estland –,6 –7,0 0,2 –1,1 –,5 –9,7

Lettland –4,6 –8,0 0,5 –1,9 –5,2 –10,

Litauen ,1 –5,0 7,0 5,2 2,9 –2,0

Polen 4,8 1,5 6,2 5,8 5,2 2,

Rumänien 7,1 0,0 8,2 9, 9,2 2,9

Slowakei 6,4 2,0 9, 7,9 6,6 2,5

Slowenien ,5 0,0 5,7 5,5 ,9 –0,8

Tschechische Republik ,2 0,4 4,4 4,4 4,0 0,2

Ungarn 0,5 –,0 1,7 2,1 0,8 –2,

Gesamte Region 4,2 0,0 5,6 5,5 4,8 0,9

Euroraum 0,9 –1,9 2,1 1,4 0,6 –1,

Quelle: Eurostat, Europäische Kommission, wiiw.

1 Prognose; CESEE: wiiw (Februar 2009), Euroraum: Europäische Kommission (Jänner 2009).

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