Maria Pohn-Weidinger / Ingo Lauggas
Kohärente Erinnerung?
Thesen zu Diskurs und Alltagsverstand in narrativen Quellen
Abstract: Coherent remembering? Remarks on discourse and common sense in narrative sources. Foucault’s discourse theory and Antonio Gramsci’s stud- ies on common sense form a central point of reference for historical cultural studies that aim at transforming cultural into social analysis. Even for bio- graphical research, discourse analytical perspectives have gained increasing importance. Biographical narrations are penetrated by discursive structures, particularly when it is about a consistent life story that excludes contradic- tions and thus obtains coherence. Gramsci’s use of the term coherence differs from Foucault’s in that it refers to a common sense which has become sys- tematic and critical. Against this background the paper addresses the points of intersection between discourse and common sense in the context of bio- graphical narrations. Thereby the question of biographers aiming at bringing together experiences in a senseful way is of central concern.
Key Words: Remembering, narration, discourse, common sense, coherence, hegemony
Kulturwissenschaften werden nicht zuletzt dort zu Gesellschaftswissenschaften, wo sie auf allen Ebenen des menschlichen Zusammenlebens und der kulturellen Äuße- rungen soziale Bedeutungs- und Sinnproduktion ausfindig machen und in ihren mannigfaltigen Wechselwirkungen zu untersuchen trachten. Nicht ohne Grund waren Foucaults Diskurstheorie, Gramscis Studien zum Alltagsverstand im Lichte des Hegemoniebegriffs oder Althussers Beschreibung der in allen gesellschaftlichen Sphären wirksamen ideologischen Apparate wichtige Anhalts- und Ausgangspunkte für die britischen Cultural Studies. Diese sind in den 1960er Jahren angetreten, Kul-
Maria Pohn-Weidinger, [email protected]; Ingo Lauggas, [email protected];
c/o Koordinationsstelle Kulturwissenschaften / Cultural Studies, Institut für Romanistik, Spitalgasse 2, 1090 Wien.
turanalyse zur Gesellschaftsanalyse zu machen. Aus ihrem politisierten Kulturbe- griff resultierte der Anspruch, das ‚Ideologische‘ nicht im Sinne falschen Bewusst- seins, sondern als soziales Sinnangebot auf allen Ebenen kultureller Äußerungen zu benennen und dahingehend zu analysieren, ob, wie und in welchen Strukturen das Sinnangebot aufgegriffen, transformiert, reproduziert und weitergegeben wird.
Kommt Stuart Hall das Verdienst zu, die verschiedenen diskursanalytischen Ansätze für dieses Anliegen erschlossen zu haben,1 verdanken wir Raymond Williams das gemeinhin weniger verbreitete Konzept der ‚Gefühlsstrukturen‘, in welchen gesell- schaftliche und im spezifischen Verständnis kulturelle Sinn- und Bedeutungspro- duktion zum Ausdruck kommt. Dieses Konzept weist große Nähe zu und Über- schneidungen mit Gramscis Begriff des Alltagsverstandes auf.2
Eine zentrale Schnittstelle von Individuum, Gesellschaft und Bedeutungspro- duktion ist die Biographie, weswegen in jüngerer Zeit seitens der biographischen Forschung3 mit gutem Grund auch eine diskursanalytische Perspektive auf die Bio- graphie eingenommen wird.4 Diskurs und Alltagsverstand wurden bislang nur sel- ten zusammengebracht und hinsichtlich ihrer Grenzen und Gemeinsamkeiten untersucht.5 Wenn wir dies feststellen, sehen wir von der hegemonietheoretischen Diskursanalyse nach Ernesto Laclau und Chantal Mouffe ab, da ihr ein derart weiter Diskursbegriff zu Grunde liegt,6 der sämtliche Signifikationssysteme als „gleichbe- deutend mit dem gesellschaftlichen Leben“7 begreift, sodass er für die hier skizzierte Untersuchung kaum nutzbar zu machen ist.
Im vorliegenden Aufsatz wird die Einbettung biographischer Erzählungen in diskursive Strukturen untersucht und die Frage gestellt, ob und inwiefern dort Berührungspunkte von Diskurs und Alltagsverstand ausgemacht werden können, wo Biographinnen und Biographen bemüht sind, ihre Erlebnisse in einen schlüssi- gen Zusammenhang zu stellen und diesen als konsistente ‚Geschichte‘ zu präsentie- ren. Hier kommt der Begriff der Kohärenz ins Spiel, dem in Gramscis Konzeption des Alltagsverstandes jedoch eine deutlich andere Bedeutung zukommt als in der Diskurstheorie: Er steht dort für ein kritisch gewordenes und systematisiertes All- tagsdenken.
Wir gehen nun der Frage nach, ob diese zwei Begriffe der Kohärenz vor dem Hintergrund der Tatsache konvergieren, dass das subjektive Anliegen des Ordnens und Schlüssig-Machens der eigenen Lebensgeschichte dem verwandt ist, was Alt- husser als Ideologie benannt hat: dem Versuch, sich selbst schlüssig einen Platz in den gesellschaftlichen Verhältnissen zuzuweisen.8 Welche Rolle spielen bei die- ser spezifischen Erzählstrategie gesellschaftlich geprägte (Selbst-) Erklärungs- und Deutungsmuster? Wie können diese mit diskursanalytischen Begriffen benannt werden, und welche Verbindungen lassen sich zu hegemonietheoretischen Konzep- ten herstellen?
Hegemonie und Alltag
Dass sich lebensgeschichtliche Erzählungen zur Analyse von Mechanismen und Strategien der Selbstverortung eignen, liegt auf der Hand: Das Narrativ ist jenes Medium, in dem sich Subjekte zu sich selbst und zu Anderen in Bezug setzen.9 In der biographischen Erzählung wird das eigene Erleben gedeutet und darüber perso- nale Identität hergestellt. In der biographischen Erzählung, die wir hier als Prozess verstehen, in den sich das Subjekt wiederholt begibt, werden Sinn- und Bedeutungs- zusammenhänge wirksam, die in Verbindung zu durchaus auch als widersprüchlich erlebten gesellschaftlichen Verhältnissen stehen und die sich an gesellschaftlichen Deutungsangeboten orientieren. Solche Deutungsmuster können als Kernideen ver- standen werden, die bestimmte Ereignisse bereits deutend strukturieren und Vor- gaben zu Interpretation und Sinnzuschreibung aber auch Anleitungen zum kollek- tiven und individuellen Handeln anbieten.10 Kulturell vorrätige Deutungsmuster vermitteln Erfahrung, die historisch konstituiert ist und bestimmte Wissensformen und Machtprozesse mit sich trägt, und ermöglichen dem Subjekt, sich selbst eine Position zuzuweisen, auch wenn diese meist instabil ist, des öfteren verloren geht und dann neuerlich gesucht werden muss.
So kann davon gesprochen werden, dass die Deutungsmuster gewissermaßen von den Menschen auch im Alltag ‚gelebt‘ werden. Raymond Williams, der mit seiner Reformulierung des Kulturbegriffes entlang der berühmten Wendung vom
„whole way of life“11 die britischen Cultural Studies in ihrer Frühphase entscheidend prägte, schloss in den 1970er Jahren mit gutem Grund an Gramscis Hegemoniebe- griff an, weil ihm dieser die Möglichkeit bot, den Umgang mit Deutungsmustern als einen „das Bewußtsein der Gesellschaft durchtränkenden Vorgang“12 zu beschrei- ben: „Hegemonie meint nämlich die Existenz von etwas wahrhaft Totalem, das nicht nur sekundär oder eine Sache des Überbaus ist wie der schwache Sinn des Wortes Ideologie, sondern etwas, das durch und durch gelebt wird, das die Gesellschaft der- art durchtränkt, daß es […] für viele Menschen, die ihr ausgesetzt sind, schon die Grenze ihres Verständnisses darstellt“13 und somit eng mit der „Wirklichkeit gesell- schaftlicher Erfahrung“14 korrespondiert. Als Schlüsselbegriff von Gramscis Theo- rie kommt dem Hegemoniekonzept die Funktion eines Dreh- und Angelpunkts in dessen Werk zu,15 und der Alltagsverstand ist eines seiner wesentlichen Elemente.
Anliegen dieser Theorie ist es bekanntlich, eine Herrschaftsform zu beschreiben, die mehr als auf repressive Maßnahmen auf die Zustimmung der ihr Unterworfe- nen Bedacht nimmt und bemüht ist, ihre Macht durch Zustimmung zu festigen und gesellschaftlichen Konsens herzustellen, indem die Interessen einzelner gesellschaft- licher Gruppen als jene der Allgemeinheit dargestellt werden. Die Phase, in der dies
gelingt, ist in Gramscis Augen als „am eindeutigsten politisch“16 zu bezeichnen, da in diesem Moment die
„zuvor aufgekeimten Ideologien ‚Partei‘ werden, zur Konfrontation kommen und in den Kampf eintreten, bis eine einzige von ihnen oder zumindest eine einzige Kombination derselben dazu tendiert, das Übergewicht zu erlangen, sich durchzusetzen, sich über den gesamten gesellschaftlichen Bereich zu verbreiten, wobei sie über die Einheitlichkeit der ökonomischen und politi- schen Ziele hinaus auch die intellektuelle und moralische Einheit bewirkt“.17 Hegemonie wird also im Wesentlichen in der Zivilgesellschaft verhandelt,18 und zur Bewahrung besagter „Einheit“ schreibt sich eine hegemoniale Kraft in alle Sphä- ren des gesellschaftlichen Lebens, in den Alltag der Menschen ein. Mehr denn als Zustand ist Hegemonie als eine Praxis zu begreifen. Sie ist ständig im Gange und mithin Teil jener unterschiedlich gelagerten gesellschaftlichen Prozesse und Aus- verhandlungen, auf die politisch bewusste Kulturstudien ihr Augenmerk legen,19 die erkannt haben, dass die Bezugnahme auf das Alltagsdenken der Menschen „ent- scheidender Teil jeder hegemonialen politischen Strategie“ ist, wie Stuart Hall selbst einen der zentralen Anschlusspunkte an Gramsci benennt.20
In diesem Zusammenhang sei in Erinnerung gerufen, dass Hall genau in diesem Zusammenhang für die Hegemonietheorie plädiert, der es um die uns hier inte- ressierende Wechselwirkung zwischen gesellschaftlichen Deutungsmustern und den einzelnen Akteuren und Akteurinnen geht. In seinen Ausführungen über die Zwei Paradigmen der Cultural Studies21 findet sich bekanntlich eine Gegenüberstellung jener zwei vordergründig antagonistischen Entwicklungslinien, die er in bewuss- ter Vereinfachung ihres Variantenreichtums mit den Arbeitstermini ‚Kulturalismus‘
und ‚Strukturalismus‘ benennt, und die durch die Einschätzung verbunden werden, dass in Abgrenzung zu den mechanizistischen Sichtweisen herkömmlicher marxis- tischer Ansätze der Tatsache Rechnung zu tragen ist, dass ‚Kultur‘ sowohl im Sein als auch im Bewusstsein zu verorten ist, wenn man sie folgendermaßen bestimmt:
„Zum einen als die Bedeutungen und Werte, die unterschiedliche gesell- schaftliche Gruppen und Klassen auf der Grundlage gegebener histori- scher Bedingungen und Verhältnisse hervorbringen und mit deren Hilfe sie ihre Existenzbedingungen ‚bewältigen‘ und auf sie reagieren; zum anderen als Gesamtheit der gelebten Traditionen und Praktiken, mittels derer diese
‚Übereinkunft‘ ausgedrückt und verkörpert wird.“22
Gewissermaßen zur Schnittstelle zwischen Bewusstsein und Verhältnissen wird die Kategorie der individuellen ‚Erfahrung‘. Ihr kommt im Kulturalismus eine Schlüs- selrolle zu, da die Verhältnisse erst in ihrem Licht analysierbar werden, ist es doch
die Erfahrung, die die Verhältnisse liest und lebt. Aber gerade das Regulativ dieser individuellen Äußerungen ist vorgegeben und determiniert, halten dem die Struk- turalisten entgegen und setzen – in der Choreographie der Hall’schen Darstellung – genau an dieser Stelle ihre Kritik an: ‚Erfahrung‘ könne nicht als Grundlage für die Analyse der Schnittstelle von Bewusstsein und Verhältnissen herangezogen werden, da Verhältnisse „erst innerhalb der und durch die Kategorien, Klassifizierungen und grundlegenden Strukturen einer Kultur ‚gelebt‘ und erfahren werden können.“23 Ideologie im Althusser’schen, aus Lévi-Strauss entwickelten Sinn präge für den Strukturalismus sowohl Bedeutungen und Werte als auch die gelebten Praktiken, wodurch die Erfahrung als authentifizierende Quelle gewissermaßen desavouiert wird. Die Strukturen und Klassifizierungen der Verhältnisse nämlich bringen erst jene Kategorien hervor, mittels derer Erfahrung sich artikulieren kann. Durch diese Vorgabe wird Erfahrung zu einem lediglich imaginären Bezug auf die Wirklichkeit, sie ist ihr Effekt und nicht ihr Spiegel, woraus folgt, dass „das Subjekt sowohl in Spra- che als auch in Kultur von den Kategorien der Kultur, in denen es denkt, ‚gespro- chen wird‘ anstatt sie zu sprechen“.24 Wenn Hall nun im Sinne einer Art Synthese aus den Stärken der beiden Paradigmen die Einarbeitung „einiger Konzepte Grams- cis“25 empfiehlt, so sind nicht nur die Differenzen zwischen Althussers und Grams- cis Ideologie-Begriff zu bedenken, der weiter unten noch erschlossen wird, sondern auch der Umstand, dass es just die verschiedene Rezeption Gramscis und des Hege- monie-Konzeptes ist, die einen der Hauptunterschiede zwischen dem kulturalisti- schen und dem strukturalistischen Paradigma ausmacht. Für letzteres nämlich ist Hegemonie vordergründig eine rein diskurstheoretische und in diesem Sinne ideo- logische Fragestellung, während sie der Kulturalismus „materiell, d.h. als Prozess unterschiedlicher und in Beziehung miteinander stehender Praxen konzipiert“.26 Doch gerade die Wahrnehmung dieses erhaltenen Handlungsraumes ist nicht nur
„notwendiges Element der Analyse von Geschichte“,27 sondern auch von Ideologie, Bewusstsein und Alltag:
„Wiederum ist es Gramsci, der uns eine Reihe ausgefeilter Begriffe an die Hand gibt, mit deren Hilfe sich die größtenteils ‚unbewußten‘ und bestehen- den kulturellen Kategorien des ‚Common Sense‘ mit den aktiveren und orga- nisch gewachsenen Ideologien verknüpfen lassen, die auf die Sphären des Alltagsverstandes und auf die populären Traditionen Einfluß nehmen und durch diese Art der Intervention Bewegungen von Männern und Frauen zu organisieren vermögen.“28
Im vorliegenden Zusammenhang interessiert uns der Alltagsverstand allerdings weniger hinsichtlich der Hall nicht weniger als Gramsci motivierenden Frage nach den Möglichkeiten der Organisierbarkeit von Menschen, die politische Bewusstheit erlangen, denn als Produktionsort und Vermittlungsinstanz gesellschaftlicher Deu-
tungsmuster, welche unter anderem in der biographischen Erzählung zur Verortung der eigenen Person und Strukturierung der eigenen Geschichte in Anspruch genom- men werden. Bevor wir aber auf den Alltagsverstand zurückkommen, soll zunächst vertieft werden, inwiefern und auf welche Weise in der biographischen Selbstprä- sentation Diskursen diese ordnende und strukturierende Funktion zukommt.
Diskurs und Biographie
Diskurse sind all jenen Strukturen wie Institutionen, Gesetzen, administrativen Vorgaben und dergleichen zuzurechnen, denen Subjekte sich ein- und unterordnen müssen, die dem Denken und Handeln aber auch jene vielfältigen Muster zur Ver- fügung stellen, auf deren Grundlage sie sich erst vollziehen können.29 Dass nicht nur biographische Erzählungen, sondern auch das Leben selbst im Moment des Erle- bens in Diskurse verstrickt sind, stellt eine theoretische Grundannahme dar, die in den letzten Jahren zunehmend artikuliert30 und auch empirisch beforscht wurde.31 Diskurse werden dabei als Aussagesysteme verstanden, in denen an unterschied- lichen Stellen erscheinende, verstreute Aussagen32 regelhaft miteinander verknüpft sind bzw. in Beziehung zu einander stehen. Diskurse sind dabei nicht „als Gesamt- heiten von Zeichen (von bedeutungstragenden Elementen, die auf Inhalte oder Repräsentationen verweisen), sondern als Praktiken zu behandeln, die systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen.“33 Als überindividuelle Strukturen bestimmen Diskurse, worüber gesprochen werden darf und warum, sie legitimie- ren, was als ‚wahr‘ und was als ‚falsch‘ zu gelten hat, was ausgesprochen werden darf und was nicht, sodass gilt: „Was wir von der Wirklichkeit wissen und über sie sagen, dass prägt sich aus in Diskursen.“34
Das weite Feld der Diskurse lässt sich in verschiedene Diskursformen untertei- len wie Spezialdiskurse, Interdiskurse, Elementar- und Alltagsdiskurse,35 doch sind für den vorliegenden Beitrag primär die Ebenen von Bedeutung, auf denen diese Diskurse wirksam werden, da diese für das biographische Erzählen jeweils spezi- fische Konsequenzen haben. Zunächst ist hier die bereits angesprochene Ebene zu nennen, auf der Diskurse von Subjekten aktiv aufgenommen, verändert oder auch zurückgewiesen werden. Denn im Wortsinn ist
„das Subjekt den herrschenden Verhältnissen materiell und ideell unterwor- fen, ist es sub-jectum, doch ist es auch gezwungen, sich den herrschenden Verhältnissen und Diskursen gegenüber zu positionieren, unterwürfig oder stolz, dumm oder schlau, indolent oder engagiert, und genau darin besteht die tätige Teilhabe an der Konstruktion der sozialen Welt.“36
Auf einer anderen Ebene, die man auch als Metaebene bezeichnen könnte, dienen Diskurse als Grundlage jeglichen Erzählens bzw. sind sie mit Narrativen verbunden.
Der unter anderem von Michel Foucault explizierte moderne Subjektdiskurs wäre solch einer Ebene zuzurechnen. Dieser Diskurs wirkt als diskursive Rahmung derart auf das biographische Erzählen, dass die Erzählenden sich ihr kaum entziehen kön- nen. Er vermittelt die gesellschaftliche Anforderung, sich als Einheit zu begreifen und sich als konsistent zu konstruieren und darzustellen – das Individuum versucht dem über den Einsatz sogenannter Technologien des Selbst gerecht zu werden.37 Die Techniken des Selbst umfassen dabei den gesamten technischen Apparat, der zur Herstellung von Beziehungen zu sich selbst führt.38 In der biographischen Erzäh- lung äußert sich der moderne Subjektdiskurs darin, dass lebensgeschichtliche Ereig- nisse in einen übergeordneten Zusammenhang gebracht werden, wobei Brüche und erlebte Widersprüchlichkeiten geglättet werden, wenn sie die Einheit einer Lebens- geschichte gefährden. In diesem Prozess der Produktion eines konsistenten lebens- geschichtlichen Zusammenhangs muss sich das Subjekt in Bezug zu sich selbst set- zen und sich im Modus von ‚Wahrheit‘ als authentisch präsentieren. Dabei geht es nicht darum, Wahres zu sprechen, sondern über sich selbst wahr zu sprechen und damit eine Beziehung zu sich selbst herzustellen – im Sinne der Aufforderung von
„Erkenne Dich selbst“.39 Ähnlich einem ritualisierten Akt wie der Beichte soll ein
‚Geständnis‘ abgelegt werden. Das Ziel stellt ein stabiles und umfassendes Selbst- verständnis dar, wofür eine „wachsame Angespanntheit eines Selbst“ notwendig ist,
„das vor allem darauf achtet, nicht die Kontrolle über seine Vorstellungen zu verlie- ren und sich nicht von seinen Schmerzen und Lüsten vereinnahmen zu lassen.“40 Als eine solche Praktik des Geständnis-Ablegens kann auch das Erzählen einer Bio- graphie verstanden werden; als eine diskursive Praxis, in der ein Zu-sich-selbst-in- Bezug-setzen vollzogen und Kohärenz hergestellt wird, was sie zu einer Äußerungs- form von gesellschaftlich regulierten Verhaltensmustern macht. Dies hat auch die sozial- und kulturwissenschaftliche Forschung, insbesondere die Biographiefor- schung zu bedenken, deren methodische Settings durch ihre Frage nach der Biogra- phie ebenfalls gezielt eine Erzählung evozieren, die dem modernen Subjektdiskurs folgt. Trotz ihres mittlerweile sehr differenzierten und reflexiven methodischen Ins- trumentariums kann sich die Biographieforschung nicht als außerhalb dieses Dis- kurses stehend begreifen.41
Als diskursive Praxis ist das biographische Erzählen also vom modernen Sub- jektdiskurs durchdrungen und kann sich ihm nicht entziehen. Die Herstellung von Einheit und Kohärenz muss permanent vollzogen werden, will man als ‚gesund‘
erkannt und verstanden werden. Dabei wird ein Alltagsdiskurs im Modus der
‚Wahrheit‘ produziert. Legitimation erfährt diese Wahrheit über andere Diskurse, die als Orientierung dienen und bestimmte Handlungsentwürfe und Denkweisen
legitimieren. Zentral dabei ist, dass diese Diskurse – womit wir wieder bei der zuvor angesprochenen ersten Ebene wären – von Subjekten in ihrer alltäglichen Lebens- welt aktiv aufgenommen werden, um Situationen zu interpretieren, wodurch sie wieder (situativ) aktualisiert, aber eben auch transformiert, mit anderen Diskursen in Bezug gesetzt oder auch abgewehrt werden. Auf dieser Ebene perpetuieren Indi- viduen „durch ihre Praxis Diskurse, sie [die Individuen] werden durch sie konstitu- iert und sie verinnerlichen sie, wodurch sie sich selbst normalisieren“,42 treffen aber auch eigene Entscheidungen. Auf Biographien umgelegt bedeutet dies, dass Indi- viduen über die Hereinnahme von Diskursen bestimmte Aspekte ihrer Lebensge- schichte bearbeiten und die gesamte Lebensgeschichte als Einheit ohne Brüche dar- stellen, indem den Brüchen unter Zuhilfenahme bestimmter Diskurse Sinn zuge- wiesen wird, sodass sie in die Lebensgeschichte integriert werden können. In die- sem aktiven Prozess der Sinnzuweisung werden lebensgeschichtliche Aspekte in einen Zusammenhang gebracht und kohärent gemacht. Dieser Integrationsleistung kann man sich nicht entziehen, da der Anforderung entsprochen werden muss, sich trotz lebensgeschichtlicher und gesellschaftlicher Widersprüche als Einheit zu präsentieren. Allerdings wird die Form der Integration von den Subjekten selbst aktiv bestimmt, sodass der Grad der Reflexion über die Integrationsleistung vari- ieren kann. Und genau in diesem Zusammenhang spielen Diskurse eine maßgebli- che Rolle: Sie können der Verschleierung dienen oder aber auch emanzipatorische Ansätze anbieten, sodass sich Subjekte eben diese Ansätze aneignen und sich mit und durch diese (kritisch) positionieren können.
Kohärenz und Kritik
Ähnlich gelagert ist Gramscis Annahme, dass der Alltagsverstand sowohl Ausgangs- punkt kritischer und fortschrittlicher Einsichten in die Gesellschaft, als auch Basis reaktionärer und konformistischer Haltungen sein kann. Seine Widersprüche auf- zuzeigen und ihn ‚kritisch‘ zu machen ist Sache der organischen Intellektuellen und Teil jedes aufgeklärten hegemonialen Projektes, das auf eine Ethik abzielt, „die einer Auffassung des Wirklichen entspricht, die den Alltagsverstand aufgehoben hat und, sei es auch noch innerhalb enger Grenzen, kritisch geworden ist.“43 Bezüge zu Gramscis Begriff des Alltagsverstandes finden sich auch in der an Foucault orien- tierten diskursanalytischen Hegemonieforschung, die an der Entwicklung von Welt- anschauungen und Machttechniken interessiert ist, denen keine klare Rückbindung an die Interessen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen oder Segmente zuzuschrei- ben ist. Doch anders als Gramsci nimmt dieser Ansatz, wie soeben gezeigt, hierfür
„nicht nur den Alltagsverstand der Massen, sondern gerade das Herrschaftswissen akademischer Disziplinen“44 in den Blick.
Spätestens an dieser Stelle scheint es uns notwendig, Gramscis Begriff des All- tagsverstandes (senso comune) genauer zu umreißen und ihn dabei von jenem der
‚Ideologie‘ abzugrenzen. Gramsci hält fest, dass jede soziale Schicht ihren Alltags- verstand hat und sieht darin „die im Grunde genommen […] verbreitetste Auffas- sung vom Leben und vom Menschen“.45 Er greift zu dessen Beschreibung zur Meta- pher der Sedimentation und hält fest, dass jede philosophische Strömung „eine Ablagerung von ‚Alltagsverstand‘“46 hinterlässt:
„es ist dies das Zeugnis ihrer geschichtlichen Wirksamkeit. Der Alltagsver- stand ist nichts Erstarrtes und Unbewegliches, sondern verändert sich fort- während, indem er sich mit in Gewohnheit übergegangenen wissenschaftli- chen Begriffen und philosophischen Meinungen anreichert. Der ‚Alltagsver- stand‘ ist die Folklore der Philosophie und steht immer zwischen der eigent- lichen Folklore (das heißt dem, was man gemeinhin darunter versteht) und der Philosophie, der Wissenschaft, der Ökonomie der Wissenschaftler. Der Alltagsverstand schafft die zukünftige Folklore, das heißt eine mehr oder weniger erstarrte Phase des Volkswissens einer bestimmten Zeit und eines bestimmten Ortes.“47
Damit sind wesentliche Kernelemente des Begriffs benannt: In einer Gesellschaft können zu einem gegebenen Zeitpunkt unterschiedliche Ausprägungen von All- tagsverstand parallel zueinander existieren, und mit senso comune ist jene Welt- sicht zu benennen, die innerhalb einer gesellschaftlichen Gruppe die größte Ver- breitung erfährt; der Alltagsverstand leitet sich aus philosophischen Strömungen ab, die ihm vorausgegangen sind, und ist laufend Veränderungen unterworfen. Gramsci spricht von einer ‚wissenschaftlichen‘ Philosophie auf der einen und einer „‚vulgä- ren‘ und popularen Philosophie“ auf der anderen Seite, „die nur ein zusammen- hangsloses Ensemble von Ideen und Meinungen ist.“48 Mit der Betonung, dass diese
‚Philosophien‘ nicht vollständig voneinander abgekoppelt werden können, wird in den Blick gerückt, dass jede Philosophie im Alltagsbewusstsein sich verankert und eben ‚Ablagerungen‘ hinterlässt, woraus folgt, dass den konkreten individuel- len Artikulationsformen und Deutungsmustern eine „implizite theoretische ‚Prä- misse‘“ innewohnt: „eine ‚Ideologie‘, könnte man sagen, wenn man dem Terminus Ideologie genau die höhere Bedeutung einer Weltauffassung gibt, die sich implizit in der Kunst, im Recht, in der ökonomischen Aktivität, in allen individuellen und kollektiven Lebensäußerungen manifestiert“49. Der Alltagsverstand als „philosophi- sche Folklore“50 kann aber offenkundig nicht direkt in ‚Ideologie‘ übersetzt werden, an deren systematischer Theoretisierung es Gramsci im Übrigen auch nicht gelegen war.51 Vielmehr lag ihm an den Manifestationen der Weltsicht im Alltag, an Ideolo-
gie als gelebte und habituelle gesellschaftliche Praxis. Diese „Philosophie der Nicht- Philosophen“52 leitet sich, in Abgrenzung zu deterministischen marxistischen Vor- stellungen, nicht aus den Interessen herrschender Klassen ab und kann daher auch nicht mit ‚dominanter Ideologie‘ gleichgesetzt werden. Im Vordergrund steht viel- mehr die individuelle Ausgestaltung innerhalb einer gegebenen gesellschaftlichen Deutungsstruktur: die Übersetzung von Philosophie ins Alltagsbewusstsein einzel- ner Menschen.
Doch bleibt das Interesse bei der Feststellung, dass in diesem Sinne „alle Men- schen Philosophen sind“53, nicht stehen; aus dem Umstand, dass der Alltagsverstand nicht statisch und determiniert zu denken ist, leitet sich nicht nur die Möglichkeit, sondern in Gramscis politischer Perspektive auch die Notwendigkeit ab, ihn zu ent- wickeln und an sein kritisches Potential anzuschließen – den Alltagsverstand durch systematische Kritik, wie oben schon zitiert, ‚kritisch zu machen‘. Denn, so fragt Gramsci rhetorisch:
„ist es vorzuziehen, ‚zu denken‘, ohne sich dessen kritisch bewußt zu sein, auf zusammenhangslose und zufällige Weise, das heißt, an einer Weltauffassung
‚teilzuhaben‘, die mechanisch von der äußeren Umgebung ‚auferlegt‘ ist, und zwar von einer der vielen gesellschaftlichen Gruppen, in die jeder automa- tisch von seinem Eintritt in die bewußte Welt an einbezogen ist […], oder ist es vorzuziehen, die eigene Weltauffassung bewußt und kritisch auszuarbei- ten und folglich […] die eigene Tätigkeitssphäre zu wählen, an der Hervor- bringung der Weltgeschichte aktiv teilzunehmen, Führer seiner selbst zu sein und sich nicht einfach passiv und hinterrücks der eigenen Persönlichkeit von außen den Stempel aufdrücken zu lassen?“54
Ein Terminus, der in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle spielt, ist jener der Kohärenz: die angesprochene Kritik des senso comune soll diesen nicht zuletzt ‚kohä- rent‘ machen. Gramsci verwendet diesen Begriff in unterschiedlichen Kontexten mit verschiedenen Konnotationen, uns interessiert hier aber seine positive Beset- zung als Antwort des Subjekts auf die Notwendigkeit, in einer stetig sich wandeln- den sozialen Welt permanent sich zurechtzufinden, also damit umzugehen, „dass gerade durch die Tatsache des antagonistischen Werdens von Gesellschaft, des steti- gen sich Veränderns der Arbeits- und Lebensweisen alle Individuen permanent zu intellektueller Kohärenzarbeit aufgefordert sind.“55 Diese Bestimmung interessiert uns hier, da wir bereits festgestellt haben, dass das biographische Erzählen – gefasst als diskursive Praxis – mit von einem Subjektdiskurs geprägt ist, der dem oder der Erzählenden Einheit und Kohärenz abverlangt. Ehe wir argumentieren werden, dass die von diesem Postulat gezeitigten Folgen für das Erzählen von Erinnertem nicht zwangsläufig und ausschließlich als fragwürdig zu problematisieren sind, wollen wir zunächst zeigen, wie Gramsci just die Herstellung von Einheit und Kohärenz zum
Ziel der systematischen Kritik und Entwicklung des Alltagsverstandes als Voraus- setzung kritischer Handlungsfähigkeit macht: „Die eigene Weltauffassung kritisie- ren heißt […], sie einheitlich und kohärent zu machen und bis zu dem Punkt anzu- heben, zu dem das fortgeschrittenste Denken der Welt gelangt ist.“56 Dieser Kohä- renz-Begriff steht nicht nur gegen das Zufällige und Zusammenhanglose, das die in diesem Sinne verstandene ‚Inkohärenz‘ des Alltagsverstand zunächst charakte- risiert, sondern fügt der „Kohärenzpraxis“57 also noch das Element des Kritischen hinzu. Dies steht nicht nur für den Akt, die populare Philosophie selbst, sondern vielmehr „die gesamte bisherige Philosophie zu kritisieren, insofern sie verfestigte Schichtungen“58 ebendort hinterlassen hat. Das sokratische „Erkenne dich selbst“59, dem wir als kritisch begriffene Foucault’sche Technologie des Selbst begegnet sind, mit der das Subjekt der Aufforderung nachkommt, sich bei der Formulierung eines biographischen Zusammenhangs zu sich selbst in Bezug zu setzen, taucht hier posi- tiv gewendet auf als eine der Kritikfähigkeit vorausgehende Bewusstwerdung des Umstandes, „Produkt des bislang abgelaufenen Geschichtsprozesses [zu sein], der in einem selbst eine Unendlichkeit von Spuren hinterlassen hat“60 – die es, wie es bei Gramsci wörtlich heißt, zu inventarisieren gilt. Dieses Bewusstsein ist Vorausset- zung von Kritik, die ihrerseits ein „Sich-Zusammen-Nehmen zur Handlungsfähig- keit“61 erst ermöglicht. Gramsci versteht Kohärenz also nicht als vereinheitlichen- des Ganzes, sondern sieht darin die einzige Möglichkeit, handlungsfähig im stets widerspruchsvollen und ungleichzeitigen gesellschaftlich-geschichtlichen Moment zu bleiben, der „niemals homogen“62 ist; daraus folgt, und das ist für uns der ent- scheidende Punkt, dass Kohärenz hier nicht als Gegensatz zu Widersprüchlichkeit und Fragmentierung begriffen wird, sondern dass es an den Einzelnen ist, Kohärenz herzustellen, indem sie gesellschaftlichen Widersprüchen mit erworbener Kritikfä- higkeit begegnen und „sich je spezifisch zu Subjekten ‚zusammennehmen‘“63 – nicht zuletzt um in legitimer Weise Denk- und Handlungsfähigkeit zu bewahren.
Somit finden in unserer Argumentation Kohärenz (in Gramscis Sinn) und Dis- kurs in der vorhin beschriebenen Funktion zusammen die Möglichkeit zu enthalten, der Notwendigkeit, Einheit trotz gesellschaftlicher Widersprüche herzustellen, kri- tisch und reflektiert zu begegnen: So wie der Alltagsverstand kohärent gemacht und zu kritischem Bewusstsein entwickelt werden kann, können Diskurse anders als ver- schleiernd wirken oder, wie schon angesprochen, emanzipatorische Ansätze anbieten.
Zwei Beispiele: (Nicht-) Aufnahme von Diskursen
Die Herstellung von Einheit steht auch in der lebensgeschichtlichen Erzählung nicht zwangsläufig für Glättung und Ausblendung. Vielmehr kann sich dieses Bestreben
in einer aktiven Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Antagonismen entwi- ckeln, was auch bedeutet, dass Widersprüche, aber vor allem Handlungen, Denk- weisen und Erlebnisse, die im Lauf des Lebens problematisch geworden sind, inte- griert werden, ohne dass die Einheit zerstört wird: Der moderne Subjektdiskurs muss nicht zwangsläufig zur Glättung und Nivellierung von Widersprüchen und Nichtidentischem führen. Im Rahmen einer eben abgeschlossenen Dissertation wurden biographisch-narrative Interviews mit Frauen, die vor 1929 in Wien gebo- ren und während des Nationalsozialismus aufgewachsen sind, unter anderem auch entlang dieser Fragestellung ausgewertet.64 Gerade für die Ausblendung von Brü- chen und Erlebnissen zählt der Umgang mit der persönlichen und familialen NS- Geschichte im Nachkriegsösterreich zu den prägnantesten Beispielen. Die Ausblen- dung vollzieht sich unter anderem in biographischen Erzählungen und erfährt ihre Legitimität durch die Aufnahme verharmlosender Vergangenheitsdiskurse, die sich nach 1945 entwickelt haben und von der zeitgeschichtlichen und politikwissen- schaftlichen Forschung unter dem Label „nationaler Opfermythos“ diskursanaly- tisch erfasst wurden.65 Im nationalen Opferdiskurs werden Deutungsmuster arti- kuliert, die eine glättende Gegenwartsperspektive auf die Vergangenheit legitimie- ren und die aktive Umsetzung von Verleugnung und Ausblendung in der biographi- schen Erzählung erleichtern.66 Bestimmte, mit der NS-Gesellschaft in Verbindung stehende und nach 1945 problematisch gewordene lebensgeschichtliche Erlebnisse können auf diese Weise erzählbar gemacht und – derart ‚entproblematisiert‘ – in die Biographie eingebettet werden.
Dass Biograph/innen in ihren Erzählungen diesen Diskurs aufnehmen, zeigt die Fallrekonstruktion der Biographie von Katharina Müller67 (Jahrgang 1923), die eng mit dem Verlauf des Nationalsozialismus verbunden ist. Bei der Darstellung dieser Zeit folgt die Biographin der Strategie, die eigene Involviertheit – nicht nur in NS- Mädchen-Organisationen, sondern auch hinsichtlich ihrer nationalsozialistischen und antisemitischen Überzeugung – auf eine entpolitisierte und entideologisierte Verehrung der Person Hitlers zu reduzieren. Damit wird die diskursive Bearbei- tungsstrategie der ‚von Hitler verführten Frauen‘ in Anspruch genommen, die nach 1945 als verharmlosender Erklärungsansatz breite Akzeptanz gefunden hat. Alle Erlebnisse werden unter diesem Blickwinkel erzählt, sodass die aktiven Handlungs- anteile im Nationalsozialismus nicht erwähnt oder detaillierter ausgebaut werden müssen. Damit wird die lebensgeschichtliche Krise, die Katharina Müller mit dem Ende des Nationalsozialismus erlebte, und die eine jahrelangen Phase der persönli- chen und ideologischen Neuorientierung zur Folge hatte, nicht als solche benannt.
Die Benennung dieser Krise würde die erzählerische Einheit durchbrechen, anhand derer sie sich als Verführte des Nationalsozialismus und nicht als aktiv Mitwirkende präsentiert.
Die biographische Erzählung von Hildegard Bauer (Jahrgang 1926) zeigt hinge- gen, dass diese Form der Glättung nicht zwingend erfolgen muss. Ihre Biographie ist maßgeblich davon beeinflusst, dass ihr Vater bereits 1933 illegales Mitglied der NSDAP war; die Familie profitierte massiv vom Nationalsozialismus, brach jedoch nach 1945 auseinander, und der Vater wurde als hoher NS-Funktionär angeklagt, in dem Prozess allerdings freigesprochen. Ähnlich wie für Katharina Müller stellte der Zusammenbruch des Nationalsozialismus für Hildegard Bauer einen massiven Ein- schnitt in ihrer Biographie dar, den sie biographisch bearbeiten musste. Zur Dar- stellung der brüchigen Lebensaspekte, die ihre Selbstpräsentation und ihr Selbstbild gefährden können als eine, die den Nationalsozialismus überwunden hat, schließt sie an keine Opferkonstruktionen an, die diese Lebensaspekte auf diskursiver Ebene legitimieren könnten. Dies äußert sich vor allem in sich wiederholenden Reflexio- nen über die Funktion des österreichischen Opferdiskurses, von dem sie sich expli- zit distanziert.
Diese beiden exemplarischen Fallgeschichten zeigen auf, in welcher Art und Weise Diskurse biographische Matrizen von Erinnerung darstellen und als solche auch der Positionierung von Erzählungen und damit der Biograph/innen selbst die- nen. Allerdings sind Subjekte dem Diskurs nicht vorgelagert, sondern sie finden eine Position im diskursiven Feld, von dem aus sie sprechen können, eine Position, in der sie sich aktiv eine ‚Identität‘ geben können und diese narrativ als Selbstprä- sentation in biographischen Erzählungen ausbauen. Doch auch wenn Identitäten zu keinem Zeitpunkt als einheitlich, sondern immer als fragmentiert, zerstreut und brüchig gefasst werden müssen,68 was zur Folge hat, dass auch die eigene Biographie nicht als Einheit erlebt wird, sondern Erlebnisse stattfinden, die zu lebensgeschicht- lichen Brüchen und Widersprüchen führen, so ist das biographische Erzählen den- noch in den modernen Subjektdiskurs verstrickt und muss sich, wie bereits erwähnt, darum bemühen, die eigene Geschichte als Einheit zu fassen, die von Kohärenz im Sinne von Schlüssigkeit und Plausibilität geprägt ist. Dennoch zeigt gerade die bio- graphische Erzählung von Hildegard Bauer, dass diese Anforderung nicht unmit- telbar bedeutet, das Fragmentierte und Brüchige zu glätten, sondern auch zur Folge haben kann, dass gesellschaftlichen Widersprüchen kritisch und reflektiert begeg- net wird, um der eigenen Lebensgeschichte eine Form von Kohärenz zu verleihen, die nicht ausschließlich auf Ausblendung und Verharmlosung basiert. Der kritische Gegendiskurs, den die Geschichts- und Politikwissenschaft seit den 1980er Jahren dem nationalen Opferdiskurs entgegengehalten hat und der teilweise Aufnahme in die öffentliche Gedenk- und Vergangenheitspolitik fand, dient Hildegard Bauer in der biographischen Erzählung als Legitimationsgrundlage für ihre Selbstpräsenta- tion und ermöglicht ihr die Emanzipation von ihrer eigenen Generation, die im All-
tagsdiskurs den nationalen Opferdiskurs sehr wohl noch aktiv (re-)produziert – wie nicht zuletzt die biographische Erzählung von Katharina Müller zeigt.
Schluss
Es liegt auf der Hand, dass eine Untersuchung zur Inanspruchnahme diskursiver Elemente in narrativen Quellen, die deren Verbindungslinien zu Gramscis Konzept des Alltagsverstandes in den Blick nimmt, nicht außer Acht lassen kann, dass ‚Dis- kurs‘ und ‚Alltagsverstand‘ jeweils auf unterschiedlichen Ebenen des Gesellschaft- lichen angesiedelt und wirksam sind, der eine in den anderen integriert sein kann, und Diskurse Elemente und/oder Ausdruck des Alltagsverstandes sein können. Hier stünde etwa zu Gebote, die verschiedenen Diskursformen, allen voran den Alltags- diskurs,69 detaillierter mit Gramscis Analysen des Alltagsdenkens in Bezug zu set- zen als dies im Rahmen des vorliegenden Artikels möglich und sinnvoll war. Unser Anliegen war es jedoch, das Potential aufzuzeigen, dass die Tragweite der Stehsätze, wonach Diskursanalyse nicht weniger als Kulturwissenschaft als Analyse des Gesell- schaftlichen zu betrachten sei, beträchtlich erweitert werden kann, wenn man sie miteinander verbindet.
Die biographische Forschung bietet hierfür, wie wir zu zeigen versucht haben, ein besonders fruchtbares Terrain. Denn zum einen sind biographische Erzählun- gen immer von Diskursen durchdrungen, die von den Erzähler/innen auf mehr oder weniger bewusste Art und Weise aufgenommen und im Erzählprozess aktua- lisiert werden. Dies sollte keineswegs als unmittelbare und ungebrochene Überset- zung verstanden werden. Subjekte interpretieren Diskurse vielmehr und integrieren sie in ihre Lebenswelten, sodass Diskursfragmente neu zusammengesetzt und auch verändert werden können. Die dabei entstehenden Alltagsdiskurse müssen also den öffentlichen Wissens-Diskursen nicht oder nicht zur Gänze entsprechen. Diskurse fungieren als „Strukturmuster gesellschaftlicher Ordnung“70 und sind an der Kons- tituierung von Lebenswelt beteiligt. Sie stellen Handlungs- und Deutungsmuster zur Verfügung, anhand derer Subjekte ihr Alltagshandeln und ihre Selbstbilder generie- ren und stabilisieren können.71 Zum anderen lässt sich sagen, dass ein wesentliches Element der von Gramsci als „spontan“ beschriebenen „Philosophie der Volksmen- gen“72 in ihrer individuellen Ausgestaltung besteht, so sehr der Alltagsverstand – nicht anders als Diskurse – selbstredend vordergründig eine überindividuelle Kate- gorie ist. In beiden Fällen gilt es aber die individuelle Übersetzung und Reproduk- tion im Kontext gesellschaftlicher Deutungsstrukturen in den Blick zu nehmen – etwa in der biographischen Erzählung. Aus dieser Parallele leitet sich ab, dass auch das Verfahren einer Kulturanalyse, die Gramscis Vorschlag folgt, die „Unendlichkeit
von Spuren“73 anderen Denkens im Alltagsverstand zu inventarisieren, dem einer Diskursanalyse durchaus verwandt ist, die in ihrer „Diagnostik des gegenwärtigen Wissens“ 74 nicht anders als jene Gesellschaftsanalyse im engeren Sinne ist. Und wie man „die Kultur nicht von der Geschichte der Kultur trennen“ kann,75 gilt es in die- sem weiteren Sinn einerseits die Geschichtlichkeit und andererseits die Verwoben- heit von Weltauffassungen herauszuarbeiten, die in biographischen Erzählungen auftauchen und diese strukturieren.
Die Grenzen des Vergleichs zeigen sich aber auch, wenn in Erinnerung geru- fen wird, dass Foucault die Beschreibung von Diskursen dezidiert in Gegensatz zu einer Mentalitätsgeschichte stellt, da sie von einer gegenwärtig bestimmten Menge von Diskursen, und nur von ihr, Ausgang zu nehmen hat. Doch der von „unmit- telbaren Formen der Kontinuität“ befreite „Raum des Diskurses“,76 den er umreißt, entspricht in weiten Teilen jenem Terrain des Kulturellen, wie es in Folge der ein- gangs beschriebenen Reformulierung des Kulturbegriffs seitens der neueren Kultur- wissenschaften – die zumindest im angelsächsischen Raum unter expliziter Bezug- nahme auf Gramsci erfolgt –, neu eingegrenzt wurde: „Ein immenses Gebiet, das man aber definieren kann.“77 Und das man auch analysieren kann, wenn man die Bedeutung und Funktion von Erzählmustern stärker in den Blick nimmt als dies in den Kulturwissenschaften erstaunlicherweise bis heute der Fall ist.78 Eines dieser Muster ist die Reproduktion kohärenter Erinnerung in der biographischen Erzäh- lung.
Anmerkungen
1 Vgl. etwa Stuart Hall, Der Westen und der Rest: Diskurs und Macht, in: ders., Rassismus und kultu- relle Identität. Ausgewählte Schriften 2, Hamburg 1994, 137–179, 149 ff.
2 Vgl. Ingo Lauggas, Empfindungsstrukturen und Alltagsverstand. Implikationen der materialisti- schen Kulturbegriffe von Gramsci und Raymond Williams, in: Andreas Merkens/Victor Rego-Diaz, Hg., Mit Gramsci arbeiten. Texte zur politisch-praktischen Aneignung Antonio Gramscis, Hamburg 2007, 85–97.
3 Wir beziehen uns hier und im Folgenden auf die nach der von Gabriele Rosenthal entwickelten Methode und Methodologie verfahrende wissenssoziologische sozialkonstruktivistische Biographie- forschung, vgl. Gabriele Rosenthal, Erlebte und erzählte Lebensgeschichte. Gestalt und Struktur bio- graphischer Selbstbeschreibungen, Frankfurt am Main/New York 1995.
4 Vgl. Maria Pohn-Weidinger, „Heroisierte Opfer?“ Bearbeitungs- und Handlungsstrukturen von
‚Trümmerfrauen‘ in Wien unter besonderer Berücksichtigung des vergeschlechtlichten Opferdiskur- ses, phil. Diss, Universität Wien 2011, 10 ff.
5 Vgl. Christoph Scherrer, Hegemonie: empirisch fassbar? in: Merkens/Rego Diaz, Gramsci, 71–84, 78 f.
6 Vgl. Ernesto Laclau/Chantal Mouffe, Hegemonie und radikale Demokratie, Wien 1991, 155 ff.; Zur Kritik vgl. Terry Eagleton, Ideologie, Stuttgart 2000, 251 f.
7 Ernesto Laclau, Ideologie und Post-Marxismus, in: Martin Nonhoff, Hg., Diskurs – radikale Demo- kratie – Hegemonie. Zum politischen Denken von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe, Bielefeld 2007, 25–39, 29.
8 Vgl. Louis Althusser, Ideologie und ideologische Staatsapparate, Hamburg 2010, 75 ff.
9 Vgl. Wolfgang Müller-Funk, Die Kultur und ihre Narrative, 2. Auflage, Wien/New York 2008, 17 f.
10 Vgl. Reiner Keller, Müll – Die gesellschaftliche Konstruktion des Wertvollen. Die öffentliche Diskus- sion über Abfall in Deutschland und Frankreich, Wiesbaden 1998; Michael Meuser/ Reinhold Sack- mann, Hg., Analyse sozialer Deutungsmuster. Beiträge zur empirischen Wissenssoziologie, Pfaffen- weiler 1991.
11 „What we sometimes call ‚culture‘ – a religion, a moral code, a system of law, a body of work in the arts – is to be seen as only a part – the conscious part – of that ‚culture‘ which is a whole way of life“.
(Raymond Williams, Culture and Society 1780 – 1950, London 1958, 237)
12 Raymond Williams, Zur Basis-Überbau-These in der marxistischen Kulturtheorie, in: ders., Innova- tionen. Über den Prozesscharakter von Literatur und Kultur, Frankfurt am Main 1977, 183–203, 189.
13 Ebd.
14 Ebd.
15 Vgl. Giuseppe Cospito, Egemonia, in: Fabio Frosini/Guido Liguori, Hg., Le parole di Gramsci. Per un lessico dei Quaderni del carcere, Roma 2004, 74–92, 74; Wolfgang Fritz Haug, Hegemonie, in: ders., Hg., Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus. Bd. 6.I., Hamburg 2004, 1–29, 10 ff.
16 Antonio Gramsci, Gefängnishefte. Kritische Gesamtausgabe, Hamburg 1991 ff., Bd.7 H.13 §17.
17 Ebd.
18 Durchaus analog zu Althussers späterem, Gramscis Konzept nachgebildetem Modell der repressiven und ideologischen Staatsapparate unterscheidet Gramsci zwischen politischer und Zivilgesellschaft als Bestandteile des sogenannten integralen Staates: „Staat = politische Gesellschaft + Zivilgesell- schaft, das heißt Hegemonie, gepanzert mit Zwang“. (Ebd., Bd.4 H.6 §88) Vgl. Althusser, Ideologie, 53, sowie allgemein Ingo Lauggas, Neoliberale Hegemonie? Zur Aktualität von Gramscis ‚alternati- vem Marxismus‘, in: Peter Fleissner, Hg., Kritische Ansätze zu Politik und Ökonomie im globalisier- ten Kapitalismus, Berlin 2009, 275–286.
19 Vgl. Giorgio Baratta, Gramsci tra noi: Hall, Said, Balibar, in: ders./Guigo Liguori, Hg., Gramsci da un secolo all’altro, Roma 1999, 3–27, 25 f.
20 Stuart Hall, Gramscis Erneuerung des Marxismus und ihre Bedeutung für die Erforschung von
„Rasse“ und Ethnizität, in: ders., Ideologie Kultur Rassismus. Ausgewählte Schriften 1, Hamburg 1989, 56–92, 81.
21 Stuart Hall, Cultural Studies. Zwei Paradigmen, in: Roger Bromley u.a., Hg., Cultural Studies. Grund- lagentexte zur Einführung, Lüneburg 1999, 113–138.
22 Ebd., 123.
23 Ebd., 127, Hervorhebung im Original.
24 Ebd., 128.
25 Ebd., 137; Vgl. hierzu Lauggas, Hegemonie, 279 f.; Oliver Marchart, Cultural Studies, Konstanz 2008, 76 ff.
26 Udo Göttlich, Kultureller Materialismus und Cultural Studies: Aspekte der Kultur- und Medientheo- rie von Raymond Williams, in: Andreas Hepp/Rainer Winter, Hg., Kultur - Medien - Macht. Cultural Studies und Medienanalyse, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, Wiesbaden 2006, 93–108, 95.
27 Hall, Cultural Studies, 133.
28 Ebd.
29 Reinhard Sieder, Die Rückkehr des Subjekts in den Kulturwissenschaften, Wien 2004, 88.
30 Vgl. Elisabeth Tuider, Diskursanalyse und Biographieforschung. Zum Wie und Warum von Sub- jektpositionierungen [81 Absätze], in: Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research, 8(2), Art. 6, 2007, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs070268 (25.07.2011); Tho- mas Schäfer/Bettina Völter, Subjekt-Positionen. Michel Foucault und die Biographieforschung, in:
Bettina Völter/Bettina Dausien/Helma Lutz/Gabriele Rosenthal, Hg., Biographieforschung im Dis- kurs, Wiesbaden 2005, 161–185; Ute Karl, Metaphern als Spuren von Diskursen in biographischen Texten [56 Absätze], in: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 8(1), Art. 3, 2006, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs070139 ( 23.11.2011)
31 Vgl. die Forschungsarbeiten von Walburga Freitag, Contergan. Eine genealogische Studie des Zusammenhangs wissenschaftlicher Diskurse und biographischer Erfahrungen, Münster u.a. 2005;
Bettina Völter, Judentum und Kommunismus. Deutsche Familiengeschichten in drei Generationen, Opladen 2003.
32 ‚Aussagen‘ bezeichnen „die ‚regel-mäßigen‘, wiederkehrenden zeichenhaften Verkettungen von Bedeutungsrelationen, die […] als Funktion des jeweiligen Praxis- bzw. Anwendungsfeldes, in das sie eingestellt sind, durch eben dieses Anwendungsfeld, also durch ihren jeweiligen Kontext in ihrer faktischen Wiederholbarkeit begrenzt werden.“ (Andrea D. Bührmann/Werner Schneider, Vom Dis- kurs zum Dispositiv. Eine Einführung in die Dispositivanalyse, Bielefeld 2008, 26)
33 Michel Foucault, Archäologie des Wissens, Frankfurt am Main 1981, 74.
34 Ralf Konersmann, Der Philosoph mit der Maske. Michel Foucaults L’ordre du discourse, in: Michel Foucault, Die Ordnung des Diskurses. Mit einem Essay von Ralf Konersmann, Frankfurt am Main, 1991, 51–91, 80.
35 Jürgen Link, Kulturwissenschaft, Interdiskurs, Kulturrevolution, in: KultuRRevolution. Zeitschrift für angewandte Diskurstheorie, 45/46, 2003, 10–23; Anne Waldschmidt u.a., Diskurs im Alltag – All- tag im Diskurs: Ein Beitrag zu einer empirisch begründeten Methodologie sozialwissenschaftlicher Diskursforschung [69 Absätze], in: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 8(2), Art. 15, 2007, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0702156, (19.11.2011).
36 Sieder, Rückkehr, 48.
37 Vgl. Michel Foucault, Technologien des Selbst, in: ders., Dits et Ecrits. Schriften in vier Bänden, Bd.
IV: 1980–1988, hrsg. v. Daniel Defert und François Ewald, Frankfurt am Main 2005, 966–999.
38 Michel Foucault, Subjektivität und Wahrheit, in: ders., Dits et Ecrits, Bd. IV, 258–264, 260.
39 Vgl. Foucault, Technologien, 971.
40 Frédéric Gros, Situierung der Vorlesungen, in: Michel Foucault, Die Hermeneutik des Subjekts, Vor- lesung am Collège de Francer (1981/82). Aus dem Französischen von Ulrike Bokelmann, Frankfurt am Main 2004, 616–668, 652.
41 Dieser Aspekt kann hier nicht weiter ausgeführt werden. Zur Vertiefung vgl. Pohn-Weidinger,
„Heroisierte Opfer?“, 32 f.; Thomas Schäfer/Bettina Völter, Subjekt-Positionen. Michel Foucault und die Biographieforschung, in: Bettina Völter u.a., Hg., Biographieforschung im Diskurs, Wiesbaden 2005, 161–185.
42 Thomas Etzemüller, Die Form „Biographie“ als Modus der Geschichtsschreibung. Überlegungen zum Thema Biographie und Nationalsozialismus, in: Michael Ruck/Karl H. Pohl, Hg., Regionen im Nationalsozialismus, Bielefeld 2003, 71–90, 79 f.
43 Gramsci, Gefängnishefte, Bd. 6 H. 11 §12.
44 Scherrer, Hegemonie, 76.
45 Gramsci, Gefängnishefte, Bd. 9 H. 24 §4.
46 Ebd.
47 Ebd.
48 Ebd., Bd. 6 H. 11 §12; vgl. Lauggas, Empfindungsstrukturen, 93.
49 Gramsci, Gefängnishefte, Bd. 6 H. 11 §12.
50 Ebd., Bd. 9 H. 27 §1.
51 Vgl. Jan Rehmann, Einführung in die Ideologietheorie, Hamburg 2008, 92.
52 „Gramsci calls common sense the philosophy of the non-philosophers“. (The English Studies Group, Recent developments in English Studies at the Centre, in: Centre for Contemporary Cultural Studies, Hg., Culture, Media, Language. Working Papers in Cultural Studies, London 1980, 235–268, 265);
Vgl. auch Gramsci, Gefängnishefte Bd. 6 H. 11 § 13.
53 Ebd., §12.
54 Ebd.
55 Andreas Merkens, „Die Regierten von den Regierenden intellektuell unabhängig machen“ – Gegen- hegemonie, politische Bildung und Pädagogik bei Antonio Gramsci, in: ders./Rego Diaz, Gramsci, 157–174, 171 (Hervorhebung im Original).
56 Gramsci, Gefängnishefte, Bd. 6 H. 11 §12.
57 Wolfgang Fritz Haug, Philosophieren mit Brecht und Gramsci, Hamburg 2006, 21 ff.
58 Gramsci, Gefängnishefte, Bd. 6 H. 11 §12.
59 Ebd.
60 Ebd.
61 Haug, Philosophieren, 26.
62 Gramsci, Gefängnishefte, Bd. 9 H. 23 §3.
63 Wolfgang Fritz Haug, Kohärenz, in: ders., Hg., Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus.
Bd. 7.II, Hamburg 2010, 1101–1107, 1101.
64 Pohn-Weidinger, „Heroisierte Opfer?“ Die Interviews wurden mit der biographischen Methode nach Gabriele Rosenthal ausgewertet und zusätzlich hinsichtlich von Opferkonstruktionen diskurs- analytisch untersucht.
65 Vgl. etwa Anton Pelinka, Von der Funktionalität von Tabus. Zu den „Lebenslügen“ der Zweiten Republik, in: Wolfgang Kos/Georg Rigele, Hg., Inventur 44/55, Wien 1996, 23–32; Heidemarie Uhl, Vom Opfermythos zur Mitverantwortungsthese: NS-Herrschaft, Krieg und Holocaust im „österrei- chischen Gedächtnis“, in: Christian Gerbel u.a., Hg., Transformationen gesellschaftlicher Erinne- rung. Studien zu Gedächtnisgeschichte der Zweiten Republik, Wien 2005, 50–85.
66 Dass Diskurse auch bereits zum Zeitpunkt des Erlebens selbst zur interpretativen Einordnung von Erfahrung in den biographischen Verlauf herangezogen werden, haben wir schon erwähnt. Dieser Aspekt kann hier jedoch nicht weiter ausgeführt werden.
67 Die Namen der Interview-Partnerinnen wurden anonymisiert.
68 Vgl. Stuart Hall, Wer braucht Identität? in: ders., Ausgewählte Schriften 4, Hamburg 2004, 167–187, 69 Vgl. Waldschmidt, Diskurs, Abs. 34.170.
70 Hannelore Bublitz, Diskursanalyse als Gesellschafts-Theorie, in: dies. u.a., Hg., Das Wuchern der Diskurse. Perspektiven der Diskursanalyse Foucaults, Frankfurt am Main/New York 1999, 22–48, 24.
71 Schäfer/Völter, Subjektpositionen, 179.
72 Gramsci, Gefängnishefte, Bd. 6 H. 11 §13.
73 Ebd., §12.
74 Bublitz, Diskursanalyse, 31.
75 Gramsci, Gefängnishefte, Bd. 6 H. 11 §12.
76 Foucault, Archäologie, 41.
77 Ebd.
78 Vgl. Müller-Funk, Kultur, VII.