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7. TAG DER LEHRE DER FH OÖ

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TAGUNGSBAND

7. TAG DER LEHRE DER FH OÖ

7. Mai 2019 | FH OÖ Campus Linz Gisela Schutti-Pfeil, Martina Gaisch, Antonia Darilion (Hrsg.)

TOP Lehre

(2)

Vorwort

Gisela Schutti-Pfeil und Antonia Darilion

Der heurige Tag der Lehre der Fachhochschule Oberösterreich fand unter dem Motto statt: „Lifelong learning. Implikationen für die Hochschullehre“. Fragen wie, „was bedeutet lifelong learning für die Hochschulen und für die Hochschullehre?“, „was bedeutet

„offene Hochschule“ und wie gehen Hochschulen mit neuen Studieren-

dengruppen (NTS=non traditional students, second chance learners, refreshers, returners, etc.) um?“, wurden am 7. Mai 2019 in Linz in vielfältigen Formaten präsentiert und diskutiert. Nach EU-Definition umfasst lebenslanges oder lebensbegleitendes Lernen „alles Lernen während des gesamten Lebens, das der Verbesserung von Wissen, Qualifikationen und Kompetenzen dient und im Rahmen einer persönlichen, bürgergesellschaftlichen, sozialen, bzw. beschäftigungs- bezogenen Perspektive erfolgt.“ Diese bis heute gültige Definition wurde im Dokument „Einen europäischen Raum des lebenslangen Lernens schaffen“ im Jahr 2001 festgelegt.1 Lebens- langes Lernen wird in Dokumenten der EU als die Möglichkeit beschrieben, gesellschaftlichen, technischen und ökonomischen Veränderungen entsprechend zu begegnen. Die Beschäfti- gungsfähigkeit der Menschen, ihre Integration in den Arbeitsmarkt steht hierbei im Vordergrund sowie die Förderung gezielter Kompetenzen für neue Beschäftigungsmöglichkeiten.

Am 7. Tag der Lehre der Fachhochschule Oberösterreich wurde dieses aktuelle Thema ins Zentrum gestellt und folgende Fragen bereits im call for abstracts aufgegriffen:

»Bildungsauftrag „lebenslanges Lernen“ für die Hochschule: wie gelingt es Hochschulen, sich auf lebenslanges Lernen auszurichten? Wie ermöglichen Hochschulen Partizipation an Hochschulbildung jenseits von Alter, Status, Geschlecht, (Berufs-) Biografien, etc…?

»Was bedeutet „offene Hochschule“ und wie gehen Hochschulen mit neuen Studierendengrup- pen (NTS=non traditional students, second chance learners, refreshers, returners, etc.) um?

»Wie gelingt die Verzahnung von Theorie und Praxis und mit welchen Studienformaten kön- nen diese künftigen Studierendengruppen angesprochen werden?

»Was können Hochschulen tun, um Chancengleichheit zu fördern und eine Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung zu erhöhen (Anerkennung von formalem und informellem Wissen und Kompetenzen)?

»Welche Anreiz- und Fördermaßnahmen zur Stärkung von Bildungsmotivation und Freude am lebenslangen Lernen gibt es?

»Welche good-practice Beispiele lassen sich im Bereich Lehr-Lernmethoden beschreiben, um NTS mit ihren unterschiedlichen Lernwegen optimal in den Studienbetrieb zu integrieren und zu fördern?

»Wie gehen Hochschulen mit der Anrechnung außerhochschulischer Kompetenzen um? Wie sehen Praxiserfahrungen damit aus? Wie gelingt hier die Qualitätssicherung?

»Welche Kompetenzen benötigen Lehrende, um diesen Trends entsprechend zu begegnen und Studierende – in ihrer „bunten Vielfalt“ – bestmöglich zu fördern?

SAVE THE D ATE

28.04.2020

FH OÖ Campus Linz

8. TAG

DER LEHRE

(3)

Die Veranstalter, das Team TOP Lehre und E-Learning – Kompetenzzentrum für Hochschullehre der Fachhochschule Oberösterreich – rund um Leiterin FH-Prof. Dr. Gisela Schutti-Pfeil und Mag. Antonia Darilion, freuten sich über die Fülle an profunden Präsentations-, Workshop- und Postereinreichungen, sowie über die Teilnahme von über hundert Interessierten aus dem öster- reichischen und süddeutschen Hochschulraum.

Keynote speakerin, Prof. Dr. Eva Cendon, Bildungswissenschaftlerin und Leiterin des neu eingerichteten Lehrgebietes am Institut für Bildungswissenschaft und Medienforschung an der FernUniversität in Hagen, führte in ihrem Vortrag zum Thema „Bildungsauftrag Lebenslanges Lernen für die Hochschule“ aus, dass „Lebenslanges Lernen den Blick auf die Lernenden lenkt, und dies bedeutet für Hochschulen, dass sie sich noch mehr als bisher mit ihren Studierenden auseinandersetzen müssen.“ „Die Hochschulen spüren bereits den Druckpunkt etwas zu tun, da sonst die Studierendenzahlen rückläufig werden.“, so Prof. Dr. Cendon. „Deshalb geht es beim Thema „Lebenslanges Lernen“ darum, unterschiedliche, z.B. modularisierte Angebots- formen bereit zu stellen und flexible Lernwege zu ermöglichen (flexible Formen Ort und Zeit betreffend). Die Anrechnung von außerhochschulischen Kompetenzen ist ein Thema, welches viele Hochschulen beschäftigt und hoch komplex ist. Allerdings können Hochschulen durch gute Anrechnungsverfahren von formal wie auch informal erworbenem Wissen angehenden Studierenden Wertschätzung entgegenbringen und damit nachweislich die Motivation für das Studium steigern.“

Ein weiteres Highlight des Tages waren die Konzeptpräsentationen von Dr. Daniela Freudent- haler-Mayrhofer und Dipl. Ing. Wolfgang Ortner, ProfessorInnen am FH OÖ Campus Steyr und Preisträgerin und Preisträger der FH OÖ Teaching Awards 2018 zu „Innovation in der Lehre“

bzw. „Exzellenz in der Lehre“. Preisträgerin Dr. Daniela Freudenthaler-Mayrhofer auf die Frage, wie sie den Tag der Lehre der FH OÖ 2019 wahrgenommen hat: „der Tag der Lehre ist eine schöne Gelegenheit, sich mit Kolleginnen und Kollegen zum Thema Lehre und zu aktuellen Fra- gestellungen zur Hochschullehre auszutauschen. Es waren heute viele Impulse für die eigene Lehrtätigkeit dabei. Es bestätigt sich, dass spannende Herausforderungen auf die Hochschul- lehre zu kommen und ich freue mich darauf, an innovativen Ideen mitzuarbeiten.“

Die Teilnehmenden waren sich am Ende des Tages einig: ein aktuelles Thema wurde um- fangreich – in vielen Beitragsformaten – aufbereitet und präsentiert. Gelobt wurde neben der Bandbreite der fachlichen Inputs, die Fülle und Qualität des Programmes sowie die inspirieren- den Einblicke in die aktuelle Forschungs- und Erfahrungslandschaft zum Thema Lebenslanges Lernen.

Durch diese vielen positiven Rückmeldungen angeregt, freuen sich die OrganisatorInnen, Ihnen auch heuer einen Tagungsband zum 7. Tag der Lehre der Fachhochschule Oberösterreich zu präsentieren. Vortragende des Tages stellen Ihnen hier ihre Konferenzbeiträge, ihre full papers vor, und ermöglichen so eine überaus – für die Hochschullehre und für ihre Lehrenden – inspi- rierende Nachlese und Vertiefung der am Tag der Lehre präsentierten Themenstellungen.

Wir freuen uns sehr, Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, im Band folgende Autorinnen und Auto- ren mit ihren Beiträgen zu präsentieren:

Sarah Berndt, MA, Dr. Annika Felix und Prof. Dr. Philipp Pohlenz von der Otto-von-Gue- ricke-Universität Magdeburg, zu „Das Bildungsziel „lebenslanges Lernen“ aus Sicht der

Studierenden – Eine empirische Analyse anhand von Daten einer Panelstudie an der Universität Magdeburg.“

FH-Prof. Dr. Franziska Cecon von der FH OÖ Fakultät Linz mit ihrem Beitrag zum Thema

„Post-it – A(ttra)ktivitätskünstler in der Lehre“.

Mag. Christian F. Freisleben von der Fachhochschule St. Pölten stellt „Improvisationsmethoden offline und online als Wegbereiter zu lebensbegleitendem Lernen und zu einer offenen Hoch- schule“ vor, die er im Rahmen eines Workshops, am 7. Tag der Lehre der FH OÖ interessierten TeilnehmerInnen vorgestellt, angewandt und diskutiert hat.

Darauf folgt der Beitrag von FH OÖ Teaching Award Preisträgerin „Preis für Exzellenz in der Lehre“ 2018 Dr. Daniela Freudenthaler-Mayrhofer von der FH OÖ Fakultät Steyr, Logistikum, mit Titel „Rethinking Innovation Teaching: Die Innovation Week als neues Format, um Innovation realitätsnah und umsetzungsorientiert zu vermitteln.“

Dr. Martina Gaisch und FH-Prof. Dr. Berthold Kerschbaumer beide FH OÖ Fakultät Hagenberg, präsentieren „Wie man Frauen für die Informatik gewinnt: Ergebnisse einer Umfrage unter öster- reichischen Schülerinnen zum Thema Frauen und Informatik.“

Mag. Elke Gornik, MBA, wissenschaftliche Leitung Lifelong Learning der FH OÖ, gibt Einblicke in „Dimensionen von Lifelong Learning und Weiterbildung im österreichischen Hochschulsektor – mit einem Fokus auf die Fachhochschulen“.

Prof. Dr. Dörte Görl-Rottstädt von der Fachhochschule Dresden berichtet über Erfahrungen zum Thema „Erwachsenengerechtes Lehren und Lernen im Spannungsfeld von Heterogenität und Diversität am Beispiel des berufsbegleitenden Studiums „Sozialpädagogik und Management“

(B.A.) und stellt zusammen mit Kollegin Dr. Angelika Weirauch den Beitrag vor: „Gestaltung zielgruppengerechter Anfangssituationen am Beispiel des berufsbegleitenden Studiengangs

„Sozialpädagogik und Management“ (B.A.).

Prof. Dr. Marion Kalteis, von der IUBH Wien widmet sich dem Thema „Duales Studium in Öster- reich. LLL im Kontext der Ökosozialen Marktwirtschaft.“

FH-Prof. Dr. Michaela Kröppl, MSc FH OÖ Fakultät Wels, präsentiert „Formative Learning in Chemie Vorlesungen“.

Mag. Nina Miklavc und Ursula Höllhumer, MA von der Ferdinand Porsche FernFH beleuchten in ihrem Beitrag das Thema „Lehrende 4.0 – welche Kompetenzen brauchen Lehrende im Zeitalter der Digitalisierung?“.

FH OÖ Teaching Award Preisträger „Preis für Innovation in der Lehre“ 2018 Dipl. Ing. Wolfgang Ortner stellt seinen Gewinnerbeitrag zum Thema „Mein Weg zum Inverted Classroom“ vor.

Weiters Dipl. Ing. Wolfgang Ortner mit FH-Prof. Dr. Gerold Wagner, FH OÖ Fakultät Steyr, mit ihrem gemeinsamen Beitrag „Inverted classroom als Antwort auf geänderte Rahmenbedingun- gen – ein messbarer Erfolg?“

(4)

Ralf Ramin von der Frankfurt University of Applied Sciences präsentiert seinen Beitrag

„Anrechnung von außerhochschulischen Kompetenzen nach hessischem Hochschulrecht – Rechtliche Probleme für das Umsetzen in der Praxis“.

FH-Prof. Dr. Christiane Takacs-Schwarzinger, FH OÖ Fakultät Wels, gibt Einblick in „Lebenswel- ten und Studienbedingungen am Beispiel eines berufsbegleitenden Studiengangs“.

Sowie last but not least Prof. (FH) Dr. Petra Wagner und Mag. (FH) Michaela Fehringer, FH OÖ Fakultät Linz, mit ihrem Konferenzbeitrag „Literaturbasiertes Wissensmanagement als Beitrag zur Förderung des selbstregulierten Lernens an der Hochschule“.

Wir danken den Autorinnen und Autoren sehr herzlich und wünschen allen Leserinnen und Lesern spannende Ein- und Ausblicke sowie inspirierende Ideen für die eigene Lehre. Ein herzliches Dankeschön an alle Unterstützerinnen und Unterstützer, die zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben: den E-Learning Beauftragten der FH OÖ Fakultäten, Ing.

Mathew Docherty MA, DI (FH) Anton Edtmeier, Adrijana Krebs MA, Julia Putz-Wall BSc, DI (FH) Anton Tremetzberger, sowie dem stellvertretenden Leiter, Dr. Reinhard Tockner, der Professorin für Englisch/Interkulturelle Kommunikation/Diversity Management und Hochschulforscherin, Dr. Martina Gaisch sowie FH-Prof. Dr. Tanja Jadin, Professorin für E-Learning/Neue Medien an der Fakultät Hagenberg, die alle als track chairs am 7. Tag der Lehre fungierten. Weiters der Leiterin Administration des FH OÖ Campus Linz, Mag. Birgit Gilly, der Leiterin Bibliothek am FH OÖ Campus Linz, Mag. (FH) Michaela Fehringer und Mitarbeiterin Theresa Leimlehner, Maria Lesslhumer und das Team der IT Linz, insbesondere Andreas Schinagl und Johannes Riedl.

Die Vorbereitungen für den 8. Tag der Lehre der Fachhochschule Oberösterreich sind bereits im vollen Gange und wir hoffen, Sie und interessierte Kolleginnen und Kollegen am

Dienstag, 28. April 2020 in Linz begrüßen zu dürfen! Informationen zur Veranstaltung folgen.

Mit den besten Grüßen!

Ihr Organisationsteam

Team TOP Lehre und E-Learning der FH  Oberösterreich

FH-Prof.in Dr.in Gisela Schutti-Pfeil und Mag.a Antonia Darilion

Inhaltsverzeichnis

Sarah Berndt, Annika Felix und Philipp Pohlenz, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Das Bildungsziel „lebenslanges Lernen“ aus Sicht der Studierenden – Eine empirische Analyse anhand von Daten einer Panelstudie an der Universität Magdeburg ... 8 Franziska Cecon, FH Oberösterreich

Post-it – A(ttra)ktivitätskünstler in der Lehre ... 17 Christian F. Freisleben-Teutscher, FH St. Pölten

Improvisationsmethoden offline und online als Wegbereiter zu lebensbegleitendem Lernen und zu einer offenen Hochschule ... 28 Daniela Freudenthaler-Mayrhofer, FH Oberösterreich

Rethinking Innovation Teaching: Die Innovation Week als neues Format, um Innovation

realitätsnah und umsetzungsorientiert zu vermitteln ... 34 Martina Gaisch, Berthold Kerschbaumer, FH Oberösterreich

Wie man Frauen für die Informatik gewinnt – Ergebnisse einer Umfrage unter österreichischen Schülerinnen zum Thema Frauen und Informatik ... 46 Elke Gornik, FH Oberösterreich

Dimensionen von Lifelong Learning und Weiterbildung im österreichischen Hochschulsektor – mit einem Fokus auf die Fachhochschulen ... 54 Dörte Görl-Rottstädt, Fachhochschule Dresden

Erwachsenengerechtes Lehren und Lernen im Spannungsfeld von Heterogenität und Diversität am Beispiel des berufsbegleitenden Studiums „Sozialpädagogik und Management“ (B.A.) ... 61 Dörte Görl-Rottstädt, Angelika Weirauch, Fachhochschule Dresden

Gestaltung zielgruppengerechter Anfangssituationen am Beispiel des berufsbegleitenden Studiengangs „Sozialpädagogik und Management“ (B.A.) ... 69 Marion Kalteis, IUBH Wien

Duales Studium in Österreich – LLL im Kontext der Ökosozialen Marktwirtschaft ... 77 Michaela Kröppl, FH Oberösterreich

Formative Learning in Chemie Vorlesungen ... 82 Nina Miklavc, Ursula Höllhumer, Ferdinand Porsche FernFH

Lehrende 4.0 – welche Kompetenzen brauchen Lehrende im Zeitalter der Digitalisierung?

Ein Praxisbericht der FernFH. ... 90 Wolfgang Ortner, FH Oberösterreich

Mein Weg zum Inverted Classroom... 99 Wolfgang Ortner, Gerold Wagner, FH Oberösterreich

Inverted Classroom als Antwort auf geänderte Rahmenbedingungen – ein messbarer Erfolg? ... 106 Ralf Ramin, Frankfurt University of Applied Sciences

Anrechnung von außerhochschulischen Kompetenzen nach hessischem Hochschulrecht – Rechtliche Probleme für das Umsetzen in der Praxis ... 115 Christiane Takacs, FH Oberösterreich

Lebenswelten und Studienbedingungen am Beispiel eines berufsbegleitenden Studiengangs .. 132 Petra Wagner, Michaela Fehringer, FH Oberösterreich

Literaturbasiertes Wissensmanagement als Beitrag zur Förderung

des selbstregulierten Lernens an der Hochschule ... 138

(5)

Das Bildungsziel „lebenslanges Lernen“ aus Sicht der Studierenden – Eine empirische Analyse anhand von Daten einer Panelstudie an der Universität Magdeburg

Sarah Berndt MA, Dr.

in

Annika Felix und Prof. Dr. Philipp Pohlenz, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Abstract

1

Es ist mittlerweile ins Bewusstsein vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gerückt, dass für die erfolgreiche Gestaltung einer beruflichen Karriere die eigene Qualifikation kontinuier- lich durch lebenslanges oder lebensbegleitendes Lernen und Weiterqualifizierung erweitert werden muss. Zugleich werden auf politischer Ebene Förderstrategien initiiert, deren Schwer- punkte auf der Weiterbildung und dem lebenslangen Lernen liegen, wie z.B. die Förderlinie

„Aufstieg durch Bildung: Offene Hochschulen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Und auch viele Hochschulen schaffen in der Konsequenz Institutionen, die sich explizit diesen Themen widmen. Nur selten werden dabei jedoch Studierende, beispielsweise mit Zusatzqualifikationen zu grundständigen Studiengängen, adressiert. Dies ist zum einen nicht verwunderlich, weil die Erwartung an Hochschulstudiengänge gerichtet wird, dass sie Studierende dazu qualifizieren, sich eigenverantwortlich neuen Herausforderungen und Lernaufgaben zu stellen. Zum anderen widerspricht aber gerade eine solche Erwartung an Hochschulbildung der allgemeinen Auffassung, dass angesichts eines beschleunigten Verfalls der Gültigkeit von Wissensbeständen eben auch fachlich hoch qualifizierte AbsolventInnenv- vvv von Hochschulstudiengängen für eine lebensbegleitende Bildungsteilnahme sensibilisiert werden müssen (vgl. Süssmuth 2014: 11).

Mithin stellt sich die Frage, inwieweit das gesellschaftlich weitgehend akzeptierte Leitbild einer lebenslangen Bildungsaktivität und Weiterqualifizierung bereits in einer vergleichswei- sen frühen Phase der Bildungskarriere von Studierenden internalisiert wurde oder ob diese ihr akademisches Studium im Sinne einer lebenslang tragenden Bildungsrendite verstehen.

Zu diesem Zweck setzt sich der vorliegende Beitrag mit Zukunftsvorstellungen Studieren- der auseinander. Mittels einer quantitativen Inhaltsanalyse soll untersucht werden, welche Zukunftspläne die Studierenden in zehn Jahren (vom Zeitpunkt der Befragung an) bzw. für die Zeit ab dem 41. Lebensjahr verfolgen, ob dabei berufliche Weiterbildung und lebenslanges Lernen von Bedeutung sind und ob die Zukunftsvorstellungen vom individuellen bildungsbio- graphischen Hintergrund, von soziodemographischen Faktoren und den Studienbedingungen beeinflusst werden. Die verwendeten Daten entstammen dem Studierendenpanel der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU). In die Auswertung fließen Untersu- chungsdaten von zwei Kohorten (Wintersemester 2014/15 und Wintersemester 2015/16) und jeweils zwei Befragungszeitpunkten (Studienbeginn und Ende erstes Studienjahr) ein.

1 Der Artikel basiert auf dem Beitrag von Anacker/Berndt/Pohlenz (2019) und erweitert die dort präsentierten Analysen.

1 Problemaufriss

Eine durch Digitalisierung, Innovation und Globalisierung komplexer und unbeständiger werdende Arbeitswelt geht mit veränderten Anforderungen an die Arbeitnehmerinnnen und Arbeitnehmer einher. So führt etwa die fortschreitende Digitalisierung zum beschleunigten Verfall von Wissen und (Aus-)Bildungsinhalten (vgl. Hochschulforum Digitalisierung 2016), wo- durch eine erfolgreiche berufliche Karriere die kontinuierliche Erweiterung der eigenen Qualifi- kationen durch lebenslanges Lernen oder Weiterbildung voraussetzt. In der Konsequenz wird nicht nur auf individueller Ebene, sondern gleichfalls auf politischer und institutioneller Ebene eine Neuausrichtung der Organisation von Bildung erforderlich. Diese Entwicklung zeigt sich etwa darin, dass seitens der Hochschulen Institutionen geschaffen werden, welche sich mit wissenschaftlicher Weiterbildung und lebenslangem Lernen beschäftigen (z.B. das Center für lebenslanges Lernen Oldenburg, das Zentrum für wissenschaftliche Weiterbildung Magde- burg). Die Angebote dieser Einrichtungen sind jedoch auf postgraduale Bildungsinteressierte ausgerichtet und sprechen nur selten Studierende in grundständigen Studiengängen an. Der Beitrag greift dieses Desiderat auf indem er die Zukunftsvorstellungen der Studierenden in grundständigen Studiengängen in den Blick nimmt und diese als Indikator für den individuel- len Anspruch analysiert, die Bildungskarriere über das Studium hinaus zu fokussieren.

2 Fragestellung und Analysemodell

Der Beitrag untersucht die Frage, inwieweit bei Studierenden in grundständigen Studien bereits ein Bewusstsein für die Notwendigkeit ausgeprägt ist, sich lebenslang weiter zu quali- fizieren. Dabei werden folgende Teilfragestellungen fokussiert:

»Welche Zukunftspläne verfolgen die Studierenden in zehn Jahren (vom Zeitpunkt der Befra- gung an) bzw. für die Zeit ab dem 41. Lebensjahr? Sind dabei berufliche Weiterbildung und lebenslanges Lernen von Bedeutung?

»Differieren die Vorstellungen der Befragten über die Zeit?

»Werden die Zukunftsvorstellungen in den Bereichen lebenslanges Lernen und berufliche Weiterbildung durch den bildungsbiographischen und soziodemographischen Hintergrund sowie durch Studienbedingungen beeinflusst?

Die Datengrundlage der Analysen bildet das Studierendenpanel der OVGU, welches studentische Befragungsdaten mittels teilstandardisierter Onlinebefragungen im zeitlichen Längsschnitt erhebt. In die Auswertung fließen Daten von zwei Kohorten und zwei Erhe- bungszeitpunkten ein. Einbezogen werden dabei jene Studierenden, die zur Frage der Zukunftsvorstellungen2 in der Erstsemesterbefragung im Wintersemester 2014/2015 oder Wintersemester 2015/2016 (n = 922) Auskunft erteilt haben, sowie eine Teilstichprobe von Studierenden, welche zusätzlich in der Wiederholungsbefragung am Ende des 1. Studien- jahres im Sommersemester 2015 bzw. Sommersemester 2016 (n = 120) ihre beruflichen Zukunftsvorstellungen3 äußerten. Abbildung 1 veranschaulicht das Analysemodell der Untersuchung.

2 Frageformulierung: „Die Zukunftsvorstellungen und Ziele junger Erwachsener können unterschiedlich sein.

Bestimmt haben Sie sich auch schon mal Gedanken darüber gemacht, wie Ihr Leben in ein paar Jahren aussehen könnte.

(6)

Abbildung 1. Das Analysemodell der Untersuchung

Die Auswertung der beiden Fragen mit offenem Antwortformat erfolgte mittels quantitativer Inhaltsanalyse (Themen-Frequenz-Analyse nach Früh 2017). Dazu wurden in einem For- schungsseminar im Wintersemester 2015/2016 mit Masterstudierenden des Studiengangs Sozialwissenschaften die verschiedenen Schritte der deduktivinduktiven Kategorienentwick- lung anhand der Daten des Wintersemesters 2014/2015 durchlaufen (vgl. Kuckartz 2014: 69).

Die Generierung eines vorläufigen Kategoriensystems aus der Theorie als ersten Schritt der Kategorienentwicklung erfolgte im Seminar zunächst in zwei Arbeitsgruppen. Nach Vorliegen der Ergebnisse der Gruppenarbeiten konnten drei Oberkategorien identifiziert werden (sozia- les Umfeld, berufliche Sphäre, persönlichen Sphäre), die in ein gemeinsames Kategoriensys- tem überführt wurden (vgl. Abb. 2).

Abbildung 2. Entwicklung des Kategoriensystems – Ergebnisse der Gruppenarbeiten

Im Nachgang erfolgte eine erste Probecodierung des Materials sowie die Anpassung bzw.

Erweiterung der Unterkategorien. Nach einer zweiten Probecodierung und dem Test der Intercoder-Reliabilität (vgl. Früh 2017: 179) wurden jene Kategorien mit geringer Reliabilität überarbeitet und eine Präzisierung der Kategoriebeschreibung vorgenommen. Schließlich erfolgte die Vercodung des gesamten empirischen Materials mittels Dummy-Codierung.

Um eine Vergleichbarkeit garantieren zu können wurde das Kategoriensystem für die Codie- rung der Daten des Wintersemesters 2015/2016 sowie für die offene Frage zu den beruflichen Zukunftsvorstellungen der Studierenden (Daten der Sommersemester 2015 und 2016) ohne empirische Erweiterung bzw. Anpassung adaptiert. Es ist eine hohe Passfähigkeit zu konsta- tieren.

3 Empirische Befunde

3.1 Die Zukunftsvorstellungen der Studierenden zu Beginn des Studiums und nach dem 1. Studienjahr im Vergleich

Die Befunde der Inhaltsanalyse verdeutlichen, dass die Studierenden zu Beginn des Studiums und nach dem 1. Studienjahr am häufigsten Aspekte der beruflichen Sphäre mit ihrer Zukunft ver- binden. So sprechen 86 Prozent der Studierenden in der Erstsemesterbefragung und mehr als 9 von 10 Befragte in der 1. Zwischenbilanz ihre beruflichen Zukunftspläne an. Es folgen das soziale Umfeld (58 Prozent bzw. 13 Prozent) und die persönliche Sphäre (49 Prozent bzw. 9 Prozent).4 Innerhalb der beruflichen Sphäre zeigen sich zwischen den Zeitpunkten jedoch unterschied- liche Priorisierungen der Aspekte (vgl. Tab. 1). Werden die fünf am häufigsten genannten Kategorien betrachtet, offenbart sich, dass Studierende im 1. Fachsemester die Aspekte Job vorhanden (45 Prozent) und Einkommen/Vermögen (27 Prozent) am häufigsten äußern. Es schließen sich mit einem identischen Anteil die Thematisierung eines konkreten Berufes/einer konkreten Position und der Spaß/die Zufriedenheit im Job (je 23 Prozent) sowie die Arbeits- platzsicherheit (16 Prozent) an. Nach dem 1. Studienjahr scheinen die Studierenden bereits eine spezifischere Vorstellung über ihre spätere berufliche Tätigkeit und die damit einherge- hende Position zu besitzen, sodass dieser Aspekt am häufigsten genannt wird (50 Prozent).

Gleichfalls kommt der Kategorie Job vorhanden eine hohe Bedeutung zu, wenngleich die Re- levanz im Vergleich zur Erstsemesterbefragung abnimmt. Die Aspekte Einkommen/Vermögen, Spaß/Zufriedenheit und Arbeitsplatzsicherheit werden von jeweils 13 Prozent der Befragten in der 1. Zwischenbilanz angeführt.

Im Bereich der beruflichen Sphäre lassen sich fünf Aspekte identifizieren, die im weitesten Sinne lebenslanges Lernen verkörpern. Dies sind neben den Kategorien Auslandserfahrung, Entfaltungsmöglichkeit, Ausbildung/Weiterbildung/Kenntnisse auch die Berufserfahrung und das Ziel Überdurchschnittliches zu leisten. In der Summe nennen 12 Prozent der Befragten in der Erstsemesterbefragung und 17 Prozent der Studierenden in der 1. Zwischenbilanz einen dieser Aspekte. Entsprechend lässt sich ein geringer Zuwachs der Relevanz des lebenslan- gen Lernens über die Zeit erkennen.

4 Die stark abweichenden Häufigkeitsverteilungen in Bezug auf das soziale Umfeld und die persönliche Sphäre resultieren

(7)

Berufliche Sphäre

Welle 1 Welle 2 Differenz

Job vorhanden 45,4 31,1 14,3

Einkommen/Vermögen 26,8 12,5 14,3

Konkreter Beruf/Position 22,8 50,0 -27,2

Spaß/Zufriedenheit 22,7 13,3 9,4

Arbeitsplatzsicherheit 15,6 12,5 3,1

Erfolg 11,4 6,7 4,7

Abgeschlossenes Studium 9,0 7,5 1,5

Work-Life-Balance 7,5 3,3 4,2

Arbeitsregion/-ort 5,0 5,0 0,0

Auslandserfahrungen* 3,7 3,3 0,4

Gesellschaftlicher Nutzen der Tätigkeit 3,7 2,9 0,8

Gefühl etwas zu leisten 3,5 5,8 -2,3

Entfaltungsmöglichkeiten* 2,9 5,0 -2,1

Ausbildung/Weiterbildung/Kenntnisse* 2,8 6,7 -3,9

Berufserfahrung* 2,5 0,0 2,5

Aufstiegschancen 2,1 4,2 -2,1

Kontakt zu anderen Menschen 1,7 4,2 -2,5

Anerkennung 0,9 0,0 0,9

Geregelte Arbeitszeiten 0,9 0,0 0,9

Fachlich Überdurchschnittliches leisten* 0,5 4,2 -3,7

Tabelle 1. Die Zukunftsvorstellungen innerhalb der beruflichen Sphäre zu Beginn des Studiums und nach dem 1. Studienjahr im Vergleich. Angaben in Prozent (N 922/N 120) Hinweis: * definiert die Kategorie als Teilaspekt des lebenslangen Lernens

Der Bereich des sozialen Umfeldes ist geprägt durch Zukunftsvorstellungen über Partner- schaft und Familie. So sprechen mehr als die Hälfte der Befragten in der Erstsemesterbefra- gung und jede_r Zehnte in der 1. Zwischenbilanz die Themen Familiengründung und Famili- enleben an. 11 Prozent der Studierenden thematisieren zudem zu Beginn des Studiums die Partnerschaft, wenn nach ihren Zukunftsvorstellungen gefragt wird. In der Folgebefragung trifft dies nur auf 1 Prozent zu. Alle weiteren Aspekte im Bereich des sozialen Umfeldes, wie Familie/Bekannte, Engagement/Weltverbesserung und das Ziel sich für andere Menschen ein- zusetzen werden unabhängig vom Befragungszeitpunkt nur von einem Bruchteil der Befragten angesprochen (jeweils knapp 2 Prozent). Aussagen, die sich dem Bereich persönliche Sphäre zuordnen lassen, werden mit wenigen Ausnahmen nur durch die Befragten in der Erstsemes- terbefragung getätigt (vgl. Abb. 3). Dabei rekurriert mehr als ein Viertel der Nennung in der Befragung zu Studienbeginn auf das Befinden bzw. die Selbstwahrnehmung. Hierunter fallen neben der allgemeinen Lebenszufriedenheit, dem Sicherheitsgefühl, der Unabhängigkeit und Selbstständigkeit sowie dem Erfolgsgefühl, der Körperwahrnehmung und der Selbstverwirkli- chung auch die Entwicklungsspielräume. Weitere 16 Prozent sprechen Materielles/Besitztümer an. Jede_r Achte thematisiert zudem seinen bzw. ihren Erfahrungshorizont und das bis dahin erworbene (Allgemein)Wissen. Überlegungen zur Gesundheit, den Lebenseinstellungen und den Hobbys/Interessen spielen demgegenüber nur eine untergeordnete Rolle.

Abbildung 3. Die Zukunftsvorstellungen innerhalb der persönlichen Sphäre zu Beginn des Studiums und nach dem 1. Studienjahr im Vergleich. Angaben in Prozent (N 922/N 120)

Die Entwicklungsspielräume als Teilaspekt des Befindens und der Selbstwahrnehmung sowie der Aspekt des lebenslangen Lernens in der Kategorie Erfahrung/Wissen spielen für die lebenslange Bildungsaktivität und Weiterbildung eine entscheidende Rolle. Bei den Analysen wird jedoch deutlich, dass sich nur einzelne Befragte (je knapp 1 Prozent) zu den beiden Aspekten in der Erstsemesterbefragung äußern. In der 1. Zwischenbilanz werden sie von nie- mand thematisiert. Die Entwicklungsspielräume und das lebenslange Lernen verlieren damit über die Zeit an Bedeutung.

Insgesamt zeigt die Analyse, dass die Studierenden weder zu Beginn des Studiums noch nach dem 1. Studienjahr dem lebenslangen Lernen eine besondere Relevanz beimessen.

In jeweils weniger als 7 Prozent der Zukunftsvorstellungen unabhängig des Befragungszeit- punktes werden die Aspekte Auslandserfahrungen, Entfaltungsmöglichkeiten, Ausbildung/

Weiterbildung/Kenntnisse, Berufserfahrung und fachlich Überdurchschnittliches leisten der beruflichen Sphäre angesprochen. Das lebenslange Lernen und die Entwicklungsspielräume kommen zudem in maximal 1 Prozent aller Zukunftspläne zur Sprache. Jene Studierende, die lebenslanges Lernen und Entfaltungsmöglichkeiten ansprechen, bleiben in ihren Aussagen zudem sehr oberflächlich, wie folgende Beispiele verdeutlichen:

„…habe ich einen Großteil meiner Träume und Ziele verwirklicht und habe die Möglichkeit, mir mein Leben so zu gestalten, wie ich es leben möchte.“ (Entfaltungsmöglichkeiten) und

„…möchte ich immer noch lernen und mein Gelerntes weitergeben.“

(Lebenslanges Lernen).

(8)

3.2 Der Einfluss von soziodemographischen und bildungsbiographischen Faktoren sowie von Studienbedingungen auf die Zukunftsvorstellungen

Ein binär logistisches Regressionsmodell soll darüber Aufschluss geben, ob soziodemogra- phische und bildungsbiographische Faktoren sowie die Studienbedingungen einen Einfluss auf die Auseinandersetzung mit Aspekten des lebenslangen Lernens besitzen. Anzunehmen ist, dass Studierende bedingt durch ihr soziodemographisches Profil bestimmte Bildungs- wege durchlaufen und Bildungserfahrungen gesammelt haben, die in einer unterschiedli- chen Sensibilität gegenüber langfristigen Bildungserfordernissen münden. Zudem lässt sich vermuten, dass ein erfüllter Studierwunsch sowie intrinsische Studienwahlmotive als Aspekte der Studienbedingungen die Auseinandersetzung mit diesem Thema fördern. Mit Blick auf die Fachzugehörigkeit kann davon ausgegangen werden, dass Disziplinen ohne konkretes Berufsbild ein stärkeres Bewusstsein für kontinuierliche (Weiter-)Bildung aufweisen.

Modell

Exp(B) Geschlecht (Ref.: Frauen)

Soziale Herkunft (Ref.: nicht-akademisches Elternhaus) Migrationshintergrund (Ref.: kein Migrationshintergrund)

Art der Hochschulgangsberechtigung (Ref.: Allgemeine Hochschulreife)

Note Hochschulgangsberechtigung 0,635*

Studierwunsch

Karrierebezogene Motivation 1,461*

Soziale Motivation

Fachgruppe: MINT (Ref.: Medizin) Fachgruppe: HuWi (Ref.: Medizin) Fachgruppe: WiWi (Ref.: Medizin)

Chi2 26,893

Pseudo-R2 nach Nagelkerke 0,069

Tabelle 2. Regressionsmodell zum Einfluss soziodemographischer und bildungsbiographischer Faktoren sowie von Studien- bedingungen auf die Zukunftsvorstellungen (N 728)

Die Befunde verdeutlichen, dass das soziodemographische Profil der Studierenden in Form des Geschlechts, des Migrationshintergrundes und der sozialen Herkunft keine Wirkung entfaltet (vgl. Tab. 2). Demgegenüber zeigt sich eine Abhängigkeit zwischen der Note auf dem Zeugnis der Hochschulzugangsberechtigung und der Nennung von Aspekten des lebenslan- gen Lernens in der Gestalt, dass mit jeder Einheit (eine Einheit entspricht 0,1 Notenpunkten), welche die Note steigt (d.h. schlechter wird), die Chance die Kategorie lebenslanges Lernen anzusprechen um 58 Prozent verringert wird. Zeitgleich steigt die Chance mit jeder Einheit der karrierebezogenen Motivation (fünfstufige aufsteigende Skala) um 46 Prozent an. Alle wei- teren Aspekte aus dem Bereich bildungsbiographischer Hintergrund und Studienbedingungen erzielen hingegen keine Wirkung. Insgesamt muss einschränkend festgehalten werden, dass die Faktoren aufgrund der geringen Modellgüte (Pseudo R2 nach Nagelkerke = 0,069) nur bedingt geeignet sind den Schätzerfolg des Regressionsmodells zu erhöhen.

4 Fazit

Die Ergebnisse lassen keine eindeutige Antwort auf die Ausgangsfrage zu, ob Studierende in grundständigen Studien bereits ein Bewusstsein für die Notwendigkeit ausgeprägt haben, sich lebenslang weiter zu qualifizieren. Einerseits lässt sich aus den Befunden schlussfol- gern, dass Studierende ihr Studium als einen Garanten für den Zugang zu gut bezahlten und anspruchsvollen beruflichen Positionen erachten und aus diesem Grund Aspekte des Lebenslangen Lernens nicht bzw. kaum thematisiert werden. Untermauert werden kann diese Vermutung durch den hohen Stellenwert den die Studierenden in der Untersuchung dem Vorhandensein eines Jobs, dem Einkommen und der beruflichen Position einräumen. Dieser Interpretation folgend unterliegen die Studierenden einer „meritokratischen Illusion“ (vgl.

Geißler 2014), da sie leistungsprinzipwidrige Verteilungsmechanismen bei der Vergabe von Führungspositionen sowie die Prozessstruktur einer Karriere ausblenden.

Denkbar wäre anderseits auch, dass das 1. Studienjahr unabhängig vom soziodemographi- schen Profil der Studierenden nicht zur Ausbildung einer bildungs- und lernaffinen Haltung beiträgt. Lediglich eine gute Note auf dem Zeugnis der Hochschulzugangsberechtigung und das Vorliegen einer karrierebezogenen Studienmotivation erhöhen die Wahrscheinlichkeit, sich mit dem lebenslangen Lernen zumindest gedanklich auseinander zu setzen. Einschrän- kend muss jedoch festgehalten werden, dass es sich um eine Momentaufnahme zu Studi- enbeginn handelt und insofern keine Aussage über eine Studierendengeneration und deren Bildungsverständnis getroffen werden kann. Damit Studierende eine entsprechende Haltung entwickeln können, sollten Hochschulen in diesem Kontext zukünftig verstärkt orientierende Funktionen übernehmen und an bestehende Ansätze, wie die Projekte des Qualitätspakts Lehre und die Angebote zur Wissenschaftspropädeutik sowie Entwicklung von Schlüssel- kompetenzen anknüpfen, wenn gleich die Ausbildung einer lernaffinen Haltung bislang kein expliziter Bildungsauftrag der Hochschulen ist. Eine solche Haltung, die auch als lebensbe- gleitende Bereitschaft gegenüber neuen Lernherausforderungen verstanden werden kann, ist Bedingung für die Entwicklung der Wissensgesellschaft.

Literaturverzeichnis:

Anacker J, Berndt S, Pohlenz P. Lebenslanges Lernen und berufliche Weiterbildung als individueller Zu- kunftsplan? Eine empirische Analyse der Zukunftsvorstellungen Studierender. In: Dörner O, ed. Wissen- schaftliche Weiterbildung als Problem der Öffnung von Hochschulen für nichttraditionelle Studierende. 1.

Auflage; 2019 [im Erscheinen].

Früh W. Inhaltsanalyse: Theorie und Praxis. 9., überarbeitete Auflage, Online-Ausgabe. Konstanz, Kons- tanz, München: UVK; 2017.

Geißler R. Die meritokratische Illusion–oder warum Reformenbeim Bildungssystem ansetzen müssen.

In: Haller M, Niggeschmidt M, eds. Der Mythos vom Niedergang der Intelligenz.: Von Galton zu Sarrazin:

Denkmuster und Denkfehler der Eugenik. Wiesbaden: Springer; 2012:193-210.

Hochschulforum Digitalisierung. The Digital Turn: Hochschulbildung im digitalen Zeitalter. Berlin; 2016.

https://hochschulforumdigitalisierung.de/sites/default/files/dateien/Abschlussbericht.pdf. Accessed June 12, 2019.

Kuckartz U. Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis, Computerunterstützung. 2., durchgesehene Auf- lage. Weinheim, Basel: Beltz Juventa; 2014. Grundlagentexte Methoden.

Süssmuth R. Lebenslanges Lernen – Relevanz und Stellenwert. In: Schönherr KW, Tiberius V, eds. Lebens- langes Lernen: Wissen und Können als Wohlstandsfaktoren. Wiesbaden: Springer VS; 2014:11-17.

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Zu den AutorInnen

Sarah Berndt MA

studierte Sozialwissenschaften an der Otto-von-Guericke-Universität Magde- burg. Seit 02/2015 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in verschiedenen BMBF-geförderten Projekten („StuFo“, „fokus:LEHRE“ und „Industrial eLab“) am Lehrstuhl für Hochschulforschung und Professionalisierung der akademi- schen Lehre an der Universität Magdeburg aktiv.

[email protected] Dr.in Annika Felix

studierte Sozialwissenschaften und promovierte zum Thema

„Alter(n)sbilder und Bildung im Alter“ an der Otto-von-Guericke-

Universität Magdeburg. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Hochschulforschung und Professionalisierung der akademischen Lehre an der Universität Magdeburg.

[email protected] Prof. Dr. Philipp Pohlenz

studierte Soziologie an den Universitäten Hamburg und Potsdam. Promotion im Bereich der Hochschulforschung 2008. Seit 2014 Inhaber der Professur für Hochschulforschung und Professionalisierung der akademischen Lehre an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

[email protected]

Post-it – A(ttra)ktivitätskünstler in der Lehre

FH-Prof.

in

MMag.

a

Dr.

in

Franziska Cecon, FH Oberösterreich

Abstract

Der kleine Klebezettel „Post-it“ hat es in sich: er ist vielfältig in der Lehre einsetzbar, be- sonders dann, wenn möglichst jede/r in einer Gruppe „zu Wort“ kommen sollte. Er holt die verschiedenen Lernerinnen und Lerner ab, weil die jeweils individuellen Kontexte, Erfahrun- gen, Ideen und Überlegungen zu Tage gefördert werden können und bindet die Studierenden damit, ganz im Sinne einer Aktivierung, ein. Kurze Auflockerungen, die Möglichkeit sich einzubringen, Feedback zu geben, Fragen zu formulieren usw. machen die Lehre abwechs- lungsreich und attraktiv. Der Einsatz ist einfach, unkompliziert, zeitschonend und hat sich in unterschiedlichen Lehrveranstaltungen – auch mit berufsbegleitenden Studierenden, die oft abends an der Fachhochschule sind und sehr unterschiedliches Vorwissen mitbringen – sehr bewährt. Das Feedback der Studierenden und die eigene Beobachtung ermuntern zu einem variantenreichen Einsatz. Der folgende Beitrag ist ein anwendungserprobter Erfahrungsbe- richt der Autorin über den Einsatz von Post-its in zahlreichen Lehrveranstaltungen und aus einem Workshop am 7. Tag der Lehre an der FH Oberösterreich in Linz, der zum Ausprobieren und Nachahmen einlädt.

1 Was das Lernen unterstützt

Lernen ist eine komplexe Angelegenheit. Die zugrundeliegenden neurologischen Vorgänge werden hier nicht weiter vertieft. Ebenso wenig, was Lernen bedeutet, was wir denn konkret lernen (kognitives, emotionales, verhaltensbezogenes Lernen) oder wie wir lernen (bewusst, unbewusst, latent …).

Sicher ist, dass das Lernen von vielen Facetten beeinflusst wird. Ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit sind zum einen äußere Rahmenbedingungen wie beispielsweise die

»zeitlichen Faktoren (Tageszeiten mit unterschiedlichen Konzentrationshochs und -tiefs, Wo- chenzeiten, wenn sich vielleicht schon eine lange Arbeitswoche bemerkbar macht und das berufsbegleitende Studium vorwiegend am Wochenende stattfindet, Jahreszeiten wie die Frühjahrsmüdigkeit, oder der Stress vor Prüfungen, ein nahender Abgabetermin usw.), »die örtlich-räumlichen Faktoren (weg von der alltäglichen Umgebung, in einer inspirierenden

Naturlandschaft oder in einem kahlen Hörsaal ohne Tageslicht) oder

»die Klarheit, Zielsetzung, Umfang und Schwierigkeitsgrad der Aufgaben relevant.

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Zum anderen trägt die eigene Einstellung und Bereitschaft zum Lernen, das Interesse für eine Thematik, die Zusammenhänge zu Vorwissen, Erfahrungswissen, Anwendungs- oder Prob- lemfeldern zum Lernen bei, um nur einige zu nennen. Lob und positive Verstärkung zu kleineren und größeren Erfolgen oder eine positiv gestaltete Beziehungsebene zum Lehrenden ebenso wie die gegenteilige Ausrichtung – können Einflussfaktoren sein.

Jene unterstützenden Faktoren, vom Spaß bis zur Neugierde, vom „richtigen“ Anspruchsni- veau bis zu Anwendungsmöglichkeiten des Gelernten und vieles andere mehr, diese Faktoren sollen hier „Lernbooster“ genannt werden.

Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am 7. Tag der Lehre 2019 waren folgende Aspekte förderlich:

Abbildung 1. Lernbooster aus Sicht der TeilnehmerInnen im Workshop – Post-it auf Flipchart

Auch wenn Lehrende darum wissen, was sie selbst und ihre Studierenden beim Lernen unterstützt oder motiviert, kann die Realität in den Hörsälen, Seminarräumen und Schulklas- sen mitunter anders aussehen, wie die folgende Abbildung zu verdeutlichen versucht. Die Rahmenbedingungen, Gruppengrößen, Zeit, usw. erschweren die Umsetzung.

Abbildung 2. Herausfordernde Situationen für Lehrende und Lernende

Wenn Sie sich damit nicht zufrieden geben möchten, und ihre Lernenden auf attraktive Weise aktiv einbinden möchten, dann könnte der kleine Klebezettel eine Unterstützung für Sie sein.

2 Wie der Klebezettel die Lehre unterstützt

Gleich vorweg: Der Einsatz von Post-its ist kein Allheilmittel. Aber für einige der oben ange- sprochenen Problemfelder lässt sich ein Klebezettel gut einsetzen. Hier einige Beispiele die Lernziele und Lernsettings positiv gestalten können:

»Wenn Sie als Lehrende möchten, dass sich jede und jeder Einzelne aktiv beteiligt und sich einbringen kann, sind Klebezettel eine Option, denn schon bei größeren Gruppen stößt man aus Zeitgründen hier mitunter auf Grenzen. Oder es sind die „üblichen Verdäch- tigen“, die sich zu Wort melden. Wenn jeder Studierende, seine Meinung, seine Idee, seine Anknüpfung zum Thema auf ein Post-it schreiben soll, sind alle aktiviert. Je nach Einsatz und Zweck kann das Post-it anonym verfasst sein, z.B. wenn es um offene Fragen geht,

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oder personalisiert werden, wenn eine Zuordnung z.B. für eine persönliche Rückmeldung, notwendig und sinnvoll ist.

»Die T Verwendung von Post-its seitens der Studierenden für eine gestellte Aufgabe kann freiwillig (z.B. geeignete Prüfungsfragen finden) oder nach Bedarf (bei offenen Fragen), im Sinne einer „Einladung“, eingesetzt werden. Aber auch eine „verpflichtende“ Anwendung ist denkbar, wenn z.B. formulierte Prüfungsfragen als Einstieg in eine Lehrveranstaltung untereinander zwischen den Lernenden beantwortet werden sollten.

»Post-its zu verteilen, durch die Reihen zu geben, zu beschreiben, einzusammeln oder selbst

„aufkleben“ zu lassen, ist schnell und einfach handhabbar. Außer den Klebezetteln, braucht man keine besondere Vorbereitung (abhängig von der weiteren Bearbeitung), keine besonderen Stifte, keine Pinnadeln, keine Pinnwände. Alle verfügbaren Flächen in einem Raum, von Fenster, Türen, Tafeln, Wänden, Flipcharts usw. können als Projektionsfläche dienen.

»Wenn Ideen, Prüfungsfragen, Feedback usw. gefragt sind, kann entweder ohne System „ge- klebt“ werden oder nach gewissen Themenfeldern, die vorgegeben werden oder entwickelt werden, im Sinne des Clusterns. Dieses flexible Arrangieren unterstützt das Analysieren und Systematisieren, Ergänzen oder Streichen. Auch hier ist die Handhabe noch einfacher als mit Kärtchen auf Pinnwänden. Zusätzlich lässt sich mit verschiedenen Farben eine Zu- ordnung herausarbeiten, z.B. rote Post-its für Nachteile, grüne für Vorteile.

»Die Anwendung eignet sich für unterschiedliche Gruppengrößen. Eine Gruppe von fünf bis acht Personen, die ihre Erwartungen zu einem Projekt formuliert, kann diese Möglichkeit ebenso nutzen, wie 100 Personen, die beim Verlassen des Hörsaals ihr Feedback mittels Post-it an der Tür hinterlassen. Einschränkend muss hier die Lesbarkeit bei Post-its in der herkömmlichen Größe erwähnt werden. Wenn dies notwendig ist, empfiehlt sich die Ver- wendung von solchen in Postkartengröße.

»Post-its können in unterschiedlichen Phasen einer Lehrveranstaltung vielfältig eingesetzt werden.

›Zu Beginn ist die Abfrage von Vorkenntnissen oder dem Wissenstand eine gute Orientie- rung für den Lehrenden oder zur Aktivierung der zugehörigen Themenfelder der Studie- renden. Eine (Selbst-)Einschätzung oder Erwartungen können rasch Klarheit schaffen, wo Lehrende mehr oder weniger vertieft eingehen sollten.

Während der Lehrveranstaltungen können z.B. Fragen formuliert werden, die sonst vielleicht nicht gestellt werden würden, Prüfungsfragen kreiert werden oder kurze Wie- derholungssequenzen einfließen, ganz im Sinne von „was ist tatsächlich angekommen und verstanden“ worden. Auch Beispiele, Anwendungsmöglichkeiten usw. können den Unterricht zielgerichtet auflockern und das Verständnis auf beiden Seiten – Lehrenden und Lernenden – fördern

›Am Ende einer Lehrveranstaltung sind es meist Fragen wie, „was nehme ich mir mit“, oder ein einfaches Feedback, Prüfungsfragen usw.

3 Wie der Klebezettel eingesetzt werden kann

Den Einsatzmöglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt. Je nach Zweck, Themenfeld, Grup- pengröße, Absichten zur weiteren Verwendung, Zielgruppen usw. wird der Einsatz variieren.

Einige Beispiele zu konkreten Anwendungen, ihrer Weiterverwendung sowie zum praktischen Einsatz können für die Nachahmung hilfreich sein.

3.1 Konkrete Anwendungsfälle für Post-its

Aus meiner Erfahrung können Post-Its z.B. für folgende Aufgabenstellungen didaktisch sinn- voll eingesetzt werden:

»Notieren Sie einen Anwendungsfall zum Thema XX »Das ist meine (berufliche) Erfahrung zum Thema XX »Das ist für mich noch unklar/offen…

»Das ist meine Assoziation zum Begriff XX

»Erklären Sie den Begriff XX ihrem Sitznachbarn/ihrer Sitznachbarin »Verfassen Sie eine Prüfungsfrage

»Einschätzung / Zustimmung / Ablehnung auf einer Skala von 0 bis 10 zum Thema XX »Feedback zur Lehrveranstaltung – das hat mir gefallen, das würde ich gerne ändern, das

nehme ich mir mit.

»…

Abbildung 3. Persönliche Einschätzung zum Einstieg abfragen – auf Flipchart, farbliche Zuordnung vorgegeben

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Es obliegt dem Lehrenden, ob und inwieweit diese Rückmeldungen weiter thematisiert werden.

Kategorien vorgeben, zum Rollenwechsel einladen, usw. sind Möglichkeiten, um den Einsatz dieses kleinen Hilfswerkzeugs anzureichern. Zusätzlich können damit große Teilnehmerzahlen mit variierenden Aufgaben gleichzeitig in Gruppen eingeteilt werden.

Eine mögliche Vorgabe auf Powerpoint könnte wie folgt aussehen:

Abbildung 4. Aufgabenstellung je nach Farbcode der Post-its

Das Ergebnis zeigt sich dann beispielsweise in einer vorgegebenen Strukturierung an der Tafel.

Abbildung 5. Schnelle Visualisierung zu Argumenten bzgl. Einsatz von Post-its aus unterschiedlichen Perspektiven – an der Tafel mit vorgegebenen Kategorien

Die schnelle Visualisierung eignet sich auch für Feedback-Aufgaben: Für den Lehrenden sind Post-it-basierte Rückmeldungen eine gute Gelegenheit, die Gedanken oder Stimmun- gen jedes Einzelnen kennen zu lernen, unbeeinflusst von dem, was die erste Person in einer verbalen Feedbackrunde sagt.

Abbildung 6. Allgemeines Feedback zu xx geben –beim Hinausgehen ohne bestimmte Systematik an die Glaswand geklebt

Die Visualisierung ermittelt schnell, ob Themen oder gewisse Aspekte überwiegen. Positives in Pink, offene Aspekte oder Beunruhigendes in Gelb (auch mit leeren Post-its) und Anregun- gen in Grün zeigen in folgender Abbildung eine gewisse Ausgewogenheit.

Mit dem Einsatz von Klebezetteln entsteht nicht nur Bewegung im Kopf, sondern auch physische Aktivität, da die Studierenden in der Regel aufstehen und ihre Post-its an einem vereinbarten Ort aufkleben – eine willkommene Abwechslung zur sitzenden Lernhaltung.

Aktivität und Attraktivität verbindet sich.

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3.2 Weiterverwendung der Post-its

Einmal abgefragt, was nun? Nicht nur eine rasche und punktuelle Antwort aller TeilnehmerInnen ist möglich, auch die Weiterver- wendung der kleinen Klebezettel ist vielfältig, wie die folgende Liste als Ideengeberin zeigen soll:

»Anwendungsfälle können im Plenum, in Kleingruppen oder mit den Sitzpartnern diskutiert werden

»(Berufliche) Erfahrungen können Anknüpfungspunkt für einen Austausch zwischen Studierenden sein, die sich gegenseitig vertieft darüber interviewen (z.B. gewisse Aspekte vorgeben) »Fachliche Rückmeldungen können nach verschiedenen Krite-

rien analysiert werden (z.B. Vorteile/Nachteile, kurzfristig/lang-

fristig umsetzbar, regionale, institutionelle, rechtliche usw. Aspekte), wobei diese entweder vorgegeben, beim Kleben (weil jeder die anderen Post-its liest) oder im Anschluss gemein- sam entwickelt werden können.

»Assoziationen clustern und beim Kleben darauf achten, dass inhaltlich Ähnliches nahe zusammengeklebt wird.

»Offene Fragen im Plenum ansprechen und auflösen (durch Lehrenden oder durch die Studierenden) – sofort oder in der nächsten Lehrveranstaltung

»Prüfungsfragen als Wiederholung (Einstieg) in der nächsten Lehrveranstaltung nützen »Persönliche Anwendungschancen einschätzen und klären, was es dazu noch unterstüt-

zend benötigen würde

»Offene Themen, Beispiele usw. in der (nächsten) Lehrveranstaltung aufgreifen »…

Sollen die Post-its im nächsten oder in einem weiteren Lehrveranstaltungsblock eingesetzt werden, was insbesondere bei offenen Fragen, Prüfungsfragen usw. der Fall sein könnte, müs- sen sie eingesammelt werden. Alternativ könnten sie als Forumsfrage in eine Lernplattform gestellt werden und damit als Gruppenaufgabe zurück- gespielt werden.

Aufgaben, die mittels Post-its zu lösen sind, kön- nen nicht nur in den nächsten Lehrveranstaltungen eingesetzt werden, sondern auch direkt und sofort in der gleichen Lehrveranstaltung. Die Vorteile liegen darin, dass die Klebezettel je nach Aufgabenstel- lung neu gruppiert werden und für unterschiedliche Zielsetzungen verwendet werden können.

Abbildung 7. Farbcodiertes Feedback an der Tür

Abbildung 8. Klausurfragen formulieren – an der Tafel kurz vor der Pause abgegeben und in der nächsten Session als Einstieg nutzen

Das folgende Beispiel aus dem Workshop am Tag der Lehre zeigt in vier Schritten auf, wie zum Thema „Anwendungsmöglichkeiten von Post-its in der eigenen Lehre“ konkret

gearbeitet wurde:

Es folgte eine rege Diskussion im Plenum zu möglichen Vor- und Nachteilen beim Einsatz dieser Methode. Ebenso wurden die verschiedenen Sichtweisen von Lehrenden und Studie- renden angesprochen. Mit diesem Bewusstsein im Hintergrund wurde eine zweite Aufgabe hinsichtlich der Umsetzungs chancen des eigenen Anwendungsfalls gestellt.

Die aufgezeigten Beispiele zeigen, wofür die Klebezettel eingesetzt werden könnten. Damit der Einsatz gelingt und auch die aufgezeigten Vorteile entfaltet, sind noch einige praktische Hinweise nützlich.

Abbildung 9. Schritt 1: Aufgabenstellung auf Powerpoint zu Ideen zur Anwendung von Post-its

Abbildung 10. Schritt 2: TeilnehmerInnen kleben und clustern ihre Ideen zur Anwendung von Post-its

Abbildung 11. Schritt 3: Aufgabenstellung auf Powerpoint zur Einschätzung der Umsetzungschancen zur Anwen- dung von Post-its

Abbildung 12. Schritt 4: TeilnehmerInnen skalieren ihre Ideen zur Anwendung von Post-its in ihrer Lehre nach Umsetzungschance zwischen 0 und 100 % (weiße Post-it markieren jeweils das Ende des gedachten Kontinuums)

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4 Hinweise zur praktischen Handhabe

Bewährt hat sich, die Fragestellung schriftlich und gut sichtbar festzuhalten, egal ob be- reits vorbereitet auf Powerpoint, Flipchart oder kurzfristig an der Tafel notiert. Klare, prägnan- te Aufgabenstellungen, deren „Antwort“ auf einem Post-it Platz haben, sind zu bevorzugen.

Ein Post-it als Muster dort hinzukleben, wo es schlussendlich sein soll, erleichtert ebenfalls die Handhabe.

Informationen darüber,

»für wen die Post-its sind und welchen Zweck sie haben (z.B. als anonymes Feedback für den Lehrenden),

»wann sie zum Einsatz kommen (z.B. offene Fragen zur Lehrveranstaltung am Ende an die Tür kleben) oder

»wie mit ihnen weiter vorgegangen wird (z.B. Prüfungsfragen fließen punktuell in die Klau- suren ein, einzelne Beispiele werden im Plenum hervorgehoben, sie sollen anschließend nach Dringlichkeit geclustert werden usw.), schafft Orientierung.

Beim ersten Einsatz braucht es etwas mehr an Informationen, um einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen. Je öfters die Studierenden die Methode einsetzen, desto einfacher funktioniert sie. Gezeigt hat sich auch, dass der zeitliche Aufwand für das Austeilen der Post- its mit der Häufigkeit des Einsatzes sinkt. Reihenweise Post-its durchzugeben, kann ebenfalls etwas beschleunigend sein. Zu entscheiden ist – nicht nur aus Zeit- und Raumgründen, ob jeder selbst sein Post-it „klebt“ oder ob es eine Person für jede Gruppe übernimmt (siehe Beispiel Abbildung 5).

Je nach Thema und Sensibilität kann es wichtig sein, die Anonymität zu wahren. Das kann ein namenloses Post-it sein, oder auch bedeuten, dass der Lehrende nicht zusieht, wer welches Post-its klebt. Es könnte sonst zu Verzerrungen kommen, d.h. es wird erwartungs- konform geantwortet oder geklebt, was insbesondere bei persönlichen Einschätzungen oder bei Skalierungsaufgaben der Fall sein könnte.

Abhängig von der Aufgabenstellung und ihrem Ziel kann die Freiwilligkeit oder die ver- pflichtende Teilnahme aller Lernenden wichtig sein. Dies offen anzusprechen, schafft Vertrauen.

Zur Dokumentation als Fotoprotokoll eignen sich Post-its eher nicht, es sei denn, es werden größere verwendet und mit dickem Stift beschrieben. Einzelne Post-its könnten in ein Foto- protokoll einfließen, in einer Lernplattform weiterverwendet werden oder wenn es tatsächlich inhaltlich relevant ist, auch noch verschriftlicht werden.

Unerlässlich wird es sein, als Lehrender diese Methode authentisch und mit Überzeugung einzusetzen. Selbst bei erwachsenen Lernenden oder im berufsbegleitenden Umfeld lässt sich diese Methode anwenden. In der Regel sind die Studierenden für die Aktivierung dank- bar und motiviert mitzumachen.

5 Ein Wort zum Schluss

Meine Erfahrungen mit dem kleinen Klebezettel sind sehr positiv und haben meine Erwar- tungen übertroffen. Mein Ziel, mit kurzen Impulsen meine Studierenden zu aktivieren, gelingt dadurch in einer zeitschonenden und dennoch effektiven Art und Weise. Mich überrascht selbst, wie kreativ und vielfältig die Einsatzmöglichkeiten sind. Mich begeistert auch die spontane, unkomplizierte Anwendung. Zudem, und das ist mir besonders wichtig, sind die Studierenden motiviert, die Aufgabenstellungen mit den Klebezetteln aktiv zu nutzen. Ihre positiven Rückmeldungen dazu zeigen mir, dass der kleine Attraktivitätskünstler weiterhin seinen Platz in meiner Lehre haben wird. Es würde mich freuen, wenn dieser Beitrag andere dazu inspirieren würde, den Einsatz von Post-its auszuprobieren. Nur Mut! Ich freue mich auch auf Ihr Feedback und Ihre Erfahrungen damit!

Zur Autorin

FH-Prof.in MMag.a Dr.in Franziska Cecon, Professur für Public Management an der FH Oberösterreich in Linz seit 2007; Studium der Internationalen Wirtschaftswissenschaften und der Wirtschaftspädagogik an der Leo- pold-Franzens-Universität in Innsbruck; Aktuelle Arbeits- und Forschungs- schwerpunkte: Verwaltungsinnovationen auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene, Interkommunale Zusammenarbeit, Public Governance Dimensionen wie Partizipation, Transparenz und Kooperation, Gemeinde- und Regionalentwicklung.

[email protected]

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Improvisationsmethoden offline und online als Wegbereiter zu lebensbegleitendem Lernen und zu einer offenen Hochschule

Mag. Christian F. Freisleben-Teutscher, FH St. Pölten

Abstract

Improvisationsmethoden können in verschiedensten Settings zum Einsatz kommen so auch in der Lehre im Hochschulbereich. Diese Ansätze basieren auf einer Entwicklung in Kunst und Gesellschaft, die von einem immer stärker partizipativ ausgerichteten Miteinander geprägt ist. Sowohl Kunst als auch Bildung ist längst nicht mehr bestimmten Bevölkerungsgruppen vorbehalten, mehr noch Improvisationsmethoden befähigen dazu, sich als Kreierende in einem umfassenden Sinn zu erleben. Dabei können auch gesellschaftlich relevante Themen miteinander bearbeitet und dabei Handlungsoptionen entwickelt werden. Die künstlerischen Herangehensweisen der Improvisationsmethoden haben also eine disruptive Wirkung auf verschiedenste Lebensweise. Denn jeder Mensch ist KünstlerIn, jeder Mensch kann Improvi- sationsmethoden einsetzen und damit auch Lern- und gesellschaftliche Veränderungsprozes- se vorantreiben.

Im Beitrag wird die Herkunft von Improvisationsmethoden im Hinblick auf die immer stärker partizipativ ausgerichtete Herangehensweise an Kunst beleuchtet. Dabei wird auch deutlich, wie niederschwellig und partizipativ diese ausgerichtet sind. Weiters werden einige Hinweise gegeben, die beim Einsatz von Improvisationsmethoden in didaktischen Settings der Hoch- schullehre wichtig sind.

1 Einleitung

Improvisationsmethoden werden in verschiedensten Feldern angewendet, so auch im Hoch- schulbereich sowohl in der Lehre, der Weiterbildung von Lehrenden und als Forschungsins- trumente. Ein Fokus dieses Beitrags ist, wie diese Herangehensweisen – z. B. im Zuge inno- vativer Lehr-Lernformen wie dem Inverted Classroom Modell – lebensbegleitendes Lernen initiieren, begleiten und fördern kann. Gleichzeitig steht der der inklusive und partizipative Charakter der Methoden im Fokus, die sowohl offline als auch in online Lernsettings zum Einsatz kommen können. Improvisationsmethoden arbeiten mit Assoziationen mit Worten, Lauten und dem Körper. Zum Einsatz kommen auch improvisierte Kurzszenen.

Improvisationsmethoden können Kreativität, die Selbstwirksamkeitserwartung sowie die Fähigkeit zur Kollaboration fördern. Sie tragen dazu bei, fachliche Inhalte aus leichtfüßigen Perspektiven wahrnehmen zu können sowie sie als Repertoire im Sinn des Konzepts von Bricolage wahrzunehmen: Inhalte und Ideen werden auf bislang unbekannte oder so nie gedachte Weise kombiniert, es entstehen innovative Ideen und Handlungsoptionen.

Assoziative Methode fördern Zugänge zu hochkomplexen Fragestellungen und Lösungswe- gen dazu. Ganz wesentlich ist dabei das Denken und Handeln mit dem gesamten Körper und mit intuitiven Wissensanteilen (vgl. Berk & Trieber, 2009; Gerber, 2009; Beghetto & Kaufman, 2011; Landy & Montgomery, 2012; LaPolice, 2012; Ross, 2012; Sawyer, 2011; Scott, 2014;

Sorenson, 2014; Yamamoto, 2015; Holdhus, 2016; Stewart, 2016).

Gleichzeitig werden dabei eigene Ressourcen wertschätzend wahrgenommen und intensiv genutzt. Unterstützt wird ebenso die Wahrnehmung anderer Personen, die ihrer Ideen und inhaltlichen Impulse. Im emergenten Miteinander entstehen zudem viele neue Inhalte und Ideen, Konzepte für Texte, Produkte und Dienstleistungen. Lernen wird so als kollaborativer Prozess erlebbar, der selbst beeinflusst und individuell gestaltet werden kann.

Im Folgenden wird dargestellt, warum und wie der Einsatz von Improvisationsmethoden zu einer Öffnung von Hochschulen beitragen kann. Im dritten Teil des Textes werden Hinweise gegeben, was beim Einsatz von Improvisationsmethoden in der Lehre, Weiterbildung und bei partizipativen Projekte zu beachten ist, wobei hier auch auf Erkenntnisse referenziert wird, die sich aus meiner Dissertation (Status: Defensio im Spätherbst 2019) zum Thema ergeben.

2 Niederschwellig und partizipativ

„In ritual, the audiences are not merely spectators; they are participants to a certain de- gree.“ (Scott, 2014, S. 57). Schon im alten Ägypten gab es rituellen Zeremonien, wo zwar die Teilnahme verpflichtend war, die Grenze an geplanten Inhalten und improvisierenden Tun in Hinblick auf Sprache, Singen und Körperausdruck fließend waren. In der römischen Antike war die Pantomime in einigen Phasen in basaler Form partizipativ ausgerichtet: Darstellen- den reagierten auf Körperhaltungen und Zurufe von Anwesenden reagierten, bezogen dies in Interaktionen auf der Bühne ein. Deutlich intensiver war dies bei der Commedia dell’arte im 16. Jahrhundert der Fall, wo die Spielenden immer wieder Reaktionen sowie Zurufe des Publikums in ihr Spiel spontan einbanden, sowie gleichzeitig Ereignisse, die sie auf ihrer Reise erlebten sowie aktuelle gesellschaftspolitische Themen in die Texte und Handlungen einflochten (vgl. Schmitt, 2010).

Ab 1910 begann sich ein radikaler Wechsel in der Kunst zu vollziehen, der sich ebenso auf theatrale Formate auswirkte: Kunst sollte nicht länger einer bestimmten, elitären Schicht vorbehalten sein, sowohl in Hinblick auf die Produktion als auch die Rezeption. Und letztere sollte in einer möglichst intensiven Form dialogorientiert sein, noch mehr, bisher Zuschauende sollten selbst zu Handelnden werden (vgl. Feldhoff, 2016). Ausgangspunkte dafür finden sich etwa im Dadaismus, der nicht nur mit dem Zufall als Gestaltungsprinzip arbeitete, sondern Kunst auch aus Museen und Galerien herausholte, die zu dieser Zeitperiode fast ausschließ- lich für Menschen mit entsprechenden finanziellen Mitteln zugänglich waren. Eine weitere Gestaltungskomponente war eben Menschen, die kamen um sich Kunstwerke zu betrachten, mit wachsender Intensität einzubeziehen: der Performancekünstler und Mitbegründer des Dadaismus, Tristan Tzara, kreierte Gedichte, indem er Zeitungsartikel zerschnitt und das Publikum aus dieser Sammlung ziehen ließ, um die Worte neu zu kombinieren.

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„…improvising—that is, exploring ideas, objects, materials, and people without considering sense, purpose, or function—is one of the key features of play.“ (Prager, 2013, S. 241).

Partizipative Ansätze wurden dann noch stärker in der Konzeptkunst und der Minimal Art ge- lebt. AkteurInnen der Fluxus-Bewegung sowie KünstlerInnen wie Joseph Beuys gingen noch einen Schritt weiter und betonten einen fließenden Übergang zwischen Kunst und Leben, sowie dass jeder Mensch kreativ ist, Kunst im weitesten Sinn erschaffen kann. Die Künstlerin Loraine Leeson war dann eine der PionierInnen, die theatrale Methoden zur partizipativen Weiterentwicklung von Gesundheitspolitik einbrachte oder Stephen Willat zur demokratischen Stadtentwicklungspolitik (vgl. Feldhoff, 2016).

Diese radikale Veränderung spiegelt sich auch im Theater wider, etwa in den Überlegungen von Berthold Brecht, der die vierte Wand zum Publikum durchbrechen wollte, in der Praxis von Morenos Stegreiftheater, beginnend ab 1920, wo alle Anwesenden in einem fließenden Wechsel gleichzeitig Spielende und Darstellende sein können (vgl. Frost & Yarrow, 2015).

Die amerikanische Soziologin und Erziehungswissenschafterin Neva L. Boyd sammelte ab den 1930er Jahren Spiele, die sie in die interaktive Arbeit mit verschiedensten Zielgruppen einbezog, um deren Selbstwirksamkeitserwartung zu steigern, sie dabei zu begleiten, sich intensiver in gesellschaftliche Entwicklungen als AkteurInnen anstatt nur als Behandelte einzubringen. Darauf baute Viola Spolin auf, die dies mit eigenen Spielen und Methoden ergänzte und parallel an der Gründung der ersten Improvisationstheatergruppe beteiligt war.

Improvisationsmethoden finden sich also nicht nur in mehr oder weniger unterhaltsamen Auf- tritten solcher Ensembles sondern werden in den verschiedensten Bereichen eingesetzt, um Menschen u. a. dabei zu begleiten, Lernprozesse voranzutreiben, Teams und sich persönlich weiter zu entwickeln sowie Handlungsoptionen für gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln sowie zu beginnen, diese umzusetzen.

Für die Umsetzung von Improvisationsmethoden braucht es keinerlei Vorwissen, jede/r Agie- rende ist dabei in einem ganzheitlichen Sinn KünstlerIn sowie GestalterIn. Die Erfahrung aus verschiedensten Formen des Einsatzes zeigen, dass eine Begegnung zwischen Menschen auf Augenhöhe unterstützt wird. Eine wichtige Rolle können dabei auch partizipative Metho- den spielen, die Augusto Boal entwickelt hat, wie das Statuen- und Forumtheater (vgl. Fritz, 2013). Ein Grundprinzip von Improvisationsmethoden ist „Yes, and…“ also das Wahrnehmen der Impulse anderer Personen und deren Impulse in einem gemeinsam Lern- und Arbeits- raum und das dazu kombinieren eigener Ideen. Es entsteht eine intensive Form von Brico- lage, einem kreativen Kombinieren von Vorhandenen in nie gekannter Form währenddessen in einer emergenten Form auch völlig neue Konzepte, Ansätze und Handlungsoptionen entstehen, in em sie miteinander, unterstützt durch eine große, leicht adaptierbare Palette an Methoden ausgetestet und weiterentwickelt werden.

Werden Improvisationsmethoden in Lernsettings angewandt, gilt auch hier, dass der Wechsel zwischen den Rollen als Zusehende bzw. eher mehr als weniger passiv Zuhörenden ganz verschwinden, oder es zu einem ständigen Fluss des Wechsels zwischen diesen Rollen sowie deren zeitweise Verschmelzung kommt. Lernende werden dabei begleitet, selbst aktiv

zu werden, zu gestalten, den gesamten Bildungsprozess mit zu gestalten, werden zudem selbstständig initiativ, ohne explizit dazu aufgefordert zu werden oder eine genau beschriebe- ne Vorgabe zu erhalten.

„In contrast to a cooperative learning exercise, when an improvisational approach is used in the classroom, the class facilitates the discussion and synthesizes the information. It is a process for exploring collaboration and cooperation at its most fundamental level, the co-creation of ideas, rather than an instructor-directed or scripted group activity.“ (Berk &

Trieber, 2009, S. 14).

Bei Improvisationstheatern und Improvisationsmethoden kann es zwar Personen geben, die Methoden erklären sowie Vorgaben anbieten, aber selbst diese beiden Elemente können (und sollen) von jedem/jeder Anwesenden übernommen werden. Gefördert wird dadurch eine partizipativ geprägte Atmosphäre, zu deren Gelingen alle Anwesenden gemeinsam beitra- gen (vgl. Rajeev & Kalpathi, 2015). Die Methoden unterstützen, dass sich alle gleichermaßen einbringen können: sowohl als AutorInnen, Spielende, Inszenierende als auch als Zuschau- erInnen (vgl. Scruggs & McKnight, 2008). Alle Beteiligten können dabei selbst immer wieder Rollen in Bereichen umsetzen, wie Input oder Anleitungen geben.

Improvisationsmethoden haben das Potential u. a. folgende Aspekte zu fördern: „spontane- ity, intuition, interactivity, inductive discovery, attentive listening, nonverbal communication, ad-libbing, role-playing, risk-taking, team building, creativity, and critical thinking“ (Berk &

Trieber, 2009, S. 30).

Im Fokus stehen die Lernenden: Diese können sich beim gesamten didaktischen Design, der Auswahl der Methoden, deren Adaption an spezifische Lernziele, Settings, Gruppenspe- zifika intensiv einbringen, einzelne Sequenzen selbst anleiten. Lernen wird daher als ein Vorgang erlebt, der stark mitgestaltet werden kann, der viel eigenständiges Handeln braucht.

Gleichzeitig liefert das gemeinsame Improvisieren Ausgangspunkte, um berufliche und private Herausforderungen nicht nur meistern zu können, sondern dabei aktive Gestaltungsrollen zu übernehmen.

Improvisationsmethoden haben dabei ebenso das Potential Inklusion zu fördern, dazu beizutragen, dass sich alle beteiligen können, unabhängig davon, ob sie von anderen in die Kategorie ‚normale‘ Personen oder solche mit körperlichen und/oder geistigen ‚Einschrän- kungen‘ eingeordnet werden (vgl. Scruggs & McKnight, 2008). Es wird ein gleichberechtigtes Miteinander ermöglicht.

Zu diesen Aspekten einer offenen Hochschule kommt dazu, dass Improvisationsmethoden, viele Chancen bieten verschiedenste Personen in Lernprozesse einzubinden, gerade auch in Felder wie forschendes Lernen oder in Service Learning Projekte. Denn beim Umsetzen spielt es dann keine Rolle mehr, wer Studierende, BürgerIn oder LehrendeR ist – alle können gleichermaßen in intensiver Form mitgestalten, gemeinsam Projekte planen und schrittweise umsetzen sowie dabei intensive Lernprozesse durchlaufen.

Referenzen

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