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Kapitel 2 beleuch- tet den potenziellen Einfluss der Krise auf die Determinanten des Produk- tionspotenzials und gibt einen Über- blick über Schätzungen der Kosten früherer Finanzkrisen oder Rezessi- onen

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Academic year: 2022

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GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/09 27

Die im Jahr 2008 ausgebrochene Wirt- schafts- und Finanzkrise hat 2008 und 2009 bereits zum stärksten Rückgang des BIP seit der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre („Great Depression“) geführt, was ihr im englischen Sprach- raum die Bezeichnung „Great Reces- sion“ eingetragen hat (Rampell, 2009).

Grafik 1 zeigt, dass in Österreich sion“ eingetragen hat (Rampell, 2009).

Grafik 1 zeigt, dass in Österreich sion“ eingetragen hat (Rampell, 2009).

Rezessionen seit 1980 kaum Auswir- kungen auf den Wachstumspfad des Produktionspotenzials hatten, bei dem mit einem Anstieg von rund 2 % pro Jahr bereits vor der Krise ein Abwärts- trend zu verzeichnen war. Werden sich die Auswirkungen der Krise auf eine kurzfristige Abweichung des tatsäch- lichen Outputs vom längerfristigen Trend beschränken, oder wird es dauer hafte Effekte auf Produktions- niveau oder -wachstum geben?

Die vorliegende Studie geht dieser Frage anhand der infolge der Krise möglichen Entwicklungen des Produk- tionspotenzials in Österreich nach. In möglichen Entwicklungen des Produk- tionspotenzials in Österreich nach. In möglichen Entwicklungen des Produk- Kapitel 1 wird das in diesem Beitrag verwendete Konzept des Produktions- potenzials definiert. Kapitel 2 beleuch- tet den potenziellen Einfluss der Krise auf die Determinanten des Produk- tionspotenzials und gibt einen Über- blick über Schätzungen der Kosten früherer Finanzkrisen oder Rezessi- onen. In Kapitel 3 werden anhand ver- schiedener Methoden ermittelte Schät- zungen des Niveaus und der Wachs- tumsrate des Produktionspotenzials in Österreich vorgestellt. Diese Schät- zungen dienen als Basis für eine zweite Studie zum Produktionspotenzial in Österreich (Grossmann et al., 2009), die sich mit den Konsequenzen des

Wissenschaftliche Begutachtung:

Sandra Bilek-Steindl, WIFO

Auf der Basis der Projektionen der Europäischen Kommission wird ein dauerhafter Verlust des Produktionspotenzials von 4 % bis 6 % bis zum Jahr 2013 berechnet. Die Wachstumsrate des Produktionspotenzials wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder auf dem Vor-Krisen- Niveau von knapp 2 % einpendeln, bevor die negativen Wachstumseffekte der Bevölkerungs- alterung einsetzen. Hohe Wachstumsraten des realen BIP sind direkt nach der Krise nicht zu erwarten. In einem pessimistischen Szenario könnten die Effekte der Krise mit jenen der Alte- rung der Gesellschaft auf das Produktionspotenzial verschmelzen, wodurch sich ein Rückgang des trendmäßigen Potenzialwachstums auf etwa 1,5 % bis 2030 ergäbe. In einem optimis- tischen Szenario laufen die strukturellen Effekte der Krise schon 2011 aus und das Produktivi- tätswachstum beschleunigt sich bis 2020, um die negativen Effekte der Bevölkerungsalterung zu kompensieren und den Wachstumspfad zu stabilisieren. Trotz hoher Un sicherheiten ist es sehr wahrscheinlich, dass Maßnahmen gegen den Klimawandel, die Energie knappheit und die steigende Konkurrenz sowie die Nachfrage aus den Schwellenländern für sehr wirksame Inno- vations- und Investitionsanreize sorgen werden. Damit die Unternehmen auf diese Anreize auch adäquat reagieren können, ist eine angemessene Wirtschaftspolitik notwendig. Die ent- scheidende Rolle der Wirtschaftspolitik in der Steigerung des mittelfristigen Produktionspoten- zials nach schweren Krisen zeigt sich auch in der historischen Erfahrung von Ländern wie z. B.

Finnland, Schweden und Japan.

Paul Gaggl, Jürgen Janger2

1 Übersetzung aus dem Englischen.

2 [email protected]; [email protected]. Die Autoren danken Gerhard Fenz, Claudia Kwapil, Lukas Reiss, Martin Schneider, Christian Ragacs, Klaus Vondra und Walter Waschiczek für ausgesprochen hilfreiche Kommentare.

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niedrigeren Produktionspotenzials für die Fiskalpolitik im Besonderen und mit Möglichkeiten zur Steigerung des Potenzialwachstums im Allgemeinen befasst. In Kapitel 4 (Zusammen fassung und Ausblick) werden Schlussfolge- rungen gezogen und mögliche Wachs- tumsszenarien aufgezeigt.

1 Das Konzept des Produktions- potenzials und seine Bedeutung In Basu und Fernald (2009) werden drei Konzepte des Produktionspoten- zials unterschieden. Das erste Konzept entspricht im Wesentlichen einer Schätzung des längerfristigen Trend- wachstums, einer gleichgewichtigen Wachstumsmessung auf Basis des Trendwachstums der Produktionsfak- toren Arbeit, Kapital und technolo- gischer Fortschritt. Solow (2001) ver- steht die Wachstumstheorie als die Theorie der Entwicklung des Produk- tionspotenzials. In vielen Studien zum langfristigen Wachstum wird die Pro- duktivität nur als Faktor für den

Wohlstand gesehen, doch auch für die Haushaltspolitik spielt das langfristige Produktionspotenzial – das Kapitalin- tensivierung und geleistete Arbeits- stunden berücksichtigt – eine wichtige Rolle: Es hat einen Einfluss auf die Tragfähigkeit der öffentlichen Haus- halte und der öffentlichen Verschul- dung, und es bestimmt die langfristige Nachfrage nach Anlageinvestitionen und Dienstleistungen in den Bereichen Infrastruktur und staatliche Verwal- tung (Gordon, 2008).

Das zweite, kurzfristiger angelegte Konzept bezieht sich auf das Produkti- onsniveau, das die Wirtschaft erreichen würde, wenn es keine nominellen Rigi- ditäten gäbe (flexible-price output).

Dieses Konzept wird explizit in Neu- Keynesianischen Modellen verwendet, in denen die verzögerte Anpassung von Preisen und Löhnen an die langfristigen Gleichgewichtswerte zu einer infla- tionsbedingten Differenz zwischen tat- sächlichem und potenziellem Produk- tionsniveau führen kann. Diese Out-

Mittelfristige Projektionen der ECFIN für Österreich

Quelle: Gener Quelle: Gener

Quelle: Generaldirektion Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen der Europäischen Kommission (ECFIN).

in Mrd EUR 250 230 210

190 170 150 130 Niveau

in % 4 3 2 1 0 –1 –2 –3 –4

Grafik 1afik 1af

Anmerkung: Für das potenzielle und das tatsächliche BIP wurden Projektionen der Europäischen Kommission (2009) verwendet. Die angegebenen Durchschnittswerte sind langfristige Jahreswachstumsristige Jahreswachstumsristige Jahreswachstumsraten (compound annual growth rachstumsraten (compound annual growth raten (compound annual growth rates – Caten (compound annual growth rates – CAGR).

1981 1985 1989 1993 1997 2001 2005 2009 Potenzielles BIP,otenzielles BIP,otenzielles BIP realotenzielles BIP realotenzielles BIPotenzielles BIP,otenzielles BIP realotenzielles BIP,otenzielles BIP

1981 1985 1989 1993 1997 2001 2005 2009 CAGR 1981–2008: 2,1151GR 1981–2008: 2,1151GR 1981–2008:

Wachstumsrate

BIP, BIP, BIP real BIP real BIP, real, BIP, BIP real BIP, BIP Rezession

CAGR 1999–2007: 1,8745GR 1999–2007: 1,8745GR 1999–2007:

CAGR 1998–2005: 2,0288GR 1998–2005: 2,0288GR 1998–2005:

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GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/09 29

put-Lücke ist eine wichtige Variable der Stabilisierungspolitik – und zwar so- wohl im Bereich Geldpolitik als auch in der Fiskalpolitik – da sie als Indikator für das Gleichgewicht zwischen Ange- bot und Nachfrage in der Gesamtwirt- schaft dient und so richtungsweisend für den geld- und fiskalpolitischen Kurs sein kann. Zwar sind Echtzeitschät- zungen der nicht beobachtbaren Out- put-Lücke häufig unzuverlässig (Orpha- nides und van Norden, 2002), doch werden sie sicherlich in die Strategien zum Ausstieg aus der derzeitigen expansiven Wirtschaftspolitik einflie- ßen. Dieses kurzfristige Konzept ent- spricht der älteren Keynesianischen Sichtweise des Produktionspotenzials als angebotsseitig bedingtem Produkti- onsniveau, bei dem es keinen Infla- tionsdruck gibt. Langfristig wird die Produktion bei flexiblen Preisen übli- cherweise so modelliert, dass es zum Steady-State-Output konvergiert.

Im dritten Konzept wird das Pro- duktionspotenzial als die zum gege- benen Zeitpunkt optimale Output- Quote in einer Volkswirtschaft gese- hen, in der Unternehmen zumindest ein gewisses Maß an Monopolmacht haben. Diese Definition des Produk- tionspotenzials wird in den meisten modernen DSGE-Modellen verwendet (z. B. Christiano et al., 2005), in denen eine Notenbank darauf abzielt, nomi- nelle Rigiditäten auszugleichen (das heißt eine kurzfristige Neu-Keynesia- nische Phillips-Kurve verwendet), da der Notenbank bewusst ist, dass sie die in der Volkswirtschaft vorhandenen monopolistischen Verzerrungen nicht ausgleichen kann. In dieser Situation führt das Anpeilen eines Produktions- ziels im Sinn des zweiten Konzepts (das heißt bei flexiblen Preisen und voll- kommenen Märkten), nicht notwendi- gerweise zu einer wohlstandseffizi- enten Allokation.

In der vorliegenden Studie zum Produktionspotenzial in Österreich In der vorliegenden Studie zum Produktionspotenzial in Österreich In der vorliegenden Studie zum wird einerseits für mittel- bis lang- fristige Projektionen das erste Konzept verwendet und andererseits auch die kurzfristigere Entwicklung des Pro- duktionspotenzials untersucht, um so eine Zahlengrundlage zu bieten, die richtungsweisend für den fiskalpoli- tischen Kurs sein kann. Dabei wird das Hauptaugenmerk nicht so sehr auf der Inflation in Österreich liegen, da sich Hauptaugenmerk nicht so sehr auf der Inflation in Österreich liegen, da sich Hauptaugenmerk nicht so sehr auf der die Geldpolitik auf die Output-Lücke des Euroraums stützt und nicht auf jene in Österreich. In dem erwähnten Folgebeitrag zu den politischen Impli- kationen des Produktionspotenzials (Grossmann et al., 2009) wird implizit das dritte Konzept verwendet, da einige Maßnahmen zur Steigerung des Pro- duktionspotenzials von Unvollkom- menheiten des Marktes ausgehen müs- sen, die abgebaut werden können.

2 Wie kann die Wirtschafts- und Finanzkrise das Produktions- potenzial beeinflussen?

Kanäle und historische Erfahrungswerte

Obwohl das langfristige Produktions- potenzial eine vergleichsweise glatte Datenreihe ist, kann sein Niveau und sein Wachstum durch bleibende struk- turelle Veränderungen beeinflusst wer- den. Beispiele sind die bis dato nicht vollständig erklärbare Verlangsamung des Produktivitätswachstums in den 1970er-Jahren oder die Effekte der Bevölkerungsalterung, durch die sich der Beitrag der Arbeit zum Produk- tionspotenzial mit sehr hoher Wahr- scheinlichkeit ab etwa 2020 verringern wird. Die kurzfristige Produktion bei flexiblen Preisen kann darüber hinaus von einer Reihe anderer Faktoren be- einflusst werden, etwa von zeitverzö- gerten mittelfristigen Änderungen von Nachfragemustern. So führte das ver-

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langsamte Investitionswachstum in Deutschland zwischen 2001 und 2003 zu einer Verringerung des Beitrags des Kapitals zum Produktionspotenzial.

Stärker strukturelle Faktoren wie Än- derungen bei der kurzfristigen struktu- rellen Arbeitslosigkeit können ebenfalls eine Rolle spielen.

Um die für diese Untersuchung relevanten Veränderungen zu bestim- men, müssen die wichtigsten Charakte- ristika der derzeitigen und früherer Finanzkrisen identifiziert und deren mögliche mittel- bis langfristigen Aus- wirkungen auf das Produktionspoten- zial untersucht werden. Da Echtzeit- schätzungen sehr schwierig sind, wird ein besseres Verständnis für diese Fragestellungen anhand der Auseinan- dersetzung mit den Transmissionskanälen aus der Theorie und mit empirischen Erfahrungswerten angestrebt. Folglich dient dieses Kapitel auch als Grundlage für die in Kapitel 3 angestellten Schät- zungen des Produktionspotenzials.

2.1 Besonderheiten der aktuellen Rezession: Tiefe und Finanzie- rungsengpässe

Die gegenwärtige starke Rezession ist aus Sicht der Autoren durch zwei Be- sonderheiten gekennzeichnet, und zwar durch ihre Tiefe (hinsichtlich Dauer, Reichweite und Produktionsrückgang) sowie die vorherrschenden schwierigen Finan zierungsbedingungen. In Grafik 2 sind die Auswirkungen von Finanzie- rungsengpässen und jene der Tiefe der Krise auf die Determinanten des Pro- duktionspotenzials zusammengefasst.

Grafik 3 zeigt die Entwicklung des vierteljährlichen BIP jeweils zwei Quartale vor und acht Quartale nach dem höchsten erreichten Niveau vor einer Rezession in Österreich seit 1980 nach Ragacs und Vondra (2009). Defi- nitionsgemäß wird dieser Referenz- punkt gleich 100 gesetzt. Von einer Rezession ist hier bei über zumindest ein Quartal anhaltend negativem BIP- Wachstum die Rede.

Grafi k 2

Auswirkungen zweier Merkmale der aktuellen Krise auf das Produktionspotenzial

Quelle: OeNB.

Auswirkungen der Finanzkrise

Kapitalstock – Investitionen

Produktionspotenzial (Niveau und Wachstumsrate)

Potenzielles Arbeitsangebot Arbeitslosenrate Kurzfristige strukturelle Arbeitslosigkeit

Langfristige Arbeitslosigkeit Erwerbsbeteiligung

Pro Arbeitnehmer geleistete Arbeitsstunden

Gesamtfaktorproduktivität Effi zienz der Faktornutzung

(Produktionswachstum ohne Wachstum bei Arbeit oder Kapital)

Bestimmungsfaktoren des Produktionspotenzials Auswirkungen der Tiefe der Rezession

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GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/09 31

Bis zum ersten Quartal 2009 werden tatsächliche Daten verwendet, danach sind offizielle OeNB-Prognose- daten vom Juni 2009 abgebildet. An- gesichts der Daten zum BIP und sei- nen Privatsektorkomponenten Kon- sum, Nachfrage und Investitionen wird klar, dass diese Rezession in Österreich sum, Nachfrage und Investitionen wird klar, dass diese Rezession in Österreich sum, Nachfrage und Investitionen wird

die mit Abstand gravierendste seit lan- gem ist.

Das spielt für das Produktionspo- tenzial auf aggregierter Ebene eine Rolle, da die mit Finanzkrisen einher- gehenden großen Produktionsrück- gänge höchst persistent sind und häufig gar nicht wettgemacht werden, was auf

Das BIP und seine Komponenten im Zuge von Rezessionen in Österreich seit 1980

Index Q = 100 103 102 101 100 99 98 97 96 95 94 Reales BIP

Index Q = 100 105 104 103 102 101 100 99 98

Grafik 3afik 3af

Realer Konsum

Q–2 Q Q+2 Q+4 Q+6 Q+8 Q–2 Q Q+2 Q+4 Q+6 Q+8

Reale Exporte Index Q = 100

Reale Investitionen Index Q = 100 109

104

99

94

89

84

108

103

98

93

88

Quelle: OeNB.

Quelle: OeNB.

Quelle:

Anmerkung: Die Datierkung: Die Datierkung: ung der Referenzpunkte mit dem höchsten erung der Referenzpunkte mit dem höchsten erung der Ref reichten Niveau vor einer Rezession (siehe Legende) sowie die Daten stammen aus der Gesamtwirtschaftlichen Prognose der OeNB vom Juni 2009 und basieren auf Eurostat-Daten. Die Daten zu Reaktionen auf die aktuelle Wirtschaftskrrtschaftskrrtschaftskrise tschaftskrise enden mit dem ersten ersten er Quartal Quartal Quar 2009 (Q+2); für die darauf darauf dar folgenden folgenden f Quartale Quartale Quar wurde die GesamtwirtscGesamtwirtscGesamtwir haftliche Prognose der OeNB vom Juni 2009 verwendet.

Q4 1980 Q2 1992 Q2 2001 Q3 2008

Q–2 Q Q+2 Q+4 Q+6 Q+8 Q–2 Q Q+2 Q+4 Q+6 Q+8

Q4 1983

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eine Niveauverschiebung beim poten- ziellen BIP hindeutet (Cerra und Saxena, 2008).3 Comin und Gertler (2006) stellen einen Modellmechanismus vor, durch den sich mittelfristig nicht tech- nologische Schocks im Frequenzbereich von Konjunkturzyklen anhaltend durch Änderungen bei der Geschwindigkeit von Konjunkturzyklen anhaltend durch Änderungen bei der Geschwindigkeit von Konjunkturzyklen anhaltend durch von Entwicklungen im Bereich For- schung und Entwicklung (F&E) sowie der Einführung neuer Technologien auf die Produktivität auswirken können.

Auch starke Nachfrageschocks können einen mittelfristigen Effekt auf das Produktions potenzial haben, wenn in- folge dauerhafter sektoraler Realloka- tionsprozesse eine Veränderung der Qualifikationsstruktur der Arbeits- kräfte erforderlich wird und die struk- turelle Arbeitslosigkeit deshalb einige Zeit lang ansteigt. Im Detail werden einige Mechanismen in den Abschnit- ten über die Kanäle Kapital, Arbeit und Produktivität besprochen.

Es ist nicht auszuschließen, dass das Ausmaß der Krise zu primär kurz- fristig orientierten Maßnahmen führt, die das Produktionspotenzial langfristig dämpfen. Gleichzeitig ist es aber auch möglich, dass die politischen Kräfte eines Landes durch die Krise gebündelt werden und ein Reformkurs einge- schlagen wird, was wiederum zu einer Steigerung des Potenzialwachstums führen könnte.

Finanzierungsengpässe

Verschärfte Finanzierungsbedingungen – sowohl hinsichtlich Quantität als auch bezüglich der Kosten für die Beschaf-

fung von Fremdmitteln – könnten blei- bende Auswirkungen auf die Nutzungs- kosten des Kapitals haben und dadurch die Investitionsentwicklung dämpfen.

Zwar war das Ausmaß der Finanzkrise sicherlich beispiellos, doch die aktu- ellsten Daten für Österreich zeigen so- wohl bei Unternehmensanleihen als auch bei Bankkrediten eine Lockerung der Finanzierungsbedingungen im Ver- gleich zum Höhepunkt der Krise im Herbst 2008. In der linken Abbildung von Grafik 8 ist der Renditeabstand bei Unternehmensanleihen mit AAA- und BBB-Rating im Zeitverlauf dargestellt, der häufig als Näherungswert für die Risikoprämie verwendet wird, sowie die durchschnittlichen Zinsen für große Bankkredite mit variabler Ver- zinsung (das heißt anfängliche Zinsbin- dung von weniger als einem Jahr; diese Kredite machen 79 % der gesamten Kredite aus). Die Risikoprämie ist zwar noch immer hoch, seit Herbst 2008 und März 20094 ist sie aber schon stark gesunken. Häufig wurde angeführt, dass sich eine Rückkehr zu den Finan- zierungsbedingungen bzw. Risikoprä- mien der 1990er- oder 1980er-Jahre drastisch auf die Investitionen auswir- ken würde (z. B. Europäische Kommis- sion, 2009). Die durchschnittliche Risikoprämie im Zeitraum 2000 bis 2007 war jedoch in Wirklichkeit höher als in den 1990er-Jahren; in den 1980er-Jahren war das Niveau um etwa 50 Basispunkte höher (da Daten für den Euroraum erst ab 1999 verfügbar sind, wurden als Näherungswert US-Daten für Renditeabstände verwendet).

3 Dazu gibt es auch umfassende Literatur, die sich mit den Konsequenzen der Volatilität der Produktion für das Wachstum befasst. Die erste diesbezügliche Arbeit stammt von Ramey und Ramey (1995). Die Analyse von Barlevy (2004) legt nahe, dass sich durch das Unterbinden von Fluktuationen, wenn dies möglich wäre, die Wachstums- rate um 0,35 bis 0,40 Prozentpunkte erhöhen lassen könnte. Siehe Gaggl und Steindl (2007) für einen Litera- turüberblick zu Konjunkturzyklen und Wachstum.

4 Dies spiegelt sich in der Entwicklung der Zinsabstände zwischen Unternehmensanleihen mit AAA-Rating und deutschen bzw. österreichischen 10-jährigen Benchmark-Anleihen wider: Von ihrem Höchststand sanken diese bis Mitte September 2009 von 350 Basispunkten auf 40 Basispunkte (Deutschland) bzw. von 260 Basispunkten auf 0 Basispunkte (Österreich).

Mitte September 2009 von 350 Basispunkten auf 40 Basispunkte (Deutschland) bzw. von 260 Basispunkten auf 0 Basispunkte (Österreich).

Mitte September 2009 von 350 Basispunkten auf 40 Basispunkte (Deutschland) bzw. von 260 Basispunkten auf

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GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/09 33

Die Entwicklung der Zinssätze für Bankkredite folgte den Zinssenkungen durch die EZB. In der vorliegenden Ar- beit werden aktualisierte Schätzungen von Jobst und Kwapil (2008) verwen- det, denen zufolge die tatsächlichen Zinssätze sogar niedriger sind als die prognostizierte Auswirkung der EZB- Zinsen auf die Kundenzinsen ergeben würde (Grafik 4).5 Zumindest derzeit scheint der geldpolitische Transmissions- kanal über Bankkredite nicht beein- trächtigt zu sein: Bei der Übertragung der Geldmarktzinssätze auf die Kunden- zinsen konnte keine signifikante Ab- weichung von den historischen Ver- laufsmustern festgestellt werden. Auch gab es keine Verschiebung zugunsten kurzfristigerer Kredite – im Gegenteil, nach wie vor entfallen rund 60 % der gesamten Kredite auf langfristige Kredite mit einer Laufzeit von über fünf Jahren, und deren Wachstums- raten waren seit Juli 2007 (seit Aus-

bruch der Subprime-Krise) wesentlich höher als jene der kurzfristigen Kredite (0,5 % gegenüber 0,1 % auf Monats- datenbasis) (OeNB, 2009). Dieses recht günstige Ergebnis ist möglicherweise auf das in Österreich vorherrschende günstige Ergebnis ist möglicherweise auf das in Österreich vorherrschende günstige Ergebnis ist möglicherweise Hausbanken prinzip zurückzuführen.

Die tatsächlichen Kreditvolumina steigen 2009 zwar langsamer als zu- vor, aber doch weiter an (5,5 % im April 2009) (OeNB, 2009). Eine Unter- scheidung zwischen angebots- und nach frageseitigen Effekten ist bekann- ter maßen schwierig, da die Nachfrage nach Krediten seitens der Firmen während einer Rezession nachlässt. Da- rüber hinaus waren Verschiebungen von Kapitalmarktfinanzierungen zu Kreditfinanzierungen zu verzeichnen:

Die Bedeutung der Bankkredite nahm 2008 zu, sodass ihr Anteil an der Außenfinanzierung in der zweiten Jahreshälfte beinahe 73 % ausmachte (in der ersten Jahreshälfte waren es nur

5 Bei den Zinssätzen für variabel verzinste Kredite über maximal 1 Mio EUR zeigt sich dasselbe Muster. In Öster- reich machen variabel verzinste Kredite 91 % der insgesamt an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften vergebenen Kredite aus, 79 % der gesamten Kredite liegen über einem Betrag von mehr als 1 Mio EUR.

Unternehmenskredite: Vergleich der geschätzten Zinsübertragung mit den tatsächlichen Daten

Kreditzinsen in % 8

7 6 5 4 3 2

Grafik 4afik 4af

Quelle: OeNB, Quelle: OeNB,

Quelle: OeNB, Jobst und Kw OeNB, Jobst und Kw Jobst und Kwapil (2008). Jobst und Kwapil (2008).

Anmerkung: Die Daten für die Unternehmenskredite basieren auf Angaben der OeNB. Die strichlierte Linie zeigt die Prognosequalität des EURIBOR ab Juni 2007 einschließlich eines 95%-Konfidenzinter valls bei jedem Vorhersagepunkt auf Basis einer Fehlerkorrekturspezifikation rekturspezifikation rektur von Jobst und Kwapil (2008). M(2008). M(2008). it diesen Prognosen wird überprüft, ob der strukturelle Zusammenhang zwischen dem EURIBOR und den Kreditzinsen der Geschäftsbanken nach Juni 2007 aufrecht bleibt.

95%-Konfidenzintervallvallv

Unternehmenskredite mit einer Laufzeit von weniger als 1 Jahr mit einem Volumen von über 1 Mio EURVolumen von über 1 Mio EURV Prognose

Jän. April Juli Okt. Jän. April Juli Okt. Jän. April Juli Okt. Jän. April Juli Okt.

2006 2008

2005 2007

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etwa 31 %; 1995 waren es noch beinahe 50 % gewesen) (Waschiczek, 2008).

Seit 2008 ist die Kapitalmarktfinanzie- rung (z. B. über die Emission börsen- notierter Aktien) zum Stillstand ge- kommen; der Markt für Unterneh- mensanleihen hingegen hat sich seit April 2009 erholt – österreichische Firmen konnten über 8 Mrd EUR auf- nehmen. Das anhaltende Kreditwachs- tum kann auch auf geringeren Cash- flow zurückzuführen sein.

Die österreichischen Ergebnisse der euroraumweit durchgeführten Um- frage zum Kreditgeschäft weisen zwar auf eine Verschärfung der Kreditricht- linien bei Zinsspannen, Sicherheiten- erfordernissen und Kreditvereinba- rungen hin, doch im zweiten Quartal 2009 war die Verschärfung weniger stark ausgeprägt als im ersten Quartal, was auf einen Wendepunkt in der Ent- wicklung der Kreditrichtlinien in Übereinstimmung mit dem restlichen wicklung der Kreditrichtlinien in Übereinstimmung mit dem restlichen wicklung der Kreditrichtlinien in Euroraum schließen lässt (EZB, 2009a).

Für die Banken haben sich die Refinan- zierungsbedingungen teils aufgrund staatlicher Kapitalspritzen verbessert (OeNB, 2009).

Insgesamt sind die Finanzierungs- engpässe für österreichische Unterneh- men als Folge der Krise möglicherweise etwas weniger stark ausgeprägt als in anderen Ländern, in denen ein tatsäch- licher Rückgang bei den Bankkrediten zu verzeichnen ist. Insbesondere zeigen die Ergebnisse einer von der EZB durchgeführten Umfrage über den Zu- gang zu Finanzmitteln für Klein- und Mittelbetriebe (KMUs) im Euroraum, dass die KMUs eine etwas stärkere Ver- schlechterung der allgemeinen Finan- zierungsbedingungen meldeten als Groß- unternehmen (EZB, 2009b). In Öster- zierungsbedingungen meldeten als Groß- unternehmen (EZB, 2009b). In Öster- zierungsbedingungen meldeten als Groß-

reich hingegen waren aufgrund der Beeinträchtigungen bei Kapitalmarkt- finanzierungen eher größere Firmen betroffen. Sowohl die euroraumweite Umfrage zum Kreditgeschäft der Ban- ken (EZB, 2009a) als auch eine Beur- teilung der Wirtschaftslage durch die OECD vom September (OECD, 2009a), die einen zusammenfassenden Indika- tor der OECD zu den Finan zierungs- bedingungen enthält, weisen jedoch auf eine Lockerung der Finanzierungs- beschränkungen hin und lassen auf keine signifikanten Einschränkungen bei der Kreditvergabe schließen.

Diesen Ergebnissen zufolge könnten die Auswirkungen der Wirtschafts- krise auf das Produktionspotenzial auf- grund der Schwere der Krise stärker sein als jene aufgrund von Finanzie- rungsengpässen. Natürlich kann sich dieser Eindruck ändern, falls die Banken durch zunehmende Firmeninsolvenzen erneut unter Druck geraten sollten. Bei der Einschätzung der Auswirkungen von Finanzierungsengpässen auf das Produktionspotenzial sind deshalb große Vorsicht und eine genaue Beob- achtung der Finanzierungsbedingun- gen angebracht.

2.2 Transmissionskanäle der aktuellen Rezession auf das Produktionspotenzial

Dieser Abschnitt befasst sich mit den möglichen Auswirkungen der aktuellen Rezession auf die drei Komponenten des Produktionspotenzials: das poten- zielle Arbeitskräfteangebot, die trend- mäßige Gesamtfaktorproduktivität (to- tal factor productivity – TFP) sowie den tatsächlichen Kapitalstock. Grafik 5 zeigt die tatsächliche Entwicklung dieser Faktoren.6 Bezüglich des Bei-

6 Die TFP wird als Restgröße nach Abzug des Zuwachses der Faktoren Arbeit und Kapital vom BIP-Wachstum geschätzt. Daher spiegelt sie auch eine Unterauslastung der Faktorausnutzung oder die sich verändernde Qualität der Faktoren wider. Kurzfristig erscheint die TFP in Rezessionszeiten immer ausgesprochen schwach, sofern sie nicht um die Auslastung bereinigt ist.

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GeldPolitik & WiRtschAft Q3/09 35

trags von Kapital und Arbeit stimmen die Ergebnisse weitgehend mit jenen der Europäischen Kommission (2009), des IWF (2009a) und der OECD (2009b) überein. Die Auswirkungen der Rezession auf die TFP werden al- lerdings eindeutiger negativ einge- schätzt als in den genannten Studien.

Gleichzeitig stellt sich die langfristigere Entwicklung der TFP recht positiv dar.

In der Folge wird jeder Produktions- faktor einzeln untersucht.

Kapital

Kurzfristig wird der Beitrag des Kapi- tals zum Produktionspotenzial (unter Umständen) durch die folgenden vier Faktoren reduziert:

1) Die rezessions-(nachfrage-)bedingt niedrigen Investitionsraten führen

Rezessionen in Österreich seit 1980

Index Q = 100 105 104 103 102 101 100 99 98 97

Kapitalstock, real

Index Q = 100 101,5

101,0

100,5

100,0

99,5

99,0

Grafik 5

Quelle: OeNB.

Anmerkung: Die Datierung der Referenzpunkte mit dem höchsten erreichten Niveau vor einer Rezession (siehe Legende) sowie die Daten stammen aus der Gesamtwirtschaftlichen Prognose der OeNB vom Juni 2009 und basieren auf Eurostat-Daten. Die Daten zu Reaktionen auf die aktuelle Wirtschaftskrise enden mit dem ersten Quartal 2009 (Q+2); für die darauf folgenden Quartale wurde die Gesamtwirtschaftliche Prognose der OeNB vom Juni 2009 verwendet.

Erwerbsbevölkerung

Q–2 Q Q+2 Q+4 Q+6 Q+8

Q4 1980 Q2 1992 Q2 2001 Q3 2008

Q–2 Q Q+2 Q+4 Q+6 Q+8

Solow-Residuum (TFP) Index Q = 100

Arbeitslosenrate Index Q = 100 103

102 101 100 99 98 97 96 95 94

210

190

170

150

130

110

90

Q–2 Q Q+2 Q+4 Q+6 Q+8 Q–2 Q Q+2 Q+4 Q+6 Q+8

Q4 1983

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zu einem verlangsamten Wachstum des Kapitalstocks.

2) Finanzierungsengpässe können die Entwicklung der kurzfristigen Inves- titionen noch weiter bremsen (wenn z. B. sinnvolle Investitionsprojekte aufgrund von Finanzierungsschwie- rigkeiten scheitern) und ganz allge- mein lässt sich als Folge der Krise eine durch höhere Risikoprämien verursachte dauerhafte Verteuerung der Nutzungskosten des Kapitals feststellen, die dazu führt, dass das gehaltene Kapital betragsmäßig sinkt. Barrell und Kirby (2009) merken an, dass der trendmäßige Rückgang der Nutzungskosten des Kapitals im Zuge der „Great Mode- ration“ von Anfang der 1990er- Jahre bis 2005 zu einer Phase der Kapitalintensivierung geführt hatte, die nun möglicherweise vorüber sei; der Anstieg der Risikoprämien könnte im Vereinigten Königreich Verluste im Ausmaß von 3 % bis 4 % des BIP verursachen.

3) Finanzierungsengpässe können durch niedrige Vermögenspreise noch ver- schlimmert werden, da sie die Un- ternehmensbilanzen schwächen und den Wert der verfügbaren Sicher- heiten verringern (Kiyotaki und Moore, 1997).

4) Die Vernichtung oder Entwertung des bestehenden Kapitals kann sich infolge von Insolvenzen und sekto- raler Reallokation (z. B. in der Bau- wirtschaft oder Autoindustrie) so- wie infolge des Abbaus zuvor entstandener Überkapazitäten be- wie infolge des Abbaus zuvor entstandener Überkapazitäten be- wie infolge des Abbaus zuvor schleunigen. Mittel- bis langfristig wird vermutlich nur der zweite Effekt der gestiegenen Nutzungs- kosten des Kapitals anhalten, wobei auch durch dauerhaft niedrige Nachfrage entstehende mittelfristige Effekte nicht auszuschließen sind.

Arbeit

Das potenzielle Arbeitskräfteangebot entspricht den trendmäßig geleisteten Gesamtarbeitsstunden. Bestimmt wird es anhand der Bevölkerungsanzahl im erwerbsfähigen Alter, der Erwerbs- beteiligung, der strukturellen Arbeits- losigkeit – die häufig mittels inflations- stabiler Arbeitslosigkeit (nonaccelera- ting inflation rate of unemploment – NAIRU) gemessen wird – und der durchschnittlich pro Arbeitnehmer ge- leisteten Arbeitsstunden.

Kurzfristig wird der Beitrag des Faktors Arbeit zum Produktionspoten- zial von einem zeitlich begrenzten An- stieg der NAIRU beeinflusst, der auf- grund sektoraler Reallokation und allein schon durch den Anstieg der tat- sächlichen Arbeitslosigkeit entsteht:

Ein während der Krise erfolgter be- trächtlicher Anstieg der Arbeitslosig- keit kann ohne einen vorübergehenden Inflationsanstieg nicht rasch wieder ab- gebaut werden, da nominell rigide Preise und Löhne den Anpassungspro- zess verlangsamen (Europäische Kom- mission, 2009). Ein kurzfristiger posi- tiver Effekt kann sich aufgrund von Vermögenseffekten ergeben: Infolge der massiven Verluste, die seitens der Pensionsfonds verzeichnet wurden, könnten mehr ältere Arbeitskräfte länger im Erwerbsleben bleiben. In Österreich ist dieser Effekt jedoch an- länger im Erwerbsleben bleiben. In Österreich ist dieser Effekt jedoch an- länger im Erwerbsleben bleiben. In gesichts des geringen Anteils kapital- gedeckter Pensionen vermutlich sehr klein.

Mittel- bis langfristig kann der Bei- trag des Faktors Arbeit zum Produk- tionspotenzial durch die von langen Phasen der Arbeitslosigkeit verursachte dauerhafte Vernichtung von Human- kapital sowie durch anhaltend höhere Nutzungskosten des Kapitals abneh- men, da diese die Gewinnspannen der Firmen drücken und die struktu- relle Arbeitslosigkeit erhöhen (Gianella

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GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/09 37

et al., 2008). Dies hängt natürlich auch von Arbeitsmarktpolitik und -institu- tionen ab. Insbesondere in Europa kam es in der Vergangenheit offenbar infolge von negativen Schocks auf die Wirt- schaft im Wechselspiel mit den beste- henden Arbeitsmarktinstitutionen zu Hysterese-Effekten (Blanchard und Wolfers, 2000). Inzwischen wurden jedoch zahlreiche Reformen umgesetzt, und die Arbeitsmarktstruktur in Europa hat sich verändert. In ihren NAIRU- Projektionen geht die OECD (2009b) davon aus, dass die Langzeit arbeits- losigkeit „nur“ noch zu zwei Drittel zu struktureller Arbeitslosigkeit wird – in den 1990er-Jahren waren es drei Viertel.

In Österreich lag der Anteil der Langzeitarbeitslosigkeit an der Arbeits- losigkeit insgesamt vor der Krise mit 25 % im Zeitraum 1999 bis 2008 unter dem Durchschnittswert für die EU-15 (43 %) und dem OECD-Durchschnitt (30 %), und damit auf ähnlichem Niveau wie in den skandinavischen Staaten (Dänemark: 20 %, Finnland und Schweden ebenfalls jeweils ca.

25 %), jedoch über den Werten einiger Länder im angelsächsischen Raum (in den USA und Kanada liegt der Anteil der Langzeitarbeitslosigkeit bei etwa 10 %). Weitere Stärken des öster- reichischen Arbeitsmarktes sind das hohe Maß an Reallohnflexibilität und die große Lohnzurückhaltung seit 1995, was zu hoher preislicher Wettbe- werbsfähigkeit führt. Das Qualifika- tionsprofil der österreichischen Ar- beitskräfte ist jedoch stark von betriebs- und industriespezifischen Fertigkeiten geprägt, die zumeist im Zuge von Berufsausbildungen erworben werden.

Im Vergleich zu Ländern, in denen eher auf universell einsetzbare Qualifika- tionen gesetzt wird, kann es daher in Österreich bei massiven sektoralen tionen gesetzt wird, kann es daher in Österreich bei massiven sektoralen tionen gesetzt wird, kann es daher in Reallokationsprozessen (z. B. einem

Kapazitätsabbau in der Autoindustrie) zu einer Erhöhung der strukturellen Arbeitslosigkeit kommen. Die NAIRU ist bekanntermaßen schwierig zu schät- zen. So beziffert eine Schätzung der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2006 die konjunkturell (das heißt nicht strukturell) bedingte Arbeits- losigkeit in Österreich mit 20 %.

nicht strukturell) bedingte Arbeits- losigkeit in Österreich mit 20 %.

nicht strukturell) bedingte Arbeits- Den Angaben des Arbeitsmarktservice Öster reich (AMS) zufolge belief sich Den Angaben des Arbeitsmarktservice Öster reich (AMS) zufolge belief sich Den Angaben des Arbeitsmarktservice diese Zahl auf rund 45 %. Solche Diffe- renzen führen zu signifikanten Unter- schieden bei den Schätzungen des Pro- duktionspotenzials (Steindl, 2006).

Insgesamt wird der kurzfristige Einsatz von Arbeit ganz entscheidend davon abhängen, wie gravierend (bzw.

lang andauernd) die Krise ist, in wel- chem Ausmaß sektorale Reallokations- prozesse stattfinden und wie sich die Nutzungskosten des Kapitals in Zu- kunft entwickeln. Ob sich die Arbeits- marktinstitutionen verändert haben, wird die Zeit zeigen.

Gesamtfaktorproduktivität

Anhand der Gesamtfaktorproduktivität (total factor productivity – TFP) soll die Effizienz der Faktorausnutzung gemessen werden: TFP-Wachstum bedeutet Produktionswachstum bei gleichbleibendem Einsatz der anderen Faktoren. Die meisten empirischen Studien zu den Determinanten des langfristigen Wachstums kommen zu dem Schluss, dass das TFP-Wachstum in hoch industrialisierten Volkswirt- schaften der wichtigste Wachstums- motor ist (siehe Hall und Jones, 1999, für eine allgemeine Betrachtung und Gnan et al., 2004, für Österreich). Die für eine allgemeine Betrachtung und Gnan et al., 2004, für Österreich). Die für eine allgemeine Betrachtung und Fragestellung, wie Rezessionen und Kreditmarktfriktionen den Beitrag der TFP zum Produktionspotenzial beein- flussen, wird in der theoretischen und empirischen Literatur umfassend be- handelt. Insgesamt deutet eine Sichtung

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der verfügbaren Evidenz darauf hin, dass sich Rezessionen auch ohne Kreditmarktfriktionen nachteilig auf das TFP-Wachstum auswirken, dass die TFP daher prozyklisch ist.7 Bei Bestehen von Finanzierungsengpässen werden die negativen Effekte auf die TFP übli- cherweise noch verstärkt.

In Grafik 6 sind einige der Bestim- mungsfaktoren des TFP-Wachstums nach Gnan et al. (2004) zusammenge- fasst. Dabei wird zwischen indirekten und direkten Faktoren unterschieden:

Die indirekten Triebkräfte des TFP- Wachstums sind Institutionen und Maßnahmen, die Anreize für wachs- tumsfördernde Aktivitäten setzen und diese Aktivitäten unterstützen, die direkten sind Innovation und struktu- relle Veränderungen.8 Beide bauen auf das verfügbare Humankapital. Die pro- zyklischen TFP-Bestimmungsfaktoren sind in Grafik 6 in Fettdruck darge- stellt. Studien, in denen auf anti- zyklische Effekte von Rezessionen auf die Gesamtfaktorproduktivität hinge- wiesen wird, beziehen sich zumeist auf zwei Mechanismen. Der erste fußt auf der klassisch-Schumpeterschen Hypo- these, derzufolge Rezessionen dadurch gekennzeichnet sind, dass ineffiziente Firmen aus dem Markt ausscheiden und die übrigen, effizienten Firmen Marktanteile dazugewinnen (siehe z. B. Caballero und Hammour, 1994, zum Reinigungseffekt von Rezessi- onen). Produktivitätssteigerungen wer- den – ceteris paribus – durch Verschie- bungen zwischen Firmen (oder Sek- toren) erzielt. Der zweite Mechanis- mus basiert auf der Idee, dass die Op- portunitätskosten von F&E, Innovation

und Umstrukturierungen in Rezessi- onszeiten niedriger sind als sonst. Auf- grund der entstehenden Unteraus- lastung der verfügbaren Ressourcen können diese brachliegenden Ressour- cen innerhalb einer Firma von der der- zeitigen Produktion auf zukünftig pro- duktivitätssteigernde Aktivitäten ver- lagert werden (siehe z. B. Aghion und St. Paul, 1998), was antizyklische Aus- gaben für F&E bedeutet.

An sich können beide Mechanismen tatsächlich zum Tragen kommen, doch die eingeschränkt verfügbare Evidenz zu Rezessionen als Produktivitäts- motoren liefert keine einheitlichen Er- gebnisse (siehe Barlevy, 2003, für eine kurze Zusammenfassung). Im Gegen- satz dazu werden in empirischen Studien üblicherweise stark prozyk- lische Aktivitäten in den Bereichen F&E sowie Innovation festgestellt (Barlevy, 2007; Bundesministerien, 2009). Durch das Ausscheiden ineffi- zienter Unternehmen aus dem Markt entstehen definitiv positive Produktivi- tätseffekte. Anhand von Mikrodaten zeigt sich jedoch, dass dieser Beitrag zum gesamten Produktivitätswachs- tum im Vergleich zum Produktivi- tätszuwachs innerhalb bestehender Unternehmen niedrig ist (Bartelsman et al., 2004) und dass der Beitrag von Reallokationen zur Gesamtproduktivi- tät nur in geringem Ausmaß antizyk- lisch (Foster et al., 2001) oder sogar prozyklisch (Eisfeldt und Rampini, 2006) ist.

Empirischen Ergebnissen von Bar- levy (2002) zufolge sind in Rezessionen geschaffene Arbeitsplätze mit erhöhter Wahrscheinlichkeit schlecht bezahlt

7 Fernald und Matoba (2009) wenden hingegen zur Schätzung der auslastungsbereinigten TFP eine neue Methode an, die von Basu et al. (2006) entwickelt wurde, um zu zeigen, dass die TFP in Echtzeit in den USA derzeit steigt und nicht fällt. Dieser Ansatz ist jedoch sehr neu und muss erst anhand historischer Daten überprüft werden.

8 Grafik 6 basiert auf den Ergebnissen vieler empirischer Studien, die sich üblicherweise mit jeweils einem Faktor gesondert befassen. Eine kürzlich erschienene Arbeit, in der die Auswirkungen mehrerer TFP-Bestimmungsfak- toren in einem Ansatz geschätzt werden, stammt von Coe et al. (2009).

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GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/09 39

und zeitlich befristet. Als Erklärung für diesen nachteiligen Effekt führt Barlevy an, dass durch Rezessionen zwar einige ineffizient besetzte Jobs vernichtet werden, Firmen aber auch weniger offene Stellen anbieten und die Arbeitnehmer sich folglich dem Job, in dem sie aufgrund einer optimalen Ab- stimmung ihrer Qualifikationen mit dem Anforderungsprofil am produk- tivsten arbeiten würden, langsamer an- nähern. Genauer gesagt, nimmt die Produktivität in der Anfangsphase ei- ner Rezession aufgrund der Vernich- tung ineffizient besetzter Jobs sprung- haft zu, über die gesamte Dauer der Rezession hinweg sinkt die Gesamtpro- duktivität jedoch, da mehr nur mittel- mäßig effiziente Übereinstimmungen (job matches) erzielt werden.9

Die Ausgaben für F&E sind nicht deshalb prozyklisch, weil die Firmen ihre diesbezüglichen Aktivitäten an ihren Cashflow anpassen; Barlevy (2007) zeigt, dass Firmen die Zuwachs- rate ihrer F&E-Ausgaben unabhängig von ihrer finanziellen Position steigern.

Firmen neigen dazu, zu stark auf den kurzfristigen Ertrag von Aktivitäten im Bereich F&E zu setzen, sodass sie in Hochkonjunkturphasen – und somit zu einem höheren Preis als nötig – zuviel in diesen Bereich investieren. Bei Be- stehen von Kreditmarktfriktionen kann sich das Potenzial sektoraler Reallokati- onen und jenes von F&E für die Kor- rektur von Fehlallokationen während einer Rezession noch viel weniger ent- falten.

Barlevy (2003) argumentiert, dass bei Bestehen von Kreditmarktfrik- tionen Ressourcen durch die Realloka- tion tatsächlich in weniger effiziente Einsatzbereiche umgeschichtet werden, was vor allem dann wahrscheinlich ist, wenn effizientere Produktionsstruk- turen gleichzeitig anfälliger für Kredit- beschränkungen sind. Angesichts der Schwierigkeit, in einer Rezession einen Kredit zu bekommen, werden Pro- jekte, für die weniger Mittel beschafft werden müssen, unabhängig von ihrer Effizienz mit einer größeren Wahr- scheinlichkeit verwirklicht. Dieses Er-

9 So ließe sich auch das von Fernald und Matoba (2009) beschriebene Phänomen der derzeit steigenden Gesamtfak- torproduktivität in den USA erklären.

Grafi k 6

Bestimmungsfaktoren des TFP-Wachstums in Österreich

Anmerkung: Prozyklische Faktoren in schwarz fett.

Quelle: OeNB.

Institutionen:

Volkswirtschaftliche Regeln und Politik

• (Anreizsysteme und Unterstützung für Innovationstätigkeit)

• Wirtschaftliche Stabilität insgesamt

Finanzierung für Innovationen (Venture Capital u. a.)

• Außenwirtschaftlicher Öffnungsgrad

• Wettbewerbspolitik und Marktregulierung

Strukturwandel – Sektorale Verschiebungen, Eintritt, Austritt

TFP-Wachstum

Innovationstätigkeit – F&E, Innovation Nutzung und Akkumulation von

Humankapital

Aus- und Weiterbildung, Berufswahl (aus der Finanz in Wissenschaft und Technologie)

Langfristige Arbeitslosigkeit

Indirekte TFP-Quellen Direkte TFP-Quellen

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gebnis wird von Hottenrott und Czarnitzki (2008) bestätigt: Ihnen zufolge werden bei Kreditbeschrän- kungen jene zukunftsweisenden ris- kanten F&E-Projekte zurückgefahren, die das Produktivitätswachstum mit der größten Wahrscheinlichkeit för- dern würden, Routineprojekte hinge- gen werden nicht eingeschränkt.

Aghion et al. (2005) führen an, dass langfristig produktivitätssteigernde In- vestitionen (im Unterschied zu kurz- fristigen Investitionen) mit höheren Liquiditätsrisiken verbunden sind, da der Abschluss solcher Projekte länger auf sich warten lässt. Bei Bestehen von Kreditbeschränkungen werden solche langfristigen Investitionen prozyklisch, was eine niedrigere mittlere Wachs- tumsrate der jeweiligen Gesamtinvesti- tionsrate impliziert. In der Studie von Aghion et al. (2008) wird anhand von Unternehmensdaten aus Frankreich gezeigt, dass der F&E-Anteil an den Inves titionen in einer Rezession bei Bestehen von Kreditmarktfriktionen zurückgeht und sich bei einer Konjunk- turerholung nicht im selben Maß wie- der erhöht.

Eine Studie auf Basis von Mikro- daten für Österreich (Falk und Hake, 2008b) zeigt, dass insbesondere junge Firmen bis zu ihrem zehnjährigen Bestehen von Kreditbeschränkungen bezüglich Innovationsaktivitäten be- troffen sind. Diese Beschränkungen werden durch öffentliche Direktförde- rungen und Venture-Capital-Finan- zierungen abgemildert. Die Auswir- kungen der Krise können aus zwei Blickwinkeln betrachtet werden. Auf der einen Seite sind Bankkredite kaum relevant für junge, technologieintensive Firmen, die über keine großen Sicher- heiten verfügen; selbst vor der Krise hatten sie nie Zugang zu „billigem“

Geld – ganz im Gegenteil: Auch in Zeiten mit sehr niedrigen Risikoprä- mien war die Aufnahme von Fremd- mitteln für sie immer schwierig. Vom Rückgang des Finanzierungsangebots über Venture Capital – das vor der Krise auch schon gering war – sind sie jedoch sehr wohl betroffen.10 Dies ist bis zu einem gewissen Grad ein spezifisch österreichisches Phänomen (Janger, 2009), das durch nationale Maßnahmen abgemildert werden könnte.

Zur Veranschaulichung der Größen- ordnungen: Langfristig führt eine Er- höhung der F&E-Ausgaben durch in- und ausländische Unternehmen um 1 % zu einem TFP-Anstieg zwischen 0,3 % und 0,6 % in Österreich (Falk 1 % zu einem TFP-Anstieg zwischen 0,3 % und 0,6 % in Österreich (Falk 1 % zu einem TFP-Anstieg zwischen und Hake, 2008a). Bei einem BIP- Rückgang um 1 % verringern sich die F&E-Ausgaben seitens der Unterneh- men um 1,7 % (Bundesministerien, 2009). Die OeNB prognostiziert für Österreich im Jahr 2009 ein BIP- 2009). Die OeNB prognostiziert für Österreich im Jahr 2009 ein BIP- 2009). Die OeNB prognostiziert für Wachstum von –4,2 %. Vorausgesetzt, dass der Effekt auf die Produktivität in Rezessionen symmetrisch ist mit jenem in Aufschwungphasen, würde das einen Rückgang der F&E-Ausgaben von rund 7 % bedeuten und langfristig einen Rückgang des TFP-Niveaus zwischen 2,1 % und 4,2 % bewirken. Diese Zahlen dienen natürlich nur der Veran- schaulichung und sind nicht eins zu eins auf die Wirklichkeit übertragbar, aber sie zeigen deutlich, dass Rezessionen sehr wohl Auswirkungen auf F&E und das TFP-Wachstum haben.

Andere Bestimmungsfaktoren der TFP wie Firmengründungen sind eben- falls stark prozyklisch (Bilbiie et al., 2007). Diese Prozyklizität wird durch einen Faktor weiter verstärkt: Aghion et al. (2007) zufolge spielt der Zugang zu Finanzmitteln in der Gründungs-

10 Venture-Capital-Finanzierungen sind stark prozyklisch (Romain und van Pottelsberghe, 2004).

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GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/09 41

und Aufbauphase kleiner Unternehmen sowie in stärker auf Außenfinanzie- rungen angewiesenen Sektoren eine besonders wichtige Rolle. Der Erwerb von Qualifikationen geht jedoch offen- bar antizyklisch vor sich (Dellas und Sakellaris, 2003). Wenn sich Absol- venten naturwissenschaftlicher und technischer Studienrichtungen nicht mehr für eine Karriere im Finanzbe- reich entscheiden, wo sie unter Um- ständen zu negativen Externalitäten und Einbußen beim Produktionspoten- zial beitragen, sondern stattdessen den Ausbau der Forschungskapazitäten auf der ganzen Welt vorantreiben, könnte unter Umständen ein weltweiter TFP- Anstieg verzeichnet werden. Die anti- zyklischen Effekte des Qualifikations- erwerbs werden jedoch erst mittel- bis langfristig wirksam; kurzfristig kann der Beitrag des Humankapitals zur Gesamtfaktorproduktivität durch lange Phasen der Arbeitslosigkeit (und die damit verbundene Vernichtung von Humankapital) abnehmen. In Öster- damit verbundene Vernichtung von Humankapital) abnehmen. In Öster- damit verbundene Vernichtung von reich stehen der vollen Ausnutzung des vorhandenen Potenzials einige Beson- derheiten des Bildungssystems entge- gen (OECD, 2009c).

Für eine genauere Einschätzung der unmittelbaren Auswirkungen der Krise erscheint ein Echtzeiteinblick in die derzeitigen Entwicklungen im Bereich Innovationen sinnvoll. Die Ergebnisse von Umfragen unter Führungskräften kleiner Hi-Tech-Firmen11 und aktuelle Medienberichte vermitteln den Ein- druck, dass derzeit viel kurzfristige Optimierung und sektorale Realloka- tion stattfindet, dass z. B. die Anbieter von Produkten, die bei großen Unter-

nehmen Kosteneinsparungen ermögli- chen, in Krisenzeiten sogar ein posi- tives Wachstum verzeichnen. Der zum Teil auf den Wettbewerb mit asia- tischen Ländern zurückzuführende In- novationsdruck hat ebenfalls nicht nachgelassen.12 Der Halbleiterhersteller Infineon etwa geht davon aus, dass die Industrie sich durch die Krise verän- dern wird. Die Daten der österrei- chischen Forschungsförderungsgesell- schaft FFG hingegen zeigen, dass die Beteiligung von Firmen an länger- fristigen, riskanteren F&E-Program- men zurückgegangen ist, jene an kleineren Programmen jedoch steigt.

Wie die Modelle von Barlevy (2002) und Aghion et al. (2005) weist diese anekdotische Evidenz ceteris paribus auf kurzfristige Produktivitätsanstiege und einen gleichzeitigen Rückgang der Bemühungen um langfristigere Pro- duktivitätszuwächse hin.

Wie bei den anderen Determinan- ten des Produktionspotenzials können fehlgeleitete Maßnahmen die Auswir- kungen der Krise auf die TFP verstär- ken. Auf den Einbruch der Aktien- und Grundstückspreise in Japan zwischen 1989 und 1992 reagierten Politik und Regulierungsbehörden mit Verdrän- gung – die Entwicklungen wurden ein- fach ignoriert. In der Folge vergaben große Banken häufig weiterhin Kredite an insolvente Kunden, um das Ab- schreiben von Kapital zu vermeiden, das sie für die Einhaltung der regulatorischen Mindestkapitalanfor- derungen benötigten. Dadurch wurde der Wettbewerb unterbunden, und Branchen mit einem hohen Anteil an de facto insolventen Kreditnehmern

11 Dazu fanden im Rahmen der Technologiegespräche beim Europäischen Forum Alpbach (2009) interessante Dis- kussionen statt.

12 Auf internationaler Ebene erstellt die Federal Reserve Bank of San Francisco den Tech Pulse Index, einen Indika- tor für die Messung der Wirtschaftsaktivität im US-amerikanischen IT-Sektor in Echtzeit (FRBSF, 2009). Diesem Index zufolge ist der derzeitige Abschwung im IT-Sektor weniger gravierend als jener des Jahres 2001 (der jedoch insbesondere den IT-Sektor traf).

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verzeichneten niedrige Produktivitäts- zuwächse (Caballero et al., 2008).

Was sind mittel- bis langfristig die Perspektiven für das Produktivitäts- wachstum? Für die USA gibt es dazu einige „strukturierte Ratespiele“ (Oliner und Sichel, 2002), die sich vorwiegend auf den Beitrag von Informationstech- nologien zum künftigen Produktivi- tätswachstum konzentrieren, wobei so- wohl die Perspektiven der IT-produzie- renden Industrie als auch jene der IT-nutzenden Branchen berücksichtigt werden. Einer optimistischen Projek- tion von Jorgenson et al. (2008) zufolge soll das nach 1995 in den USA beschleunigte Produktivitätswachstum anhalten, und zwar aufgrund der Effekte der Informationstechnologien und aufgrund des günstigen Unterneh- mensumfelds in den USA (flexible Ar- beitsmärkte, wettbewerbsfähige Güter- märkte und tiefe Kapitalmärkte). Gordon (2008) hingegen geht davon aus, dass die meisten positiven Effekte des Ein- satzes von Informationstechnologien bereits ausgeschöpft sind und sieht das künftige Produktivitätswachstum daher eher im Einklang mit den Werten der Jahre 1987 bis 1997.

Diese Diskussion scheint zu stark rückwärtsgerichtet, und es werden einige wichtige Entwicklungen außer Acht gelassen. Solow (2001) merkt an, dass die Theorie des endogenen Wachstums dazu führt, den Schwer- punkt der Wachstumsbetrachtungen auf die Analyse der wirtschaftlichen Anreize zur Schaffung neuer Technolo- gien zu legen. Angesichts der derzei- tigen Lage – Herausforderungen durch aufstrebende Volkswirtschaften (ins- besondere China), Maßnahmen zur Beschränkung der Kohlendioxidemissi- onen z. B. durch weltweiten Emissions- rechtehandel (Cap-and-Trade-Systeme) sowie zunehmende Rohstoffverknap- pung – werden die Anreize für Inno-

vation und Investitionen nicht nur in einigen Branchen, sondern in allen Bereichen massiv steigen. In der Bau- wirtschaft, im Energiesektor und in der Sachgüterproduktion wird es An- passungen an gesetzliche Innovations- vorgaben und an den steigenden Wett- bewerb geben müssen.

Insgesamt ist angesichts der Schwere der Krise und der Finanzierungseng- pässe kurz- bis mittelfristig von einem negativen Effekt der Krise auf das TFP- Wachstum auszugehen, die mittel- bis langfristige Prognose ist jedoch posi- tiver.

2.3 Historische Erfahrungswerte

Es gibt einige aktuelle Studien zum mittelfristigen Effekt von Finanzkrisen auf das Produktionspotenzial bzw. auf die Produktion, wobei zu beachten ist, dass keine andere Krise so schwerwie- gend war wie die derzeitige. In Tabelle 1 sind die in diesen Arbeiten errechne- ten Schätzwerte für die mittelfristigen Produktionseinbußen angeführt. In IWF (2009a) und OECD (2009b) werden die Ergebnisse einiger Studien zusammengefasst:

– Mittelfristig erreicht das infolge einer Bankenkrise gedämpfte Pro- duktionswachstum den vor der Krise verzeichneten Trendwert nicht, sodass es häufig zu einem bleibenden Produktionsrückgang kommt; in den meisten Ländern wird die vor der Krise erzielte Wachstumsrate letztendlich aber wieder erreicht.

– Zu dem Produktionsrückgang tra- gen die Faktoren Beschäftigung, In- vestitionen und TFP zu etwa glei- chen Teilen bei.

– Gute Indikatoren für das mittel- fristige Ergebnis sind die Schwere der Krise – gemessen an den Pro- duktionseinbußen im ersten Jahr – sowie die Höhe von Investitions-

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GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/09 43

und Sparquoten vor Ausbruch der Krise.

– Der mittelfristige Produktions- rückgang ist nicht unumgänglich.

Kurzfristige antizyklische geld- und fiskalpolitische Maßnahmen sowie Strukturreformen können zu einer Verbesserung der mittelfristigen Ergebnisse beitragen.

– Der krisenbedingte Beschäftigungs- abbau wird unter Umständen erst zehn Jahre nach der Krise wieder wettgemacht.

Viele nationale Behörden haben ihre Prognosen des Produktionswachstums bis 2010 bereits revidiert (durchschnitt- lich um kumulierte 2,75 Prozent- punkte) (OECD, 2009b).

Die Europäische Kommission (2009) und Haugh et al. (2009) stellen die in Finnland und Schweden gemach- ten Erfahrungen jenen des „verlorenen Jahrzehnts” in Japan gegenüber, um festzuhalten, dass die nach großen Finanzkrisen seitens der Politik ergrif- fenen Maßnahmen eine wesentliche Rolle für die Entwicklung des Produk- tionswachstums spielen. In Finnland und Schweden kam es nach der Krise in den frühen 1990er-Jahren zu einem starken Anstieg der strukturellen Ar- beitslosigkeit, doch die Probleme im

Bankensektor wurden rasch gelöst, was gemeinsam mit den eingeleiteten Strukturveränderungen die Realloka- tion und das Produktivitätswachstum beschleunigte. Die beiden Länder hat- ten auch insofern Glück, als das außen- wirtschaftliche Umfeld günstig war und sie auf den boomenden IT-Bereich spezialisiert waren. In Japan wurden die Bankenprobleme nicht gelöst, was die sektorale Reallokation behinderte und in weiterer Folge zu einer lang anhaltenden Verschlechterung der Pro- duktivitätsentwicklung führte. Im Nachfeld schwerwiegender Krisen kann daher das TFP-Wachstum als Dreh- und Angelpunkt bei der Wachs- tumsbelebung gesehen werden.

3 Auswirkungen der Krise auf das Produktionspotenzial in Österreich – verschiedene Schätzungen

In den vorherigen Abschnitten wurden die Entwicklungen in Österreich in In den vorherigen Abschnitten wurden die Entwicklungen in Österreich in In den vorherigen Abschnitten wurden vergangenen Abschwungphasen (Gra- fiken 3 und 5) sowie das Verhalten ver- schiedener für die Beurteilung des Pro- duktionspotenzials bedeutender Indi- katoren dargestellt. Im Folgenden soll nun das österreichische Produktions- potenzial über einen mittel- bis lang-

Tabelle 1

Einige Schätzwerte für Einbußen beim Produktionspotenzial

Persistente

Produktionseinbußen Persistente Einbußen beim Produktionspotenzial in %

Cerra und Saxena (2008) 4–16 x

Furceri und Mourougane (2009) x 1,5–3,8

Cecchetti et al. (2009) 9,2 x

IWF (2009a) 10 x

Kim et al. (2005) 1,25–5,25 x

IWF (2009b) für die USA x 5,75

Quelle: Jeweils angeführte Studie.

Anmerkung: In Cecchetti et al. (2009) werden Durchschnittswerte angeführt, in IWF (2009a) Durchschnittswerte nach sieben Jahren. In Kim et al. (2005) sind nur Rezessionen ohne Finanzierungsengpässe berücksichtigt. In IWF (2009b) werden Einbußen beim Produktions- potenzial bis 2014 geschätzt.

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fristigen Zeithorizont quantifiziert werden. Nach einer Analyse der mittel- fristigen Projektionen der Europä- ischen Kommission (2009) wird der permanente Verlust an Produktions- potenzial bis 2013 ermittelt. Anschlie- ßend wird die Rolle eines drastischen Schocks im Bereich der Risikoprämien für Investitionen bei der Beurteilung der mittelfristigen Einbußen beim Produktionspotenzial untersucht. Um ein Bild der langfristigen Auswir- kungen verschiedener – hauptsächlich durch verschiedene politische Maß- nahmen bestimmter – Szenarien zeich- nen zu können, werden zudem unter Verwendung des QUEST III-Modells der Europäischen Kommission die Effekte dieser Schocks in 20 Jahren berechnet.

3.1 Mittelfristige Entwicklung des Produktionspotenzials

Zur Bemessung der mittelfristigen Auswirkungen der aktuellen Finanz- krise werden die Projektionen der Europäischen Kommission (2009) zur Entwicklung des österreichischen Pro- duktionspotenzials herangezogen. Diese Prognosen wurden auf Basis der von Denis et al. (2006) beschriebenen Pro- duktionsfunktion errechnet, der die Quantifizierung des angebotsseitigen Potenzials einer Volkswirtschaft zu- grunde liegt. Unter Annahme einer gesamtwirtschaftlichen Produktions- technologie mit konstanten Skalener- trägen für Österreich, die die Inputfak- technologie mit konstanten Skalener- trägen für Österreich, die die Inputfak- technologie mit konstanten Skalener- toren Arbeit und Kapital kombiniert, läuft dies auf eine Quantifizierung des potenziellen Arbeits- und Kapitalange- bots zu jedem Zeitpunkt hinaus. Da diese beiden Indikatoren nicht beob- achtbar sind, verwendet die Europäische Kommission (2009) die Kalman-Filter-

Methode, um die inflationsstabile Ar- beitslosigkeit (NAIRU) als Indikator für die strukturelle Arbeitslosigkeit ab- zuleiten, woraus sich wiederum das potenzielle Arbeitsangebot ergibt, und die Perpetual-Inventory-Methode zur Quantifizierung des gesamten Kapital- stocks der Volkswirtschaft zu jedem gewählten Zeitpunkt. Wie bereits in Abschnitt 2.2 dargestellt, ist die Mes- sung jeder Komponente des Produk- tionspotenzials mit einigen Problemen behaftet. Die wichtigste bei der Inter- pretation der Daten zu beachtende Ein- schränkung ist folgende: Die Schät- zungen des Produktionspotenzials durch die Europäische Kommission (2009) sind – sogar für die Jahre vor der Finanzkrise – aufgrund der statis- tischen Annahme sogenannter statio- närer stochastischer Prozesse nach unten verzerrt. Das bedeutet, dass ein schein- bar rückläufiges Potenzialwachstum von 2005 bis 2008 (Tabelle 2) zumin- dest teilweise ein rein statistisches Phänomen ist und nicht unbedingt tat- sächliche Produk tionseinbußen wider- spiegelt. In Tabelle 2 sind die Projek- tionen des Poten zialwachstums ver- schiedener Institu tionen auf Basis unterschiedlicher Schätz methoden auf- gelistet.13 So ermittelt die OECD für den Zeitraum 2005 bis 2008 eine Zu- nahme des Poten zialwachstums, wäh- rend die Euro päische Kommission so- gar einen leichten Rückgang vor Aus- bruch der Krise erwartet.

Abgesehen vom Problem der Mean- Reversion bei stationären stochas- tischen Prozessen ist zu bedenken, dass diese Schätzungen mit Echtzeitdaten erstellt werden, die im weiteren Zeit- verlauf mehrmals revidiert werden können – und in der Tat meistens revi- diert werden – und die tatsächlichen

13 Die vollständige Tabelle über die Beiträge zum Potenzialwachstum und die von der Europäischen Kommission ermittelten Determinanten der Arbeits- und Kapitalakkumulation findet sich im Anhang.

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