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18. Sitzung des Nationalrates der Republik. Österreich.

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Stenographisches Protokoll.

18. Sitzung des Nationalrates der Republik. Österreich.

VI. Gesetzgebungsperiode.

Inhalt.

1. Nationalrat.

Angelobung des Abg. Skritek (S.475).

2. Personalien.

a) Krankmeldungen (S.475);

b) Entschuldigungen (S.475).

3. Bundesregierung.

a) Zuschrift des Bundeskanzlers, betreffend die Betrauung des Btmdesministers für Inneres Helmer mit der zeitweiligen Ver- tretung des Vizekanzlers Dr. Schärf (S.475);

b) Schriftliche Beantwortung <ler Anfra.gen 69, 83 und 86jJ (S.475).

4. Regierungsvorlagen.

a) Kraftloserklärungsnovelle 1950 (101 d. B.) -- Justizausschuß (S.476);

Dienstag, 14. März 1950.

Gruppe IV, umf~.S8end Kapitel 9: Inneres und Kapitel 26: Ubergangsmaßnahmen.

Spezialberichterstatter: Horn (S. 509);

Redner: Honner (S. 511), Eibegger (S. 521), Dr. Pfeifer (S. 526), Sebinger (S. 530), Hartleb (S. 535), Machunze (S. 537), Neuwirth (S. 539), Strachwit.z (S. 543), Czernetz (8. 544), Blmdesminister für Inneres Helmer (S. 550).

Abstimmungen:

Annahme der Gruppen I, II lmd V (S. 483);

Annahme der Ausschußentschließung zu Gruppe II (Mittel für kriegszerstörte Wohnungen und Wiederaufbau) (S.483);

Ablehnung der Entschließung Dr. Pfeifer zu Gruppe V (S. 484).

Eingebracht wurde:

b) ,1 •. Novelle zum Sozialversicherungs-Über-

leitungsgesetz (102 d. B.) - Ausschuß für Anfrage der Abgeordneten soziale Verwaltung (S.476).

5. Verhandlung.

Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1 und 84 d. B.):

Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1950 (98. d. B.).

Spezialdebatte:

Hinterndorfer, Prinke, Matt, Cerny u. G.

an den Bundesminister für soziale Ver-

~a1tung. betreffend die Durchführung des Arztegesetzes (95jJ).

Anfragebeantwortungen : G.truppe IH, bestehend aus Kapitel 8'

Äußeres. ' . Eingelangt sind die Antworten

Spezialberichterstatter: Dr. TonCic (S. 476);

Redner: Ernst Fischer (S. 477 und S. 500), Dr. Koref (S. 484 und S. 503), Dr. Reima1l11 (S. 491), Ludwig (S. 494), Dr. Gschnitzer (S. 500) und Bunrlesminister für die Au.~­

wÄrtigen Angelegenheiten Dr. Kar! Gru ber (S.504).

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abg. Honller u. G. (59jA. B. zu 86jJ);

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abg. Koplenig u. G. (60jA. B. zu 69jJ);

des Bundesministers für soziale Verwaltung auf die Anfrage der Abg. Machunze u. G.

(61jA. B. zu 83jJ).

Beginn der Sitzung: 11 Uhr 5 Minuten.

Präsident Kunschak: Die Sitzung ist eröff-) Ich bitte den Schriftführer, den Einlauf

net. zu verlesen.

Krank gemeldet haben sich die Abg.

Dr. Bock und Gföller; entschuldigt die Abg. Dr. Körner, Wendl, Hinterleithner, Klautzer und Dr. Herhert Kraus.

An Stelle des verstorbenen Herrn Abg. Seitz ist vom Wahlkreis 4 Herr Abg. Otto Skritek in den Nationalrat entsendet worden. Er ist zum ersten Male im Hause erschienen und wird die Angelo bung leisten.

Schriftführer Weikhart (liest): "An den Herrn Präsidenten des Nationalrates.

Der Herr Bundespl'äsident hat mit Ent- schließung vom 10. März 1950, Zl. 3566 über meinen Antrag gemäß Artikel 73 des Bundes- Verfassungsgesetzes für die Dauer der zeit- weiligen Verhinderung des Vizekanzlers Dr.

Adolf Schärf den Bundesminister für Inneres Oskar Hel m e r mit der Vertretung des Vize- kanzlers Dr. Adolf Schärf betraut.

Schriftführer Weikhart verliest die An- gelobungsformel. - Abg. Skritek le'istet die

A ngelobung. Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen

um geH. Kenntnisnahme die Mitteilung zu Präsident: Die schriftliche Beantwortung machen.

der Anfragen 69, 83 und 86/J wurde den an-

fragenden Mitgliedern des Hauses übermittelt. Figl"

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476 18. Sitztmg des Nationalrates der Republik Österreich. - VI. G. P. - 14. März 1950.

Von der Bundesregierung sind folgende Vor lagen eingelangt (liest):

"Bundesgesetz, betreffend die Änderung des Verfahrens zur Kraftloserklärung von Urkunden (Kl'aftloserklärungsnovelle 1950) (101 d. B.);

Bundesgesetz, womit das Bundesgesetz vom 12. Juni 1947, B. G. BI. Nr. 142, über die Überleitung zum österreichischen Sozial- versicherungsrecht abgeändert und ergänzt wird. (4. Novelle zum Sozialversicherungs- Überleitungsgesetz) (102 d. B.)."

Es werden zugewiesen:

101 dem Justizausschuß ;

102 dem Ausschuß für soziale Verwaltung.

Präsident: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zur Spezialdebatte über die Gruppe III, Äußeres.

Spezialberichterstatter Dr. Tonci6: Hohes Haus! Die Veränderungen im valutarischen Sektor im Herbst und Winter des vergangenen Jahres haben sich auf das Kapitel "Äußeres"

im Budget außerordentlich ausgewirkt. Die Lebenskosten für Österreicher, die im diplo- matischen Dienst im Auslande tätig sind, sind im besonderen Maße gestiegen. Ich möchte hier ein Beispiel anführen. Bei der Um- rechnung der Valutenerfordernisse zeigt sich eine Steigerung von 18 Prozent beim argen- tinischen Peso - bis zu 176 Prozent beim brasilianischen Cruzeiro. Zwischen 18 und 176 Prozent liegen die Steigerungen, die gedeckt werden müssen.

Ein Vergleich der laufenden Gebarung - ich betone, der laufenden Gebarung - des Kapi- tels 8, Titel 1: Außendienst, ergibt in den letzten drei Jahren folgendes Bild: Die Personal- ausgaben stiegen von 19·7 Millionen Schilling über 21·9 auf 41·3; die Sachausgaben von 6·7 über 7·4 auf 17 Millionen Schilling. Das ergibt eine Summe von 26·4 im Jahre 1948, 29·3 im vergangenen Jahr und 58·3 Millionen Schilling in diesem Voranschlag.

Zu dem Voranschlag möchte ich besonders das Fehlen eines Beitrages für die Konsular- akademie erwähnen. Die Konsularakademie ist eine ehrwürdige, alte österreichische In- stitution. Die veränderten Verhältnisse nach diesem Kriege haben nun ergeben, daß das Wiederaufleben der Konsularakademie bis auf weiteres nicht zu erwarten ist; deshalb fehlt auch in diesem Voranschlag ein Betrag für diesen Posten. An Stelle dessen ist mit 25.000 S ein Betrag für Lehrgänge ausgeworfen, die also in gewisser Hinsicht das ersetzen sollen, was einst die Konsularakademie gewesen ist.

Wenn wir den jetzigen Bundesvoranschlag mit dem vergleichen, den seinerzeit noch Herr

Finanzminister Dr. Zimmermann ausgearbeitet hat, so sehen wir, daß er aus den oben ange- führten Gründen mit einer einzigen Aus- nahme lauter Erhöhungen für das Budget des Kapitels "Äußeres" aufweist.

Die Steigerung der Ausgaben ist auf drei Ursachen zurückzuführen: 1. bei der Zentrale auf die Auswirkungen des dritten Preis- Lohnabkommens; 2. beim diplomatischen und konsularischen Dienst im Ausland auf die ver- änderte Kursrelation des österreichischen Schillings gegenüber den sogenannten harten Währungen, besonders dem amerikanischen Dollar; 3. schließlich auf Erhöhungen des Lebenskostenindexes gewisser Länder.

Früher war im Budget ein besonderer Posten für internationale Organisationen vor- gesehen, und zwar ursprünglich 950.000 S.

Dieser Betrag fehlt jetzt, aber wir finden ihn im gleichen Ausmaße im Kapitel "Bundes- kanzleramt" .

Für alle Verrechnungen im Kapitel

"Äußeres" gelten die Kassenwerte, die in Anlehnung an die Prämienkurse festgesetzt wurden.

Wir finden einen Mehraufwand von 31 Mil- lionen Schilling für den diplomatischen und konsularischen Dienst im Ausland. Dieser umfaßt auch 900.000 S, die für eine Vertretung bei den Vereinten Nationen in Genf und für ein Konsulat in Isreal ausgeworfen werden müssen. Eine österreichische Vertretung sowohl in Genf als auch in Lake Success ist aus zwei Gründen notwendig. Einmal, weil sich die Satzung der Vereinten Nationen als ein universales Staatengemeinschaftsrecht auch auf die Beziehungen dieser Staatengemeinschaft zu Nichtmitgliedstaaten erstreckt, und zweitens, weil Österreich bei mehl'eren der sogenannten special agencies, den sogenannten

"spezialisierten Körperschaften" Mitglied ist (wie beispielsweise bei der UNESCO), deren Angelegenheiten in einem weiten Ausmaß in Europa in Genf oder in Lake Success behandelt werden.

An einmaligen Ausgaben sieht das Budget 7·4 Millionen Schilling vor, und zwar 4 Millionen für Einrichtungskosten der diplomatischen Vertretungen, die zum Teil in der letzten Zeit unbedingt notwendig geworden sind, wie beispielsweise in Paris; 2·6 Millionen für Instandsetzungskosten der Gesandtschafts- gebäude und 0-8 Millionen für Einrichtungs- kosten der Konsulate.

Eine Vermehrung des Personalstandes gegen- über dem vergangenen Jahre ist im Außen- dienst nicht vorgesehen. In der Zentrale des Außendienstes wird nur der Personal- aufwand der mit der Bearbeitung der aus- wärtigen Angelegenheiten betrauten Be-

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18. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich. - VI. G. P. - 14. März 1950. 477 diensteten des Bundeskanzleramtes, Aus- reichische Verbindungsstellen" , beziehungs- wärtige Angelegenheiten, verrechnet. weise" Österreichische Interessenvertretungen " .

Ich möchte dabei betonen, daß im Jänner Die Ursache für diese Bezeichnung liegt darin, eine Kürzung von 3 Millionen Schilling für daß einerseits der völkerrechtliche Status Auslandsbedienstete vorgenommen wurde. Die Deutschlands noch nicht geklärt ist - es leitenden Beamten mußten eine Einkommens-I sind hier zwei de facto-Regierungen, regionale reduzierung von durchschnittlich 20 Prozent

I

Regieru~gen auf einem okkupier~en Gebiet -:' erleiden. Das Amt für Auswärtige Ange- anderseIts un~ der ~rt. 7 d~s ~weiten. Kontroll- legenheiten verfügt über 26 Personenkraft- abkommens m dIeser HmsICht mcht voll- wagen, die bei den Vertretungsbehörden ver- kommen freie Hand gewährt.

wendet werden und für die insgesamt 770.800 S Obwohl es den Anschein erwecken mag, präliminiert sind. Es ist interessant, daran daß Österreich über eine große Anzahl von zu erinnern, daß im Budget keine Beträge Vertretungen im Ausland verfügt, trügt doch für die Erhöhung des Standes der Bibliothek dieser Schein, denn tatsächlich ist eine große und kein Fonds zur besonderen Verwendung Anzahl von Gebieten ohne österreichische des Ministers vorgesehen sind; nur 48.000 S Vertretung und damit auch eine große Anzahl für kulturelle Ausgaben im Ausland und nur

I

von Österreichern nicht in dem gewünschten 24.000 S für den Rechtsschutz im Ausland. Maße diplomatisch und konsularisch geschützt;

Gegenüber dem ursprünglichen Bundesvor- so weite Teile Amerikas, fast ganz Afrika, anschlag für das Jahr 1950 ist eine Erhöhung weite Teile Asiens und ein großer Teil des der Einnahmen von zirka einer halben Million pazifischen Raumes.

Schilling vorgesehen, so daß das neue Budget Der österreichische diplomatische Dienst ist 1,129.400 S an Einnahmen aufweist. daher derzeit keineswegs ausreichend. Es ist Der Personalstand umfaßt derzeit 238 prag-I wohl zu hoffen und unbedingt notwendig, matisehe Bedienstete. Ich möchte noel.1 etwas

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Erfordernissen, über unsere Vertretungen im Ausland sagen. dIe eben heute eme dIplomatIsche und konsu- Wir haben derzeit 21 Gesandtschaften und larische Vertretung verlangt, in dem Maße vier sogenannte politische Vertretungen: in Genüge zu tun, wie es von einem modernen Moskau, Warschau, Bukarest und Belgrad. Staat~ be~onders von einem Staat im Zentrum Der österreichischen Gesandtschaft in Bern Europas, also an einem außerordentlich ist eine Vertretung bei den Vereinten Nationen wichtigen Punkt, erwartet werden kann.

in Genf und eine Informationsstelle in Bern Hieher gehört auch die Frage, daß wir in angegliedert. Überdies besteht eine Il1forma- Österreich rechtlich gesehen noch immer kein tionsstelle am Generalkonsulat in New Y ork Außenministerium haben. Es ist zu betonen, weil Amerika und die Schweiz für die Informa: daß unbedingt der Tag kommen muß,· an tion der WeltöfIentlichkeit über Österreich dem Österreich ein Außenministerium erhält.

von besonderer Bedeutung sind. In Canberra Wenn wir aber bedenken, in welch schwieriger und bei den Vereinten Nationen in Lake finanzieller Lage der Staat ist, so müssen wir Success sollen diplomatische Vertretungen e1'- sagen, daß die vorgesehenen Posten im Budget richtet werden; also in Canberra, in Australien, nicht überschritten werden können. Aus zum ersten Mal im pazifischen Bereich. diesem Grunde stelle ich den Antrag, der

Konsularische Vertretungen bestehen derzeit Nationalrat wolle beschließen (liest):

in Baden-Baden, Brünn, Düsseldorf, Frank- "Dem Kapitel 8, Äußel'es, des Bundesvor- furt, Johannesburg, Mailand, New York, anschlages für das Jahr 1950 in der Fassung

Ottawa, Preßburg, Tel Aviv und Zürich; der abgeänderten Regierungsvorlage (1 und dazu kommt noch eine Paßstelle in Triest. 84 d. B.) wird die verfassungsmäßige Zu- Diese Form deswegen, weil das Statut des stimmung erteilt."

Freien Territoriums von Triest noch nicht in

Kraft getreten ist. Der völkerrechtliche Abg. Ernst Fischer: Meine Damen und Charakter dieses Gebildes ist noch ungeklärt Herren! Der Wert oder Unwert der öster- und es ist daher noch nicht möglich, dort eine reichischen Außenpolitik ist nicht nach Einzel- diplomatische oder konsularische Vertretung heiten zu beurteilen, sondern nur im Hinblick zu errichten. Man hat sich mit einer Paß- auf die große Zentralfrage: Wie steht es mit stelle begnügen müssen. dem Staatsvertrag, wie steht es mit unserer

Ebenso besitzt Österreich eine Reihe von Unabhängigkeit?

Honorarkonsulaten, uarunter auch solche in Man kann an vielen Einzelheiten Kritik Mrika und Südamerika. Die Honorarkonsulate üben, an der unsachlichen Auswahl der bringen keine budgetäre Belastung.

I

Diplomaten, an der verschwenderischen Finan-

Die österreichischen Vertretungen in West- zierung der Auslandsvertretungen, an der deutschland führen die Bezeichnung "Öster- mangelhaften und keineswegs objektiven

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478 18. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich. - VI. G. P. - 14. März 1950.

Berichterstattung über außenpolitische Pro- bleme und Ereignisse. Bevor ich mich auf die Hauptfrage konzentriere, möchte ich nur ein einziges Beispiel herausgreifen. Wir haben bei der Pariser Gesandtschaft einen Attache, der illegal damit beschäftigt ist, die Be- ziehungen zu Franco-Spanien her~ustellen und aufrechtzuerhalten. Für diese mehr oder minder illegale Tätigkeit bekommt dieser Attache einen Monatsgehalt von 1500 Dollar!

(Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich glaube, daß mancher österreichische Beamte darüber sehr verwundert sein wird, daß einem Auslands- vertreter , der, wie dieser, recht überflüssig ist, so hohe Dollarbeträge ausbezahlt werden.

Aber ich möchte nicht weiter auf solche Einzelheiten eingehen, sondern mich jetzt auf die Hauptfrage konzentrieren.

Was der einfache Staatsbürger sieht, das sind die Besatzungstruppen, das sind die Aktionen der Militärpolizei, das sind die täglichen Eingriffe in unsere Unabhängigkeit, und was den einzelnen Staatsbürger beun- ruhigt, ist der kalte Krieg der Großmächte, der in Österreich geführt wird.

Der einfache Staatsbürger hat recht: das sind wirklich die entscheidenden Fragen, und sie alle hängen mit der Frage des Staats- vertrages zusammen. Warum haben wir noch immer keinen Staatsvertrag ~ Was können wir tun, um endlich die volle Freiheit zurück- zugewinnen ? Ich denke, wir alle waren im Jahre 1945 überzeugt, die Besetzung werde nur ein kurzes Zwischenspiel sein. Wir haben bei den Londoner und später bei den Moskauer Beratungen im Jahre 1947 ein positives Er- gebnis erwartet, und es wäre damals möglich gewesen, den Staatsvertrag herbeizuführen.

Dann aber kam der folgenschwere Wende- punkt. An den Londoner Beratungen hat noch ein kommunistischer Abgeordneter dieses Hauses teilgenommen; von den Moskauer Beratungen haben die Regierungsparteien uns Kommunisten ausgeschaltet. Das war nur ein Symptom der neuen Lage. Man soll mich nicht mißverstehen, es war für uns nicht irgendein Parteiinteresse, an diesen Beratungen teilzunehmen, aber ich glaube, als Österreicher hätten wir bei den Moskauer Beratungen unserer Heimat gewiß noch bessere Dienste leisten können als bei den LondonerBeratungen.

Zwischen den beiden Beratungen aber hat sich die weltpolitische Atmosphäre entscheidend geändert. Die Begleitmusik zu den Moskauer Beratungen war die berüchtigte Truman- Doktrin, die Proklamierung des kalten Krieges gegen die Sowjetunion. Es war ein verhängnis- voller Entschluß der bei den Regierungsparteien, Österreich in diesen kalten Krieg einzu- schalten. Es wäre die Aufgabe jeder ver-

nünftigen, verantwortungsbewußten öster- reichischen Außenpolitik gewesen, Österreich unter allen Umständen aus dem kalten Krieg herauszuhalten, mit größter Sorgfalt jede einseitige Stellungnahme zu vermeiden. Das ist nicht geschehen, sondern die österreichische Regierung hat sich einseitig auf Amerika orientiert und sich dazu hergegeben, das Spiel der Amerikaner zu spielen. Das hat nicht nur die Lage Österreichs äußerst kompliziert ge- staltet, sondern ich glaube, es war auch vom Standpunkt der Regierungsparteien auf längere Sicht eine Fehlspekulation. Die Regierungs- parteien haben offenkundig die Kraft Amerikas bei weitem überschätzt und die Kraft der Sowjetunion bei weitem unterschätzt. Sie haben sich eingebildet, Amerika würde die Sowjetunion aus Österreich hinausdrängen und unser Land militärisch und politisch an den Westen anschließen. Wir haben stets vor einer solchen Fehlspekulation gewarnt und die Teilnahme Österreichs am kalten Krieg gegen die Sowjetunion als ein verrücktes und gefährliches Abenteuer charakterisiert. Aber die Regierungsparteien haben an das sagen- hafte amerikanische Jahrhundert geglaubt und den Amerikanern bedingungslos Gefolg- schaft geleistet. Sie haben Österreich immer tiefer in eine Sackgasse hineinmanövriert.

Außenminister Dr. Gru ber hat am 5. März 1948 im Hauptausschuß des Parlaments er- klärt: "Ein Abschluß des Staatsvertrages kommt erst in Frage, wenn in Europa eine Machtverschiebung zugunsten der Westmächte erzielt ist." Mit dieser Erklärung wurde damals zweierlei zugegeben: erstens, daß die Westmächte es waren, die den Staatsvertrag verschleppten, daß sie nur bereit waren, einem Staatsvertrag unter westlicher Hege- monie zuzustimmen, und zweitens, daß die österreichische Regierung einen Sieg der West- mächte im kalten Krieg erwartete. Aber der kalte Krieg hat einen anderen Verlauf ge- nommen als die amerikanischen Imperialisten und ihre europäischen Satelliten erwarteten.

Die weltpolitischen Kräfteverhältnisse haben sich nicht zugunsten der Westmächte, son- dern - und zwar entscheidend - zugunsten der Sowjetunion und ihrer Bundesgenossen geändert.

Ich weiß nicht, ob dieser Umschwung allen Österreichern schon genügend zum Bewußtsein gekommen ist. Ich möchte mich daher auf den klügsten amerikanischen Journalisten, auf Walter Lipman, berufen, der im Oktober 1949 von einer ernsten Erschütterung der amerikanischen Außenpolitik sprach. Walter Lipman hat von fünf Ereignissen gesprochen, die zu dieser Erschütterung führten. Das erste Ereignis war der Zusammenbruch Tschiangkaischeks, die weltpolitische Nieder-

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18. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich. - VI. G. P. - 14. März 1950. 479 lage Amerikas in China. Das zweite Ereignis

war die Krise des Sterlingblocks und damit des Marshall-Planes. Das dritte war die Atomexplosion in der Sowjetunion, die Er- kenntnis, daß die Sowjetunion in der Ver- wertung der Atomenergie die Vereinigten Staaten von Amerika mindestens eingeholt, vielleicht überholt hat. Das vierte Ereignis war die Errichtung der deutschen demo- kratischen Republik in Ostdeutschland und das fünfte war - immer nach Walter Lip- man - der schwere Konflikt innerhalb der amerikanischen Streitkräfte, die strategische Krise, die dadurch entstanden ist, daß nahezu das gesamte Rüstungsbudget der Vereinigten Staaten - und das sind 70 Prozent des Gesamtbudgets - für Atombomben und Flugzeuge verausgabt werden, während man die Flotte vernachlässigt und an Landstreit- kräften nicht mehr als ein paar Divisionen hat.

Diese fünf Ereignisse hat Walter Lipman als eine schwere Krise der amerikanischen Außenpolitik gewertet und der amerikanischen Regierung den Rat gegeben, den kalten Krieg einzustellen. Die Westmächte haben den kalten Krieg verloren, und je unbelehrbarer sie ihn fortsetzen, desto unangenehmere Über- raschungen werden sie erleben.

Was bedeutet nun die neue weltpolitisehe Situation für Österreich 1 Sie bedeutet vor allem, daß die Westmächte im Augenblick nicht bereit sind, ihre Truppen aus Österreich zurückzuziehen, daß sie sich mit Zähnen und Klauen an die österreichische Alpenfestung anklammern. Das wissen alle nüchternen Beobachter, das wissen auch die führenden österreichischen Regierungspolitiker . Ich möchte aus vielen Berichten, in denen das mehr oder minder offen gesagt wird, nur einen ein- zigen herausgreifen. Der bekannte englische Journalist Alexander Weerth hat in der Labour- Zeitschrift "New Statesman and Nation"

einen Bericht über Österreich veröffentlicht, in dem es heißt (liest): "Die Amerikaner - oder zumindest sehr wichtige Amerikaner - wollen dableiben, das ist bekannt. Und was die Franzosen anbelangt, so machen sie kein Geheimnis daraus, daß sie eine Evakuierung Österreichs für einen schweren Fehler halten würden. General Bethouart, der französische Hochkommissar, hat diesbezüglich eine sehr ausgeprägte Meinung. Ein hoher französischer Beamter sagte mir in Innsbruck: Wenn wir Österreich verlassen, erzeugen wir ein mili- tärisches Vakuum, das die Russen früher oder später, so oder so ausfüllen werden. Wir haben natürlich versucht, eine österreichische - eine prowestliche österreichische Armee - auf die Beine zu bringen, aber die Russen wollen nichts davon hören. Was liegt daran ~

Wir bleiben eben da."

So weit der englische Berichterstatter. Ich möchte mit Stillschweigen übergehen, was er über die Haltung einiger Österreicher sagte, mit denen er sprach, weil diese Haltung diesen Österreich ern nicht zur Ehre gereicht. Klar ist das eine: Die Westmächte wollen sich dauernd in Österreich festsetzen. Für sie ist Österreich einzig und allein aus strategischen Gründen interessant. Selbstverständlich ver- suchen sie vor der österreichischen Öffentlich.

keit die Schuld an der Verschleppung des Staatsvertrages von sich auf die Sowjetunion abzuwälzen, und sie werden bei dieser Propa.

ganda von den österreichischen Regierungs.

parteien unterstützt. Hinter dem Rücken der Öffentlichkeit hat die österreichische Regierung eine Note an die Sowjetregierung gerichtet, in der sie sich zum Advokaten der Westmächte machte und behauptete, es sei den Vertretern der Westmächte außerordentlich schwierig, die Erörterung einzelner Vertra,gsartikel fort.

zusetzen. Eine solch einseitige Parteinahme in einer Note an eine Großmacht ist gewiß nicht im Interesse Österreichs und kann nur damit erklärt werden, daß die österreichische Re- gierung mehr oder minder Vollzugsorgan der amerikanischen Politik geworden ist.

Die Westmächte und in ihrer Gefolgschaft die österreichischen Regierungspolitiker und Regierungsjournalisten behaupten, der Staats- vertrag werde nur durch die Forderung der Sowjetunion nach Bezahlung der Lebensmittel.

schulden aufgehalten. Wie sieht es nun wirk- lich aus? Die Frage der Bezahlung der Lebens.

mittelschulden wurde seinerzeit auf Antrag der Westmächte aus den Beratungen der Be.

vollmächtigten für den Staatsvertrag aus- geschaltet und zum Gegenstand zweiseitiger Verhandlungen zwischen der Sowjetunion und Österreich gemacht. Diese Frage kann daher die Beratungen der Bevollmächtigten in keiner Weise aufhalten; sie ist außerdem, wie ge- legentlich auch der Herr Außenminister fest- stellte, von untergeordneter Bedeutung, da es sich nicht um politische Probleme, sondern um relativ geringfügige Beträge handelt.

Vor den Bevollmächtigten der Großmächte stehen jedoch weit ernstere, weit größere Fragen zur Diskussion, und die Westmächte weigern sich in der letzten Zeit hartnäckig, in diese Diskussion einzutreten. Es geht vor allem um die sogenannten Restitutionsansprüche west- licher Kapitalisten in Österreich. Im Artikel 42 des Entwurfes des Staatsvertrages heißt es (liest): "Die österreichische Regierung soll dafür verantwortlich sein, daß das den Staats- angehörigen der Vereinten Nationen zurück·

zugebende Eigentum in vollkommen guter Ordnung zurückgestellt wird. In Fällen, in denen das Eigentum nicht zurückgegeben werden kann, oder wenn ein Staatsangehöriger

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480 18. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich. - VI. G. l~. - 14. März 1950.

der Vereinten Nationen als Folge des Krieges einen Verlust auf Grund eines Unrechts oder einer Beschädigung seines in Österreich be- findlichen Eigentums erlitten hat, soll derselbe von der österreichischen Regierung eine Ent- schädigung in Schillingen in der Höhe von zwei Dritteln jener Summe erhalten, die am Zahlungstag notwendig ist, um ein ähnliches Gut zu erwerben oder den erlittenen Verlust wieder gutzumachen."

Wenn also amerikanische Bomben den Be- trieb eines Amerikaners in Österreich be- schädigten oder wenn dieser Amerikaner seinen Besitz an eine deutsche Firma verkaufte und später erklärt, das sei unter Druck geschehen, muß das österreichische Volk ihn dafür be- zahlen. Zu diesen alliierten Staatsbürgern, denen Österreich alle Kriegsschäden bezahlen soll, gehören die Herren Rothschild, Mandl, Starhemberg und viele andere Kapitalisten, die eine fremde Staatsbürgerschaft erworben haben und nun von Österreich Wiedergut- machung beanspruchen, Wiedergutmachung, die es für keinen einzigen österreichischen Ausgebombten gibt. Die Kosten dieser Wieder- gutmachung an ausländische Kapitalisten wurden seinerzeit von dem Minister Krauland noch vor der Schillingabwertung mit mindestens 6 Milliarden Schilling beziffert.

Im Artikel 48 wird Österreich verpflichtet, Vorkriegsschulden zu bezahlen, auch dann, wenn sich die Gläubiger nach 1938 mit dem Deutschen Reich ausgeglichen haben. Die Kosten, die der Artikel 48 uns auferlegt, wurden ebenfalls vor der Schillingsabwertung mit ungefähr einer Milliarde Schilling be- ziffert. Zu diesen unberechtigten Forderungen an Österreich hat das Organ der britischen Besatzungsmacht, die "Weltpresse", am 2. März 1950 mit kühlem Zynismus geschrieben (lie8t) : "Es handelt sich dabei um keinerlei Kompensationen. Die Westmächte verlangen lediglich, daß Österreich nicht daran gehindert wird, die Verantwortung für Anleihen vor dem Anschluß zu übernehmen; sie handehl dabei in Übereinstimmung mit der erklärten Absicht der österreich ischen Regierung".

Das klingt so, als ob das österreichische Volk den sehnsüchtigen Wunsch hätte, seinen ge- winnsüchtigen Vorkriegsgläubigern - die sich zum großen Teil mit dem Deutschen Reich ausgeglichen haben-, eine Milliarde in den Rachen zu werfen; und diese Sehnsucht des österreichischen Volkes wollen die bösen Russen hintertreiben. Die "Weltpresse" sagt, es sei der Wunsch der österreichischen Regierung, den westlichen Kapitalisten diese Milliarde zu bezahlen. Entweder hat die

"Weltpresse" gelogen - was ich für durchaus möglich halte - oder die österreichische

Regierung hat hier auf Kosten der Steuerzahler einen Wunsch geäußert, der den Interessen des Volkes offenkundig ins Gesicht schlägt.

Der Artikel 16 betrifft jene sogenannten displacecl persons, die in Lagern wohnen und sich nicht in den Arbeitsprozeß eingegliedert haben. Sie kosten uns Jahr für Jahr mehr als 100 l\fillionen Schilling. Der seinerzeitige Be- schluß des Parlaments, diese Zahlungen ein- zustellen, hat nichts genützt. Österreich be- zahlt nach wie vor diese Privatarmeen der Westmächte in Österreich.

Ich möchte ausdrücklich und noch einmal feststellen: Wir wenden uns nicht gegen jene deutschsprechenden Arbeiter, Bauern und In- tellektuellen, die ohne ihr Verschulden durch die Völkerwanderung des Krieges und der Nach- kriegszeit nach Österreich hereingeschwemmt wurden und die sich hier bemühen, ehrlich zu arbeiten. Wir wenden uns ausschließlich gegen jene Landsknechte, Abenteurer und Schmarotzer, die unter dem besonderen Schutz der Westmächte stehen, die Ruhe unseres Landes gefährden und obendrein von uns bezahlt werden müssen.

Die Amerikaner sagen uns, die Besoldung dieser faschistischen Überbleibsel der bunt zusammengewürfelten Hitlerarmee und anderer faschistischer Ausländer sei ein Gebot der Menschlichkeit. Bitte, dann sollen die Ameri- kaner nicht auf unsere Kosten menschlich sein.

Sie sind reicher als wir, sie sollen diese Fa- schisten mit Sack und Pack übernehmen und nach Amerika transportieren, und wir alle werden aufatmen, wenn wir sie los sind.

Schließlich steht noch der Artikel 27 zur Diskussion, der es Österreich zwar nicht ge- stattet, militärische Fachleute zu übernehmen, die deutsche Staatsbürger sind, wohl aber militärische Fachleute jeder anderen Nationali- tät. Es ist wohl nicht das Interesse Österreichs, ausländische militärische Fachleute zu über- nehmen, Fachleute von der Art jener berüch- tigten Ratgeber, von denen z. B. Tschiang- kaischek reichlich umgeben war.

Es kann wohl niemand leugnen, daß alle diese noch strittigen Artikel des Staatsver- trages ungleich bedeutungsvoller sind als die Bezahlung der Lebensmittelschulden. Aber die Westmächte weigern sich hartnäckig, in eine Diskussion über diese Artikel einzugehen, und verschleppen dadurch den Abschluß des Staats- vertrages. Die österreichischen Regierungs- politiker und Journalisten sagen jedoch kein Wort über diese Forderung der Westmächte, sondern schreiben nur über die sogenannten Erbsenschulden. Ist das Neutralität 1 Ist das Unabhängigkeit ~ Ist das nicht bewußter Handlangerdienst für die westlichen Saboteure des Staatsvertrages ~

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18. Sitzung des Nationalra.tes de.<' Ropublik Österreich. - YI. G. P. - 14. l\läl'z W[iO. 481 Wir stehen noch einer viel ernsteren Ein-I österreich, irgendeinen Anschluß an Deutsch- seitigkeit der österreichischen Regierung gegen- land wünscht. Wohl aber gibt es in Österreich über. Die Note der österreichischen Regierung Gruppen, deren politische Tätigkeit in dieser an die vier Großmächte hat eine merkwürdige Richtung zum äußersten Mißtrauen heraus- Vorgeschichte. Die österreichische Öffentlich- fordert. Ich spreche vor allem vom VdU.

keit hat zum ersten Male durch die Meldung des Herrn Kraus. Der Herr Dr. Kraus einer französischen Nachrichtenagentur er- selber ist ein Politiker mit einer recht un- fahren, daß eine solche Note überreicht wurde, durchsichtigen Vergangenheit. Er war im und zwar damals nur an die Westmächte. Es Hitler-Deutschland ein Experte für Ostpolitik ist klar, daß die Umgehung der Sowjetunion und hatte mit Dingen zu tun, die man eigent.

als eine politische Herausforderung angesehen lieh nur Spionen anvertraut. Wer von werden könnte, und es scheint, daß es über Hitler-Deutschland vor Ausbruch des Krieges diese Frage auch innerhalb der Regierungs- als Journalist nach Moskau geschickt wurde, koalition zu Meinungsverschiedenheiten ge- genoß die hohe Gunst der deutschen Spionage- kommen ist. Wir haben damals die berechtigte abteilung. (Abg. Hartleb: Und was haben Sie Frage gestellt, was mit dieser Einseitigkeit in M oskau getan?) Ich habe den Kampf gegen beabsichtigt sei, und einige Tage später hat Hitler-Deutschland unterstützt zum Unter- sich die Regierung bereitgefunden, auch an die schied von dem Spion Dr. Kraus, der dort als Sowjetunion eine ähnliche Note zu richten. Beauftragter Hitler-Deutschlands war.

Die vorangegangenen Noten an die West- (Zwischenrufe beim KdU.)

mächte waren, wie später bekannt wurde, Nach dem Überfall auf die Sowjetunion war keineswegs das Ergebnis einer österreichischen Dr. Kraus wie der amerikanische Journalist Initiative, sondern sie wurden auf Bestellung eurt Riess berichtet, der sogenannten Wlassow- der Westmächte geliefert. Über die Ent- Armee zugeteilt, diesem berüchtigten Heer- stehung dieser Noten hat die "Arbeiter- haufen von Weiß gardisten und Landesver- Zeitung" am 10. März folgendes mitgeteilt rätern im Rahmen der Hitlerarmee. Um eine·

(liest): "Diese Vorschläge sind vor einigen solche Stellung einzunehmen, mußte man das Tagen in Beantwortung einer Aufforderung volle Vertrauen des deutschen Spionage.

der Westmächte an die österreichische dienstes genießen. Herr Kraus hat seine Regierung ergangen." Also nicht die öster- Verbindung mit jenen westdeutschen Politikern reichische Regierung ist auf den Gedanken und Offizieren keineswegs abgebrochen, im gekommen, eine Erleichterung des Besatzungs- Gegenteil, er arbeitet mit mehr als frag- regimes mit diesen Noten zu beantragen, würdigen Leuten in Westdeutschland zu- sonden1 sie wurde von den Besatzungsmächten sammen, und es war die Presse der ÖVP, aufgefordert, einen solchen Schritt zu unter- der stärksten Regierungspartei, die vor einigen nehmen. Offenkundig war es den West- Monaten einen Zipfel dieser Geheimnisse mächten darum zu tun, zu Sonderverein- lüftete. Der VdU, genauer gesagt, der engere barungen mit der österreichischen Regierung Führerkreis des V dU, ist keine österreichische zu gelangen und dadurch eine einheitliche Organisation, sondern der Teil eines pan- Regelung zu torpedieren. Das ist ein äußerst germanistischen, faschistischen Spinnennetzes, gefährliches Spiel, und man kann die Regierung das mit hundert Fäden nach Westdeutschland nur dringendst warnen, sich in einseitige und anderswo hineinreicht. (Zwischenrufe beim Verhandlungen mit den Besatzungsmächten KdU.) Es wäre hoch an der Zeit, daß Österreich einzulassen. Auf jeden solchen Schritt folgt einen solchen politischen Abenteurer und ein nächster Schritt, und das Ende ist unab- Scharlatan, wie es der Herr Dr. Kraus ist, sehbar. Wir wollen nicht nur ein unabhängiges, abschüttelt, vor allem in der außenpolitisch sondern auch ein ungeteiltes Österreich, und nicht ungefährlichen Situation, in der wir nicht ein Auseinanderklaffen in Ost österreich uns befinden. Die Situation ist deshalb nicht und Westösterreich; wir wollen nicht noch ungefährlich, weil die Westmächte offenkundig tiefer in die Zoneneinteilung hineingeraten. bemüht sind, ihre ramponierten Positionen In diesem Zusammenhang erscheint es mir

I

unter allen Umständen zu festigen, um den geboten, ein paar Worte über den vielbe- kalten Krieg mit verschärften Methoden fort- sprochenen Artikel der "Times" zu verlieren. zusetzen.

Die "Times" haben behauptet (lie8t): "Wieder- Der amerikanische Außenminister Acheson einmal wird die Idee eines Anschlusses an hat die Mobilisierung aller Kräfte im kalten Deutschland nicht nur von den Nazis und Krieg gefordert und von einer totalen Diplo.

traditionellen Pangermanisten diskutiert, matie, also von einem totalen kalten Kriege sondern auch von den Bewohnern Westöster- gesprochen. Wir haben das Wort vom totalen reichs." Ich glaube, man muß diese Behaup· Krieg noch gut in Erinnerung. Acheson hat tung entschieden zurückweisen, daß unser eine Unterredung zwischen Truman und Volk, sei es in Westösterreich oder in Ost- _ Stalin kategorisch abgelehnt und erklärt, man

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·182 18. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich. - VI. G. P. - 14. März 1950.

müsse der Macht der Sowjetunion eine ent- sprechende Machtstellung Amerikas und des Westens an allen kritischen Punkten der Welt entgegensetzen. Zu diesen kritischen Punkten gehört auch Österreich. So haben wir damit zu rechnen, daß die Westmächte ent- schlossen sind, den kalten Krieg in Österreich nicht abzubauen, sondern zu verschärfen, daß sie zum Unglück unseres Landes ent- schlossen sind, zu einer Politik ernsterer Provokationen überzugehen. Je tiefer Öster- reich in dieses Spiel hineingerissen wird, desto problematischer wird seine Lage. Man kann der Regierung nur zurufen: Hände weg von diesem Spiel mit dem Feuer! Die Fehl- spekulation der einseitigen Westorientierung hat schon bisher in eine Sackgasse geführt.

Wenn man in einer Sackgasse ist, muß man umkehren. Freilich, man kann auch ver- suchen, Sprengstoff herbeizuschaffen, um die Sackgasse in die Luft zu sprengen; aber die Folgen sind unberechenbar, unabsehbar.

"Der Nationalrat erhebt leidenschaftlichen Protest gegen die Verschleppung des Staats- vertrags und die dauernde Besetzung Öster- reichs. Der Nationalrat fordert von den Großmächten, daß sie endlich ihr Ver- sprechen wahrmachen und den Staats- vertrag unter Dach und Fach bringen.

Um seinen Willen zur vollen Unabhängig- keit zu bekunden, erklärt der Nationalrat feierlich:

daß er die Regierung verpflichtet, den Staatsvertrag unter keinen Umständen durch Sonderverträge zu ersetzen;

daß er die Regierung verpflichtet, nach Abschluß des Staatsvertrags auf dem Abzug aller Truppen zu bestehen und sich in keiner- lei Sondervereinbarungen einzulassen, auf Grund welcher eine oder mehrere der Besatzungsmächte das Recht erhalten würden, unter irgendeinem Vorwand ihre Truppen in Österreich zu belassen oder wieder nach Österreich zurückzuführen;

Die bisherige Außenpolitik war nicht im-

stande ihre eigentliche und einzige große daß er die Regierung verpflichtet, auch Aufgabe zu erfüllen, den Staatsvertrag, die

I

nach Abschluß des Staatsvertrages keinerlei Unabhängigkeit Österreichs herbeizuführen. militärische Verpflichtungen zu übernehmen, Sie hat im Gegenteil eine sehr kritische keinerlei Stützpunkte (Flugplätze usw.) fremder Mächte zuzulassen und Österreich Situation herbeigeführt.

nicht in das System des Atlantikpakts ein- Die Frage lautet jetzt: Wie kann man diese zugliedern, sondern seine Unabhängigkeit Situation überwinden? (Zwischenrufe beim zu wahren und dadurch der Sache des KdU.) Man müßte nicht nur durch Worte, Friedens zu dienen.

sondern durch die gesamte Politik klarmachen,

daß Österreich unter allen Umständen ent- An diese feierliche Erklärung knüpft der schlossen ist, unabhängig zu sein, sich in Nationalrat den dringenden Appell an die keinen Mächteblock, in keine bewaffnete Großmächte, etwa noch bestehende Hinder- Alliance einzugliedern, die Beziehungen zum, nisse für den Staatsvertrag unverzüglich Osten nicht weniger freundschaftlich zu ge- hinwegzuräumen und Österreich endlich die stalten als zum Westen. Man müßte klar- lange vorenthaltene Freiheit und Unab- machen, daß Österreich unter keinen Um- hängigkeit wiederzugeben."

ständen bereit ist, eine Festung für fremde Ich bitte den Herrn Präsidenten, nach Been- Mächte zu sein, fremde Stützpunkte auf seinem digung meiner Ausführungen die Unter- Territorium zu dulden, für fremde Interessen stützungsfrage zu stellen.

die Kastanien aus dem Feuer zu holen daß; Meine Damen und Herren! Die ganze Welt es unter keinen Umständen bereit ist, an steht vor einer ungeheueren Entscheidung.

einem kalten Krieg teilzunehmen, der immer Der kalte Krieg kann nicht unbegrenzt weiter- die Gefahr des blutig heißen Krieges in sich gehen. Er muß entweder in den heißen Krieg birgt. Man müßte den Großmächten klar- umschlagen oder durch eine internationale machen, alle Bemühungen sind umsonst, Verständigung, das heißt vor allem durch eine Österreich in einen Block hineinzulocken, Verständigung zwischen den Vereinigten seine Industrie, seinen Handel nach strate- Staaten von Amerika und der Sowjetunion gisehen Gesichtspunkten einzurichten oder beendet werden. In den nächsten wenigen auszurenken, aus unserem Volk Kanonen- Jahren wird sich entscheiden, ob die Mensch- futter herauszuholen. Das alles müßte man heit über sich selbst das Jüngste Gericht den Großmächten klarmachen, um ihr höchst heraufbeschwört, oder ob sie die weltgeschicht- gefährliches Interesse an Österreich etwas liehe Krise überwindet Ich bin ··berzeugt

abz~kühlen

und aus der überhitzten Atmo- die Vernunft wird

schli~ßlich

stärk:r sein

al~

sphare herauszukommen.

I

der Wahnsinn. Die Kräfte des Friedens werden Ich appelliere daher an alle Abgeordneten, stärker sein als die Kräfte des Krieges. Aber folgender Entschließung zuzustimmen

I

der Friede wird den Völkern nicht geschenkt,

(liest) : sie müssen um ihn kämpfen. Warum können

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18. Sitzung des Nationalrat.es der Republik Österreich. - VI. G. P. - 14. März 1950. 483 wir in dieser Frage auf Tod und Leben den leb: Seit wann denn? - Abg. Ing. Raab:

Kampf der Parteien nicht. zurückstellen? lV ie man e8 braUcht!), ohne daß sie genötigt In dieser Budgetdebatte haben Sprecher sind, Gegensätze durch Krieg auszutragen. Die der Regierungsparteien voll Haß die öster. Frage von Krieg und Frieden darf nicht allein reichischen Friedensräte angegriffen. Warum den Regierungen überlassen bleiben, sondern eigentlich 1 Wenn die Nazipartei, wenn die die Völker selbst müssen das entscheidende Kriegspartei das tut, bleibt sie nur ihrem Wort sprechen. Das österreichische Volk kann Wesen getreu (Zwischenrufe beim KdU - Abg. in diesem Kampf um den Frieden eine ehren·

Hartleb: Sie Lügner Sie I), aber ich kann volle Aufgabe übernehmen. Wenn sich Öster.

nicht verstehen, daß Demokraten da mit- reich entschlossen weigert, den kalten Krieg machen. Sie werfen den Friedensräten vor, auf irgendeine Weise zu unterstützen, wird sie seien kommunistische Organisationen. Sie das über die Grenzen unseres Landes hinaus sind es nicht; sie bestehen in ihrer großen seine Wirkung nicht verfehlen. Österreich steht Mehrheit aus Nichtkommunisten. (Zwi·1 vor einer sehr ernsten Entscheidung. Möge schenrufe.) Aber es liegt ja an Ihnen, diese I es nicht den kalten Krieg wählen, sondern den nichtkommunistische Mehrheit wesentlich zu Frieden und die Unabhängigkeit! (Zwischen.

vergrößern. Ich wende mich an den Präsidenten j'ufe.)

des Österr~ichischen Gewerkschaftsbundes, ich Präsident: Der Herr Abg. Fischer hat einen wende mIc~l an. alle Gewerkschafter: Ver· Antrag vorgetragen, der nicht genügend unter.

anlassen SIe dIe Gewerkschaften, an der

I

stützt ist. Ich stelle daher die Unter·

F~iedensbe~egung te~lzu~ehmen, ~ann h~ben stützungsfrage und bitte jene Frauen und SIe doch. ~Ie GarantIe e~ner ma~sIven m~ht. Herren, die dem Antrag ihre Unterstützung k~~mumstischen MehrheIt und dIenen gleICh. geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben.

zeItIg dem ~rogramm des Ge~erkschaft~. (Geschieht.) Der Antrag ist nicht genügend bundes, der semem Wesen nach eme Orgam- unterstützt und steht daher auch nicht in sati?n. des Friedens ist. (Zwi8chenrufe bei den Verhandlung. (Abg. H onner: Die Kriegstreiber Soz~alMten.) sind dagegen! - Lachen und Zwischenrufe bei

Der zentrale österreichische Friedensrat hat den Regierun(}8parteien.) für den Juni einen österreichischen Friedens-

kongreß einberufen. Ich denke, jeder Demo- Ich unterbreche nun die Verhandlung krat, jeder Friedensfreund, kann und muß zum Zwecke der Abstimmung über die die fünf Punkte bejahen, die das Programm erledigten Gruppen I, 11 und V.

des Friedenskongresses sind: 1. daß es in Bei der Abstimmung wird Österreich keine Kriegshetze und keine sonstige den Gruppen

Bedrohung des Friedens geben darf; 2. daß der Staatsvertrag so rasch wie möglich ab·

geschlossen werde und die fremden Truppen so rasch wie möglich abziehen sollen; 3. daß dem Wettrüsten Einhalt geboten werden muß;

4. daß wir ein Verbot der Atomwaffen sowie

I: Kapitell: Bunde8präsident und Prä8i·

dentschaftskanzlei, Kapitel 2: Organe der Bundesgesetzgebung, Kapitel 3: Gerichte des öffentlichen Rechte8, Kapitel 3a: Rechnung8' hof und

ähnlicher der Massenvernichtung dienender 1I: Kapitel 7: Bundeskanzleramt, Kapitel 28, Kriegsmittel erreichen müssen und 5. daß die Titel 6: Staatsdruckerei,

Großmächte einen Friedenspakt abschließen

sollen. in der beantragten Fassung mit großer Mehr·

heit die Genehmigung erteilt.

Sind . das parteipolitische Forderungen?

Das sind die Forderungen aller Menschen, die Bei Gruppe 11 stimmt ein Teil des KdU den Krieg verabscheuen und einen endgültig dafür, ein Teil dagegen. (Abg. lV eikhart:

gesicherten Frieden herbeisehnen. Im Finanzausschuß dafür, im Haus dagegen!

.. . .. . . - Ruf: Der eine saß, der andere stand ....

. Herr Prasident Bohm hat m eu;ter de.r letzten Heiterkeit. _ Abg. Hartleb: Wir sind SIt~ungen des Pa~lame~ts an ~ICh ~Ie Frage I autonom! Sie wollen immer mit uns herum.

gerIchtet, ob die Friedensrate eme Ver-I schaffen! _ Der Präsident gibt das Glocken.

ständigung zwischen Amerika und der Sowjet- zeichen.) union anstreben. Jawohl, Herr Präsident,

genau das streben sie an' denn ohne diese Die Ausschuß-Entschließung (Forderung Verständigung der Gigant~n gibt es keinen. v~ Mitteln der Ma:shall-P~an.Hilfe für die Frieden in der Welt. Sie ist die Voraussetzung

I

W~e~erher8tellung krzegsz~1'storter Wohnungen eines gesicherten Friedens in der ganzen Welt'lsow~e des Hausrats) w'trd ebenfalls ange·

Wir sind überzeugt, die Welt des Sozialismus! nommen.

und die Welt des Kapitalismus können neben·

I

Sodann wird die Gruppe V: Kapitel 10:

einander bestehen (Zwischenrufe: Abg. Hart· Justiz, genehmigt.

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484 18. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich. - VI. G. P. - 14. März 1950.

Zu der vom Abg. Dr. Pfeifer beantragten haus in London. In der letzten Sitzung vom Dreipunkte-Entschließung (Auflösung der Ü. Jänner d. J. verlangte der amerikanische Volksgerichte, Behandlung von Volksgerichts- Beauftragte Reber Klarheit innerhalb kürzester häfUi·n,gen als politische Gefangene und Fest- Zeit, sonst müßten die Gründe für die Ver- setzung einer allgemein gültigen Höch8tdauer schleppung des österreichischen Staats ver- der Untersuchung8haft) erklärt trages "außerhalb des Staatsvertrages" zu

Spezialberichterstatter Mark: Ich muß dem suchen s~il1. Er sagte wei~er ~örtlich (liest):

Haus empfehlen, die Entschließung abzulehnen, "Es schelllt uns weder vernun:t:tIg noch gerecht, weil auch der Budgetausschuß sie abgelehnt I daß man von uns erwart.~t, WIeder zu.samI?en- hat, insbesondere deshalb, weil der erste Teil des zutreten~ nur um zu ~oren, da~ WIr kemen Antrages bereits im vorigen Jahr angenommen FortschrItt mache~ k?nn~n. DIe. Ve~h~nd­

worden ist. lungen schleppen sICh m elller Welse hlll - dies noch die Worte Rebers - , "die über jede Die Entschließung Dr. Pfeifer wird ab- Vorstellungskraft hinausgeht." Das Gelöbnis,

gelehnt. ein befreites Ötserreich mit voller Souveränität

Präsident: Wir setzen die SpeziaIde batte wieder auferstehen zu lassen, sei schon vor über die Gruppe III fort. mehr als sechs Jahren seitens der Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion (Präsident Böhm übernimmt den V01·sitz.) feierlich gegeben worden, die gemeinsame Abg. Dr. Korel: Hohes Haus! Wenn man

von einer österreichischen Außenpolitik spricht, so ist das vielleicht eine Übertreibung. Man kann nur von der außenpolitischen Lage sprechen, und diese ist wahrhaftig traurig genug. Wir Österreicher sind auf diesem Gebiet fast völlig zur Passivität verurteilt, zur Leideform, zu einer Form des Leidens, die in der Weltgeschichte fast ihresgleichen sucht.

Man kann daher von der österreichischen Außenpolitik fast nur mit gedämpfter Stimme sprechen.

Der Appell an die Welt ist unser einziges Mittel, und sein Erfolg hängt nicht von der Lautstärke ab, sondern von der Empfänglich- keit der Welt für Recht und Gerechtigkeit.

Friedrich Hebbel hat den denkwürdigen Aus- spruch geprägt: "Österreich ist eine kleine Welt, in der die große ihre Proben hält."

Darin liegt eine tiefe Wahrheit und zugleich die Tragik unseres gegenwärtigen Seins.

Der Zustand, in dem sich die Welt augen- blicklich befindet, wird durch das Wort vom

"kalten Krieg" trefflich gekennzeichnet. Er hat Österreich wieder einmal zu einem neu- ralgischen Punkt besonderer Art gemacht. Die durch das gegenseitige Mißtrauen vergiftete Weltatmosphäre hat der Menschheit die längst verheißene Freiheit von Furcht noch immer nicht gebracht. Wie gewaltig war die Friedens- sehnsucht der Menschen vor fünf Jahren, wie groß ihre Hoffnungen, genährt durch die feierlichsten, von allen Seiten abgegebenen Versprechungen! Nun halten die Großmächte bei der 251. Sitzung über den Staatsvertrag für das kleine, angeblich längst befreite Öster- reich und mit knapper Mühe gelang es den Diplomaten, den Termin der 252. Sitzung für den 26. April d. J. festzulegen. Im ver- gangenen Jänner jährte sich zum drittenmal der Beginn der Verhandlungen im Lancaster-

Pflicht der vier Weltmächte ist geschichtlich eindeutig festgelegt.

Angesichts dieses Tatbestandes berührt es mehr als merkwürdig, wenn der Renegat und politische Desperado Erwin Scharfim "Neuen Vorwärts" schreibt: "Die österreichische ~e­

gierung fürchtet zweiseitige Verhandlungen mit der Sowjetunion wie der Teufel das Weih- wasser." Solche zweiseitigen Verhandlungen können überhaupt nur mit Zustimmung aller vier Großmächte den normalen Staatsvertrags- verhandlungen subordiniert werden. Diese zweiseitigen Verhandlungen, die augenblick- lich geführt und gleichzeitig nicht geführt werden, sind ja auch die Ursache der augen- blicklichen Stockung.

Im übrigen - wer hört schon auf Erwin Scharf (Abg. Scharf: Dr. Korel I), der sich um den letzten Rest seines ohnehin sehr bescheidenen politischen Kredites bei der österreichischen Bevölkerung gebracht hat:

des politischen Kredites, der dadurch nicht größer werden wird, daß er sich jetzt mit einem zweiten Renegaten verbündet hat,· den er zu seinem Pressechef ernannt hat. Rene- gaten müssen ihre Sprache bekanntlich immer steigern und überspitzen. Scharf tut das, was ein. richtiggehender österreichischer Kom- munist tun muß, er denunziert am laufenden Band und schreibt von einer, den einfachen Menschen oft unbegreiflich erscheinenden provozierenden Haltung der österreichischen Regierung. Wenn die österreichische Regierung ein Angebot macht und darauf keine Antwort erhält, dann ist das nach der Auffassung des Herrn Erwin Scharf eine Provokation.

Scharf schreibt weiter (liest): "Die Schuld für diese unerquickliche und verfahrene Situa- tion trägt die österreichische Regierung, die sich von den kapitalistischen Mächten für deren imperialistische Ziele mißbrauchen läßt. " Mit dieser Behauptung erreicht die

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18. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich. - VI. G. P. - 14. März 1950. 485 dummdreiste Lügenhaftigkeit des KP-Satel-

liten Erwin Scharf ihren Höhepunkt.

Wir sind uns, Hohes Haus, darüber im klaren: wir sind das Opfer der weltpolitischen Situation. Österreich wird seitens der Sowjet- union als eine wichtige Schlüsselposition in der internationalen Lage angesehen, und darum die augenblickliche und immer wieder in Erscheinung tretende Verschleppungstaktik.

Wenn Kanzler F i g I in den letzten Tagen das Angebot gemacht hat, die führenden Staats- männer der vier Großmächte sollten sich in Wien treffen, um die den Weltfrieden be- drohenden Gegensätze zwischen Ost und West auszugleichen und aus der Welt zu schaffen, so handelt es sich um einen ausgestreckten Fühler, um einen Versuch, der dem allgemeinen Gefühl der Beunruhigung zweifellos Rechnung trägt. Daß die drei Westmächte nichts un- versucht lassen und nichts unversucht ge- lassen haben, die Lage zu klären und zu bereinigen, ging wohl auch aus der Vorsprache ihrer drei Botschafter im russischen Außen- ministeriums am 18. Juni vorigen Jahres hervor, wo sie allerdings nicht vom Herrn Wyschinski, sondern von dessen Stellvertreter Gromyko empfangen wurden. Dieser gab die wohl kaum befriedigende Antwort, daß die Wiener Ver- handlungen über die österreichischen Nach- kriegsschulden mit Nachdruck zu Ende ge- führt werden würden. Seither sind noch immer keine Ergebnisse erzielt worden. Die vom Sowjetvertreter wiederholt abgegebene Er- klärung: wenn einmal die Frage des deutschen Eigentums geregelt sein werde, würde dem Abschluß des österreichischen Staatsvertrages nichts mehr im Wege stehen, ist wohl nach all dem, nach der Entwicklung der letzten Monate, völlig illusorisch geworden. Wir sind uns darüber im klaren und wir brauchen dazu nicht die Belehrung des Herrn Abg. Fischer.

Einseitige Lösungen kann und darf es nicht geben. Wir Österreicher wollen und brauchen eine ganze Lösung, den ganzen Staatsvertrag, eine ganze Befreiung, die vierseitige An- erkennung unserer Unabhängigkeit. Es ist nur erschütternd, wie der Welt vordemon- striert wird, wie man mit dem Schicksal kleiner, aber kulturell hochstehender Völker umgeht. Mich wundert es, daß sich die übrigen kleinen Völker dieser Erde nicht aufraffen, ihr moralisches Gewicht zugunsten Österreichs in die Waagschale zu werfen. Eine solche Solidarität wäre um ihrer eigenen Zukunft willen, in ihrem eigenen Interesse gelegen.

Die Kommunistische Partei Österreichs arbeitet mit allen nur erdenklichen Mitteln und Methoden, um die ganze Angelegenheit zu vernebeln. (Abg. Frühwirth: Fischer, die im Trüben fischen!) Die berüchtigte und

zweifellos bestellte Meldung des der Kom- munistischen Partei oder der Kominform nahestehenden und dienstbaren italienischen Blattes ,,11 paese", die österreichische Regierung sei an die amerikanische mit der Bitte heran- getreten, auch nach Abschluß des Staats- vertrages die Truppen nicht abzuziehen, gab dem Linksblock Anlaß zu der dreisten Drei- punkte-Anfrage an den Bundeskanzler. Die Serie der Brunnenvergiftungen, der Geschichts- fälschungen, seitens der Kommunistischen Partei Österreichs reißt eben nicht ab. Ihre Lügenmechanik läuft auf Hochtouren. Der oberösterreichischen "Neuen Zeit", dem Organ der Kommunistischen Partei, schien die Mache denn doch zu plump, so daß sie sich sogar zu dem Nachsatz entschloß: "Gewiß, auch die Meldung einer seriösen Zeitung muß nicht immer authentisch sein." Die Wiener- kom- munistische Zeitung und die Kommunistische Partei Österreichs sind offiziell von dieser Darstellung nicht abgerückt. Das oberöster- reichische Blatt wollte sich vermutlich gegen über diesem offenkundigen Roßtäuscherkunst- stück ein politisches Alibi verschaffen. Es geht nichts über die Schamhaftigkeit dieser Partei.

Im übrigen gehört in die gleichgeartete Propagandamaschinerie auch der von der Kommunistischen Partei aufgezogene und durchaus verlogene Friedensrummel, für den alle getarnten kommunistischen Organisa- tionen, von der "Freien Österreichischen Ju- gend" bis zum "Bund demokratischer Frauen"

eingespannt werden und für den bisweilen auch, wirklich vereinzelt, prominente Österreicher, oder solche, die es sein möchten, Staffage ab- geben. Aber, Hohes Haus, diese Tarnungs- manöver werden ja ohnehin abgelehnt, die österreichische Bevölkerung weiß um diese Dinge Bescheid.

Wie es übrigens um die Friedensbegeisterung, um die Friedensrüstung und die Friedensbereit- schaft der sogenannten Satellitenstaaten be- stellt ist, das mag aus einem Bild hervorgehen, das zwar nicht eine sozialistische Zeitung, sondern die "N eue Wiener Tageszeitung" von heute veröffentlicht: "Weibliche Angehörige der ungarischen Armee werden für ihre ,Frie- densaufgabe' geschult." Sie liegen hinter Maschinengewehren und üben sich "in Frieden" . (Heiterkeit. - Abg. H onner: Interessant, auf welche Beweise Ihr Euch stützt!) So fromm und bieder, verehrte Damen und Herren, sind die Wege der Kommunistischen Partei. Weil es der Kommunistischen Partei auf Schleichwegen gelungen ist, einige klingende Namen auf ihre Friedenskundgebungen zu bringen, schreiben sie im Maiheft ihrer Monatszeitschrift "Weg und Ziel", daß die Blüte der Intelligenz Österreichs mit den Kommunisten gehf'.

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486 18. SitzlUlg des Nationalrates der Republik Österreich. - VI. G. P. - 14. März 1950.

(Neuerliche Heite't'keit.) Mit welchen Mitteln aber der sogenannte Friedensrat, diese kommu- nistische Paraorganisation, arbeitet, das hat mein Parteifreund We i k ha r t in der vorigen Woche, wie ich glaube sagen zu dürfen, mit aUer Deutlichkeit und sehr eindrucksvoll auf- gezeigt.

In Amerika sind laut kommunistischer Dar- stellung die Kriegshetzer zu Hause (Abg. Schart: In Österreich auch!), und die Sowjetunion ist die stärkste Garantie des Friedens. In Wirklichkeit ist es so, daß beide Seiten um die Wette rüsten. Das ist die nackte, die tragische Wahrheit. Die Bilder von der Parade der Roten Armee am ersten Mai in Moskau, die Tag- und Nachtschichten der Zwangsarbeiter in den Uranbergwerken der Tschechoslowakei und des russisch besetzten Mitteleuropas einerseits und die gigantischen Rüstungsziffern des amerikanischen Senats anderseits geben die Begleitmusik zu diesen Friedensschalmeien. (Abg. Frühwirth: Und die Militärdienstpflicht der Frauen in den Volks- demokratien!) Die Welt ist in einer beklagens- werten Lage, und es braucht nicht viel Pessi- mismus, um den Totentanz der apokalypti- schen Reiter im Geiste wieder losbrechen zu sehen.

Wir Sozialisten sind immer leidenschaftliche Verfechter des Weltfriedens und der Völker- versöhnung gewesen. (Abg. Scharf: Gewesen!) Wir sind es auch heute noch und bedürfen der kommunistischen Mahnung um so weniger, als rings um uns in den Satellitenstaaten Moskaus der Rüstungstaumel losgebrochen ist.

Nicht umsonst. Hohes Haus, jagt man die westlichen Diplomaten aus diesen Ländern, umgibt man sich mit Stacheldraht und Minen- feldern (Abg. Honner: Spione!) und sperrt sieh gegen die Außenwelt mit allen erdenk- lichen Mitteln ab, um die Zeugen zu beseitigen, die etwa bestätigen könnten, wie in diesen von Frieden triefenden Ländern in Wirklichkeit der näclwte Krieg vorbereitet wird. Es fragt sich wohl, wenn eine kommunistische Zeit- schrift schreibt, "amerikanische Generale und österreichische Politiker haben wiederholt er- klärt, Österreich sei eine Bastion des Westens gegen den Osten", in welchem Sinn hier das Wort Bastion gemeint ist. Ich glaube, daß das wohl nur in kulturell-geistigem Sinne zu verstehen ist.

Wie genau man es, Hohes Haus, auf der kommunistischen Seite mit Zitaten nimmt, möge aus folgendem hervorgehen. Im heurigen Märzheft, also im letzterschienenen Heft, der Zeitschrift "Weg und Ziel", schreibt Ernst Fischer, unter dem Titel: "Der Friede und der Staatsvertrag" wörtlich (liest): Wie die von der amerikanischen Besatzungsmacht be- günstigte Zeitung "Oberösterreichische Nach-

richten" am 10. November 1949 meldete, be.

steht ein amerikanischer Plan, die österreichi- schen Zentralalpen zu einer großen Festung mit Flugzeugbasen, unterirdischen Bunkern, Artilleriebestückung und Radar auszubauen."

Ich habe hier die vollständige, zitierte Nummer der "Oberösterreichischen Nachrichten". Ich habe es mir angelegen sein lassen, sie von der ersten bis zur letzten Zeile durchzusehen und zu überprüfen. Ich habe das Zitat, auf das Herr Ernst Fischer seine Argumentation auf- baut, nicht gefunden. (Abg. Ernst Fischer:

I eh werde Ihnen die Nummer schicken!) Ich bitte darum! Das Beispiel, Hohes Haus, genügt, um die Glaubwürdigkeit dieses Muster- patrioten aufzuzeigen. (Abg. Bonner: Sie haben die falsche Nummer erwischt!) Nein, verehrter Herr Kollege, das war die Nummer vom 10. November 1949'! (Abg. Fischer:

Ich schicke Ihnen die Nummer, ich habe sie in meinem Büro liegen!) Wir verwahren uns gegen alle diese Unterstellungen und ich halte mich angesichts der schweren Situation, in der sich das österreichische Volk und der öster- reichisehe Staat befinden, für moralisch be- rechtigt, ja sogar für moralisch verpflichtet, zu erklären, daß das Spiel, das Herr Ernst Fischer hier in diesem Hause und vor der österreichischen Öffentlichkeit spielt, nichts anderes ist wie permanenter Hochverrat an diesem Volk! (Starker Beifall bei den Regie- mngsparteien. - Abg. Ernst Fischer: Sie sind geeignet, das zu behaupten! - Anhaltende Zwischenrufe. - Präsident Böhm gibt das Glockenzeichen. )

Ich komme auf die Ausführungen des Herrn Abg. Fischer zurück, auf die Ausführungen, die wir eben gehört haben. Er sprach heute von dieser Stelle aus über die täglichen An- griffe und täglichen Eingriffe der Besatzungs- behörden in unsere Unabhängigkeit, von den täglichen Übergriffen der Besatzungstruppen.

Wollte man Herrn Ernst Fischer irgendwie mit der Sowjetunion identifizieren, ich glaube, daß sich diese wirklich und vielleicht mit Grund dagegen verwahren würde, dann müßte man in diesem Zusammenhang das bekannte Goethe- Wort zitieren: Er spottet seiner selbst und weiß nicht wie. Die österreichische Bevölkerung hat es erst in den jüngsten Tagen wieder er- fahren (Abg. Ernst Fischer: In Spittal an der Drau ! ), wie Angeh örige der österreichischen Exekutive, die nichts als ihre Pflicht erfüllen, an der Zonengrenze behandelt werden! (Leb- hafte Zustimmung bei den Sozialisten.)

Den Beweis für seine Behauptung, die österl'eichische Regierung habe sich in' den kalten Krieg eingeschaltet, ist Herr Fischer ebenso schuldig geblieben wie den Beweis für alle seine übrigen sonstigen liigenhaftigen De·

duktionen ... (Abg. Scharf: Ihre Rede beweist

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