BEENDIGUNG DER AMTSZEIT VON BUNDESPRÄSIDENT
DR. HEINZ FISCHER
Freitag, 8. Juli 2016
GEMEINSAME FESTSITZUNG DES NATIONALRATES UND DES BUNDESRATES AUS ANLASS DER BEENDIGUNG DER AMTSZEIT VON
BUNDESPRÄSIDENT DR. HEINZ FISCHER
Freitag, 8. Juli 2016
Stenographisches Protokoll
Am 8. Juli 2016 treten der Nationalrat und der Bundesrat im Sitzungssaal der Bundesversammlung zur gemein- samen Festsitzung aus Anlass der Beendigung der Amtszeit von Bundespräsident Dr. Heinz Fischer zusammen.
Der Sitzungssaal ist mit roten Blumenarrangements an den Säulen sowie vor der Regierungsbank mit Grünpflanzen geschmückt. An der Stirnwand über dem Präsidium prangt die Fahne Rot-Weiß-Rot mit dem Wappen der Republik.
Auf der Regierungsbank nehmen die Mitglieder der Bundesregierung und die Staatssekretäre Platz. In den vorderen Bankreihen des Halbrunds sitzen die Abgeordneten zum Nationalrat und die Mitglieder des Bundesrates; dahinter als Festgäste Präsidenten der Höchstgerichte, die Präsidentin des Rechnungshofes, Volksanwälte, Landeshauptleute, Landtagspräsidenten, Mitglieder der Landesregierungen und Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften.
In den Balkonlogen haben sich weitere geladene Gäste, Vertreter des Diplomatischen Corps, hohe kirch- liche Würdenträger sowie ehemalige Mitglieder der Bundesregierung eingefunden. Die Galerie ist mit Repräsentanten von Interessenvertretungen, hochrangigen Persönlichkeiten aus Bereichen des öffentlichen Lebens und weiteren Besucherinnen und Besuchern voll besetzt.
Um 10 Uhr betritt Bundespräsident Dr. Heinz Fischer – unter den Klängen der von Mitgliedern der Wiener Philharmoniker vorgetragenen Festfanfare von Karl Pilss – den Saal. Er wird von der Vorsitzenden der Bundesversammlung, Nationalratspräsidentin Doris Bures, zu seinem Sitzplatz in der Mitte des Saales vor den Abgeordnetenbänken geleitet.
Das Präsidium nimmt auf der Estrade Platz. Die Präsidentin des Nationalrates Doris Bures führt den Vorsitz in der Bundesversammlung. Rechts und links von ihr sitzen der Präsident des Bundesrates Mario Lindner, der Zweite Präsident des Nationalrates Karlheinz Kopf, der Dritte Präsident des Nationalrates Ing. Norbert Hofer, die Vizepräsidentin des Bundesrates Ingrid Winkler, der Vizepräsident des Bundesrates Mag. Ernst Gödl sowie Parlamentsdirektor Dr. Harald Dossi.
Beginn der Sitzung: 10 Uhr
Vorsitzende: Präsidentin des Nationalrates Doris Bures
H
ochverehrter Herr Bundes- präsident! Der Nationalrat und der Bundesrat der Republik Österreich haben beschlossen, aus Anlass der Beendigung Ihrer Amtszeit zu dieser gemeinsamen festlichen Sitzung zusammenzutreten.Es ist dies Ausdruck der ganz beson- deren Wertschätzung, die die Republik Ihnen, sehr geehrter Herr Bundespräsident, entgegenbringt, und es ist Ausdruck der Dankbarkeit, die wir empfinden.
Sehr geehrter Herr Bundespräsident!
Seien Sie herzlich willkommen in unse- rer Mitte! (Lang anhaltender Beifall.) Ein ebenso herzlicher Gruß gilt Ihrer Frau. Sehr geehrte Frau Margit Fischer!
Herzlich willkommen! (Beifall.) Ich begrüße die Mitglieder der öster- reichischen Bundesregierung, an deren Spitze Herrn Bundeskanzler Mag. Christian Kern und Herrn Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner.
(Beifall.)
Herzlich willkommen heiße ich die Mitglieder der gesetzgeben- den Körperschaften, die Vertreter der Höchstgerichte, die Mitglieder des Diplomatischen Corps, die Vertreterinnen und Vertreter der Bundesländer, die Rechnungs- hofpräsidentin und die Volksanwälte, wie auch die Repräsentantinnen und Repräsentanten der Kirchen und Religionsgesellschaften mit Kardinal Christoph Schönborn an ihrer Spitze.
(Beifall.)
Ich freue mich, dass auch ehe- malige Bundeskanzler und Regierungsmitglieder unserer Einladung heute gefolgt sind.
Stellvertretend möchte ich jenen Bundeskanzler begrüßen, der wäh- rend eines überwiegenden Teils der Amtszeit von Dr. Heinz Fischer, nämlich in acht von zwölf Jahren, die Staatsgeschicke in besonders herausfordernden Zeiten gelenkt hat. Herzlich willkommen, Werner Faymann! (Beifall.)
Hohe festliche Versammlung!
„Die Amtsperiode eines Bundespräsidenten ist eine Reise von fast 2.200 Tagen.“ – So hat es Heinz Fischer am Beginn seiner ersten A m t s z e i t
formuliert – noch nicht wissend, dass seine Reise doppelt so lange dauern wird. Zwölf Jahre lang hat Heinz Fischer
als Bundespräsident unserer Republik im besten Sinne des Wortes gedient.
An seinem ersten Arbeitstag als Bundespräsident am 9. Juli 2004 hat Heinz Fischer ein programma- tisches Zeichen gesetzt: Die ersten Gäste, die er in die Hofburg einge- laden hat, waren Vertreterinnen und Vertreter von Caritas, Diakonie und der Volkshilfe. Ein Präsident nicht nur für die Mehrheit, sondern im beson-
deren Ausmaß auch ein Präsident für die Minderheit, die Schwachen und Schwächsten in unserer Gesellschaft – das wollte Bundespräsident Fischer sein. Und dieser Maxime ist Heinz Fischer bis heute treu geblieben.
Sein Bekenntnis zum sozialen Zusammenhalt, zum engagierten Schutz von Menschen- und Minder- heitenrechten geriet dabei nie- mals in Widerspruch zur gebo- tenen Überparteilichkeit, für die der Bundespräsident über alle Parteigrenzen hinweg geschätzt wird.
Denn objektiv und unparteiisch zu sein, hieß für ihn nicht, auf Grundsätze und Prinzipien zu verzichten.
Sehr geehrte Damen und Herren!
„Die stärksten Waffen eines Bundespräsidenten sind die Verfassung und seine moralische Autorität.“ – Diese Einschätzung stammt vom scheidenden Bundespräsidenten selbst. Folgt man ihr, kommt man unweigerlich zum Schluss, dass der friedliebende Heinz Fischer ganz hervorragend für dieses Amt gewappnet war! Nicht nur weil er ein profunder Kenner der heimischen Verfassung ist, sondern auch weil er – wie kaum ein anderer – moralische Autorität ver- körpert.
M o r a l i s c h e Autorität wird einem weder in die Wiege gelegt noch mit einem hohen Amt ver- liehen. Sie wird ausschließlich durch das eigene Tun und Handeln erwor- ben, durch Erfahrung und Weitsicht, Integrität und Glaubwürdigkeit – Attribute, die Heinz Fischer in bei- spielloser Weise in sich vereint.
Deshalb hatten und haben seine Worte großes Gewicht. Als Bundespräsident hat er sie maßvoll eingesetzt und mit Bedacht gewählt: niemals mit der
Ansprache der Präsidentin des Nationalrates Doris Bures
Die stärksten Waffen eines Bundespräsidenten
sind die Verfassung und
seine moralische Autorität.
Faust auf den Tisch, sondern immer alle Argumente sorgsam abwägend und Kompromisse suchend – so, wie es seinem Wesen und seiner Lebensphilosophie entspricht.
Frei nach Karl Popper, formuliert Heinz Fischer seine Überzeugung gerne so: „Ich kann recht haben, Du kannst recht haben, aber beide sind wir verpflichtet, uns auf die Spur der Wahrheit zu begeben.“
Als Staatsoberhaupt hat es Heinz Fischer nicht als seine Aufgabe gesehen, die Tagespolitik und die Arbeit der jeweiligen Regierung fort- während zu kommentieren oder zu bewerten. Ratschläge erteilte er hin- ter verschlossener Tür.
Wenn er aber Entwicklungen im Konflikt mit der Rechtsstaatlichkeit oder den Grundwerten unseres Zusammenlebens wähnte, hat er es als seine Pflicht angesehen, das Wort zu ergreifen, das Gewicht seiner Worte in die Waagschale zu werfen.
Unmissverständlich war Bundes- präsident Fischer auch immer dann, wenn es um die jüngere Geschichte unseres Landes und die daraus resul- tierende Verantwortung Österreichs ging.
„Man muss die Geschichte des Landes, für das man arbeitet, ken- nen und zu dieser Geschichte auch eine Meinung haben.“ – So hat es der Bundespräsident selbst anläss- lich des 60. Geburtstages unserer Republik formuliert. Und er ist diesem Anspruch in bester Weise gerecht geworden.
Hohe festliche Versammlung! Die Jahre zwischen 2004 und heute waren eine Zeit großer internationa- ler Herausforderungen. Eine Vielzahl von Krisen und Konflikten haben die internationale Staatengemeinschaft, haben Europa – und infolge auch Österreich – in besonderer Intensität stets aufs Neue gefordert. Es waren also gewiss keine leichten Jahre, in denen unser Bundespräsident fast 200 Auslandsreisen absolviert und
rund 450 ausländische Staatsgäste empfangen hat.
Bundespräsident Heinz Fischer war dabei stets ein Brückenbauer im Dienste des Dialogs und des Friedens. Er ließ nie Zweifel an sei- Am Präsidium: v.li.: Mario Lindner, Bundesratspräsident; Doris Bures, Präsidentin des Nationalrates; Karlheinz Kopf, Zweiter Präsident des Nationalrates. Auf der Regierungsbank: Sebastian Kurz, Außenminister; Reinhold Mitterlehner, Vizekanzler; Christian Kern, Bundeskanzler; Alois Stöger, Sozialminister; Andrä Rupprechter, Landwirtschaftsminister
nem Bekenntnis zur Rolle Österreichs in der Europäischen Union und er hat sich außerdem schier unermüdlich als Türöffner in den Dienst der heimi- schen Exportwirtschaft gestellt.
Nicht zuletzt hat er uns mit seinen internationalen Freundschaften immer wieder die menschliche und persön- liche Dimension von Außenpolitik vor Augen geführt – im Wissen: Nur wo Vertrauen zwischen Menschen wächst, dort kann auch Vertrauen zwischen Staaten entstehen.
Vertrauen haben Sie, sehr geschätz- ter Herr Bundespräsident, auch nach innen vermittelt. Sie waren in all diesen herausfordernden Jahren ein Anker der Stabilität und Verlässlichkeit. Sie haben es verstan- den, den Menschen Orientierung und Zuversicht, ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Sie haben die Nähe der Menschen gesucht und mit Ihrer Offenheit und Wärme haben Sie auch ihre Herzen erreicht.
Mit ganz besonderer Herzlichkeit sind Sie auf jene zugegangen, die es schwerer haben als andere, auf die- jenigen, die Verantwortung für ihre Mitmenschen übernehmen und auch auf die jungen Menschen in unse- rem Land, in deren Händen unsere Zukunft liegt.
Als Staatsoberhaupt haben Sie immer die richtige Balance zwischen der Würde, die ein Bundespräsident auszustrahlen hat, und der Unge- zwungenheit, die den Menschen und Menschenfreund Heinz Fischer zum Vorschein gebracht hat, gefunden.
Modern und ungezwungen war auch Ihr Umgang mit den Medien. Sie waren der erste Bundespräsident, der sich den Fragen der Journalistinnen und Journalisten in der ORF-
„Pressestunde“ gestellt hat. Aber auch die sozialen Medien haben Sie souverän und humorvoll genutzt, um auch der jüngeren Generation Einblicke in den Arbeitsalltag eines Bundespräsidenten zu gewähren.
Die Art und Weise, wie Sie das Amt des Bundespräsidenten definiert und ausgeübt haben, hat die Zustimmung einer überwältigenden Mehrheit in
diesem Land gefunden. In all den Jahren haben Sie das in Sie gesetzte Vertrauen nicht nur voll gerechtfer- tigt, sondern es in beeindruckender Weise vermehrt.
Sehr geehrte Damen und Herren!
Hohe Festversammlung! Dass Heinz Fischer nun am Ende seiner 4.400 Tage währenden Reise alles andere als müde und erschöpft wirkt, mag wohl daran liegen, dass ihm sein Amt niemals Bürde, sondern – für das ganze Land spürbar – stets große Freude war.
Und es liegt wohl auch daran, dass er mit seiner Frau Margit in all den Jahren einen wunderbaren Menschen als Stütze an seiner Seite hatte. Durch ihre liebenswürdige Persönlichkeit und ihre vornehme Bescheidenheit hat Margit Fischer das harmonische Bild der Hofburg ganz wesentlich mit- geprägt.
Die letzten zwölf Jahre haben sicher- lich auch ihr viel abverlangt. Es hat nicht viele Reisen gegeben, bei denen Margit Fischer nicht an der Seite ihres Mannes war. Daneben fand sie auch noch Energie und Kraft, eigene
Aktivitäten zu starten, die sie vor allem in den Dienst der sozialen Gerechtig- keit gestellt hat.
Sehr geehrter Herr Bundespräsident!
Sie haben der Republik Österreich sehr viel gegeben. Heute verneigt sich das Land vor Ihnen und bedankt sich bei Ihnen. Sie werden uns ein leuchtendes Vorbild bleiben!
Lieber Heinz! Liebe Margit! Ich wün- sche Euch beiden von ganzem Herzen persönliches Glück, Wohlergehen und Gesundheit! (Anhaltender Beifall.)
Dass Heinz Fischer nun am Ende
seiner 4.400 Tage währenden Reise alles andere als müde und erschöpft wirkt, mag wohl daran
liegen, dass ihm sein Amt niemals Bürde, sondern – für das ganze Land spürbar –
stets große Freude war.
H
ochverehrter Herr Bundes- präsident! Geschätzte Festgäste!Heinz Fischer hat mich als junger Mann sehr geprägt. Mit ihm verbinde ich die ersten Schritte meiner poli- tischen Laufbahn. Als Präsident des Bundesrates ist es für mich eine große Ehre, sein politisches Wirken heute würdigen zu dürfen.
Was verbindet mich mit Heinz Fischer? – Als Du, sehr geehrter Herr Bundespräsident, lieber Heinz, dich 2004 zum ersten Mal der Wahl zum Bundespräsidenten gestellt hast, durfte ich, als damaliger Bundes- jugendsekretär der FSG, in Deinem Jugendwahlkampf mitarbeiten. Mit dieser Zeit verbinde ich bis heute viele persönliche Begegnungen mit Menschen im ganzen Land. Sehr viele von ihnen teilten meine Begeisterung und meinen Glauben an Dich. Umso schöner war es dann, dass dieser Wahlkampf erfolgreich war und Du anschließend für zwölf Jahre unser Bundespräsident warst.
Geschätzter Herr Bundespräsident!
Vor genau einer Woche war ich als 24. Bundesratspräsident zum Antrittsbesuch bei Dir zu Gast. Mit den Bundesländern verbindet
Dich viel: Du wurdest in Graz gebo- ren. Deine Eltern stammen aus Niederösterreich. Deine jungen Jahre hast du im Burgenland, in Wien und in Innsbruck verbracht.
Diese Verbundenheit mit den Bundesländern hat auch Deine Amts- zeit als Bundespräsident geprägt. In den letzten zwölf Jahren warst Du, sehr geehrter Herr Bundespräsident, in jedem Bezirk unserer Republik zu Gast. Allein in meinem Heimatland, der Steiermark, hast Du 99 offizielle Termine absolviert. Bei all Deinen Besuchen ist es Dir mit Deiner herz- lichen Art gelungen, die Menschen
um Dich herum zu begeistern – mit Selfies, mit spontanen Umarmungen oder sogar mit Fallschirmsprüngen.
Du, sehr geehrter Herr Bundes- präsident, hast stets das Gemeinsame vor das Trennende gestellt. Dadurch ist es Dir gelungen, Brücken zwischen scheinbar unversöhnlichen Positionen zu bauen. Das ist das Wesen der
Demokratie – und genau das ist es, das vielen von uns heute in der Politik fehlt.
In Anlehnung an die klare Aussage unseres Bundeskanzlers Christian Kern wollen wir keine Politik der Angst, sondern eine Politik der Hoffnung gestalten. Dafür müssen wir als Politikerinnen und Politiker gemein- sam arbeiten. Und genau darin wirst Du, lieber Heinz Fischer, für uns alle auch in Zukunft Vorbild sein.
Sehr geehrte Festgäste! Es ist dieses Aufeinanderzugehen, das die Politik von Heinz Fischer auszeichnet. Aber nicht nur das: Als Bundespräsident hat uns Heinz Fischer auch eine Eigenschaft vorgelebt, die in unserer hektischen
Ansprache des Präsidenten des Bundesrates Mario Lindner
Du hast stets
das Gemeinsame vor das Trennende gestellt.
Brücken zwischen scheinbar unversöhnlichen
Positionen zu bauen.
Welt oft zu kurz kommt: den Willen zum ausführlichen Nachdenkprozess, die Besonnenheit, Worte nicht als Waffe zu verwenden, die Bereitschaft, den eigenen Standpunkt sachlich darzulegen – manchmal auch in Erwartung eines Widerspruchs. Und nicht zuletzt das Bekenntnis zur Diskussion. Denn erst an deren Ende kann ein wirkliches Urteil gefällt werden.
Es ist diese demokratische Standhaftigkeit, dieser Respekt
für Dein Gegenüber und diese Ablehnung absoluter Wahr- heiten, an der sich Deine Nach- folger – und so hoffe ich auch, Nachfolgerinnen – messen lassen müssen.
Geschätzter Herr Bundespräsident!
Liebe Festgäste! Eine Würdigung
Deiner politischen Verdienste kann niemals vollständig sein, ohne einen Blick auf Deinen persönlichen Lebensweg zu werfen. Schon in der Schule und auf der Universität warst Du politisch aktiv. Gemeinsam mit anderen, darunter Deinem Freund Ferdinand Lacina, hast Du die rechts- extremen Aussagen eines damali- gen Universitätsprofessors publik gemacht. Genau diese Etappe Deines Lebens verdient besondere Aufmerk samkeit.
Denn damals warst Du einer der Ersten, der Schritte gesetzt hat, um die Zeit des Nationalsozialismus aktiv aufzuarbeiten.
Viel später konn- test Du, sehr geehrter Herr Bundespräsident, diese Arbeit dann als erster Vorsitzender des Nationalfonds der
Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus fortsetzen.
Damit hast Du auf eindrucksvolle Weise zur kritischen Aufarbeitung unserer Geschichte beigetragen. In dieser Funktion hast Du den Opfern von Gewalt, Terror und Faschismus die Hand gereicht – als Geste der Versöhnung und Zeichen der Verantwortung.
Lieber Herr Bundespräsident! Wir wür- digen Dich heute an einem Ort, dem Du in vielerlei Hinsicht verbunden bist. Dein Weg im Parlament begann 1962 als Klubsekretär der SPÖ. Später warst Du hier als Abgeordneter, Klubobmann und Wissenschafts-
minister tätig. Zwischen 1990 und 2002 bist Du dann als Präsident des
Nationalrates an der Spitze des Hohen Hauses gestanden.
Das Parlament steht im Zentrum unserer Demokratie. Ich bin davon überzeugt, dass es Orte wie diesen braucht, um den demokratischen Grundkonsens unserer Republik greifbar zu machen. Ich glaube aber auch, dass unsere Republik Persönlichkeiten braucht, die für uns Ankerpunkte unserer Demokratie sind, die uns durch ihr Handeln beeindrucken, die uns durch ihr Engagement und ihre Überzeugungen anregen, die uns Demokratie erfahr- und erlebbar machen.
Für mich, für uns alle, bist Du, sehr geehrter Herr Bundespräsident, lieber Heinz Fischer, ein solcher Mensch. Deine Haltungen, Deine Überzeugungen, Deine Zugänglichkeit und Dein tiefer
Glaube an unsere D e m o k r a t i e machen Dich zu einem Vorbild – für uns, für unsere Jugend und für kommende Generationen.
Geschätzte Fest- gäste! Wir vernei- gen uns heute nicht nur vor einem gro- ßen Staatsmann der Zweiten Republik.
Wir verneigen uns heute vor allem vor einem Demokraten, der uns den Wert und die Notwendigkeit von Demokratie immer wieder nahege- bracht hat. Immer wieder aufs Neue durchdacht und immer wieder aus der Überzeugung heraus, Menschen zu verbinden.
Sehr geschätzter Herr Bundes- präsident, lieber Heinz! Dafür dan- ken wir Dir von ganzem Herzen.
(Anhaltender Beifall.)
(Mitglieder der Wiener Philharmoniker intonieren den 1. Satz des Streich- quartetts in B-Dur KV 458 von Wolfgang Amadeus Mozart. – Anhaltender Beifall.
– Bundespräsident Dr. Heinz Fischer begibt sich zum Rednerpult.)
Deine Zugänglichkeit und Dein tiefer Glaube an unsere Demokratie machen Dich zu einem Vorbild – für uns,
für unsere Jugend und für kommende Generationen.
Der Wille zum ausführlichen Nachdenkprozess,
die Besonnenheit, Worte nicht als Waffe
zu verwenden.
S
ehr geehrte Frau Präsidentin des Nationalrates! Sehr geehrter Herr Präsident des Bundesrates! Hohes Haus! Hochwürdigster Herr Kardinal!Sehr geehrter Herr Bundekanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung!
Festliche Versammlung! Liebe Österreicherinnen und Österreicher!
Lassen Sie mich zunächst einmal für die außerordentlich ehrenvolle Verabschiedung in die-
sem Kreis sehr, sehr herz- lich danken – in diesem Kreis, nämlich im Herzen der österreichischen Demokratie – und auch für die Worte der Frau Nationalratspräsidentin und des Herrn Bundes- ratspräsidenten danken.
Schon Bundespräsident Dr. Rudolf Kirchschläger ist am 8. Juli 1986, also auf den Tag genau vor 30 Jahren, in genau der gleichen Situation gewesen wie ich. Er hat damals von einem „abschiedsbeding- ten Wohlwollen“ gespro- chen, das er in den Worten seiner Vorredner erkennen konnte, was aber seine Dankbarkeit in keiner Weise verringert hat. Das gilt auch für mich, meine sehr geehr- ten Damen und Herren.
Schon seit Wochen und Monaten war ich, ehrlich gesagt, neugierig auf den letzten Tag mei- ner Amtszeit als österreichischer Bundespräsident und habe oft mit meiner Frau über diesen besonde- ren Tag gesprochen, an dem man – wie ich immer gesagt habe – in der Früh als Bundespräsident auf- steht und den Tag als ehemaliger Bundespräsident beschließt.
Und jetzt ist es so weit: Ich stehe vor Ihnen und habe die Gelegenheit, mich zu bedanken, in knapper Form Rechenschaft abzulegen und mich zu verabschieden. Allein der Rahmen, in dem dies geschieht – nämlich der alte
Reichsratssitzungssaal in unserem ehrwürdigen Parlamentsgebäude, das so viel an Zeitgeschichte erlebt hat –, bedeutet mir sehr, sehr viel.
Es war der 2. Jänner 1962 – also vor mehr als 54 Jahren –, als ich in diesem Haus als Jurist zu arbeiten begonnen habe. Präsident des Nationalrates war damals Leopold Figl, aber mein Chef war der Zweite Präsident des Nationalrates Friedrich Hillegeist –
ein gestandener Gewerkschafter und ein lebendes Geschichtsbuch.
Er war zum Beispiel im März 1938 Sprecher jener Gruppe illegaler Sozialisten, die im aller-, allerletz- ten Augenblick versucht haben, mit
Bundeskanzler Dr. Kurt Schuschnigg – trotz allem, was sie trennte – Gespräche und Verhandlungen zu führen, um den „Anschluss“-Putsch an Großdeutschland abzuwehren und die Selbständigkeit Österreichs durch gemeinsames Handeln der Bürgerkriegsgegner des Jahres 1934 noch zu retten.
Aber, wie wir alle wissen, es war zu spät! Und wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte! Das Gift der nationalsozialisti- schen Gedanken war bereits viel zu weit und zu tief in das Denken und Fühlen allzu vie- ler Österreicherinnen und Österreicher eingedrungen.
Eine der Schlussfolgerungen, die man daraus ziehen muss, lautet: Man muss immer bereit sein und versuchen, aus der Geschichte zu lernen und die Sinne für Chancen, für Fehlentwicklungen und für Gefahren zu schärfen.
Geschätzte Mitglieder des Nationalrates und des Bundes- rates! Viele, viele Ereignisse, die mich tief beeindruckt haben, verbinden mich mit diesem Saal – ich kann sie nicht alle aufzäh- len –, aber in jüngster Zeit natür- lich auch die beiden Sitzungen der Bundesversammlung vom 8. Juli 2004 und vom 8. Juli 2010 zum Zwecke der Angelobung für meine beiden Amtsperioden.
Mein Vater und meine Mutter – beide im April 1908 geboren – haben die zuletzt genannten feierlichen Momente leider nicht mehr erlebt.
Aber mein Schwiegervater, Otto Binder, der zwei Konzentrationslager, nämlich Dachau und Buchenwald überlebt und dann als Flüchtling in Schweden Asyl bekommen hat – eine Tatsache, von der mein Verhältnis zu den Themen Asyl und Flüchtlinge nicht unbeeinflusst geblieben ist – hat meine Angelobung heute vor zwölf Jahren in seinem 94. Lebensjahr von der Galerie dort oben noch mit- erlebt.
Ansprache des Bundespräsidenten Dr. Heinz Fischer
Ich stehe vor Ihnen und habe die Gelegenheit, mich
zu bedanken, in knapper Form Rechenschaft abzulegen und mich zu
verabschieden.
Er hat es als Höhepunkt eines zu- tiefst ersehnten Versöhnungs- und Heilungsprozesses empfunden, dass es ein ehemaliger KZ-Häftling, der schließlich in Schweden Asyl gefunden hat, lange nach seiner Rückkehr in die Heimat noch erle- ben durfte, dass der Mann seiner in Schweden als Flüchtlingskind gebo- renen Tochter zum österreichischen Bundespräsidenten gewählt wurde.
Ich möchte daher an dieser Stelle eine kurze Anmerkung zum Thema Flüchtlinge machen, das uns ja alle sehr beschäftigt. Ich wende mich nicht gegen Auffassungen und Sätze wie zum Beispiel „Österreich kann nicht alle Flüchtlinge in unbe- grenzter Zahl aufnehmen“ oder „Das Flüchtlingsproblem kann nicht primär an unseren Staatsgrenzen gelöst wer- den, sondern muss vor allem in den Herkunftsländern der Flüchtlinge und auf europäischer Ebene gelöst wer- den“; allerdings fehlt mir da noch ein weiterer wichtiger Satz, der etwa so lauten müsste:
„Wir sind aber bereit, im Rahmen unserer Möglichkeiten und nach besten Kräften zu helfen, die Menschenwürde von Flüchtlingen hochzuhalten und ihnen ohne Vorurteile zu begegnen.“ (Beifall.) Denn unsere Flüchtlingspolitik muss sowohl durch Rationalität als auch durch Humanität geprägt sein. Nur eines der beiden wäre zu wenig!
Hochgeschätzte Damen und Herren!
Wenn ich also zum Abschluss meiner Tätigkeit als Bundespräsident eine
kurze Bilanz versuchen darf, dann kann es sich nicht primär um eine Bilanz der Zahlen und der wirtschaft-
lichen Entwicklung oder anderer quantitativer Veränderungen han- deln, denn der Bundespräsident ist kein Staatsorgan, dem in erster Linie operative Aufgaben übertragen sind.
Dessen war ich mir immer bewusst.
Ich habe daher in meiner Antrittsrede im Juli 2004 an dieser Stelle vor allem Verfassungstreue und gewis- senhafte Erfüllung meiner Pflichten versprochen. Ich habe versprochen, mein Amt objektiv und unparteiisch auszuüben. Ich habe einen verant-
wortungsbewussten und ehrlichen Umgang mit der Geschichte unseres Landes zugesagt.
Denn unsere Flüchtlingspolitik muss sowohl durch Rationalität als auch durch Humanität
geprägt sein.
Am Präsidium: v.li.: Mario Lindner, Bundesratspräsident; Doris Bures, Präsidentin des Nationalrates; Karlheinz Kopf, Zweiter Präsident des Nationalrates. Auf der Regierungsbank: Sophie Karmasin, Familienministerin; Sebastian Kurz, Außenminister; Reinhold Mitterlehner, Vizekanzler;
Christian Kern, Bundeskanzler; Alois Stöger, Sozialminister; Andrä Rupprechter, Landwirtschaftsminister
Ich habe mich für ein vereintes und friedliches Europa ausgesprochen und hinzugefügt, dass ich ein starkes
Bekenntnis zur österreichischen Heimat einerseits und eine europä- ische Gesinnung andererseits nicht als Gegensätze betrachte.
Und ich habe zugesagt, in mei- ner Amtsführung meinen großen Respekt für die Leistungen von Wissenschaftern und Wissen- schafterinnen, von Künstlern und Künstlerinnen sichtbar zu machen und auch einen respektvollen Umgang mit den Religionsgemeinschaften in Aussicht gestellt.
Heute, zwölf Jahre später, darf ich vom gleichen Rednerpult aus sagen, dass ich mich zumindest bemüht habe, diesen Grundsätzen gerecht zu werden. Das Urteil darüber, in welchem Umfang das gelungen ist, liegt natür- lich nicht bei mir, sondern bei der österreichischen Bevölkerung.
Hohes Haus! Ich bin 1938 geboren, habe im Herbst 1944 mit dem Besuch der Volksschule begonnen und das Ende des Zweiten Weltkrieges schon bewusst – wenn auch als Kind – wahr- genommen. Seither sind 71 Jahre vergangen.
Sieben Jahrzehnte sind nicht nur im Leben eines Menschen, sondern auch im Leben eines Staates oder einer Gemeinschaft eine lange Zeit.
70 Jahre, das ist genauso lange wie vom Revolutionsjahr 1848, also dem
Ende der Ära Metternich, bis zum Jahr 1918, der Gründung der Republik.
Oder genauso lange wie die Zeit von der Revolution Lenins und dem Beginn der Sowjetherrschaft bis zum Fall der Berliner Mauer und dem Zusammenbruch der kommunisti- schen Diktaturen in Europa.
Ist uns eigentlich immer bewusst, wie viel sich in unserer Gesellschaft in 70 Jahren auch in der Politik ver- ändert? – Leben heißt nun einmal Veränderung. Das gilt für die Natur, für den Menschen, für die Politik und für unsere Gesellschaft insgesamt.
Veränderung ist aber oft unbequem, schmerzhaft, anstrengend und kann Unbehagen oder sogar Angst aus- lösen. Aber auf Veränderung zu ver- zichten kann noch viel schmerzhafter werden.
Das ist auch meine Sorge in Diskussionen über das Thema Populismus: dass nämlich unser Handlungsspielraum immer mehr auf das momentan Populäre einge- schränkt werden könnte und damit das längerfristig Notwendige immer
mehr in die Defensive gerät oder in den Hintergrund gedrängt wird.
Wenn Österreich in der Spitzen- gruppe europäischer Staaten bleiben will, muss es auch in Bezug auf Leistung und Bereitschaft zur Veränderung weit vorne stehen.
Leistung muss honoriert werden.
Aber auch die Leistungsgesellschaft darf nicht inhuman oder unsozial sein oder werden; das heißt, sie muss
auch für die Leistungsschwächeren, für jene in den unteren Etagen einer Gesellschaft, menschenwür- dige Lebensbedingungen anbieten können. Leistungsgesellschaft und Sozialstaat sollten und müssen nicht nur vereinbar sein, sondern auch durch gezieltes Handeln vereint werden.
Liebe Österreicherinnen und Österreicher! In den jüngsten Diskussionen rund um das Amt des Bundespräsidenten und auch im Wahlkampf ist häufig die Frage gestellt worden: Wie viel Macht braucht ein Bundespräsident zur
Leben heißt nun einmal Veränderung.
Das gilt für die Natur, für den Menschen, für die Politik und für
unsere Gesellschaft insgesamt.
Veränderung ist aber oft unbequem, schmerzhaft, anstrengend
und kann Unbehagen oder sogar Angst auslösen.
Aber auf Veränderung zu
verzichten kann noch viel
schmerzhafter werden.
Erfüllung seiner Aufgaben? Hat er zu viel Macht, wie manche befürchten?
Oder zu wenig Macht, wie andere behaupten?
Ich meine: Der Bundespräsident ist von unserer Bundesverfassung mit einer Reihe von Machtbefugnissen ausgestattet, um auch in sehr schwie- rigen und kritischen Situationen stabilisierend und ordnend in das politische Geschehen eingreifen zu können. Wenn von manchen dieser Befugnisse seit Beginn der Zweiten Republik kein Gebrauch gemacht wurde, dann spricht das nicht gegen die Verfassung, sondern für die Reife und Stabilität unseres politischen
Systems und auch für das Augenmaß der vom Volk gewählten und im Amt gewesenen Bundespräsidenten.
Hohes Haus! Ich hatte es in mei- ner Amtszeit als Bundespräsident zunächst mit einer ÖVP-FPÖ- Koalition und dann mit einer SPÖ- ÖVP-Koalition zu tun. Ich hatte vier Bundeskanzler als Partner, nämlich Wolfgang Schüssel, Alfred Gusenbauer, Werner Faymann und jetzt Christian Kern, und fünf Vizekanzler und habe mit allen sehr gut zusammengearbeitet. Dazu kommen natürlich die weiteren Regierungsmitglieder und andere
Staatsorgane, denen ich ebenfalls für die gute Kooperation dankbar bin.
Das gilt auch für die Vorsitzenden der Parlamentsfraktionen und für alle Abgeordneten zum National- und Bundesrat, obwohl da die Differenzen schon lebendiger werden können, aber als ehemaliger Klubobmann bin ich darauf ja nicht unvorbereitet.
Ich hatte bei der Wahrnehmung meiner Aufgaben immer das gute Gefühl, dass unsere Verfassung eine solide Grundlage für die Tätigkeit des Bundespräsidenten ist. Diese Verfassung sieht auch einen mit weitreichenden Kontrollbefugnissen
und Korrekturkompetenzen ausge- statteten Verfassungsgerichtshof vor. Dieser Verfassungsgerichtshof hat vor einigen Tagen eine sehr weitreichende Entscheidung getrof- fen, indem er eine Wiederholung des zweiten Wahlganges der Bundespräsidentenwahl vom 22. Mai 2016 angeordnet hat.
Der Präsident des Verfassungs- gerichtshofes hat zwar ausdrück- lich festgehalten, dass keine Anhaltspunkte für – Zitat – „tatsäch- liche Manipulationen“ – Zitatende –, also für Wahlbetrug aufgetaucht sind – was ich für sehr wichtig halte. Es ist aber dennoch schmerzlich, dass bei der Wahl vom 22. Mai 2016 eine Vielzahl von Regelverletzungen festgestellt werden musste und die Österreicherinnen und Österreicher im Zuge der Bundespräsidentenwahl 2016 für den 2. Oktober nunmehr zum dritten Mal zu den Wahlurnen gerufen werden.
Dennoch haben die führenden poli- tischen Persönlichkeiten unseres Landes – und ich habe mich da nicht anders verhalten – diese Entscheidung mit Nachdruck verteidigt, vor allem aus zwei Gründen.
Erstens: Weil es zu den Grundregeln unseres demokratischen Systems gehört, Entscheidungen des Ver- fassungsgerichtshofes zu respek- tieren; es hat ja in der Vergangenheit auch schon gegenteilige Verhaltens- weisen gegeben.
Und zweitens: Weil das letzten Endes ein wesentlicher Beitrag dazu ist, jed- weden Zweifel an der Korrektheit der Wahl des nächsten Bundespräsidenten auszuschließen.
Was wir – vor diesem Hintergrund – aber erwarten und hoffen dürfen ist, dass Stil und Inhalt der bevorste- henden Wahlwerbung vernünftigen Ansprüchen in puncto Fairness und Redlichkeit gerecht werden.
Ein langjähriger Freund von mir, der Grazer Schriftsteller Gerhard Roth, hat vor wenigen Tagen den Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur bekommen. Er hat seine kurze Dankesrede einem einzigen Thema gewidmet, nämlich einem
Plädoyer gegen den Hass – der Herr Kulturminister war ja bei dieser Rede von Gerhard Roth auch anwesend –, er hat in seiner Dankesrede auf die zerstörerische Kraft des Hasses hinge- wiesen. Ich stimme ihm zu, wenn er wörtlich gesagt hat:
„Und wer hat noch keine Postings im Internet gelesen, die dem geheimen Hass – geschützt durch die Anonymität des Verfassers – Ausdruck verleihen, oder Beschimpfungen unbekannter Anrufer am Telefon gehört? (…) Aus dem (…) Hass in den Köpfen entsteht der offene Hass in Wort und Tat.“
Er hat recht. Wir sind in Österreich und in ganz Europa aus vielen Gründen zu einer breiten Koalition gegen Hass und Gewalt verpflichtet. Es geht um viel! (Beifall.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Der Bundespräsident hat durch den Artikel 80 der Bundesverfassung zum Bundesheer und zur Landes- verteidigung eine besondere Beziehung. Die großartige und ein- drucksvolle Abschiedsveranstaltung des Bundesheeres gestern Abend, für die ich mich sehr herzlich bedanke, hat das wieder einmal bestätigt.
Ich habe während meines Studiums der Rechtswissenschaften den damals neunmonatigen Präsenzdienst beim österreichischen Bundesheer absolviert und in weiterer Folge als Parlamentarier und Nationalratspräsident immer wie- der Kontakte zum Bundesheer gehabt.
Aber erst als Bundespräsident habe ich die wichtige und sensible Rolle des Bundesheeres in vollem Umfang ken- nen- und schätzen gelernt.
Vor wenigen Wochen habe ich dem Generalstabschef und anderen hohen Offizieren des Bundesheeres bei einer eindrucksvollen internationa- len Gebirgsübung in Tirol in mehr als 2.000 Metern Höhe versprochen, heute bei dieser Abschiedsrede die Leistungen des österreichischen Bundesheeres im In- und Ausland zu würdigen und die dringende Bitte auszusprechen, das österreichische Bundesheer in ideeller und materi- eller Hinsicht im notwendigen Maße zu unterstützen. Dieses Versprechen, Herr Bundesminister Doskozil, darf ich hiermit vor Ihnen einlösen. (Beifall.) Eine weitere Bestimmung der öster- reichischen Bundesverfassung besagt, dass der Bundespräsident die Republik nach außen vertritt. Er tut dies in enger Zusammenarbeit mit dem Außenminister beziehungsweise mit der Bundesregierung und ande- ren Institutionen wie zum Beispiel den Sozialpartnern. Und kein Staat der Welt kann es sich heute leisten, der Außenpolitik, dem internationalen Gedankenaustausch und damit seinem Platz in der Völkergemeinschaft keine oder nur geringe Aufmerksamkeit zu widmen. Die internationale Vernetzung der Staaten und der Staatsorgane ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten rasant gestiegen und hat an Bedeutung enorm zugenommen.
Vor diesem Hintergrund möchte ich zum Beispiel heute sagen – weil ich es bisher noch nicht mit genügender Deutlichkeit gesagt habe –, dass mir die in Großbritannien erfolgte Weichenstellung in Richtung eines Austritts aus der Europäischen Union sehr bedauerlich und nicht durchdacht erscheint. Dies umso mehr, als bei den Brexit-Befürwortern nach ihrem Erfolg an den Wahlurnen eigentlich nur recht wenig an klarer Strategie und Verantwortungsbewusstsein für die nunmehr gegebene Situation erkenn- bar ist.
Für uns, für Österreich muss jedenfalls die weitere aktive Mitarbeit an den Zielen und Werten der Europäischen Friedenspolitik und am Projekt der Europäischen Zusammenarbeit und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ein zentraler Punkt unserer Politik blei- ben. (Beifall.)
Wir sind in Österreich und in ganz Europa aus vielen Gründen zu einer breiten Koalition gegen Hass und Gewalt
verpflichtet.
Es geht um viel!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Damit bin ich beim letzten und angenehmsten Teil – obwohl die anderen auch nicht unangenehm waren – meiner Ausführungen ange- langt, nämlich bei der Möglichkeit, noch einmal und zusam- menfassend Danke zu sagen.
Ich beginne bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Präsidentschaftskanzlei, die in ihrer Summe ein wirklich hervorragendes Team sind. Wenn ich fast immer gerne und gut gelaunt in das Büro in der Hofburg gegangen bin, dann lag und liegt das, auch heute Früh, nicht zuletzt an den exzellenten und hochmotivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Präsidentschaftskanzlei, mit denen zu arbeiten ein Vergnügen war.
Ich bedanke mich weiters bei allen Frauen und Männern, die in unserer Republik in den verschiedensten Funktionen tätig sind und mit denen ich in den vergangenen zwölf Jahren vertrauensvoll zusammenarbeiten durfte.
Ich entbiete von dieser Stelle einen herzlichen und respektvollen Gruß an alle Staatsoberhäupter und Gesprächspartner, denen ich als Vertreter der Republik Österreich in den vergangenen zwölf Jahren in vielen Ländern begegnet bin. Gerade heute möchte ich ihnen neuerlich und mit Nachdruck sagen, dass Österreich ein stabiles und den europäischen Werten fest verbundenes Land ist, um dessen stark verankertes demokratisches und rechtsstaatliches System und um dessen wirtschaftliche Stabilität sich niemand in Europa und niemand in der Welt Sorgen machen muss. (Beifall.)
Und ich grüße von dieser Stelle in dankbarer Verbundenheit alle Österreicherinnen und Österreicher sowie alle Menschen, die in unserem Land leben und sich hier heimisch fühlen.
Ein ganz besonderes Bedürfnis ist es mir auch, meiner Frau Margit zu danken, die mir in diesen zwölf Jahren in ganz besonderer Weise zur Seite gestanden ist und zu meiner Arbeit viel, viel mehr beigetragen hat, als das von außen erkennbar oder erahnbar ist.
Meine Schwester, Dr. Edith Stumpf, und meine Kinder Lisa und Philip schließe ich in diesen Dank voll und ganz ein.
(Anhaltender Beifall.)
Meinem Nachfolger im Amt des Bundespräsidenten wün- sche ich den besten Erfolg bei der Erfüllung dieser wichti- gen und schönen Aufgabe.
Es lebe unser schönes Land, die Republik Österreich sowie ein friedliches und demokratisches Europa! – Herzlichen Dank.
(Lang anhaltender, stehend dargebrachter Beifall. – Bundes- präsident Dr. Heinz Fischer begibt sich unter dem Applaus der Anwesenden vom Rednerpult zu seinem Sitzplatz zurück.) (Mitglieder der Wiener Philharmoniker tragen die erste Strophe der Bundeshymne vor, die von den Anwesenden stehend mitgesungen wird. – Anhaltender Beifall.)
Text: L1.4 Stenographische Protokolle Fotoredaktion: Bernhard Zofall
Layout/Graphik/Fotobearbeitung: Dieter Weisser
Fotos: © Parlamentsdirektion/Thomas Jantzen, Thomas Topf Druck: Ueberreuter
Wien, im Oktober 2016