Zwischen Wissen und Können - Die professionelle Unterrichtswahrnehmung als Anker zur Förderung der professionellen Handlungskompetenz von Lehramtsstudierenden im Bereich translingualer Unterrichtsgestaltung.
Denis Weger, Arbeitsbereich Sprachlehr- und -lernforschung
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11,5 x 25,4 cm
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1. Forschungskontext
• Evidenz für Sprache als entscheidender Faktor für Bildungs(un)gerechtigkeit
(Vetter 2017)• Österreich: häufige Schullaufbahnverzögerungen bei anderer Erstsprache als Deutsch, auch wenn SES herausgerechnet
(Herzog-Punzenberger/Schnell 2012; Vetter 2013; Vetter 2015)
• verbreiteter Lösungsansatz: Konzept der „Durchgängigen Sprachbildung“
(Gogolin/Lange 2011)—>
Umsetzung meist verhaftet im „monolingualen Habitus“
(Gogolin 1994)• Inklusion: sprachliche Vielfalt als Ressource (Sliwka 2012)—> Translanguaging
(García/Klein 2016)und Language Awareness
(Tracy 2014)ergänzend zur „Durchgängigen Sprachbildung“
—> translingualer Unterrichtsgestaltung
• Ziel: Hochwertigere Bildung durch Einbezug der funktionalen Mehrsprachigkeit aller SuS
(Sierens/Van Avermaet 2014)
und gleichzeitiger Unterstützung in Entwicklung der Bildungssprache
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Warum „translingualer Unterricht“?
1. Welche Gestaltungsprinzipien für eine Lehrveranstaltung lassen sich formulieren, um die Entwicklung professioneller Kompetenz im Hinblick auf translinguale Unterrichtsgestaltung zu fördern?
2. Inwiefern entwickelt sich die professionelle Kompetenz von Lehramtsstudierenden aller Fächer im Laufe der
Lehrveranstaltung zum translingualen Unterricht […]?
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Forschungsfragen:
vgl. Terhart 2012; Helmke 2015
Lehrer*innenbildung Lehrer*innenhandeln Schüler*innenlernen
Einflussmodell
Lehrer*innenbildung hat Einfluss auf Lehrer*innenhandeln hat Einfluss auf Schüler*innenlernen
Angebot * Nutzung Angebot * Nutzung
Lernen hängt auch von der Gestaltung der Lerngelegenheiten und deren ak?ver Nutzung ab
Doppeltes Angebot-Nutzungs-Modell
Beforschter Bereich
• Noviz*innen beschreiben Unterrichtsverlauf oft chronologisch mit starkem Fokus auf Lehrperson (van Es/Sherin 2002; van Es et al. 2017)
• Expert*innen berücksichtigen stärker lernrelevante
Unterrichtselemente und deren Interpretation (van Es/Sherin 2002; van Es et al. 2017)
• Lehramtsstudierende: zu Beginn kaum lernrelevante Aspekte
wahrgenommen, kann aber gelernt werden (Star/Strickland 2008; Santagata/Angelici 2010)
• Arbeit mit Videos muss strukturiert sein: Video als „shared texts and common experience“ (Hatch et al. 2016: 275)
• Fähigkeiten Unterrichtsvideos zu analysieren guter Prädiktor für bessere Lernergebnisse ihrer SuS (Kersting et al. 2010)
Zur Wahrnehmung von Noviz*innen und Expert*innen
Denis Weger
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Das Seminardesign
aus: Weger, in Vorb.
Download der
Materialien der LV unter:
www.bit.do/translingual
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•Kompetenzmodell von COACTIV mit Spezifikationen für das Professionswissen (aus: Baumert/Kunter 2011, 32)
Modell professioneller Kompetenz von Lehrpersonen
Kompetenz als Kontinuum
Meschede et al. 2017: 161
Blömeke/Gustafsson/Shavelson 2015: 7
1. Selective Attention/Noticing:
lernrelevante Unterrichtskomponenten identifizieren können
2. Knowledge-Based Reasoning:
wissensgesteuerte Verarbeitung und Interpretation der als lernrelevant identifizierten Unterrichtsinhalte
(Sherin 2001 & 2007; Seidel et al. 2010, Meschede et al. 2017; van Es et al. 2017)—> Indikator für die Entwicklung einer professionellen Kompetenz
(Diener 2016, Franz 2017)—> kann durch Analysen von
Unterrichtsvideos entwickelt werden
(Sun/van Es 2015)10
Komponenten professioneller Unterrichtswahrnehmung
Denis Weger
Kompetenz als Kontinuum mit Fokus auf die professionelle Wahrnehmung
Meschede et al. 2017: 161
1. Welche Gestaltungsprinzipien für eine Lehrveranstaltung lassen sich formulieren, um die Entwicklung professioneller Kompetenz im Hinblick auf translinguale Unterrichtsgestaltung zu fördern?
2. Inwiefern entwickelt sich die professionelle Kompetenz von Lehramtsstudierenden aller Fächer im Laufe der
Lehrveranstaltung zum translingualen Unterricht untersucht anhand der Entwicklung ihrer professionellen
Unterrichtswahrnehmung?
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Forschungsfragen:
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2. Die Studie
• Seminar im allgemeinen Teil des LA-Studiums:
‣ Sommersemester 2018
‣ Studierende im 7. von 8. BA-Semestern
‣ 25 LA-Studierende unterschiedlicher Fächer
• Anfang und Ende des Semesters:
Fragebogenerhebung zu 4 videographierten Unterrichtssequenzen (je 1,5 - 3 Minuten)
• 15 komplette Datensätze (prä & post)
• 5 retrospektive Daten gewonnen mittel Lautem Erinnern zur Abschlusserhebung
• weitere 2 Seminare laufen aktuell
• Analyse: verschiedene Formen Qualitativer Inhaltsanalyse
(Mayring 2015; Kuckartz 2016)14
Daten: Erhebungskontext und
Analyse
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3. Vorläufige Ergebnisse
• strukturierende
Inhaltsanalyse (induktiv - deduktiv)
• 77 Kategorien
• Interkoderüberein-
stimmung (noch nicht
abgeschlossen): ĸ ≈ 0.72
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Selective Attention: Was wurde wahrgenommen?
Insgesamt Zunahme in den 3 Hauptkategorien Beschreiben (K1), Erklären (K2) and Vorhersagen (K3)
17
Selective Attention: Was wurde wahrgenommen?
18
Selective Attention: Was wurde wahrgenommen?
Kategorien tauchen auf - Kategorien verschwinden
*Personen (kodierte Sequenzen); n = 15
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Selective Attention: Was wurde wahrgenommen?
Verschiebungen innerhalb der Kategorien
*Persons (coded sequences); n = 15
Kompetenz als Kontinuum mit Fokus auf die professionelle Wahrnehmung
Meschede et al. 2017: 161
• Am Ende mehr Unterrichtsaspekte/Kategorien wahrgenommen, als am Beginn:
‣ diese betreffen zentrale Aspekte
translingualen Unterrichts wie z.B. Othering, Konzept des sprachbewussten Unterrichts,
…
• Verschiebung innerhalb von Kategorien:
‣ stärkerer Fokus auf Elemente der
Förderung der Bildungssprache Deutsch
‣ positiveres Verständnis L1-Verwendung
• Vorläufiges Fazit: Indizien für die Integration von (einigen) Seminarinhalten in die
Wissensstrukturen der Studierenden
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Zusammenfassung und
vorläufiges Fazit
Diskussion
Download der
Materialien der LV unter:
www.bit.do/translingual
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Orbis Scholae, 11(3), 9–27.
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Literatur
Fragestellung entwickelt in Anlehnung an Michalsky (2014) und van Es et al. (2017):
1. Was fällt Ihnen an dieser Unterrichtssituadon im Hinblick auf Sprache und Sprachverwendung auf 2. Wie erklären Sie sich das Verhalten der Lehrperson
im Hinblick auf Sprache und Sprachverwendung?
3. Welche Wirkung hat die von Ihnen beobachtete Unterrichtsgestaltung im Hinblick auf Sprache und Sprachverwendung Ihrer Meinung nach auf die Lernprozesse der Schüler*innen im Allgemeinen?
Warum?
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Weger, in Vorb.
Fragebogen zu Videovignetten
Denis Weger
• Inwiefern verändert sich die „argumentative
Qualität“ der Antworten in den Fragebögen?
• skalierende Inhaltsanalyse
• Kategoriensystem in Ausarbeitung
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Knowledge-Based Reasoning: „Wie“ wurde
wahrgenommen?
Lesson Analysis Framework für die Gestaltung von videobasierten Lerngelegenheiten zur Förderung professioneller Unterrichtswahrnehmung (aus: Santagata/Guarino 2011: 121)
Denis Weger
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Das Seminardesign
aus: Weger, in Vorb.
Design Based Reasearch Prozess nach Euler 2014, adaptiert
Entwicklung Fragestellung
Entwicklung theoretischer Bezugsrahmen
Entwicklung Intervention Durchführung
und Evaluation Intervention Vorläufige
Gestaltungs- prinzipien Formulierung
Gestaltungs- prinzipien
LV 0 - Eingangserhebung LV 0 - Schlusserhebung LV 0 - Lautes Erinnern LV 1 - Eingangserhebung LV 1 - Schlusserhebung LV 1 - Lautes Erinnern LV 2 - Eingangserhebung LV 2 - Schlusserhebung LV 2 - Lautes Erinnern Forschungs-
tagebuch
Pilotstudie
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Conjecture Maps
Allgemeine Conjecture Map für Design Based Research nach Sandoval (2014, S. 21)
• Beim Forschungsstand berücksichtigen:
• Curriculum Mehrsprachigkeit (Krumm/Reich 2013)
• Arbeit der Koordinierungsstelle Sprachliche Bildung und Mehrsprachigkeit (KoMBi) (Universität Hamburg 2017)
• Einstellungsforschung (Klieme et al. 2010)
• erste Evaluationen der DaZ-Module deutscher Universitäten (Döll et al. 2017)
• Methodisch: abfragen, welche Seminare zu ähnlichen Inhalten bereits besucht wurden
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