Erkenntnisse aktueller Jugendstudien zur
Arbeitswelt
Angelus Novus: Der Engel der Geschichte
Der Engel der Geschichte (…) hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet.
Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. (…) ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr
schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der
Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“ (Über den Begriff der Geschichte)
Utopie statt Dystopie: Von
Walter Benjamin zu Zygmund Baumann
Der U-Turn des Engels der Geschichte:
„Nunmehr kehrt er der Vergangenheit den Rücken zu und blickt entsetzt in die Zukunft. Seine Flügel werden von einem Sturm nach hinten gedrückt, der einem imaginierten, antizipierten und vorauseilend gefürchteten höllischen Morgen entstammt und ihn
unaufhaltsam auf das (…) paradiesisch erscheinende Gestern zutreibt.“
Rolltreppenmetapher: Anstelle der
„Aufzugsmetapher“ tritt die „Rolltreppenmetapher“.
Die Mehrheit der Menschen hat heute das Gefühl sich auf einer rasant nach unten fahrenden Rolltreppe zu befinden und die Position nur durch das
permanente Anlaufen gegen die Fahrtrichtung der Rolltreppe halten zu können. Wer nur kurz stehenbleibt, fährt ungebremst in die sozialen Tiefen der entkoppelten Unterschicht.
Die Rolltreppenmetapher der Abstiegsgesellschaft
Oliver Nachtwey(* 8. September 1975 in Unna) ist Ökonom und Soziologe.
System der permanenten
Bewährung
„In einem neuen System derpermanenten Bewährung werden die beständige Unsicherheit und die Erfahrung der Austauschbarkeit zum Stimulus der
Leistungsverausgabung. (…) Die kaum versteckte Botschaft ist, nur wer die Ziele erreicht, hat verdient, weiterhin zur Organisation zu
gehören. (…) In zugespitzter Form lässt sich dieser neue Herrschafts- und Kontrollmodus bei
plattformbasierter Arbeit, oftmals als Cloud-Working oder Crowd-
Sourcing diskutiert, beobachten.“
(Argument 328:523)
Die angespannte finanzielle Lage „normalen“
Menschen
Angaben in %
53
56 57 57 58 60 61 62
51 48
44 42 44 45
2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018
SEIT 2011:
BEDÜRFNIS NACH HALT IM LEBEN STEIGT WEITER
Zustimmung zu:
„Ich suche Halt im Leben“
Keine Daten für 2012-2013
verfügbar
Quelle: INTEGRAL, Persönliche, computergestützte Interviews (CAPI), rep. Österr. 14+ Jahre, n=2.000, 2011
IMAS & INTEGRAL, ÖVA 2012-2018, Persönliche, computergestützte Interviews (CAPI), rep. Österr. 14+ Jahre, n=7.500/Jahr Für Deutschland: Best of Planning, ca. 15.000 persönliche Interviews/Jahr
ÖSTEREICH
DEUTSCHLAND
Angaben in % Quelle: INTEGRAL, Persönliche, computergestützte Interviews (CAPI), rep. Österr. 14+ Jahre, n=2.000, 2011
IMAS & INTEGRAL, ÖVA 2012-2018, Persönliche, computergestützte Interviews (CAPI), rep. Österr. 14+ Jahre, n=7.500/Jahr Für Deutschland: Best of Planning, ca. 15.000 persönliche Interviews/Jahr
9
Zustimmung in % 2001 2016 D 01-15
Bevölkerung über 14 Jahre 76 81 +5
…unter 30 jährige 55 70 +15
Wenn ich es mir richtig überlege, haben die alten Werte Sparsamkeit, Sauberkeit und Ordnung für mein Leben eine ziemlich große
Bedeutung
Tradition gibt Sicherheit
10
Zustimmung in % 2001 2015 D Bevölkerung ab 14 62 69 +7 Zustimmung in % 2001 2015 D
…unter 30jährige 33 53 +20
Volksmusik und Trachten finde ich einfach schön
11
„Ich suche Halt im Leben“
Vertrauen in Institutionen
69,6
63,7
47,7
43,5
32,3 32,2
29,9 28,4
23,4
15,3
0 10 20 30 40 50 60 70 80
Vertrauen in Institutionen: Sehr/ziemlich viel
Angaben in Prozent
Quelle: tfactory: Studie: Österreichische Jugendwertestudie 2019, rep. für 16- bis 29-jährige ÖsterreicherInnen, n=1000, Angaben in % (Daten gerundet)
12
„Ich suche Halt im Leben“
Österreichbewusstsein
43,6%
32,3%
16,3%
7,8%
34,7%
33,3%
20,9%
11,1%
48,4%
33,2%
14,3%
4,1%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%
1 = stimme voll und ganz zu
2
3
4 = stimme überhaupt nicht zu
Ich bin stolz darauf Österreicher/Österreicherin zu sein
Angaben in Prozent
Gesamt Wien Mitte
Quelle: tfactory: Studie: Österreichische Jugendwertestudie 2019, rep. für 16- bis 29-jährige ÖsterreicherInnen, n=1000, Angaben in % (Daten gerundet)
13
DAS VERSPRECHEN DER „HEIMAT“
Heimat ist Tradition und Vertrauen Heimat bedeutet Aufgehobensein
& Sicherheit
Heimat ist Klarheit, Einfachheit, Kleinteiligkeit, Ursprünglichkeit
Heimat ist Wärme und emotionale Verankerung
Heimat ist Konsumpatriotismus Heimat ist Sehnsuchtsort – als
Endstation oder als Zwischenstation
Bild von Pixabay
Image ausgewählter Lehrbetriebe
Wie attraktiv sind die folgenden Unternehmen als Lehrbetrieb? (Top-2-Boxes: sehr / eher attraktiv)
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%
McDonald's Billa Hofer BIPA Fralkensteiner Hotels dm TUI Strabag Amt der Landesregierung meines Bundeslandes Raiffeisen voestalpine Siemens ÖBB Red Bull
Quelle: tfactory: Studie 2018: rep. für 14- bis 29-jährige ÖsterreicherInnen, n=700, Angaben in % (Daten gerundet)
Frage: Was stresst dich im Moment ganz besonders? Eine Nennung –offene Frage vercodet Basis: 16- bis 19-jährige, die sich gestresst fühlen
Was im Alltag stresst?
Institut für Jugendkulturforschung (2019): Leisure is Pleasure: die Jugendfreizeitstudie – rep. für 16- bis 29-jährige, n=1.000 (Daten gerundet: aufgrund der Rundung addieren sich die %-Werte eventuell nicht exakt auf 100,0%)
1%
3%
1%
1%
1%
3%
4%
6%
4%
3%
3%
3%
3%
7%
6%
20%
31%
1%
3%
1%
4%
4%
2%
4%
3%
2%
3%
3%
5%
4%
4%
7%
21%
27%
5%
2%
0%
1%
5%
3%
1%
2%
5%
6%
3%
6%
3%
3%
7%
21%
24%
4%
5%
0%
1%
1%
3%
3%
1%
3%
5%
7%
3%
6%
3%
8%
25%
24%
Keine Angabe Sonstiges Haushalt/Haushaltsarbeit Zu wenig Eigenzeit/zu wenig Zeit für Rekreation Die Paarbeziehung Arbeitslosigkeit/Jobsuche Wohnsituation Einschneidende biographische Ereignisse
Ein diffuses Gefühl der Überforderung Zukunftsängste/die Frage, wie es in Zukunft weitergeht Schwierige Mitmenschen Gesundheitliche Probleme Alles unter einen Hut zu bringen Die Familie Geldsorgen/finanzielle Sorgen Arbeit/Beruf Ausbildung (Schule/Studium)
Süd Westen Mitte Wien (Ost)
16
„Ich suche Halt im Leben“
Wichtige Lebensbereiche
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90%
Freizeit
Familie
Religion
Freunde
Arbeit
Schule/Ausbildung
Politik
Lebensbereiche: sehr wichtig
Angaben in Prozent
Gesamt ohne Migration mit Migration
Quelle: tfactory: Studie: Österreichische Jugendwertestudie 2019, rep. für 16- bis 29-jährige ÖsterreicherInnen, n=1000, Angaben in % (Daten gerundet)
17
„Ich suche Halt im Leben“
Materialismus/Traditionalismus der Bildungsfernen
Frage: Und wie wichtig sind dir folgende Dinge, Werte und Einstellungen? Sind dir diese sehr, eher, eher nicht oder gar nicht wichtig? (Top-2-Boxes; sehr und eher wichtig)
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%
Geld Sicherheit Verantwortung Bildung Nachhaltigkeit Heimat Sport
niedrige/mittlere Bildung höhere Bildung
Quelle: tfactory: Studie 2018: rep. für 14- bis 29-jährige ÖsterreicherInnen, n=700, Angaben in % (Daten gerundet)
18
„Ich suche Halt im Leben“
Goodies und Zusatzleistungen
Quelle: tfactory: Studie 2018: Jugendlichen und jungen Erwachsenen. rep. für 14- bis 29-jährige ÖsterreicherInnen, n=700, Angaben in % (Daten gerundet)
Um gute Mitarbeiter zu bekommen, bieten heute immer mehr Unternehmen Goodies an. Bitte sag mir, welche Goodies für dich einen Job interessanter machen würden. Bitte wähle die fünf für dich attraktivsten Goodies.
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%
Ein höheres Gehalt als gesetzlich vorgesehen (über dem Kollektivvertrag)
Weiterbildungsangebote
Ticket für den öffentlichen Verkehr (z.B.
Jahreskarte)
Zusätzliche Pensionsvorsorge
Tablet / Smartphone
Gesamt niedrige/mittlere Bildung höhere Bildung
Angaben in Prozent; rep. für 16- bis 29-jährige Österreicher und Österreicher/innen; n=700
Wie wichtig sind dir folgende Dinge, Werte und Einstellungen? Sind dir diese sehr, eher, eher nicht oder gar nicht wichtig?
Top-10: Wichtige Dinge, wenn es um die Arbeit geht
– Top-Box (sehr wichtig)0 10 20 30 40 50 60 70
freundschaftliches Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin
erfahrene Kollegen und Kolleginnen arbeiten mich in den ersten Wochen gut ein
Teamgeist Anerkennung und Wertschätzung durch Vorgesetzte angenehme Arbeitszeiten gute Bezahlung Jobsicherheit Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit nette Kollegen und Kolleginnen Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Gesamt niedrige/mittlere Bildung höhere Bildung
T-Factory Trendagentur Markt- und Meinungsforschung GmbH | 2019 | 9
„Das empathische sub der Jugendsubkulturen wird aufgeweicht. Seit Jahren beobachten wir eine mehr als schleichende Veränderung: Die Tendenz geht von den milieuspezifisch-geschlossenen,
gesellschaftlich abweichenden
Jugendsubkulturen zu den situationsbezogenen, nicht auf Dauer gestellten, eher offenen, gemixten oder remixten, tendenziell normalitätsorientierten Jugendkulturen – von der Rebellion, Provokation, Abweichung und Subversion zur Anpassung, zum Mainstream und Spießertum. Es gibt allerdings nach wie vor auch noch Subkulturen im klassischen Sinn – vornehmlich am äußersten rechten Rand der jugendlichen Gesellschaft (…), in manchen (Fußball-) Fan-Kreisen (…) und teilweise in bestimmten
Kontexten des Islam.“ (Jugend und Jugendkulturen, Weinheim und Basel 2013)
SITUATIONISMUS und NORMALISIERUNG
Wilfried Ferchhoff(* 10. Juli 1946, + 13. Oktober 2015, Bochum) war Professor für Didaktik und Methodik der Sozialpädagogik an der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe.
„Wenn die Beherrschten auf das, was sie beherrscht, Schemata anwenden, die das Produkt der Herrschaft sind, oder wenn, mit anderen Worten, ihre Gedanken und Wahrnehmungen den
Strukturen der Herrschafts-
beziehung, die ihnen aufgezwungen ist, konform strukturiert sind, dann sind ihre Erkenntnisse
unvermeidlich Akte der
Anerkennung, der Unterwerfung.“
Der neue Konformismus der Jugend
Pierre Félix Bourdieu (* 1. August 1930 in Denguin; † 23. Januar 2002 in Paris) war ein französischer Soziologe und Sozialphilosoph.
Ein einzelnes Glücken, bei dem
ständigen allgemeinen Scheitern und Verlorengehen, was zählt es?
Nicht nichts.
Versuch über den geglückten Tag
Peter Handke (* 6. Dezember 1942 in Griffen, Kärnten) ist ein vielfach ausgezeichneter österreichischer Schriftsteller und Übersetzer und einer der bekanntesten zeitgenössischen deutschsprachigen Autoren.