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Sind Zweitrundeneffekte zu erwarten?

3.1 Die Rolle von Inflations-erwartungen bei der Preis- und Lohnbildung

Die Übertragung internationaler Preiseffekte auf die heimischen Endver-braucherpreise erfolgt in mehreren Stufen. Zunächst haben Weltmarkt-preise, wie in Kapitel 2 analysiert, einen direkten Einfluss auf die Ver-braucherpreisinflation; dieser direkte Effekt auf die österreichische Teu-erung hängt vor allem vom Anteil der Rohstoffe im gesamten HVPI ab. Stei-gende Rohstoffpreise erhöhen aber auch die Kosten der Produktion von Gütern, für die diese Rohstoffe als Inputfaktor benötigt werden. Dieser Transmissionskanal wird als indirekter

Quelle: Eurostat.

Grafik 12 Vergleichsweise kräftiger Preisauftrieb bei Industriegütern ohne Energie in Österreich

DE IT

Industriegüter ohne Energie

3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 –0,5 –1,0 –1,5

Veränderung zum Vorjahr in %

AT Euroraum

Bekleidung und Schuhe

6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 –1,0 –2,0 –3,0 –4,0

Veränderung zum Vorjahr in %

2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Jän. 07 Apr. 07 Juli 07 Okt. 07 Jän. 08

HVPI-Gewicht: 5,7 HVPI-Gewicht: 5,7%%

Effekt bezeichnet, wobei die höheren Inputkosten – abhängig vom Grad der Konkurrenz auf den Produktmärkten – zur Gänze, teilweise oder gar nicht an die Endverbraucher weitergegeben werden können. Direkte und indi-rekte Effekte zusammen bilden die Erstrundeneffekte.

Zweitrundeneffekte hingegen be-zeichnen den darüber hinausgehenden Aufwärtsdruck auf Endverbraucher-preise, der von induzierten höheren Lohnabschlüssen und steigenden Infla-tionserwartungen14 der Marktakteure ausgeht. Lohnverhandlungen und Infla-tionserwartungen können dabei so interagieren, dass sich eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzt. Das heißt, die erhöhte vergangene und/oder erwartete Inflation löst höhere nomi-nale Lohnabschlüsse aus. Diese erhö-hen wiederum die Produktionskosten.

Um die Gewinnspannen konstant zu halten, erhöhen die Unternehmen die Preise usw.

Preisanhebungen der Unterneh-men können aber auch unabhängig von bereits tatsächlich erfolgten Lohn-erhöhungen ausgelöst werden, wenn nur die Erwartung künftiger Lohn- und/oder Preiserhöhungen besteht.

Beispielsweise lassen erwartete Lohn-erhöhungen die erwarteten Gewinn-spannen sinken und legen – zur Erhaltung der Gewinnspanne – vor-ausschauende Preiserhöhungen nahe, sofern das Wettbewerbsumfeld dies erlaubt. Dies kann Ausdruck erhöh-ten Risikos über die künftige Gewinn-spannenentwicklung in einem Um-feld erhöhter Inflation sein und als

„Risikoprämie“ gesehen werden. Ins-besondere bei schwach ausgeprägtem Wettbewerb ist aber auch denkbar, dass Unternehmen versuchen, die mit einer gestiegenen Inflation einher-gehende Verwischung der Signal-funktion der relativen Preise bewusst zur – zumindest vorübergehenden – Erhöhung ihrer Gewinnspannen zu nutzen.

3.2 Zweitrundeneffekte bei den Lohnabschlüssen in Österreich?

Wie im Folgenden gezeigt wird, hat sich mit Beginn des Jahres 2008 das Lohnwachstum deutlich beschleu-nigt. Doch ist dies ein Anzeichen für Zweitrundeneffekte? Nach derzeitigem Stand lässt sich die Frage nach dem Vorliegen solcher Effekte im Zusam-menhang mit der Lohnentwicklung nicht erschöpfend beantworten. Im vorliegenden Beitrag kann beispiels-weise nicht geklärt werden, ob diese gerade erst erfolgten Lohner höhungen bereits zu Rückwirkungen auf die Konsumenten preise geführt haben.15 Allerdings wird versucht, die Frage zu beantworten, ob das bereits be-obachtete höhere Lohnwachstum eine Reaktion auf die höheren Inflations-raten der letzten Monate (und da-mit auf gestiegene Infla tionser war-tungen) ist.

Zur Beurteilung der jüngsten Lohnentwicklung werden die jähr-lichen Verän der ungen des Tariflohn-index be trachtet. Dieser Index wird monatlich mit vergleichsweise gerin-ger Verzögerin-gerung publiziert und stellt

14 Aus Sicht der ökonomischen Theorie wird ein solcher Zusammenhang in der Neukeynesianischen Phillips-Kurve postuliert. In empirischen Schätzungen dieser Beziehungen findet sich mehrheitlich – auch für Österreich – ein Aus Sicht der ökonomischen Theorie wird ein solcher Zusammenhang in der Neukeynesianischen Phillips-Kurve postuliert. In empirischen Schätzungen dieser Beziehungen findet sich mehrheitlich – auch für Österreich – ein Aus Sicht der ökonomischen Theorie wird ein solcher Zusammenhang in der Neukeynesianischen Phillips-Kurve signifikanter und für die Euroraum-Länder in den letzten Jahren zunehmend wichtiger Effekt der erwarteten Inflation (siehe z. B. Rumler, 2007). Die Ergebnisse sind jedoch von der Schätzmethode abhängig. Allgemein spielt die erwartete Inflation für Länder und Zeitperioden eine umso größere Rolle, je geringer die Inflationsrate und damit auch die Inflationspersistenz sind.

15 Dazu wären ausführlichere Studien notwendig, wie Firmenbefragungen oder detaillierte Branchenstudien.

somit die rezenteste Information über die aktuelle Lohnentwicklung dar.16

In den aggregierten Daten war bis Ende des Jahres 2007 kaum ein Anstieg des Lohnwachstums zu erkennen.

Dies hängt mit der zeitlichen Abfolge der kollektivvertraglichen Lohnver-handlungen zusammen. In Österreich der kollektivvertraglichen Lohnver-handlungen zusammen. In Österreich der kollektivvertraglichen Lohnver-weisen fast alle Kollektivverträge eine Laufzeit von einem Jahr auf. Nicht alle Kollektivverträge aber sind syn-chron, sondern in fast jedem Monat laufen Kollektivverträge aus bzw. es treten andere neu in Kraft („verschach-telte Lohnkontrakte“). Das Inkraft-treten der meisten Kollektivverträge ist in drei Monaten besonders konzen-triert: So entfallen auf den November (Beginn eines neuen Kollektivver-tragszyklus, d. h. Inkrafttreten der Vereinbarungen der „Herbstlohn-runde“) über 15 % (v. a. die

Metall-in dustrie und andere exportorien-tierte Industriezweige), auf den Jän-ner 50 % (z. B. Handel, öffentlicher Dienst und viele kleine Sektoren) sowie auf den Mai (v. a. Bauwesen und die Gast stätten) wiederum etwa 15 % aller kollektivvertraglichen Lohn-änderungen. Die restlichen Kollektiv-vertragsänderungen entfallen auf an-dere Monate.17

Tabelle 1 zeigt ausgewählte Kollek-tivverträge, die im November 2007 bzw. im Jänner oder Februar 2008 in Kraft getreten sind. Dabei zeigt sich fast durchwegs, dass die aktuellen Lohnsteigerungen merklich höher ausfallen als im Jahr zuvor.

Diese höheren Lohnabschlüsse schlagen sich in dem sprunghaften Anstieg der Jahreswachstumsrate der Tariflöhne auf Werte von um oder etwas über 3 % im Jänner 2008

nie-16 Man könnte einwenden, dass die kollektivvertragliche Lohnentwicklung (= Entwicklung der branchenspezifischen Mindestlöhne) wenig relevant für die Entwicklung der tatsächlichen Arbeitskosten ist, denn schließlich erhalten viele Arbeitnehmer Löhne und Gehälter, die über den kollektivvertraglichen Mindestlöhnen liegen. Tatsächlich aber ist das Wachstum der Tariflöhne ein guter Indikator für das Wachstum der Arbeitskosten. Zum einen kann man beobachten, dass in jenen Branchen, in denen es auch Verhandlungen über die Erhöhung der „Istlöhne“ gibt, deren Wachstumsraten jenen der Mindestlöhne sehr ähnlich sind. Zum anderen ist das Wachstum der Kollektiv-vertragslöhne mit dem der tatsächlichen Arbeitskosten laut Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung (Arbeit-nehmerentgelte je Arbeitnehmer) sehr eng korreliert, d. h. die „Lohndrift“ ist in Österreich meist gering. Ein vertragslöhne mit dem der tatsächlichen Arbeitskosten laut Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung (Arbeit-nehmerentgelte je Arbeitnehmer) sehr eng korreliert, d. h. die „Lohndrift“ ist in Österreich meist gering. Ein vertragslöhne mit dem der tatsächlichen Arbeitskosten laut Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung weiterer Einwand wäre, dass nicht die Entwicklung der Nominallöhne erörtert werden sollte, sondern die Ent-wicklung der nominellen Lohnstückkosten, da diese relevanter für den von den Löhnen ausgehenden Inflations-druck sind. Für die Berechnung der Lohnstückkosten bräuchte man jedoch aktuelle Produktivitätskennziffern.

Diese lagen bei Redaktionsschluss jedoch nur bis zum dritten Quartal 2007 vor.

17 Vergleiche Knell und Stiglbauer (2008).

Tabelle 1

Ausgewählte, jüngst in Kraft getretene oder beschlossene Kollektivvertragsabschlüsse

in %

Inkrafttreten des

jüngsten KV Jüngste

KV-Lohn-steigerung Abschluss im Vorjahr

Metallindustrie Nov. 07 +3,6 +2,6

Stein- und Keramikindustrie Nov. 07 +3,0 +3,0

Handel Jän. 08 +3,1 +2,35

Öffentlich Bedienstete Jän. 08 +3,3 +2,35

Telekom Austria Jän. 08 +3,1 +2,2

Güterbeförderungsgewerbe (Arbeiter) Jän. 08 +3,3 +3,0

Mineralölindustrie Feb. 08 +3,9 +2,6

Quelle: Österreichischer Gewerkschaftsbund.

der (Grafik 13).18 Eine weitere, signi-fikante Beschleunigung des Lohn-wachstums ist hingegen bis zum Herbst 2008 nicht zu erwarten, da mit den Jänner-Daten ungefähr zwei Drittel der aggregierten Lohnän de-rung der laufenden Lohnrunde (von November 2007 bis Oktober 2008) determiniert sind.

Sind diese höheren Lohnsteige-rungen eine Reaktion auf die höheren Inflationsraten, die sich seit Herbst 2007 beobachten lassen? Mehrere Gründe sprechen dagegen: Zum einen ist festzustellen, dass zu Beginn der laufenden Lohnrunde im Oktober 2007 noch nicht absehbar war, dass sich die Inflationsraten derart stark erhöhen würden.19 Da es bei den österreichischen Kollektivvertragsver-handlungen eine „Signalwirkung“ des Metallsektors für die nachfolgenden Abschlüsse gibt, ist zu erwarten, dass für die laufenden Abschlüsse eher die Einschätzungen vom Herbst 2007 maßgeblich waren als die jüngsten

Inflationszahlen.20 Wenn es nicht die Inflation war, was ist dann der Grund für das höhere Lohnwachstum? Nach allgemeiner Auffassung der Wirt-schaftsforscher waren es das äußerst dynamische Wirtschafts- und Beschäf-tigungswachstum im Jahr 2007 sowie das Bestreben, die Lohnquote nicht weiter sinken zu lassen. Im ersten Fall weisen die Unternehmen ohnehin höhere Gewinnspannen auf und im zweiten Fall verzichten sie auf Preis-steigerungen, um ihre Gewinnspan-nen nach den Lohnabschlüssen kons-tant zu halten. Aus derzeitiger Sicht gibt es somit keine signifikanten Hin-weise für das Vorliegen von Zweit-rundeneffekten in den Lohnverhand-lungen.

Im internationalen Vergleich läuft das spezifisch österreichische System der Lohnverhandlungen weniger Ge-fahr, dass die für das Jahr 2008 prog-nostizierte Erhöhung der Inflation zu einem dauerhaft höheren Lohnwachs-tum führt. In Österreich gibt es – im

Tariflöhne und Inflation in Österreich

4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0

Veränderungen gegenüber dem Vorjahresmonat in %

Grafik 13 Zweitrundeneffekte bei Lohnabschlüssen?

Quelle: OeNB.

Inflation gemäß HVPI Tariflohnindex 1986 Tariflohnindex 2006

2004 2005 2006 2007 2008

18 Das Jahreswachstum des Tariflohnindex 1986 stieg im Jänner 2008 gegenüber Dezember 2007 von 2,5 % auf 3,0 %. Beim neuen Tariflohnindex 2006 kam es sogar zu einer Steigerung von 2,3 % auf 3,3 %.

19 So wurde beispielsweise die für die Kollektivvertragsverhandlungen besonders wichtige Inflationsprognose des WIFO für 2008 erst im Dezember 2007 von 2,0 % auf 2,6 % erhöht.

20 Für diese Lohnführerschaft des Metallsektors gibt es auch empirische Belege (Knell und Stiglbauer, 2008).

Gegensatz zu manchen anderen Län-dern – keine (automatische) Koppelung der Lohnsteigerungen an die Inflation („Indexierung“). Außerdem ist die Dauer der Kontrakte mit einem Jahr relativ kurz. Die hohe Koordination der Lohnverhandlungen durch das System der Lohnführerschaft bietet eine gute Grundlage für die Vermei-dung von Lohn-Preis-Spiralen. Die Sozialpartner haben damit eine hohe Verantwortung in der kommenden Lohnrunde.

3.3 Anstieg der

Inflations-erwartungen der Konsumenten stärker als bei Experten

Zweitrundeneffekte können, wie dar-gestellt, unter anderem durch einen Anstieg der Inflationserwartungen ausgelöst werden. Mangels Daten für langfristige Inflationserwartungen in Österreich

langfristige Inflationserwartungen in Österreich

langfristige Inflationserwartungen in

21 werden im Folgenden Indikatoren für die kurzfristigen Infla-tionserwartungen mit einem Zeit-horizont von einem Jahr bzw. für das nächste Kalenderjahr betrachtet.

Zum einen werden aus Inflationsein-schätzungen von Experten, wie sie von Consensus Economics monatlich erhoben werden,22 Reihen für die Experteninflationserwartung während der nächsten zwölf Monate und im nächsten Kalenderjahr konstruiert.

Zum anderen wird aus dem eben-falls monatlich erhobenen Consumer Confidence Barometer die von den österreichischen Konsumenten

erwar-tete Preissteigerungsrate während der nächsten zwölf Monate abgeleitet.

Aus den Consensus Forecasts erhält man monatlich Jahresinfla-tionsprognosen für das laufende und das folgende Jahr. In der folgenden Dar-stellung werden zum einen – zwecks Vergleichbarkeit mit den Inflations-erwartungen gemäß Consumer Con-fidence Barometer – Inflationserwar-tungen für den dem Betrachtungs-monat folgenden Zeitraum von zwölf Monaten ermittelt.23 Diese kurzfris-tigen Inflationserwartungen weisen im gesamten untersuchten Zeitraum seit 1999 ein für Expertenprognosen durchaus typisches, im Zeitverlauf relativ glattes, Muster aus (Grafik 14).

Anstiege in der tatsächlichen Infla-tionsrate gingen in der Vergangen-heit mit gleichgerichteten – modera-teren – Anpassungen der kurzfris-tigen Erwar tungen der künfkurzfris-tigen In-flationsentwicklung einher. Auf fällig ist der jüngste – aus der Februar-Ausgabe ableitbare, sehr deutliche – Anstieg der Experteninflationserwar-tungen während der nächsten zwölf Monate auf 2,8 %, der rund ¾ Pro-zentpunkt über dem Maximum der Experten erwartungen seit dem Jahr 1999 liegt.

Veränderungen dieser sehr kurz-fristigen Experteninflationserwartun-gen ergeben sich aber schon daraus, dass Inflationsschocks unmittelbar aufgrund der Berechnung der Infla-tionsrate als Veränderung des

Preis-21 Im Unterschied zum Euroraum gibt es in Österreich keine Datenreihen über längerfristige Inflationserwartungen (Zeithorizont fünf oder zehn Jahre), wie sie beispielsweise aus inflationsindexierten Anleihen errechnet werden können oder für den Euroraum bei Expertenbefragungen erhoben werden.

22 Eine Darstellung der Erhebungsmethode von Consensus Economics findet sich unter http://www.consensuseconomics.com/what_are_consensus_forecasts.htm

23 Dazu wird eine Proxy-Variable konstruiert, indem ein gewichteter Durchschnitt der beiden Jahresprognosewerte für das laufende und kommende Jahr gebildet wird. Dabei ist das Gewicht der Prognose für das laufende Jahr die Anzahl der Monate vom Prognosemonat bis zum Jahresende dividiert durch zwölf, das Gewicht für die Prognose des Folgejahres ist eins minus das Gewicht des laufenden Jahres.

niveaus im Abstand zum Vorjahres-monat für eine Dauer von zwölf Monaten in der Inflationsrate weiter-wirken. Um abschätzen zu können, ob in der Erwartung der Experten die Inflation vorübergehend oder dauerhaft angestiegen ist, erscheint es auch sinnvoll, die Jahresinflationsrate für das kommende Kalenderjahr zu betrachten.24 Diese Reihe zeigt, dass die Experten den aktuellen Infla-tionsanstieg bislang als überwiegend vorübergehend ansehen, denn auch im Februar 2008 lag ihre Inflations-erwartung für das Jahr 2009 mit 2,1 % nur geringfügig über dem Durchschnitt seit 1999.

In der Befragung zum Consumer Confidence Barometer, einer Umfrage, die im Auftrag der Europäischen Kommission in allen EU-Mitglied-staaten monatlich durchgeführt wird, befindet sich – neben der Frage zur wahrgenommenen Inflationsrate – auch eine Frage zur erwarteten Infla-tionsrate in zwölf Monaten. Aus den Antworten kann – unter einer Reihe von Annahmen – ein mit Inflations-raten vergleichbarer Wert für die er-wartete Inflation abgeleitet werden.25 Die so erhobene erwartete Infla-tion in zwölf Monaten hat sich seit dem Jahr 1999 tendenziell nach oben bewegt. Mit der Einführung des Euro-Bargelds Anfang 2002 wurde der bis dahin sehr enge Gleichlauf mit der Wahrnehmung über die aktuelle

Inflation recht lose. Die erwartete Inflation machte die deutliche Erhö-hung der laufenden Inflationswahr-nehmung im Jahr 2002 nicht mit.

Während damals die befragten Kon-sumenten die aktuelle Teuerung als hoch empfanden (höher als tatsäch-lich laut amttatsäch-licher Statistik),26 blieben ihre Erwartungen über die weitere Inflationsentwicklung kurzfristig weit-gehend stabil und niedrig. Erst in den Jahren 2004 und 2005 stiegen die Inflationserwartungen der Konsu-menten häufiger über 2 %. Nach einer Phase der Beruhigung im Jahr 2006 und in den ersten Monaten des Jahres 2007 verzeichneten die Inflations-erwartungen der Konsumenten ab Jahresmitte einen abrupten und deut-lichen Anstieg auf über 5 %. Im Februar 2008 ist der Wert aber wieder deutlich auf 3,3 % gesunken.

Interessant ist, dass der Abstand zwischen der wahrgenommenen aktu-ellen Inflation und der in zwölf Monaten erwarteten Inflation von

½ bis 1 Prozentpunkt, der seit 2002 für mehr als fünf Jahre zu beobachten war, ab Jahresmitte 2007 auf Null schrumpfte. Mit anderen Worten, der sprunghafte Anstieg der wahr-genommenen Inflation übertrug sich eins-zu-eins in die Inflationserwar-tungen, das heißt, die Konsumenten gehen nicht mehr davon aus, dass die Inflation in einem Jahr niedriger ist als sie derzeit wahrgenommen wird.

24 Diese deckt je nach Zeitpunkt der Consensus-Erhebung einen mehr oder weniger weit entfernten Zeithorizont ab.

Im Jänner eines Jahres etwa ist die erwartete Inflationsrate für das kommende Kalenderjahr um elf Monate weiter entfernt als im Dezember eines Jahres. Diese – analytisch unbefriedigende – Eigenschaft einer derart konstruier-ten Reihe „Inflationserwartung gemäß Consensus für das nächste Kalenderjahr“ wird aber in Kauf genommen, um zumindest eine ungefähre Einschätzung der über den Zwölf-Monats-Horizont hinausgehenden Experten-inflationserwartungen zu erhalten.

25 Zur Berechnung der wahrgenommenen Inflation siehe Berk (1999). Die Schätzung der Inflationserwartungen folgt derselben Methodik. Naturgemäß gelten für beide Größen auch alle Einschränkungen, die sich aus der möglichen Beeinflussung des Antwortverhaltens durch die Abfolge der Fragen und durch das Fragedesign ergeben.

26 Für eine Erklärung und Diskussion der v. a. psychologischen Gründe für diese Abweichung siehe u. a. Fluch und Stix (2005) sowie Stix (2005).

Im Februar 2008 hat sich der Unter-schied zwischen errechneter wahr-genommener und erwarteter In-flation allerdings wieder auf rund

½ Prozent punkt erweitert.

Die Entwicklung der erwarteten und wahrgenommenen Inflation muss jedenfalls mit Vorsicht interpretiert werden. Es könnte bedeuten, dass die Konsumenten ihre Inflationserwar-tungsbildung im zweiten Halbjahr 2007 dahingehend geändert haben, dass sie bei der Bildung ihrer tionserwartungen die aktuelle Infla-tion verstärkt in die Zukunft fort-schreiben, allerdings ausgehend von der wahrgenommenen und nicht der tatsächlichen Inflationsrate. Die numerischen Werte dürfen allerdings nicht wörtlich genommen werden, da es sich um eine aus einer Befra-gung – unter diversen Annahmen – ab geleitete Schätzung handelt. Aus diesen Gründen kann den Experten-infla tionsprognosen insgesamt wohl ein höherer Informationsgehalt für die zukünftige Inflationsentwicklung zugebilligt werden.

Insgesamt hat sich der Anstieg der österreichischen Inflation in den letzten Monaten somit sowohl in den

ganz kurzfristigen Inflationserwar-tungen der Experten als auch der Konsumenten niedergeschlagen. Der Anstieg der Experteninflationserwar-tungen ist allerdings weniger stark bzw. gilt kaum für das Jahr 2009, für das offensichtlich erwartet wird, dass die inflationären Wirkungen der aktuellen Preisschocks wieder weit-gehend auslaufen werden.

4 OeNB-Prognose: Rückgang