Die vorliegende Studie beleuchtet die Entwicklung der Wettbewerbsfähig
keit der EUMitgliedstaaten aus unterschiedlichen Blickwinkeln: auf Basis von Indikatoren der preislichen und kostenmäßigen Wettbewerbs
fähigkeit, unter dem Aspekt der sek
toralen und regionalen Spezialisie
rung der Handelsstrukturen sowie unter Berücksichtigung des gesamt
wirtschaftlichen Umfelds (Wechsel
kurspolitik, Aufholprozess). Diese verschiedenen Aspekte werden nun einer abschließenden Zusammenfüh
rung unterzogen.
Für den Euroraum zeigt sich, dass vor allem länderspezifische Faktoren (wie gestiegene LSK) für Verluste an Wettbewerbsfähigkeit verantwortlich zeichnen. Dabei konnten nur jene Länder gewinnen, die diese Nachteile über PricingtoMarketStrategien abgefedert haben. Aufgrund des Ver
lusts an Wechselkursautonomie stellt die Wahrung der Wettbewerbsfähig
keit auf nationaler Ebene besonders hohe Ansprüche an die Wirtschafts
politik, eine Herausforderung, der die EuroraumLänder mit unter
schiedlichen Strategien begegneten.
So konnten Deutschland und Öster-reich in den letzten Jahren an Wett
bewerbsfähigkeit gewinnen. Neben der moderaten Lohnpolitik profitierte Österreich und in etwas schwächerem Ausmaß auch Deutschland aufgrund ihrer geografischen Lage und histo
rischen Verbindungen stark von der Erweiterung der EU. Nach der Pro
gnose der Europäischen Kommission (2007b) dürfte Deutschland im Jahr 2008 erstmals wieder an das bis
lang dynamischere Wachstum Öster
reichs anschließen. Weiters wurde die Exportentwicklung durch eine günstige regionale und sektorale
EU-Mitgliedstaaten im internationalen Handel:
Wettbewerbsfähigkeit als Herausforderung
Zusammensetzung unterstützt. Frank-reich konnte in den letzten Jahren ebenfalls an Wettbewerbsfähigkeit hinzugewinnen, allerdings aufgrund der ungünstigen geografischen Aus
richtung der Exporte in einem gerin
geren Ausmaß als Deutschland. Be
kanntermaßen konzentrieren sich Finnlands Exporte auf den Telekom
munikationsbereich, der sich durch ein stark rückläufiges Preisniveau in den vergangenen Jahren auszeichnet;
ein Grund, weshalb das Land an Wettbewerbsfähigkeit zulegen konnte.
Die Niederlande hingegen sind das einzige Land, das anfängliche starke Verluste an Wettbewerbsfähigkeit in der Phase des Wertgewinns des Euro über eine Kehrtwende in der Lohn
politik wieder aufholen konnte.
Die Gruppe der südlichen Euro
raumLänder (Griechenland, Portugal, Spanien, Italien) startete von einem günstigen Ausgangsniveau nach der EWSKrise, verspielte jedoch sukzes
sive diesen Vorteil aufgrund relativ hoher Inflationsraten und einem hohen LSKWachstum. Zum Verlust an Wettbewerbsfähigkeit trägt die ungünstige sektorale Spezialisierung im Niedrigtechnologiebereich bei, in dem sich die Länder mit einem star
ken Wettbewerb aus Asien und den osteuropäischen Ländern konfron
tiert sehen. Irland leidet aufgrund der ausgeprägten Handelsbeziehungen mit den USA und dem Vereinigten Königreich überdurchschnittlich un
ter dem Wertgewinn des Euro der
vergangenen Jahre. Dieser Wettbe
werbsnachteil sowie die dynamische Lohnentwicklung wurden jedoch durch das hohe Produktivitätswachs
tum im verarbeitenden Gewerbe so
wie gezielte PricingtoMarketStra
tegien teilweise abgefedert.
Die EU-Mitgliedstaaten Zentral-, Ost- und Südosteuropas sind ein Bei
spiel dafür, dass Veränderungen der Wettbewerbsfähigkeit nicht isoliert interpretiert werden können, son
dern stets vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Entwicklungsstands gesehen werden sollten. So haben der langfristige Aufholprozess und An
passungen der Gleichgewichtspreise einen entscheidenden Einfluss auf die Indikatoren der preislichen Wett
bewerbsfähigkeit. Allerdings konnten die Länder Zentral, Ost und Süd
osteuropas trotz teilweise gestiegener LSK und Währungsaufwertungen generell hohe Einkommenszuwächse realisieren sowie Marktanteile gewin
nen. Diese Entwicklungen zeigen, dass die Region ihr Aufholpotenzial insbesondere durch eine verbesserte Produktqualität und höhere Techno
logieintensität nutzt und sich im internationalen Wettbewerb behaup
ten konnte. Allerdings könnte es in Zukunft schwieriger werden, Markt
anteile durch verbesserte Qualität oder Technologie zu gewinnen, da das (Privatisierungs und Restruktu
rierungs)Potenzial teilweise bereits ausgeschöpft wurde.
EU-Mitgliedstaaten im internationalen Handel:
Wettbewerbsfähigkeit als Herausforderung
Literaturverzeichnis
Alberola, E., S. G. Cervero, H. Lopez und A. Ubide. 1999. Global Equilibrium Exchange Rates: Euro, Dollar, „Ins“ „Outs,“ and Other Major Currencies in a Panel Cointegration Framework. IWF Working Paper 99/175. Dezember.
Angeloni, I. und M. Ehrmann. 2004. Euro Area Inflation Differentials. EZB Working Paper 388. September.
Arpaia, A. und K. Pichelmann. 2007. Nominal and Real Wage Flexibility in EMU.
European Economy. Economic Papers 281. Juni.
Belovic, P. 2005. Real Effective Exchange Rate (REER) on the Basis of Unit Labour Costs in ESA 95 Methodology and on the Basis of Selected Price Deflators. National Bank of Slovakia Banking Journal BIATEC. 1/2005. Volume XIII.
Buldorini, L., St. Makrydakis und Ch. Thimann. 2002. The Effective Exchange Rates of the Euro. EZB Occasional Paper Series 2.
Breuss, F. 2006. Ostöffnung, EU-Mitgliedschaft, Euro-Teilnahme und EU-Erweiterung:
Wirtschaftliche Auswirkungen auf Österreich. WIFO Working Paper 270.
Burgess, R., St. Fabrizio und Y. Xiao. 2004. The Baltics: Competitiveness on the Eve of EU Accession. IWF.
Cassidy, M. und D. O’Brien. 2007. Ireland’s Competitive Performance. Central Bank &
Financial Services Authority of Ireland Quarterly Bulletin 2. 93–127.
Ca’Zorzi, M. und B. Schnatz. 2007. Explaining and Forecasting Euro Area Exports:
Which Competitiveness Indicator Performs Best? EZB Working Paper 833.
Deutsche Bundesbank. 2007. Leistungsbilanzsalden und preisliche Wettbewerbsfähigkeit im Euroraum. Deutsche Bundesbank. Monatsbericht Juni. 35–55.
Dullien, S. und U. Fritsche. 2007. Anhaltende Divergenz der Lohnstückkostenentwicklung im Euroraum problematisch. Wochenbericht des DIW Berlin 22/2007. 349–356.
Europäische Kommission. 2005. The EU Economy: 2005 Review. Rising International Economic Integration – Opportunities and Challenges. European Economy 6.
Europäische Kommission. 2007a. The Impact of the Euro Appreciation on Domestic Prices and the Export Performance. Quarterly Report on the Euro Area 6(2). 14–22.
Europäische Kommission. 2007b. Economic Forecast Spring 2007. Europäische Kommission.
EZB. 2003. Entwicklung der internationalen Preis- und Kostenwettbewerbsfähigkeit des Euro-Währungsgebiets. EZB-Monatsbericht August . 75–84.
EZB. 2005. Competitiveness and the Export Performance of the Euro Area. EZB Occasional Paper Series 30.
EZB. 2006. Wettbewerbsfähigkeit und Exportentwicklung des Euro-Währungsgebiets.
EZB-Monatsbericht Juli. 75–86.
EZB. 2007a. Die Einführung von Harmonisierten Indikatoren der Wettbewerbsfähigkeit für die Länder des Euro-Währungsgebiets. EZB-Monatsbericht Februar. Kasten 6. 58–61.
EZB. 2007b. Globalisation and Euro Area Trade: Interactions and Challenges. EZB Occassional Paper Series 55.
EZB. 2007c. Inflation and Competitiveness Divergence in the Euro Area Countries: Causes, Consequences and Policy Responses. Rede von Lucas Papademos: The ECB and its Watchers IX. Frankfurt. 7. September.
Fabrizio, S., D. Igan und A. Mody. 2007. The Dynamics of Product Quality and International Competitiveness. IWF Working Paper 07/97. IWF. Washington.
EU-Mitgliedstaaten im internationalen Handel:
Wettbewerbsfähigkeit als Herausforderung
Fischer, C. 2007. An Assessment of the Trends in International Price Competitiveness among EMU countries. Deutsche Bundesbank Discussion Paper. Series 1: Economic Studies. 08.
Frankel, J. A. und D. Romer. 1999. Does Trade Cause Growth? In: The American Economic Review 89. 379–399.
Fritsche, U., C. Logeay, K. Lommatzsch, K. Rietzler, S. Stephan und R. Zwiener.
2005. Auswirkungen von länderspezifischen Differenzen in der Lohn-, Preisniveau- und Produktivitätsentwicklung auf Wachstum und Beschäftigung in den Ländern des Euro-raums. DIW Berlin: Politikberatung kompakt. Endbericht. Forschungsprojekt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. April.
Gundel, S. und U. van Suntum. 2007. Ist die Kritik an internationalen Standortrankings berechtigt? Wirtschaftsdienst 07. 473–479.
Heilemann, U., H. Lehmann und J. Ragnitz. 2006. Länder-Rankings und internationale Wettbewerbsfähigkeit – eine kritische Analyse. Schriften des Instituts für Wirtschafts-forschung Halle. Band 24. Nomos: Baden-Baden.
IWF. 2005. Republic of Slovenia. Staff Report for the 2005 Article IV Consultation. IWF Country Report 05/253.
IWF. 2006. Romania: Selected Issues. IWF Country Report 06/169.
Köhler-Töglhofer, W., C. Magerl und P. Mooslechner. 2006. Tendenziell verbesserte Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Volkswirtschaft in der Wirtschafts- und Währungsunion: Neuberechnung des Indikators der Wettbewerbsfähigkeit der öster-reichischen Wirtschaft. Geldpolitik & Wirtschaft Q4/06. OeNB. 77–105.
Krugman, P. 1994. Competitiveness: A Dangerous Obsession. Foreign Affairs. 73(2).
Landesmann, M. und J. Wörz. 2006. Competitiveness – The CEECs versus the Rest of the World. Studie im Auftrag der Bank Austria Creditanstalt. wiiw.
V e r a n s t a l t u n g e n d e r O e N B
Außenhandel und Wirtschaftswachstum:
bestimmende Faktoren, Zusammenhänge und Herausforderungen
Einführend betonte Peter Mooslechner (OeNB) die Relevanz des Workshop
themas vor dem Hintergrund der fortschreitenden europäischen Inte
gration und Globalisierung und unterstrich die durch Außenhandel hervorgerufenen Wohlfahrtseffekte.
Ralf Kronberger (WKÖ) verwies auf das starke Wachstum der österrei
chischen Exporte seit 1995. Auch im ersten Halbjahr 2007 sind diese wieder um 10 % gewachsen, jene in die zentral, ost und südosteuro
päischen Staaten und nach Asien so
gar noch stärker. Anschließend dis
kutierte Kronberger HansWerner Sinns Hypothese der „Basarökono
mie“. Handlungsbedarf ortete Kron
berger in Bezug auf den Abbau nicht
tarifärer Handelshemmnisse. Außer
dem solle Österreich zu einem füh
renden Standort für komplexe Dienst
leistungen werden, wozu verstärkte Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung notwendig seien.
Michael Landesmann (wiiw) stellte dar
aufhin „Keynote Speecher“ David Greenaway vor.
David Greenaway (Universität Nottingham) gab mit seinem Vortrag
„New Perspectives On Exporting And Productivity“ einen umfassenden Überblick über neueste theoretische und empirische Erkenntnisse im Bereich Außenhandel und Produkti
vität. Im Zentrum der sogenannten
„New New Trade Theory“, zu deren Vertretern Greenaway zählt, steht dabei die Heterogenität von Firmen.
Diese wird sowohl in der klassischen Außenhandelstheorie (Heckscher
OhlinModell) als auch in der „New Trade Theory“ (repräsentiert vor allem durch die Arbeit von Krugman, Journal of International Economics, 1979) nicht berücksichtigt. In Erste
rer sind nicht einmal die Grenzen von Firmen definiert, und in Letzterer werden sie als symmetrisch angenom
men. Als herausragende theoretische Arbeit der „New New Trade Theory“
nannte Greenaway den Beitrag von Mark Melitz (Econometrica, 200).
Eine wichtige Weiterentwicklung des Modells von Melitz wäre laut Greenaway, Außenhandel zwischen ungleichen Ländern zu betrachten und somit komparative Vorteile nach HeckscherOhlin durch Unterschiede in der Ausstattung an Produktions
faktoren einbauen zu können. Wei
ters seien eine Analyse der Entschei
dung zwischen Exporten und Direk
tinvestitionen als alternative oder komplementäre Strategien und das Erklären von In und Outsourcing in diesem Rahmen notwendig.
Auf der empirischen Ebene ver
wies Greenaway auf die beobachtete positive Korrelation von Exporten und Wachstum auf gesamtwirtschaft
licher Ebene. Ein ähnlicher Zusam
Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) veranstaltete am 27. September 2007 gemeinsam mit dem Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) und der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) einen eintägigen Workshop zum Thema
„International Trade & Domestic Growth: Determinants, Linkages and Challenges“. Ziel des Workshops war die umfassende Diskussion der Wachstumseffekte der zunehmenden Internationalisierung aus theoretischer, empirischer und institutioneller Sicht. Dazu war eine Reihe namhafter internationaler und nationaler Experten geladen.
Lukas Reiss Lukas Reiss
Außenhandel und Wirtschaftswachstum:
bestimmende Faktoren, Zusammenhänge und Herausforderungen
menhang ist auch auf Firmenebene zu finden, und zwar zwischen Firmenproduktivität und etwaigen Exportaktivitäten. In diesem Kontext präsentierte Greenaway einen Über
blick über neuere Studien, die unter
suchen, in welche Richtung die Kausalität geht. Fast alle Studien kommen zum Schluss, dass Selbst
selektion vorherrscht, das heißt, dass schon zuvor produktivere Firmen eher ins Exportgeschäft einsteigen.
Produktivitätssteigerungen durch Lern
effekte nach Aufnahme der Export
tätigkeit sind insbesondere bei Fir
men aus kleineren und damit weniger kompetitiven Märkten zu beobachten.
Insgesamt ist die empirische Evidenz jedoch gemischt. Zusätzlich zur Pro
duktivität seien für den Einstieg ins Exportgeschäft Agglomerations
effekte, die Firmengröße, das Human
kapital, die allgemeine Exportinten
sität (alle mit positivem Vorzeichen) und Industriespezifika (z. B. die Höhe der „Sunk Costs“) relevant; die meis
ten dieser Faktoren sind mit umge
kehrtem Vorzeichen auch für einen eventuellen Ausstieg entscheidend. Die gemessenen Überlebenswahrschein
lichkeiten von Firmen im Außenhan
del sind sehr hoch. Greenaway unter
strich die Implikationen der Ergeb
nisse dieser Arbeiten für die Außen
handelspolitik, in der große Einigkeit über die positiven Effekte von Export
aktivitäten herrsche (was sich sowohl bei multilateraler als auch bei unilate
raler Politik beobachten lasse). Die positiven Auswirkungen von Firmen
größe und Agglomeration auf den Einstieg ins Exportgeschäft deuten auf den möglichen Nutzen gezielter Subventionen für Klein und Mittel
betriebe und Investitionen in die Infrastruktur hin. Hingegen sei die Sinnhaftigkeit allgemeiner Export
förderungen zweifelhaft.
Weiters merkte Greenaway an, dass es Hinweise für eine höhere Produktivität von multinationalen Unternehmen (die über Direktinves
titionen tätig sind) im Vergleich zu
„gewöhnlichen“ exportierenden Fir
men gäbe. Weitere empirische Un
tersuchungen seien vor allem bezüg
lich der Heterogenität von Lerneffek
ten und Selbstselektion und der Evaluierung außenhandelspolitischer Maßnahmen notwendig. Bedeutend wäre auch ein Vorwärtskommen bei der Entflechtung von Globalisierung und technischem Fortschritt sowie bei der Messung von Firmenproduk
tivität. Des Weiteren sei eine stärkere Berücksichtigung von Ursprungs
und Zielland von Exporten wichtig.
Tagungsblock I mit dem Titel
„Theorie und empirische Evidenz“
wurde von Michael Landesmann (wiiw) eröffnet. Er analysierte in einer gemeinsamen Arbeit mit Robert Stehrer (wiiw) die Veränderung der Struktur des Welthandels und ver
wies auf eine seit Anfang/Mitte der Neunzigerjahre wieder stark stei
gende Bedeutung des NordSüd
Handels. Dieser geht in erster Linie auf den gewaltigen Anstieg des Han
dels der EU15, der USA und Japans mit einigen südostasiatischen Staaten (TigerStaaten, Indien und China) zurück. In den EU15 ist zusätzlich der Handel mit den zentral, ost und südosteuropäischen Staaten über
durchschnittlich stark gewachsen.
Darüber hinaus gibt es empirische Evidenz für große Unterschiede in der Konvergenz der Produktivität in verschiedenen Sektoren. Ein auf diese Beobachtungen aufbauendes Modell analysiert die Veränderung relativer Wettbewerbsvorteile von Ländern und Sektoren durch Aufholen in der Produktivität und gleichzeitiger un
vollständiger Anpassung der Faktor
Außenhandel und Wirtschaftswachstum:
bestimmende Faktoren, Zusammenhänge und Herausforderungen
löhne. In diesem Rahmen führt inter
nationales Outsourcing in allen betei
ligten Regionen zu positiven Wachs
tumseffekten und verstärkt gleichzei
tig den strukturellen Wandel.
Gabriel Felbermayr (Universität Tübingen) versuchte anschließend, das
„Ob“ und das „Wie“ des Eindringens von Firmen in Auslandsmärkte mit einem gemeinsam mit Benjamin Jung (Universität Tübingen) erstellten theo
retischen Modell zu erklären. Ein
gangs bot Felbermayr einen Über
blick über die Situation in Deutsch
land. Obwohl nur ungefähr 4 % der exportierenden Firmen diesen Weg gehen, werden mehr als die Hälfte der gesamten Exportumsätze Deutsch
lands über Direktinvestitionen in Form von eigenen Verkaufsniederlas
sungen im Ausland erzielt. Ungefähr 40 % der Umsätze werden über zwi
schengeschaltete Dritte getätigt, der Rest erfolgt durch direkten Verkauf.
Diese beiden Möglichkeiten wählen jeweils knapp die Hälfte der ins Ausland verkaufenden Unternehmen.
Aufgrund ihrer relativ geringen Bedeutung klammern die beiden Autoren direkte Verkäufe aus ihrer theoretischen Betrachtung aus und konzentrieren sich auf die beiden er
wähnten alternativen Absatzstrate
gien auf Auslandsmärkten. In ihrem
„New New Trade Theory“Modell zahlt sich die Gründung lokal ansäs
siger Tochterfirmen aufgrund hoher Fixkosten nur für Unternehmen mit großem relativem Wettbewerbsvor
teil aus. Für etwas schwächere Fir
men besteht die Möglichkeit des Ver
kaufs über Zwischenhändler. Diese verursacht aber aufgrund der Schwie
rigkeiten, im Ausland solche Partner zu finden, größere variable Kosten als der Verkauf auf dem heimischen Markt. Unternehmen mit relativem Wettbewerbsnachteil, die gerade noch
auf dem heimischen Markt bestehen können, bleiben diese beiden Türen hingegen verschlossen. Diese theore
tischen Resultate sind konsistent mit der von Greenaway erwähnten empi
rischen Beobachtung der Produk
tivitätsunterschiede multinationaler Unternehmen, gewöhnlicher expor
tierender Firmen und nur auf dem heimischen Markt tätiger Unterneh
men. In diesem Rahmen analysierte Felbermayr die Auswirkungen der Veränderungen der fixen und variab
len Kosten des Zugangs zu auslän
dischen Märkten.
Julia Wörz (wiiw) stellte Ergebnisse ihrer gemeinsamen Forschung mit Joseph Francois (Centre of Economic Policy Research – CEPR, Universität Linz) vor. Demnach sei die Bedeu
tung von Dienstleistungen als Input in der Produktion gestiegen, und im Ländervergleich sei die Intensität der Nutzung positiv mit dem wirtschaft
lichen Entwicklungsstand korreliert.
Der internationale Handel von Dienstleistungen sei vor allem infolge des technologischen Fortschritts und der verstärkten Aufsplitterung der Produktion seit Mitte der Achtziger
jahre stark gestiegen. Zumindest seit Mitte der Neunzigerjahre sei insbe
sondere der Handel in der Kategorie
„Mode “ extrem gewachsen. Dabei handelt es sich um Dienstleistungen, bei denen das exportierende Unter
nehmen im Erbringerland geschäft
lich anwesend ist (in der Regel über Direktinvestitionen). Allerdings gebe es bei der Erhebung von Daten in dieser Kategorie erhebliche Probleme.
Die sektorale Analyse der Auswir
kungen des Imports von verschie
denen Dienstleistungen ergab, dass insbesondere produktionsbezogene Dienstleistungen einen starken Effekt auf Wertschöpfung, Exporte und Beschäftigung haben. Dieser Effekt
Außenhandel und Wirtschaftswachstum:
bestimmende Faktoren, Zusammenhänge und Herausforderungen
ist in technologieintensiven Sektoren positiv und in arbeitsintensiven nega
tiv. Außerdem stellten Wörz und Francois für Österreich eine eher geringe Wettbewerbsfähigkeit im Be
reich produktionsbezogener Dienst
leistungen fest und verwiesen auf relativ große Beschränkungen auslän
discher Direktinvestitionen im Dienst
leistungssektor. Auch in vielen ande
ren Ländern sind die Schranken für den internationalen Handel mit Dienstleistungen relativ hoch, insbe
sondere im Transportbereich.
Tagungsblock II zum Thema „Empirische Analysen für Österreich und die EU“ wurde von Gerhard Fenz (OeNB) eröffnet. Er präsentierte eine gemeinsam mit Martin Schneider (OeNB) erstellte Analyse der Trans
mission von konjunkturellen Schocks in Deutschland auf Österreich. Zum Einstieg erläuterte Fenz, dass die Volatilität des globalen Konjunktur
zyklus zurückgegangen sei und dass vor allem die Integration der zentral, ost und südosteuropäischen Staaten in die EU zu einer relativ geringeren Bedeutung Deutschlands als Handels
partner für Österreich geführt habe.
Deutschlands Beitrag zu Österreichs Importen und Exporten von Gütern sei zwar seit 1990 im Verhältnis zum BIP weiter gestiegen, im Verhältnis zum gesamten Außenhandel aber gesunken; dies gilt auch für Direkt
investitionen. Indiz für einen nach wie vor relativ starken Einfluss von Deutschland auf Österreich sei jedoch, dass die Korrelation der Kon
junkturzyklen dieser beiden Länder relativ konstant blieb. Allerdings zeigt eine Spektralanalyse, dass die deut
sche Wirtschaft Anfang der Achtzi
gerjahre der österreichischen um ein Quartal vorlief, jetzt jedoch um rund ein Quartal nachläuft. Ein auf einem ZweiLänderVARModell basierender
Vergleich der Zeiträume 1972 bis 1989 und 1990 bis 2005 ergab, dass die Auswirkungen von Angebots
schocks in Deutschland auf Öster
reich ungefähr gleich blieben, jene von monetären Schocks stärker und jene von Nachfrageschocks schwächer geworden sind. Da die Volatilität der Schocks in Deutschland allerdings über die Zeit zurückgegangen ist, haben sich auch die davon ausge
henden Effekte auf Österreich verrin
gert. Von einer Entkoppelung vom deutschen Konjunkturzyklus könne jedoch keine Rede sein.
Thomas Reininger (OeNB) unter
suchte anschließend die Importnach
frage einiger neuer EUMitgliedstaa
ten aus Zentral und Nordosteuropa (Estland, Litauen, Polen, die Slowa
kische Republik, Slowenien, die Tschechische Republik und Ungarn) mittels einer Kointegrationsanalyse unter Verwendung von Dynamic OLS. Reininger verwendete dafür Quartalsdaten, die bis Mitte der Neunzigerjahre zurückreichen. In fast allen betrachteten Ländern ist die langfristige Elastizität der Importe in Bezug auf Exporte am größten und jene auf den Konsum am kleinsten. Der Effekt von Investiti
onen liegt dazwischen. Ausnahme war die Slowakische Republik, in der die Elastizität auf Konsum am größ
ten ist. Die Summe aller drei Elastizi
täten liegt bei den meisten Staaten knapp über 1. Darüber hinaus fand Reininger einen starken Einfluss von Importen der EU15 auf die Importe der untersuchten Staaten (insbeson
dere die Tschechische Republik und Ungarn mit einer Elastizität von un
gefähr 1); dies lasse auf ein Fort
schreiten der europäischen Integra
tion schließen.
Andreas Wörgötter (OECD) verwies in der anschließenden Diskussion auf
Außenhandel und Wirtschaftswachstum:
bestimmende Faktoren, Zusammenhänge und Herausforderungen
mögliche Probleme bei der Identifi
kation von Schocks in der Arbeit von Fenz und Schneider sowie auf die problematische Datenlage bei der Analyse von Reininger. Die Resultate der letztgenannten Analyse deuten nach Wörgötter darauf hin, dass die untersuchten Staaten bereits zur Gruppe der entwickelten Volkswirt
schaften gehörten. Beide Studien zeigen seiner Meinung nach den zunehmenden Wettbewerbsdruck und den fortschreitenden Strukturwan
del, denen Österreich ausgesetzt sei.
Deshalb seien Änderungen im Bil
dungssystem (insbesondere bei der Lehrlingsausbildung), weitere Dere
gulierungsmaßnahmen und ein sta
biler makroökonomischer Rahmen durch die Wirtschaftspolitik erfor
derlich. Ein wichtiges Ziel sei auch, die Partizipationsraten auf dem Arbeitsmarkt weiter zu steigern.
Tagungsblock III zum Thema
„Außenhandelspolitik und Wachs
tum“ wurde von Przemyslav Kowalski (OECD) eröffnet. Er gab einen Über
blick über verschiedene Studien zu Wohlfahrtswirkungen zunehmender Handelsliberalisierung. Die große Schwankungsbreite bei deren Ergeb
nissen begründet Kowalski neben Unterschieden in den verwendeten Daten und Methoden mit unter
schiedlichen Annahmen bezüglich Technologie und Struktur von Güter
und Arbeitsmärkten. Die meisten Studien kommen zum Schluss, dass Liberalisierung in absoluten Zahlen einen stärkeren Wertschöpfungs
zuwachs für entwickelte Länder bringt. Darüber hinaus sind die ge
schätzten Werte generell relativ klein verglichen zur Gesamtproduktion der betrachteten Staaten. Dies liegt laut Kowalski unter anderem daran, dass die produktivitätssteigernde Wirkung
von Außenhandel meistens wenig berücksichtigt werde.
Joseph Francois (CEPR, Universität Linz) unterstrich, dass offene Volks
wirtschaften im Durchschnitt besser abschneiden. Allerdings zeige der Vergleich von Südostasien und Afrika, dass ein hoher Außenhandelsanteil allein keine gute Wachstumsper
formance garantiere. In Indien und China sei jedoch mit dem Beginn des starken Wachstums auch der jeweilige Anteil des Außenhandels an der gesamtwirtschaftlichen Aktivität gestiegen. Außerdem sei in beiden Staaten kurz vor dem starken Anspringen der Wirtschaft auch der Anteil der Entwicklungshilfe zurück
gegangen, was an dem positiven Effekt solcher Unterstützungsleistun
gen zweifeln lässt. Einigkeit herrsche in der Literatur über den positiven Beitrag nachhaltiger Wirtschaftspoli
tik. Abschließend bot Francois eine Übersicht über Stärken und Schwä
chen von „Applied General Equlib
rium“ (AGE)Modellen bei der Ana
lyse der Auswirkungen von Handels
liberalisierungen. Handlungsbereich sieht Francois unter anderem bei der Bewertung und strukturellen Schät
zung dieser Modelle, bei der Berück
sichtigung der Heterogenität von Fir
men, dem Messen von Maßnahmen der Außenhandelspolitik und dem Modellieren von Investitionen.
In der Diskussion der beiden letzt
genannten Präsentationen vermerkte Nora Dihel (Europäische Kommission), dass insbesondere die Ergebnisse zu den Wohlfahrtswirkungen von Libe
ralisierungen im Dienstleistungs
bereich sehr unterschiedlich seien.
Michael Landesmann (wiiw) betonte, dass bei diesen Studien mehr Augen
merk auf die Auswirkungen auf ein
zelne Gruppen (z. B. private Haus