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Wissenschaftliche Studien zu den Auswirkungen der

5 Der Einfluss von Handelskrediten auf Außenhandel

1.1 Wissenschaftliche Studien zu den Auswirkungen der

1.1 Wissenschaftliche Studien zu den Auswirkungen der Finanzkrise auf Handelsfinanzierung und deren Folgen für den internationalen Handel

Seit der Finanzkrise 2008–2009 ist das Thema Handelsfinanzierung verstärkt in den Mittelpunkt des wirtschaftspolitischen Interesses gerückt. Dies ist darin begründet, dass ein Fehlen an Handelsfinanzierung als eine mögliche Ursache für den Einbruch des Welthandels während der Finanzkrise betrachtet wird.

Im Jahr 2009 brach der weltweite Handel mit Industriegütern um 12% ein, wohingegen das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur um 2,5% sank (WTO Trade Statistics, 2010). Die Gründe für die unterschiedliche Entwicklung von Ex-porten und dem BIP während der Krise sind vielfältig. Wissenschaftler haben als mögliche Erklärungen Handelsrestriktionen, die Vernetzung über globale Wertschöpfungsketten, die Zusammensetzung gehandelter Güter und einen Mangel an Handelsfinanzierung vorgebracht (siehe Bems, Johnson und Yi, 2012 für einen Überblick).

Während der Markt für Handelsfinanzierung im Jahr 2007 und zu Beginn des Jahres 2008 noch relativ stabil war, wirkte sich die allgemeine Liquiditäts-knappheit am Geldmarkt auch auf das Angebot von Handelsfinanzierung im Verlauf des Jahres 2008 aus. Ein weiterer Grund für ein abnehmendes Angebot an Handelsfinanzierung im Jahr 2008 war die veränderte Risikobeurteilung der Banken, Versicherer und Unternehmen aufgrund der schlechten gesamtwirt-schaftlichen Lage. So gab es im Jahr 2008 und zu Beginn des Jahres 2009 erste

Anzeichen für einen Mangel an Handelsfinanzierung. Umfragen der Internati-onalen Handelskammer (ICC) und des InternatiInternati-onalen Währungsfonds (IMF) in Kooperation mit der Banker’s Association for Finance and Trade (BAFT) zeigten, dass sowohl Banken als auch Unternehmen einen Rückgang an Handelsfinanzierung feststellten (ICC, 2009 und IMF-BAFT, 2009). In Indus-trieländern sank der Wert von Handelsfinanzierungstransaktionen um durch-schnittlich 9% (IMF-BAFT, 2009). Zudem stiegen die Preise für Akkreditive und Exportkreditversicherungen deutlich an. Spreads auf 90-Tage belaufende Akkreditive stiegen von 10 bis 16 Basispunkten in normalen Zeiten auf 250 bis 500 Basispunkte für Akkreditive in Schwellen- und Entwicklungsländern (Auboin, 2009). Insgesamt schätzten die Welthandelsorganisation (WTO) und andere Experten den Mangel an Handelsfinanzierung zum Höhepunkt der Kri-se auf 25 bis 500 Mrd. Dollar jährlich (siehe WTO, 2008 und IMF-BAFT, 2009).

Neben diesen Umfragen sind seit der Finanzkrise ebenfalls zahlreiche wis-senschaftliche Studien zum Zusammenhang von Handelsfinanzierung und dem internationalen Handel entstanden (siehe Bems et al., 2012, als Über-blicksartikel). Diese Studien untersuchen vor allem, inwieweit ein Mangel an Handelsfinanzierung zum Einbruch des internationalen Handels während der Finanzkrise beigetragen haben könnte. Amiti und Weinstein (2011) untersu-chen anhand von japanisuntersu-chen Firmendaten im Zeitraum von 1990 bis 2010 den Einfluss von Handelsfinanzierung auf japanische Exporte. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein Mangel an Handelsfinanzierung für ungefähr 20%

des Zusammenbruchs der japanischen Exporte während der Finanzkrise 2008–

2009 verantwortlich ist. Dieser Zusammenhang zwischen Handelsfinanzierung und internationalem Handel während der Krise wird unter anderem von Chor und Manova (2012) bestätigt. Sie finden, dass Länder mit angespannteren Kreditmärkten, gemessen am Interbanken-Zins, weniger in die USA exportiert haben während der Finanzkrise. Dieser Effekt ist besonders ausgeprägt in Sek-toren, die stark auf externe Finanzierung angewiesen sind.

Anhand von Daten zu Exportkreditversicherern des Dachverbandes der Ex-portkreditversicherer Berne Union zeigen Auboin und Engemann (2012), dass Exportkreditversicherungen von großer Bedeutung für den internationalen Handel sind. Abbildung 29 zeigt eine starke Korrelation zwischen Exportkredit-versicherungen nach Zielländern und realen Importen dieser Länder. Bis zum Beginn der Krise stiegen sowohl das Volumen der Exportkreditversicherungen als auch das Volumen des internationalen Handels. Im Zuge der Finanzkrise kam es zu einem Einbruch der Exportkreditversicherungen, dem ein Quartal später der Einbruch der realen Importe folgte. Auboin und Engemann (2012) stellen weiterhin fest, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen Exportkre-ditversicherungen und realen Importen besteht. ExportkreExportkre-ditversicherungen, als eine Komponente der Handelsfinanzierung, haben einen signifikant positi-ven Effekt auf den internationalen Handel, sowohl in Krisenzeiten als auch in normalen Zeiten.

Auswirkungen der Finanzkrise von 2008–2009 auf Handelsfinanzierung 175 Abbildung 29: Der Zusammenhang zwischen Importen und Exportkredit-versicherungen in Millionen US$ (Durchschnitt über alle Länder)

qrter Reale Importe kurzfristige Exportkreditversicherungen

2005q1 23243,4 2688,70

2005q2 24462,19 2707,23

2005q3 24540,71 2871,47

2005q4 25234,89 2940,35

2006q1 25939,01 3105,45

2006q2 27730,99 3303,05

2006q3 28394,29 3595,54

2006q4 29715,27 3756,98

2007q1 28014,99 3925,82

2007q2 29649,96 4186,48

2007q3 30751,22 4632,97

2007q4 33073,55 4800,49

2008q1 32870,01 5171,30

2008q2 35361,18 5412,95

2008q3 35212,59 5256,76

2008q4 29919,26 4831,10

2009q1 23217,95 4275,01

2009q2 24076,1 4219,33

2009q3 26291,8 4190,53

2009q4 28250,56 4063,16

2010q1 29939,17 3882,80

2010q2 31809,43 3935,61

2010q3 33266,46 4408,09

2010q4 35892,55 4411,58

2011q1 36885,17 4558,94

2011q2 40358,26 4892,45

2011q3 41893,1 4750,54

2011q4 40921,5 4694,15

2012q1 52786,92 4821,01 0

1000 2000 3000 4000 5000 6000

0 10000 20000 30000 40000 50000 60000

Exportkrediversicherungen (Millionen US$)

Reale Importe (Millionen US$)

Quartal

Reale Importe kurzfristige Exportkreditversicherungen

Quelle: Daten von WTO und Berne Union, eigene Abbildung, vgl. Auboin und Engemann (2012).

Andere wissenschaftliche Studien stellen keinen bedeutenden Einfluss von Handelsfinanzierung auf den internationalen Handel, insbesondere während der Finanzkrise, fest (siehe unter anderem Paravisini et al., 2011, Levchenko et al., 2011 und Behrens et al., 2011). Stattdessen wird vor allem der Nach-frageeinbruch im Zuge der Finanzkrise für den Rückgang des Welthandels verantwortlich gemacht.

Ein Problem, das die Untersuchung dieses Zusammenhangs in wissenschaft-lichen Studien erschwert, ist das Fehlen eines umfassenden Datensatzes zu Handelsfinanzierung. Die Daten, die zu Handelsfinanzierung vorhanden sind, stammen entweder aus Unternehmens- oder Bankumfragen oder aus Daten-sätzen wie dem der Berne Union, die auf Länderebene aggregiert sind. Für eine umfangreiche Analyse der Wirkung und Bedeutung von Handelsfinanzierung sind allerdings Daten auf Transaktionsebene erforderlich, die das gesamte Vo-lumen der Handelsfinanzierung umfassen. Dieses Problem wurde bereits beim Treffen der G20 Staaten in Cannes 2011 angesprochen (WTO, 2011)1.

1.2 Politikmaßnahmen zur Stabilisierung des Marktes für Handelsfinanzierung

Die Politikmaßnahmen, die während der Finanzkrise 2008–2009 ergriffen wurden, waren geprägt von den Erfahrungen, die während der Asienkrise und der Krise in Südamerika in den 90er Jahren und zu Beginn des neuen

1 Der Bericht der WTO für den G20 Gipfel in Cannes ist unter folgendem Link zu finden:

www.wto.org/english/news_e/news11_e/g20_wto_report_oct11_e.doc.

Jahrtausends gesammelt worden sind. Der Schwerpunkt lag auf dem Ausbau eines globalen Netzwerks von Förderprogrammen für Handelsfi nanzierung, der Stärkung von Exportkreditversicherungen und der Systematisierung der Unterstützung der Zentralbanken bei der Bereitstellung ausreichender Devisen (Auboin und Engemann, 2013). Diese Maßnahmen, die auf dem G20 Gipfel in London im April 2009 beschlossen wurden, sollten einen breiten, aber fl e-xiblen Rahmen zur Stützung des Marktes für Handelsfi nanzierung schaffen.

Das Handelsfi nanzierungspaket der G20 Staaten beinhaltete beispielswei-se die Bereitstellung von 250 Mrd. Dollar über die Jahre 2009 und 2010 für Exportkreditversicherungen und multilaterale Entwicklungsbanken zum Ausbau ihrer Förderprogramme für Handelsfi nanzierung. Diese zusätzlich zur Verfügung gestellte Liquidität sollte die gemeinsame Zusammenarbeit von öffentlichen Institutionen und dem Privatsektor stärken, zum Beispiel durch

„co-lending“-Vereinbarungen (Auboin, 2009). „Co-lending“-Vereinbarungen bedeuten, dass ein Teil der Handelsfi nanzierung von privaten Banken be-reitgestellt und der andere Teil durch öffentliche Institutionen, wie regionale Entwicklungsbanken, aufgestockt wird. So führte die International Financial Corporation (IFC) das Global Trade Liquidity Program (GTLP) ein, welches unter anderem 40/60% „co-lending“-Vereinbarungen zwischen der IFC und kommerziellen Banken unterstützen sollte. Dieses Programm war in der Lage, internationale Handelstransaktionen bis zu 50 Mrd. Dollar in 2009 und 2010 zu fi nanzieren (Auboin, 2009).

Mit den bereitgestellten 250 Mrd. Dollar sollte außerdem der Markt für Exportkreditversicherungen stabilisiert werden, um die erhöhte Risikowahr-nehmung internationaler Transaktionen abzufedern. Die im Rahmen des Han-delsfi nanzierungspakets geschaffenen Programme der Exportkreditversicherer waren vor allem an kleine und mittelständische Unternehmen gerichtet.

Teil des Handelsfi nanzierungspakets der G20 Staaten war ebenfalls die Ein-führung einer Arbeitsgruppe zur Überprüfung der Wirksamkeit der Maßnah-men zur Stabilisierung des Marktes für Handelsfi nanzierung. Insbesondere ging es darum, die im Handelsfi nanzierungspaket eingeführten Maßnahmen nicht länger als nötig laufen zu lassen. Insgesamt wurden etwa 140 bis 150 Mrd.

Dollar der bereitgestellten 250 Mrd. Dollar genutzt (Auboin und Engemann, 2013). Der größte Bedarf bestand in der ersten Hälfte von 2009 und nahm dann langsam ab. Daher wurde auf dem G20 Gipfel in Toronto 2010 beschlos-sen, die Fördermaßnahmen auslaufen zu lassen.

Aufgrund der Spannungen auf dem US-Geldmarkt, kam es zum Höhepunkt der Krise zu einer Verknappung an US-Dollar. Die Zentralbanken reagierten darauf, indem sie die Zufuhr an ausländischen Devisen für Händler, die dieser bedurften, sicherstellten. Wie auch das G20 Handelsfi nanzierungspaket waren diese Maßnahmen zeitlich begrenzt und liefen aus, als sich die Bedingungen auf dem Geldmarkt normalisierten.

Entwicklung des Marktes für Handelsfi nanzierung seit der Krise 177

2 Entwicklung des Marktes für Handelsfi nanzierung