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Vorbereitung im Studium, Ausbildungsdefizite und Wünsche an das Studium

All diese Erfahrungen, die ihr jetzt so macht in euren ersten beruf-lichen Arbeitsjahren, habt ihr das Gefühl ihr seid drauf gut vorbe-reitet worden? Habt ihr aus dem Studium mitbekommen, was euch jetzt gut hilft und nützlich ist und was gefehlt hat?

RO: Also da kann ich sagen, da hat mir das Unterrichtspraktikum sehr geholfen, ich habe da anscheinend die schlimmste Klasse der Schule bekommen, zumindest das erste Wort, das die Klassenvor-ständin gesagt hat im Lehrerzimmer, war nicht „Hallo, ich bin die…“, sondern „Es tut mir so leid, dass du meine Klasse bekommen hast!“

Das war einmal ein super Einstieg, aber mein Betreuer war da eigent-lich recht gut, weil er gesagt hat, „Geh jetzt mal die ersten Wochen al-leine hinein, damit sie dich als Lehrer wahrnehmen“. Das hat schon einen Sinn gehabt, und als ich dann gemerkt habe, das geht nicht so, wie ich das gern hätte, habe ich ihn dann einmal gebeten, dass er eine Stunde unterrichtet und ich zuschaue und sehe, wie er das macht mit seiner Erfahrung. Es hat mich dann insofern sehr beruhigt, weil er nachher zu mir gesagt hat, eine zweite solche Stunde würde er nicht aushalten, weil er seine gesamte Erfahrung gebraucht hat. Er hat mir dann auch gesagt, da muss jeder seine Erfahrungen machen und (...) es ins Gespür kriegen mit der Zeit. Das habe ich mir dann als Leitsatz hergenommen, weil das hat mir das Gefühl gegeben, ich bin am rich-tigen Weg, nur fehlt mir eben die Erfahrung. Und die kommt!

JOR: Und wenn wir schon bei diesem Thema sind, ich glaube fach-lich sind wir sehr gut vorbereitet worden, und es war wirkfach-lich eine gute Ausbildung. Aber eigentlich ist das Menschliche oder der soziale Umgang das Um und Auf, um das Fachliche überhaupt rüber bringen zu können. Aus meiner Sicht müsste man da viel mehr anbieten.

LY: Dafür wär’s, finde ich, wichtiger, wenn man einfach mehr in der Schule ist, statt theoretisch irgendwelche kritischen Situationen zu besprechen, eben dieses Zuschauen, wie machen andere das, das Hospitieren, ich finde, das bringt irrsinnig viel, wenn man ganz viel so Gruppendynamisches beobachten kann.

JOP: Ich habe Erfahrung aus der Stuko [Anm.: Studienkommis-sion], wie ein neuer Studienplan entsteht und was man da alles rein-packen will, dann müsste man zehn Jahre studieren.

RO: Wobei ich schon glaube, dass man bei manchen Dingen etwas kürzen könnte. Mich interessiert Musikgeschichte, ja, aber (...) es ist nicht nötig, dass man so ins Detail geht. Was mir nämlich gefehlt hat, war eben viel mehr an die Praxis zu denken.

JOP: ... und auch dass die theoretischen Inhalte, die wir lernen, und wenn´s eine Vorlesung in Musikgeschichte ist, trotzdem irgendwo den Anknüpfungspunkt zur Didaktik herstellen!

IR: Also ich denke mir, Musikerzieher könnten aus der Praxis be-richten in Kombination mit einer gewissen Wissenschaftlichkeit, ich finde, das darf nicht fehlen, das würde ich jetzt nicht aufgeben wollen, viel zu erfahren, viel zu hören, viel zu wissen, das ist ganz gut, aber was macht der Musikerzieher dann damit ganz konkret im Unterricht?

JOP: ... dass zum Beispiel der Tonsatzlehrer Gehörbildung auf dem Level der Studierenden Unterricht macht und dann sagt, o.k., und in der Schule kann man das und das damit machen. Ich hab das zum Beispiel in Tonsatz immer geschätzt, dass zumindest immer Gschichtln erzählt worden sind aus dem Schulalltag, aber auf die Me-thoden runtergebrochen wurde eigentlich nicht.

D.h. es bräuchte so eine Doppelgleisigkeit zwischen Musikge-schichte für mich, damit ich tough bin im Wissen und sicher, und Musikgeschichte im Sinne von „wie bring ich es an, wie mache ich es schmackhaft, wie verbinde ich es gut mit Interessenslagen, die bei Kindern und Jugendlichen vielleicht etwas auslösen“?

IR: ... an eine Sache in einer Fortbildung kann ich mich erinnern,

„Sehnsucht Singen“ hieß das, wo die Dozentin wirklich aus dem Un-terricht geplaudert und gesagt hat, das kommt an und das geht ganz einfach mit der Klavierbegleitung, also uns die Scheu genommen hat, aber das waren nur etwa 2 bis 3 Abendworkshoptermine.

JOR: Weil du Klavierbegleitung ansprichst, das wäre auch noch so etwas, das ich von vielen gehört hab, dass das Klavierbegleiten im Un-terricht ein großes Thema ist, und da denke ich mir auch, acht Semes-ter Klassik-Klavier, das brauchst du nicht in der Schule!

Sie haben die klavierpraktischen Fähigkeiten in den Lehrplan vom Pflichtfach Klavier geschrieben, aber jetzt schaut euch die Lehrenden an, wie sollen die das unterrichten, wenn sie damit keine Erfahrung haben? Oder auch acht Semester klassischer Gesang, das ist schon gut für die Stimme, das weiß ich eh, aber trotzdem würde ich es wichtiger finden, wenn auch ein Teil davon wäre, wie singe ich mit den Kindern!

Was mich jetzt noch interessieren würde ist, gibt’s, wenn man Stu-dierender ist, schon ein Bewusstsein dafür? Ich denke, wenn man das Studium beginnt, da möchte man zuerst künstlerische Erfahrungen machen. Man hat vielleicht wenig Bewusstsein in Richtung Lehrer-identität. Jetzt habt ihr die Erfahrung aus einigen Jahren Unterrichts-praxis, aber damals im Studium, habt ihr da auch schon so gedacht?

JOP: Ich glaube, es war damals ein Abenteuer künstlerisch etwas weiter zu bringen...

JOR: ... ich denke auch, dass es super ist in diesem Studium, dass man sein eigenes Instrument so gut unterrichtet bekommt, aber es braucht dafür nicht zusätzlich Klavier klassisch und Gesang klas-sisch, es braucht einfach zu viel Zeit, die man in einem pädagogischen

Studium woanders brauchen würde. Es ist eigentlich nicht mal so wichtig, am eigenen Instrument so hoch raufzukommen, obwohl es dann vielleicht doch wieder wichtig ist für die eigene Identität.

Sind da im Studium hinsichtlich der Schulpraxis falsche Vorstel-lungen vermittelt worden?

LY: Nein, das finde ich nicht, sie haben´s schon immer dazugesagt, besonders in der Fachdidaktik. Weil wir hatten ja oft so konkrete Fra-gen, was mache ich denn, wenn ein Schüler stört, und da haben sie schon gesagt, wir können euch jetzt kein Werkzeug geben ...

JOR: Ich finde schon auch, man muss positiv erwähnen, in der Fachdidaktik hat man sich sehr viel Mühe gegeben.

JOP: Wir haben viel mehr Fachdidaktik als in vielen anderen Fä-chern!

LY: ... und viel menschlicher!

JOP: ... und die Praktika in der Unterrichtslehre, das ist ja auch nicht überall so selbstverständlich.

JOR: Ja, das ist schon toll, aber es geht ein bisschen unter neben diesen Riesendingern ...