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Umfeld: Bildungspolitische Öffentlichkeit

Ralf Wimmer

Die österreichische Lehrerinitiative(ÖLI), die

Gemenge-lage an Diffamierung, Ressentiment, Teilwahrheiten und Fehl-information. Die Presse hat erkannt, dass in Zeiten verschärfter Arbeitsplatzkonkurrenz und wirtschaftlicher „Unsicherheit“ ein gar nicht so kleiner Teil ihrer Leserschaft Orientierung, was die

„beste“ Ausbildung für ihren Nachwuchs betrifft, sucht, und

„bedient“ dieses Bedürfnis mit fragwürdigen Schulrankings,

„best practice-“Modellen und pädagogischen Homestories. Das steigert die Verkaufszahlen.

Ein selbsternannter „Schüleranwalt“ ruft zB. wöchentlich auf einer eigenen Seite in einer Tageszeitung zur Vernaderung auf und so den Eindruck hervor, als handle es sich bei der öffentli-chen Schule um eine Institution, die zur Behebung von Missstän-den, von denen sie nur so strotzt, nicht in der Lage wäre. Er ist nur einer von denen, allerdings ein besonders penetranter Ver-treter dieser Spezies, die ihre Erlösungsfantasien im schulischen Bereich exekutiert, indem sie zuerst ein subjektives Wunschbild der gesellschaftlichen Institution Schule als deren objektive Be-stimmung ausmalen, um dann umso erstaunter festzustellen, dass es sich in der Realität ganz anders verhält. Wenn aber die Schule kein Paradies für Kindlein ist, muss man eben nach der Schlange suchen, die uns aus dem Paradies vertrieben hat. Die ist dann auch meist schnell gefunden: unfähige Lehrer, gewerk-schaftliche „Betonierer“ usw. Dass mit solchen Ergüssen sogar Bestseller verfasst werden können, ist Ausdruck der vollkom-men darniederliegenden gesellschaftlichen Bildungsdiskussion.

Vor einiger Zeit prangerte eine andere Tageszeitung die feh-lende Fortbildungsbereitschaft der AHS- und BMHS-Lehrer auf einer ganzen Seite an, indem sie unter anderem Beispiele für in ihren Augen besonders läppische bzw. für schulische Zwecke ir-relevante Fortbildungsinhalte, wie zB. einen Schminkkurs dar-stellte. Sie musste sich belehren lassen, dass es auch das Schul-spiel gibt, für das eben auch solche Fertigkeiten benötigt werden.

Viel übler war allerdings das Gegeneinander-Ausspielen von Fortbildungswilligen APS- und Junglehrern und „saturierten“

KollegInnen mit bereits fortgeschrittenem Dienstalter. Der Ver-fasser dieser Zeilen brachte die Sache vor die Leseranwaltschaft, ein freiwilliges Gremium einiger Zeitungen, das medienethisch unzulässige Artikel abmahnt. Freilich ist das Ganze ein

zahnlo-ses Instrument zur Beruhigung der empörten Leser, in diesem Fall führte es zu einem Treffen mit dem verantwortlichen Chef-redakteur, in dem er die Schuld auf die Unerfahrenheit der Jung-journalisten schob.

Am Beispiel der Diskussion um die sogenannte neue Mittel-schule lässt sich in aller Kürze zeigen, wie in den österreichi-schen Medien, aber auch in der bildungspolitiösterreichi-schen Debatte, so-fern eine solche überhaupt stattfindet, das Thema Schule abge-handelt wird. Zuerst gab es eine „Debatte“, ob BM Schmied sich damit gegen die ÖVP durchgesetzt habe, wenn es schon nicht gelinge, die Gesamtschule einzuführen. Dann folgte der Streit um die korrekte finanzielle Kostenangabe, jetzt die Auseinan-dersetzung um die Anzahl der zu genehmigenden Standorte.

Dabei zeigte sich, dass die „Nachfrage“ nach dieser Hauptschule mit Teamteachingelementen überaus groß ist, weil Eltern und Kinder augenscheinlich der Meinung sind, von einer solchen Unterrichtsorganisation mehr zu „profitieren“ als von der tradi-tionellen, zumindest haben sie den Eindruck, dass an diesen Schulen derzeit mehr „Engagement“ stattfindet.. Und wenn das Kind schon nicht ins Gymnasium geht, dann sei es dort eben noch am besten untergebracht. Die umliegenden Hauptschulen sehen schon ihre Felle „davon schwimmen“. Eine deutsche Ent-wicklung, die letztlich zur scheiternden Hauptschule führt, scheint sich anzudeuten, vorausgesetzt das Geld, das diese zu-sätzlichen Stunden kosten werden, ist für den Fall des Vollaus-baues dauerhaft vorhanden.

Überhaupt nicht wird aber inhaltlich diskutiert, was denn die-se „neue Mittelschule“ eigentlich die-sein kann und ob damit die sich durch die Schulentscheidung nach der vierten Schulstufe er-gebenden Probleme gelöst oder auch nur gemildert werden. Die realpolitischen Kräfteverhältnisse haben nichts anderes zugelas-sen und nun bemüht man sich um nachträgliche Sinnstiftung.

Dass diese „Lösung“ aber vielleicht nur zur Perpetuierung der frühen Selektion führt, weil sie die so aufgepäppelte Hauptschu-le gegenüber der AHS-Konkurrenz stabilisiert und keineswegs, wie gerne verbreitet wird, der erste Schritt in Richtung Gesamt-schule ist, scheinen auch schon vereinzelte AHS-Vertreter zu ver-muten, die die „neue Mittelschule“ heftig kritisieren, freilich nur

aus Gründen des Wettbewerbes um die Schüler, nicht aus Grün-den sozialer Gerechtigkeit.

So lassen sich mit Interviews von HS-Direktoren, die unter den happy few waren, weil ihrem Ansuchen statt gegeben wur-de, und jenen, die weniger glücklich waren und schon den „Un-tergang“ ihres Schulstandortes kommen sehen oder sich über die vergebliche Vorbereitungsarbeit beschweren, mit Forderungen nach Begründung der Nichberücksichtigung und dem Aufma-len von Landkarten, die der Frage nach den Kriterien der minis-teriellen Genehmigung nachspüren, trefflich viele Zeitungssei-ten ausfüllen. Und des Problematisierens in dieser Causa will gar kein Ende sein.Wer da dieses Konzept überhaupt in Frage stellt, befindet sich rasch in der Position des mutwilligen Spiel-verderbers.

Diese Beispiele zeigen leider die Linie der österreichischen Presseberichterstattung in Bildungsfragen auf, nicht die un-rühmlichen Ausnahmen, wie man meinen könnte.

In ähnlicher Weise wurde in der Öffentlichkeit die Legitimität der gewerkschaftlichen Interessenvertretung der Lehrerschaft überhaupt in Frage gestellt (eine sogenannte Bildungsexpertin verlangte zB. allen Ernstes, ohne auf irgendeine öffentliche Em-pörung zu stoßen, man solle doch mit konstruktiveren Kräften verhandeln, wenn sich die Gewerkschaft so widerspenstig zei-ge), indem die Gewerkschaft als jene gesellschaftliche Kraft von den Medien ausgemacht und punziert wurde, die allen, auch tat-sächlich nötigen Reformen im Bildungsbereich, nicht bloß sol-chen, die eigentlich nur kaum versteckte Einsparmaßnahmen sind, im Wege steht. Das führt so weit, dass Lehrer, die als Ge-werkschafter auftreten, nur noch mit Mühe die jedermann zuge-standenen Kommunikationsbedingungen erhalten und von vorneherein als veritable Feindbildverkörperungen behandelt werden. Die Mehrheitsfraktion der FCG( ÖVP) betreibt zwar tat-sächlich eine äußerst konservative Bildungspolitik, aber in der Lehrerschaft selber und auch bei den anderen Fraktionen gibt es viele verschiedene und teilweise sehr weitgehende bildungspo-litische Reformvorstellungen, die aber in den Medien kaum zur Kenntnis genommen werden. Nicht nur dass die Medien nicht in der Lage/oder willens sind, zwischen verschiedenen Fraktionen

innerhalb der Lehrergewerkschaft zu unterscheiden, reduzieren sie häufig deren Äußerungen auf ein Pro oder Contra in der je-weiligen selbst nicht mehr hinterfragbaren Angelegenheit. Alles, was über den von ihnen vorab festgelegten Rahmen, der meist brav den von Regierungsseite vorgegebenen Grenzen folgt, ab-weicht, hat kaum Chancen auf öffentliche Diskussion. Entspre-chend oberflächlich, unsystematisch und im Streitfall hysterisch präsentieren sich dann auch die jeweiligen Medienprodukte, sei-en es nun Podiumsdiskussionsei-en, Fernsehtalkssei-endungsei-en oder Zeitungsdossiers.

Das Bild der Lehrerschaft, das in den Medien gerne gezeich-net wird, empfinden viele KollegInnen als Lehrer-bashing. Ins-besondere im gesellschaftlichen Konfliktfall, also bei Lohnver-handlungen oder neuen, von der Regierung gewünschten Ein-sparmaßnahmen, kommt es nicht selten zur medialen Mobilisie-rung lehrerfeindlicher Ressentiments in der BevölkeMobilisie-rung, die durchaus vom Dienstgeber noch geschürt werden. Daran ändert auch nichts, dass immer einmal wieder „vorbildhafte“ Lehrer und Schulen durch die Medien gaukeln, denn diese sind für die Teile der lehrerfeindlich eingestellten Leser-, Seher- und Hörer-schaft nur weitere Beweise dafür, dass der Großteil der Lehrer eben nicht richtig arbeitet. Von Arbeitsbedingungen und Organi-sationsstrukturen wissen die Medien im Regelfall ebenso wenig wie von rechtlichen Bestimmungen, es sei denn davon, wann ge-prüft werden darf und wann nicht. Hierbei gibt es keinen we-sentlichen Unterschied zwischen den Boulevard- und den selbst-ernannten Qualitätsmedien, vielleicht mit Ausnahme der Wort-wahl des herbei lizitierten Leserbriefschreibermobs. Viele Lehre-rInnen, die ihrem Selbstverständnis nach mit dieser Gesellschaft und diesem Staat im Einklang sind und sich sogar als dessen treue und hervorragende Repräsentanten – Staatsdiener eben – sehen, sind von diesen Medienberichten so getroffen, dass sie sich selber über Fluten von Leserbriefen und Emails gegen diese ihrer Meinung nach ungerechten Darstellungen zur Wehr zu set-zen versuchen oder sogar vom Dienstgeber oder der Gewerk-schaft Imagekampagnen zur Verteidigung des öffentlichen Be-rufsprestiges verlangen.

In diesem medialen Dauerfeuer und unablässigen

Wiederho-len hat sich als eine kaum mehr zu widersprechende allgemeine Position zu dem, was im Schulsystem nottut, folgendes Konvo-lut herausgebildet: Von der Fähigkeit des Lehrers hänge eigent-lich die Qualität der Schule im Wesenteigent-lichen ab. Gute Lehrer be-komme man durch Selektion am Beginn des Studiums, schlechte müsse man dadurch loswerden können, dass sie der Direktor entlassen könne. Schüler sollten die Qualität der Lehrer durch Beurteilung ihrer Leistungen feststellen. Anerkannt gute Lehrer sollten mehr verdienen als mittelmäßige oder gar Minderleister, die unbedingt in ihren Ferien zur verpflichtenden Nachschulung zu schicken seien. Lehrer verdienten zu viel und arbeiteten zu wenig. Sie seien zu wenig an der Schule. Die Vorbereitung habe der Lehrer daher in der Schule zu erbringen, denn was er da-heim mache, könne ja niemand überprüfen. Schulen sollten sich einem noch massiveren Wettbewerb stellen müssen und von un-abhängigen Gutachtern beurteilt werden. Nur durch ständige Evaluation, Qualitätsmanagement, Zentralmatura, Bildungs-standards, Schulrankings und „Österreich sucht den Superlehrer“-Bewerbe, also Lehrer, die die Eigenschaften eines pädagogischen „Wunderwuzzis“ in sich vereinigen, sei der er-wünschte Zustand der österreichischen Schule zu erreichen.

Das Problem mit diesen wie in einer Litanei vorgetragenen

„Bildungsweisheiten“ ist, dass man in Diskussionen zuerst ein-mal damit beschäftigt ist, sie zu hinterfragen, wenn dazu über-haupt die Chance besteht, weil normaler Weise zuerst einmal von irgendjemand mit Sicherheit verlangt wird, dass man vor diesen „unumstößlichen Erkenntnissen“ seinen Kotau zu leisten habe.

Von diesem geballten Unsinn sind auch wissenschaftlich da-her kommende Studien nicht immer frei und so mancda-her Bil-dungsexperte ist nichts anderes als ein Karrierist, der sich für eine gut dotierte Institutsstelle noch jedem Bildungspolitiker an den Hals werfen würde. Von Organisationsstrukturen, rechtli-chen Bestimmungen, gesellschaftlirechtli-chen Zuständen und Prozes-sen will man immer weniger wisProzes-sen. Lehrergruppierungen soll-ten sich vom wissenschaftlichen Paternalismus vieler Bildungs-experten lossagen und nicht nur ihren Unterricht erforschen, sondern ihre Funktion und die der Schule politisch analysieren

und daraus die nötigen Schlüsse ziehen. Es ist nötig und ein Akt gesellschaftlicher Emanzipation über seine Arbeit die Interpreta-tionshoheit zurück zu gewinnen.

Umfeld: Die Lehrergewerkschaften innerhalb der