3 BEST PRACTISE FÖRDERUNGSMODELLE
3.1 W IENER G RUNDSTÜCKSBEIRAT UND B AUTRÄGERWETTBEWERBE
3.1.1 T ECHNISCHE B ESCHREIBUNG G RUNDSTÜCKSBEIRAT
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chend dem Datum der (vollständigen) Einreichung unter Berücksichtigung der Projektinhalte sowie der Lage-, Standort-, Umfeld- und Infrastrukturvoraussetzungen gereiht werden.
Vor jeder Beiratssitzung werden Gespräche mit verschiedenen Dienststellen der Stadt Wien abgehalten, um möglichst umfassend zusätzliche projektbezogene Informationen zu sammeln.
Dazu zählen die Angemessenheit der Grundstückskosten, rechtliche und allgemeine Belange in Zusammenhang mit Grundstückssicherung und -erwerb, Übereinstimmung mit siedlungspoliti-schen Konzepten und dem Flächenwidmungs- und -bebauungsplan, eine technisch-wirtschaftliche Einschätzung und insbesondere auch die positive Beurteilung der Infrastrukturkommission hinsichtlich der technischen und sozialen Infrastruktur für Projekte mit mehr als 50 Wohnungen.
Die Bewertung der eingereichten Projekte erfolgte bis etwa März 2004 aufgrund eines Bewer-tungsblattes in den drei Themenbereichen Planung, Ökonomie und Ökologie, welche jeweils in vier Unterkategorien aufgegliedert waren (Tabelle 31).
Für jede dieser Unterkategorien konnten von jedem stimmberechtigten Mitglied nach gemein-samer Beratung und Abwägung der Projekte individuell bis zu 100 Punkte in 20er Schritten (0,20,40,60,80,100) vergeben werden (bei gleichrangiger Gewichtung der vier Kategorien). Aus der Summe der vergebenen Punkte pro Themenbereich wurde das arithmetische Mittel gebildet, wobei in jedem einzelnen Themenbereich ein Wert von mindestens 50 Punkten erreicht werden musste. Anschließend wurde aus der Summe dieser drei Werte wiederum das arithmetische Mittel gebildet, wobei für eine positive Beiratsempfehlung ein Gesamtwert von zumindest 60 Punkten zu erzielen war. Sofern in höchstens einem Themenbereich der Schwellenwert von 50 Punkten nicht erreicht wurde, oblag es dem Grundstücksbeirat, das Projekt zur Überarbeitung und Wiedervorlage zu empfehlen, wodurch selbiges danach nicht neuerlich gereiht werden musste. Andernfalls (ab Verfehlen der Mindestpunkteanzahl in mehr als einem Themenbereich) erfolgte keine Empfehlung des Beirats und somit eine neue Reihung nach allfälliger Wiederein-reichung.
Seit März 2004 erfolgt die Bewertung für jedes eingereichte Projekt auf Basis von den drei The-menbereichen Architektur, Ökonomie und Ökologie zugeordneten Bewertungskategorien (Tabelle 32):
Projekte mit durchschnittlichen Qualitäten (Empfehlung zur Förderung)
Projekte mit unterdurchschnittlichen bzw. nicht ausreichenden Qualitäten (Wiedervorlage oder Neuvorlage)
Innovative Projekte mit hohem Qualitätsanspruch in einem oder mehreren Kriterien (Empfeh-lung zur Förderung)
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Tabelle 31: Wiener Grundstücksbeirat Kriterienkatalog alt
Kriterien Erläuterungen Erschließung Interne Erschließung (Wohnung), externe Erschließung
(Stiegenhäu-ser, Gänge), Ausgewogenheit Nutzfläche / Erschließungsfläche Grundrissqualität Benutzbarkeit der Räume (z.B. Lage von Türen und Fenstern),
Beson-nung, Durchlüftung, funktionale Zusammenhänge
Wohnqualität Wohnungsbezogene Freiräume, Schwellenbereiche Wohnung / Haus, Haus / Freiraum, Nutzung und Gestaltung der Frei- und Grünräume
Planung
Architektur und Städtebau
Entsprechend dem Stand von Wissenschaft, Technik und Diskussion bezüglich formaler und technischer Aspekte, Bebauungskonzept
Herstellungskosten
Gesamtbaukosten, reine Baukosten, Baunebenkosten, Grundstücks-kosten, Grundstücksnebenkosten (jeweils Vertragsabschluss bis Be-zug), Finanzierungskosten, Obergrenze bei geförderten Objekten zum Zeitpunkt des Bezugs
Kosten für die Nutzer
Getrennt nach geförderten und nicht geförderten Flächen: Mieterbelas-tung, EigenmittelbelasMieterbelas-tung, Kapitaldienst, Entwicklung der Kosten, Höhe und Fälligkeit des Grundkosten- und des Baukostenanteils, Ga-ragenentgelt
Kostenrelevanz der Bauausstattung
bewirtschaftungs-, instandhaltungs-kostenmindernde bzw. -erhöhende Bauausstattung, Schall- und Wärmeschutz, Ausstattungsqualität, In-standhaltungs- und Betriebskosten, Hausbesorger
Ökonomie
Nutzerbedingungen Bauträgerart, Vertragsbedingungen der Überlassung, Nutzerverträge, Sonderbedingungen, Mitbestimmung
Bautechnik / Haustechnik
(Umwelt-)Technik: Energieverbrauch, Energieversorgung, Wasser, Einzelwasserzähler, sonstige bau- und haus-technische Infrastruktur Bauökologie /
ressourcenschonen-des Bauen
Umweltgerechtes Bauen (externe Wirkungen/ Kosten): Baustoffe und Baumaterialien, Konstruktion, bau-physikalisch-klimatische Qualität der Konstruktionselemente und Bauteile
Wohnökologie / Baubiologie
Wohnökologie (Wirkungen auf den/die Bewohner): Materialien und Aus-führungsqualität im Innenausbau, schalltechnische Qualitäten, Besonnung und Belichtung, Netzfreischalter, Strahlungsheizung, priva-te und wohnungsbezogene Frei- und Grünräume
Ökologie
Stadtökologie / Freiraum / Grünraum
"Raumökologie" (Stellung Bauwerk - Umwelt): Flächenverbrauch, Ver-siegelungsgrad, Versickerung, Dach- und Fassadenbegrünung, ökolo-gische Qualität der Grünflächen, Nutzbarkeit, Gemeinschaftseinrich-tungen, städtebauliche Konfiguration, Entsorgung
Quelle: Wiener Bodenbereitstellungs- und Stadterneuerungsfonds
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Tabelle 32: Wiener Grundstücksbeirat Kriterienkatalog neu Bewertungskriterien Erläuterungen
Stadtstruktur
Mehrwert für das Stadtgefüge in funktioneller und struktureller Hinsicht, Erdgeschosszonen, Dachgeschosszonen, Ecklö-sungen, städtebauliche Einbindung
Wohnstruktur
Wohntypologie (Flexibilität), Grundriss (Benutzbarkeit der Räume - z.B. Lage von Fenstern und Türen, Besonnung, Durchlüftung, funktionaler Zusammenhang), Erschließung (interne Erschließung - Wohnung; externe Erschließung - Stiegenhäuser, Gänge); Ausgewogenheit - Nutzflä-che/Erschließungsfläche, Gemeinschaftsräume und Treff-punkte, Übergangsräume und Freiräume
Erscheinungsbild Gestalt/Identität, Oberflächengestaltung (Material, Farbe)
Architektur
Innovationspotenzial innovative und kreative Planungsinhalte und -ansätze Grundstückskosten
Kaufpreis, Baurechtszins, Finanzierungskosten, Grund-stücksnebenkosten (jeweils Vertragsabschluss bis Bezug), Kontaminierungskosten, Kosten der Baureifgestaltung Herstellungskosten Gesamtbaukosten, reine Baukosten, Baunebenkosten,
Ober-grenze bei geförderten Objekten zum Zeitpunkt des Bezugs
Kosten & Vertragsbe-dingungen für die Nutzer
Getrennt nach geförderten und nicht geförderten Flächen:
Mieterbelastung, Eigenmittelbelastung, Kapitaldienst, Ent-wicklung der Kosten, Höhe und Fälligkeit des Grundkosten- und des Baukostenanteils, Garagenentgelt, Instandhaltungs- und Betriebskosten, Nutzerbedingungen (Vertragsbedingun-gen der Überlassung, Nutzerverträge, Zusatzvereinbarun-gen), Mitbestimmung
Ökonomie
Kostenrelevanz der Bauausstattung
Bewirtschaftungs-, instandhaltungskostenmindernde bzw. – erhöhende Bauausstattung, Schall- und Wärmeschutz, Aus-stattungsqualität
Bautechnik / Haus-technik
Energieverbrauch, Energieversorgung, Heizsystem, Wasser- und Energiesparmaßnahmen, Lüftung/Klimatisierung, Quali-tätssicherung
Bauökologie / res-sourcen-
schonendes Bauen
Baumaterialien, Konstruktionen und Bauweise, bauphysika-lisch-klimatische Qualität, umweltschonende Baustellenlogis-tik, Rückbaufreundlichkeit
Wohnökologie / Baubiologie
Materialien und Ausführungsqualität, thermische Behaglich-keit, Schadstofffreiheit, Schallschutz, elektromagnetische Felder
Ökologie
Freiraum / Grünraum / Stadtökologie
stadt- u. landschaftsräumliche Einordnung / Ortsbezug, rah-mengebendes Freiraumprogramm/Nutzungskonzept, Wahl der Gestaltungsmittel, Angaben zu Erhaltungs- u. Pflegeauf-wand, Berücksichtigung stadtökologischer Kriterien, identi-tätsstiftende Merkmale
Quelle: Wiener Bodenbereitstellungs- und Stadterneuerungsfonds
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Eine positive Empfehlung ist auf zwei Jahre befristet. Erfolgt in diesem Zeitraum keine Förde-rungszusicherung des Landes Wien, ist der Beirat neuerlich mit diesem Bauvorhaben zu befas-sen. Die detaillierte Überprüfung der Bauausführung bzw. Bauaufsicht erfolgt durch die Förde-rungsstelle sowie Techniker der Stadt Wien.
BAUTRÄGERWETTBEWERBE
Die Bauträgerwettbewerbe für geförderte Wohnbauvorhaben ab einer Größenordnung von 200 bis 300 Wohneinheiten sind öffentlich ausgelobte Verfahren und dienen der Ermittlung von Lie-genschaftskäufern, die auf den ausgeschriebenen Bauplätzen die besten Realisierungskonzepte (Planungs-, Ökonomie- und Ökologiekonzept) erstellen. Die öffentliche Auslobung erfolgt durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Stadt Wien sowie in Tageszeitungen.
Am Wettbewerbsverfahren teilnahmeberechtigt sind neben der Stadt Wien und gemeinnützigen Bauvereinigungen auch sonstige einschlägig befugte Rechtsträger aus dem Europäischen Wirt-schaftsraum.
Auf Basis der Ausschreibung1 sind seitens der Teilnehmer detaillierte Realisierungskonzepte hinsichtlich der Projektplanung, Bauausführung und -finanzierung sowie verschiedene Projekt-unterlagen (Datenblätter bzw. Kennziffern des Bauvorhabens, Baubeschreibungen, Planunterla-gen, Mustermiet- bzw. -kaufverträge) vorzulegen.
Nach einer Vorprüfung durch ein externes Ziviltechnikerbüro unter allfälliger Beiziehung von Experten (inhaltliche und formelle Übereinstimmung der eingelangten Konzepte und Unterlagen mit den Ausschreibungsbedingungen) werden die zusammengefassten Ergebnisse den beurtei-lenden Gremien vorgelegt. Die Beurteilung der Beiträge erfolgt durch eine Fachjury, bestehend aus Experten aus den Fachbereichen Architektur, Städtebau, Ökologie, Ökonomie, Wohnrecht, Wohnbauförderung sowie Bauträgervertretern, Vertretern der Stadt Wien und des Wiener Bo-denbereitstellungs- und Stadterneuerungsfonds. Als Grundlage für das Bewertungsverfahren und Entscheidungsunterstützung wurde ein Bewertungsbogen entwickelt, welcher seit Einrich-tung des Grundstücksbeirats auch von diesem herangezogen wird (siehe Tabelle 31 und Tabelle 32).
Demnach werden die einzelnen Projekte nach drei Hauptkriterien, welche jeweils in Unterkate-gorien unterteilt sind, beurteilt, wobei die Gesamtqualität und vor allem die Ausgewogenheit die-ser Kriterien im Vordergrund steht. Allen Mitgliedern der Jury steht es zu, nach einer gemeinsa-men Beratung und Abwägung der Projekte jede einzelne Kategorie und Subkategorie zu beurtei-len, wodurch ein kollektives und fachübergreifendes Bewertungsverfahren gewährleistet sein soll. Die Bewertung der Projekte selbst erfolgt gemäß der oben dargestellten Methode der Punk-tevergabe im Bewertungsverfahren des Grundstücksbeirats. Durch den „Innovationsfaktor“ kann für besonders innovative Projekte die Gesamtwertung im jeweiligen Fachbereich um 10 Prozent angehoben werden. Ein Vorteil dieses Systems ist einerseits die Verhinderung einer einseitigen
1 Diese enthält über formelle, inhaltliche und zeitliche Verfahrens- und Rahmenbedingungen hinausgehend z.B. die geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsbestimmungen, städtebauliche Vorgaben bzw.
vorgegebene Themenschwerpunkte.
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Optimierung zulasten einzelner Bewertungskategorien und andererseits die Vermeidung einer Prämierung von insgesamt nur durchschnittlichen Projekten.
Die Beurteilungen des Gremiums stellen allerdings nur Empfehlungen dar, von welchen der Auslober aus sachlichen Gründen abweichen kann. Ebenso kann seitens der Jury auf die Abga-be einer Empfehlung gänzlich verzichtet werden, wenn keines der eingereichten Projekte den im Rahmen der Auslobung vorausgesetzten Bedingungen bzw. Anforderungen entspricht.
Mit dem Gewinn des Wettbewerbs unmittelbar verknüpft ist neben der Projektrealisierung ent-sprechend den eingereichten Projektkonzepten die Veräußerung des Grundstücks an den oder die siegreichen Bauträger. Die Kontrolle der einreichgemäßen Baudurchführung obliegt, wie generell im Rahmen der Realisierung geförderter Bauvorhaben, der Magistratsabteilung 50 als zentraler Förderungsstelle bzw. der Magistratsabteilung 25 als u.a. technisch-wirtschaftlicher Prüfstelle für Wohnhäuser. Mögliche Sanktionen bei Abweichungen vom bewerteten Projekt reichen von Pönalezahlungen und einem Ausschluss von weiteren Wettbewerben bis zu einer Rückabwicklung des Liegenschaftsverkaufs.