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Schüssel aus dem Salzkammergut

„Was heißt Heimat?“ fragte der Linzer Journalist und Historiker Peter Huemer in der Tageszeitung „Die Presse“. Er kam zu dem Schluss, dass alle Menschen über ihre höchst eigene Heimat verfügen. Das Schlüsselwort dazu sei die Erinnerung, die dorthin führe, wo sich Heimat und Ort verknüpfen.

Diesem Gedanken folgend „kann alles zur Heimat werden: der LASK, die

„lyrische Hausapotheke“ von Erich Kästner und die Gmundner Keramik auf dem Frühstückstisch“.2

Der Keramikliebhaber hätte gerne gewusst, welche Gmundner Keramik man sich da vor Augen rufen soll. Doch für Peter Huemer ist es eindeutig:

DIE Gmundner Keramik ist in seiner Erinnerung mit dem Begriff „Heimat“

verbunden. Mit DER Gmundner Keramik assoziiert man zu allererst das grün geflammte Geschirr, das nicht allein den Bewohnerinnen und Bewohnern im Bundesland Oberösterreich sondern auch in allen anderen Landesteilen pars pro toto das Bild eines ländlich-rustikalen Frühstücks- oder nachmittäglichen Jausentisches vor Augen ruft. Wir können also mit höchster Wahrscheinlichkeit annehmen, dass es sich in diesem Zitat um die grün geflammte Gmundner Keramik handelt. Denn dieses rustikale Geschirr wird vorrangig mit der Stadt Gmunden am Traunsee assoziiert. Keramik gilt dort als Zeichen für regionale Identität. Darüber hinaus hat sich das grün geflammte Geschirr im ganzen Land zum Inbegriff für gemeinschaftliche Mahlzeiten, österreichische Gastlichkeit, Gemütlichkeit und ländliche Idylle entwickelt.

Wurden im 17. und 18. Jahrhundert eher blaue Farbtöne verwendet, traten danach die grünen Scharffeuerfarben auf Gmundner Fayencen stärker in den Vordergrund. Die „grüne Flamme“ gilt als klassischer Dekor der Gmundner Keramik und ist seit dem 17. Jahrhundert in allen Stilperioden auf Fächerplat­

ten, Schüsseln, Godenschalen und Weitlingen zu finden. Auf den Märkten Wiens waren die grün geflammten Gmundner Fayencen so beliebt, dass sie dort unter der Bezeichnung „Gmundner Geschirr“ gehandelt wurden. In Gmunden selbst hießen sie nach dem hauptsächlichen Abnehmer „Wiener Geschirr“.3

1 In der Rubrik „neuerDings“ werden Dinge vorgestellt, die in der letzten Zeit neu in die Sammlungen des Österreichischen Museums für Volkskunde gekommen sind, oder die kürzlich neu bearbeitet wurden.

2 Tageszeitung „Die Presse“ vom 14. Mai 2005, Beilage Spectrum, Wien.

3 Svoboda, Christa: Blaue Welle - grüne Flamme. Salzburger und Gmundner

Der grün geflammte Dekor wurde nicht exklusiv nur auf Gmundner Keramik verwendet. Er ist auch auf Töpferware der Westslowakei zu finden, wie die Exponate im Museum von Tmava (ehemals Thümau) belegen. Um 1930 erscheint die grüne Flamme auch in der Produktion der Gollhammer Keramik in Vöcklabruck.

Die Keramikbestände des Volkskundemuseums erhalten laufend Zu­

wachs. Neuerdings eben durch eine Gruppe von vierzehn Schüsseln mit

„grün geflammtem“ Dekor. Diese Verzierung entsteht, wenn mit dem Mal- hom auf die weiße Grundglasur ein Muster aus Streifen oder Wellenlinien aufgetragen wird. Vorrangig wurde Kupferoxid verwendet, ein Stoff, der im niedrigen Temperaturbereich zuverlässig grün färbt. Zumeist lässt man die Streifen bewusst verrinnen und verziert den Spiegel mit einem dichten ebenso grünen Schlingenmuster. Die vorliegende Schüssel zeigt im Spiegel als zentrales Motiv eine langstielige Blume in der Art einer Sonnenblume mit üppigem Blattwerk. Die Schüssel ist gesprungen und durch Klammer­

bindung fixiert. Um die glasierte und bemalte Schauseite nicht zu beschä­

digen, bohrte der „Hafenbinder“ oder „Kesselflicker“4 das Gefäß an beiden Seiten des Sprunges mit einem Drillbohrer an, durchlöcherte es aber nicht.

Der Sprung wurde mit einer 5 cm langen Eisenklammer überspannt und die Versenkungen mit Zement verstrichen.

Eine Herstellermarke oder eine Malersignatur ist auf Gmundner Ware selten zu finden. Auch die tiefe Schüssel trägt keinen Hinweis auf die Provenienz und keine Datierung. Sie ragt aufgrund ihrer außergewöhnlichen Maße und ihres hohen Gewichts aus der Gruppe der grün geflammten Schüsseln heraus. Das Objekt kam durch einen Verbindungsmann aus dem Antiquitätenhandel in das Völkskundemuseum. Der Vörbesitzer hatte die Sammlung Gmundner Schüsseln in seinem Landhaus im Salzkammergut aufgestellt. Die Schüssel war dort als Tisch in Verwendung. Sie stand dabei auf dem Boden, eine Glasplatte (Reste der Polyestemoppen, auf denen sie auflag, sind noch am Gefäßrand sichtbar) brachte die dekorative Innenseite der Schüssel gut zur Wirkung.

Über die ursprüngliche Erstfunktion können wir nur Vermutungen anstel­

len. Die übergroße Schüssel könnte beispielsweise der Rahmgewinnung gedient haben. Man füllte sie mit Milch und konnte von der weiten

Oberflä-Fayencen 17.-19. Jahrhundert. Aus der Sammlung des Carolino Augusteum.

Katalog zur Sonderausstellung des Carolino Augusteum 19. Februar bis 30. Mai 1999. Salzburg 1999, S. 50.

4 Gollner, Irmgard: Gmundner Keramik. Töpfertradition einst und jetzt. 2. Aufl., Linz 1991, S. 127.

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che den Rahm abschöpfen.5 Denkbar wäre auch eine Verwendung als Teig­

schüssel, oder das Stück war einfach ein handwerkliches „Bravourstück“.

Objektbeschreibung:

TIEFE SCHÜSSEL Inv. Nr.: ÖMV 82.503

H = 24,5 cm, BodenDm: 47,5 cm, innerer RandDm: 67,5 cm, äußerer RandDm: 75 cm, etwa 25 kg schwer

Gmunden, Oberösterreich, Anfang 20. Jahrhundert

Fayence, hellrote Scherbenfarbe (RAL Design 070 50 30), Gefäß an der Außenseite unglasiert, innen glasiert.

Leicht aufgewölbter Standboden, 10 Eisenklammem von etwa 5 cm Länge halten einen Sprung im Boden zusammen. Die Öffnungen um die Klammem wurden mit Zement verstrichen. Die Außenseite der Schüssel zeigt leichte Drehspuren, an manchen Stellen ist der Ton verschmiert. An der Außenseite der Schüssel sind ebenfalls vier Klammem angebracht, eine weitere im Rand. Auf und unter dem verstärkten Rand verläuft eine Zierlei­

ste durch Rollstempelung.

Der Standboden ist am Rand abgeschrägt, das Gefäß steigt darüber zwei cm zylindrisch in die Höhe und geht dann über zu gerade aufsteigender Wandung mit waagrecht abgeflachtem Rand.

Flacher Spiegel, gemndeter Übergang zur nicht gebauchten Wandung, kantiger Umbruch zu einseitig außen verstärktem Rand („Lippenrand“).

Eine wellenlinienförmige Rille verläuft unterrandständig an der inneren Wandung entlang. Keine Eisenklammem an der Gefäßinnenseite, die Ober­

fläche ist mit einer grünstichigen Zinndioxidglasur bedeckt (RAL Design 120 80 10), darüber sechs Reihen grüne Wellenlinien als Dekormotiv (RAL Design 150 40 20) an der Wandung. Den Spiegel bedeckt die großflächige Darstellung einer langstieligen kupferoxidgrünen Blüte in der Art einer Sonnenblume mit großen Blättern (RAL Design 150 60 20).

Herkunft: Das Objekt wurde samt 13 anderen kleineren Schüsseln durch Vermittlung von Franz Muhr aus Thalheim bei Wels von Mag. Klaus Müller aus Wien im November 2004 angekauft.

Zustand: Gut. Die Klammerung geht auf einen alten Bruch zurück. An manchen Stellen ist die Glasur abgeplatzt, dadurch werden weiße komför- mige Einschlüsse, sog. Kalkspatzen, im Ton sichtbar.

Claudia Peschel-Wacha 5 Bauer, Ingolf: Hafnergeschirr aus Altbayem. 2. Aufl., München/Berlin 1980 (=

Kataloge des Bayerischen Nationalmuseums; Bd. 15, I), vgl. die abgebildeten tiefen Schüsseln in Form der sog. Salzburger Milchschüsseln unter Kat.-Nr. 335 und 371.

Ö sterreichische Zeitschrift f ü r Volkskunde B and LXII/111, Wien 2008, 5 3 -6 9