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Präsident Josef Pfeifer

Präsident Josef Pfeifer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegen-den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Bundesrat Dr. Helmut Prasch

Statt Entbürokratisierung und Deregulierung ist dieses Öffnungszeitengesetz nur ein weiterer Baustein im österreichischen Gesetzesdschungel, der nicht nur das Wirtschaften erschwert, sondern darüber hinaus undurchsichtig und undurchschaubar ist und letztlich auch einen Status der Rechtsunsicherheit schafft. Schon alleine aus diesem Grunde werden wir Freiheitlichen dem Öffnungszeitengesetz unsere Zustimmung verwehren.

Betrachten wir aber nun das neue Öffnungszeitengesetz aus der Sicht des Unternehmers, der, wenn er den beschriebenen Gesetzes- und Verordnungsdschungel durchblickt und alle Anträge gesammelt und gestellt hat, nun tatsächlich sein Geschäft nach dem Gesamtoffenhalterahmen, so der Terminus technicus, von 66 Wochenstunden oder nach den entsprechenden Möglichkei-ten auch am Sonntag öffnet. Er wird das tun, um sich nicht von vornherein von der Möglichkeit auszuschließen, tatsächlich einen Mehrumsatz zu erzielen.

Aber wird er das auch tatsächlich schaffen? – Wir wissen, daß der Österreicher sein Wochen-ende sehr gerne nützt, um im benachbarten Ausland einzukaufen. Der Kaufkraftabfluß für 1996 wird schon jetzt mit rund 31 Milliarden Schilling beziffert.

Dieser Kaufkraftabfluß kann nicht mit einem neuen Öffnungszeitengesetz bekämpft werden, sehr geehrter Herr Minister, sondern er kann nur mit einer gerechteren Politik in Österreich be-kämpft werden, mit einem gerechteren Steuersystem, das es den österreichischen Betrieben er-laubt, den Preiskampf mit dem billigeren Ausland aufzunehmen. Wo sind denn die schützenden Begleitmaßnahmen für den österreichischen Handel, Herr Minister, die Sie und ihre Vorgänger den heimischen Betrieben versprochen haben? Wo ist beispielsweise das Ergebnis des Eurofit-Programmes, das der damalige Wirtschaftsminister Schüssel so großartig versprochen hat?

Das Ergebnis Ihrer Politik nach dem EU-Beitritt ist hingegen der Verlust Tausender Arbeitsplätze im Handel und das Zusperren Hunderter Klein- und Mittelbetriebe. Heute so zu tun, als sei das Öffnungszeitengesetz der Stein der Weisen für den Handel, ist mehr als scheinheilig. Dieses Öffnungszeitengesetz ist bestenfalls Makulatur.

Die Verlängerung der Öffnungszeiten bedeutet nicht automatisch mehr Umsatz und mehr Ge-winn. Es bedeutet aber jedenfalls mehr Kosten, mehr Aufwand und weniger Freizeit für die Mit-arbeiter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Mitarbeitersituation scheint man bei der Erstellung dieses Gesetzes überhaupt sträflich vernachlässigt zu haben. Das Öffnungszeitengesetz ist in diesem Zusammenhang meiner Meinung nach schlichtweg ein Husch-pfusch-Gesetz. Denn wenn man über die sogenannte Liberalisierung der Öffnungszeiten Vorteile für die Unternehmer erreichen möchte, so darf man nicht vergessen, daß dieses Ziel nur über den Einsatz der Mitarbeiter erreicht werden kann. Bevor man daher ein derartiges Gesetz beschließt, wird man sich auch einmal über die Situation der kleinen Verkäuferin klar werden müssen, die vielleicht alleinerziehende Mutter ist und künftig bis spät in die Abendstunden hinter dem Verkaufsregal stehen soll. Wo bleibt hier der Protest der SPÖ, die sich sonst so gerne rühmt, sich für die Frauen einzusetzen? (Bundesrätin Kainz: Kommt schon noch!)

Wir Freiheitlichen sagen: Solange es keine entsprechende Infrastruktur gibt – und das geht bis hin zur Frage, ob Mitarbeiter die Möglichkeit haben, nach Dienstschluß mit einem öffentlichen Verkehrsmittel nach Hause zu kommen –, solange es für alleinerziehende Frauen keine Mög-lichkeiten der Kinderbetreuung im Rahmen flexiblerer Kindergartenöffnungszeiten gibt, kann man kein Gesetz beschließen, das derart massiv in die Lebensqualität der Mitarbeiter eingreift.

Es bleibt letztlich die nach wie vor offene Frage der Mitarbeiterentlohnung, die ebenfalls nicht geklärt ist. Wer erwartet, daß seine Mitarbeiter länger arbeiten, der muß auch einsehen, daß Mitarbeit in einem Unternehmen seinen guten Preis hat. Dafür werden wir Freiheitliche uns hier jedenfalls weiter einsetzen. Da das vorliegende Öffnungszeitengesetz unseren Qualitätskriterien in keiner Weise entspricht, wird die freiheitliche Fraktion diesen Gesetzesbeschluß ablehnen.

(Beifall bei den Freiheitlichen.) 15.13

Präsident Josef Pfeifer: Als nächster am Wort ist Herr Dr. Kurt Kaufmann. – Bitte.

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann 15.13

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Herr Präsident!

Hohes Haus! Bei den Vertretern der Freiheitlichen kenne ich mich nicht mehr aus. (Bundesrat Eisl: Die Wirtschaftsbündler haben Probleme!) Ich kenne die Diskussion des „Rings Freiheitli-cher Wirtschaftstreibender“, und ich werde, Herr Kollege Prasch, das Protokoll dieser Rede dem RFW schicken. (Bundesrat Weilharter: Aber auch dem ÖAAB, bitte!) Ich glaube, das ist not-wendig, damit seine Vertreter wissen, welchen Stellenwert sie heute in der Freiheitlichen Partei einnehmen. Dem Redebeitrag der Kollegin Moser ist zu entnehmen, daß sich die Freiheitliche Partei zu einer klassischen Arbeitnehmerpartei entwickelt. (Bundesrat Eisl: 52 Prozent haben wir! 60 Prozent ist das Limit!)

Kollege Prasch! Sie haben anscheinend vergessen: Es gibt auch alleinerziehende Mütter, die nicht unbedingt im Handel tätig sind. Sie werden auch froh sein, wenn sie zu anderen Zeiten ein-kaufen können als zu den derzeit vorgegebenen Öffnungszeiten.

Nun zum eigentlichen Thema. Meine Damen und Herren! Die Ladenöffnungsdebatte führen wir ja nicht das erste Mal hier im Haus. Es ist eine unendliche Geschichte, und seit vielen Jahren wird hier immer versucht, die starren Fronten aufzubrechen. Es war Bundesminister Schüssel, der vor einigen Jahren als Wirtschaftsminister die ersten Schritte hiezu eingeleitet hat.

Meine Damen und Herren! Die Ostöffnung und der EU-Beitritt haben dazu geführt, daß wir heute einen Kaufkraftabfluß von rund 40 Milliarden Schilling haben. Und es ist ein Schritt, Kollege Prasch, um diesen Kaufkraftabfluß hintanzuhalten, daß wir versuchen, mit neuen Öffnungszeiten Käuferschichten zurückzugewinnen.

Ausschlaggebend war auch die Änderung der Ladenöffnungszeiten in Deutschland sowie das Anliegen, Österreich als attraktives Tourismusland für die ausländischen Touristen zu öffnen. Es ist, glaube ich, nicht einzusehen, daß japanische Touristen am Samstag und am Sonntag durch Wien irren und nichts einkaufen können.

Meine Damen und Herren! Ich weiß, es hat auch in unseren Reihen – und ich habe viele Diskus-sionen über die Ladenöffnungszeiten miterlebt –, im Bereich der Wirtschaftskammer, im Bereich des Wirtschaftsbundes heftige Diskussionen darüber gegeben. Es ist das natürlich ein Problem für die Klein- und Mittelbetriebe, und es besteht die Befürchtung, daß große Ketten, die leichter disponieren können hinsichtlich Arbeitszeit und Einsatz der Mitarbeiter, die Klein- und Mittelbe-triebe an die Wand spielen, daß die Ketten den Ruin der Klein- und MittelbeMittelbe-triebe bedeuten.

Ich glaube aber, daß trotz heftiger Diskussion ein sehr guter gemeinsamer Kompromiß gefun-den wurde, der für die Wirtschaft tragbar ist, ein Kompromiß, der auch die Familienbetriebe schützt. Und zu dem, was Sie, Herr Prasch, kritisieren: Wir sind für Entbürokratisierung, aber es ist gerade das ein Schutz der Klein- und Mittelbetriebe, daß sie auf der einen Seite am Sonntag offenhalten können, aber auf der anderen Seite nicht ausländische Unternehmer unbeschränkt Arbeitskräfte als sogenannte Familienmitglieder einsetzen können. Daher muß man halt leider in manchen Bereichen konkrete Regelungen vorsehen.

Der Gesamtrahmen des Gesetzes sieht vor, daß nunmehr 66 Stunden offengehalten werden kann – das ist auch eine Entbürokratisierung, weil ursprünglich waren es 60 Stunden und 66 Stunden nur im Lebensmittelhandel –, daß von Montag bis Freitag zwischen 6 Uhr und 19.30 Uhr aufgesperrt werden kann, daß am Samstag generell bis 17 Uhr offengehalten werden kann, daß an vier Adventsamstagen die Geschäfte bis 18 Uhr offenhalten dürfen und daß in Tourismusgemeinden und Gemeinden mit hohem Pendleranteil – Kollege, es gibt nämlich auch alleinstehende Frauen, die nicht im Handel tätig sind, diese müssen auch irgendwann einkaufen – die Ladenöffnungszeit von 5 Uhr bis 20 Uhr ausgedehnt wird.

Meine Damen und Herren! Zu den Sonderregelungen für Familienbetriebe, die insgesamt 80 Stunden pro Woche offenhalten dürfen, wobei die Zahl der Familienmitglieder beschränkt und genau definiert ist: Natürlich hat es auch in unseren Reihen heftige Diskussionen gegeben, aber ich kann Ihnen auch ein positives Beispiel dazu sagen. Die Badener Wirtschaftstreibenden haben die letzten drei Sonntage nachmittags offengehalten, auch die Klosterneuburger

Wirt-Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann

schaftstreibenden haben sich angeschlossen. Es waren unsere Unternehmer wirklich über-rascht und begeistert, welche Umsätze sie erzielt haben, daß Einkaufen in der Stadt auch ein Vergnügen sein kann. Sie haben Umsätze erreicht – Kollege, fahren Sie mit mir nach Baden, reden wir mit einigen Händlern dort! –, die sie sonst im Durchschnitt im Jahr an einem normalen Wochentag nicht erreichen werden, obwohl sie nur nachmittags offen gehabt haben.

Ich glaube, auch hier ist ein Umdenken in der Unternehmerschaft da. Die Unternehmer sind bereit, offenzuhalten, und die Kritik der Öffentlichkeit, daß die Unternehmer lieber zusperren und Tennis spielen gehen wollen, stimmt nicht. Sie wollen offen haben, aber es gibt noch andere gesetzliche Bestimmungen, die sie daran hindern.

Es wurde zuerst das Arbeitsruhegesetz diskutiert und beschlossen. Ich habe gemeinsam mit Kollegin Giesinger dagegengestimmt, weil gerade dieses Arbeitsruhegesetz eines der Punkte ist, warum die Wirtschaft nicht offenhalten kann oder in Zukunft nicht in dem Ausmaß offen-halten wird, weil die Belastungen, die durch die Überstunden entstehen, die Belastungen da-durch, daß jeder zweite Samstag als Freizeit gegeben werden muß, natürlich zu solchen Kosten führen, sie nicht verdient werden können.

Ich glaube, es ist daher enorm wichtig, neben den nunmehr festgelegten Ladenöffnungszeiten auch die Rahmenbedingungen für die Klein- und Mittelbetriebe zu verbessern: Rahmenbedin-gungen, die darin bestehen, daß es entsprechende Arbeitszeitregelungen gibt, die für die Klein- und Mittelbetriebe tragbar und auch finanzierbar sind.

Es muß in Zukunft eine neue Diskussion über die Einkaufszentren geführt werden. Ich weiß, daß die Einkaufszentren Ländersache sind – Raumordnung ist Ländersache –, aber das Aus-ufern der Einkaufszentren, wie wir es derzeit auch in den kleinsten Bezirksvororten erleben, führt dazu, daß die innerstädtischen Kerne der Ortsgemeinden veröden.

Ich bin daher dir, Herr Minister, sehr dankbar, daß du zugesagt hast, eine entsprechende Initiative einzuleiten, daß mit den Ländern gesprochen wird, daß mit den Ländern verhandelt wird, die Raumordnung in diesem Bereich zu überdenken, daß man also strengere Kriterien für die Einkaufszentren schaffen wird.

Meine Damen und Herren! Da wir heute noch eine sehr lange Sitzung haben werden, möchte ich zum Schluß kommen und sagen, daß meine Fraktion diesem Gesetz die Zustimmung erteilen wird. Ich ersuche aber zugleich die Bundesregierung, auch entsprechende begleitende Maßnahmen für Klein- und Mittelbetriebe zu setzen, flankierende Maßnahmen zur Arbeits-zeitregelung und Maßnahmen zur Förderung von Nahversorgungsbetrieben, die wir auch wegen der Lebensqualität draußen in den Orten dringend brauchen.

Meine Fraktion wird dem Gesetz die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.) 15.21

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Hedda Kainz. Ich bitte sie, zu sprechen.

15.21

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir setzen mit der Beschlußfassung der Ladenöffnungszeiten heute einen Schlußpunkt, um das mit einem modernen Stehsatz zu sagen, unter eine unendliche Ge-schichte.

Ich bin seit fast 30 Jahren im Bereich der Arbeitnehmervertretung tätig, und in diesen 30 Jahren erlebte ich die Diskussionen um, wie es damals noch geheißen hat, den „Ladenschluß“, ob während der Woche oder am 8. Dezember. Es war oder ist tatsächlich eine unendliche Ge-schichte. Ich befürchte allerdings, daß mit diesem Schlußpunkt auch der Startschuß für eine weitere unendliche Diskussion fallen wird, denn es ist heute hier so vieles an Fakten aufgezählt worden, einmal in die eine und einmal in die andere Richtung interpretiert.

Bundesrätin Hedda Kainz

Ich stehe jetzt hier und kündige Ihnen an, daß ich gegen diese Materie stimmen werde. Um es gleich vorwegzunehmen: Sie brauchen mich nicht darauf aufmerksam zu machen, daß ich als Arbeitnehmervertreterin damit vielleicht Schwierigkeiten bekäme. Ich sehe das nicht so.

Vor dem Hintergrund, daß diese Beschlußfassung ja abzusehen war, haben die Sozialpartner Rahmenbedingungen geschaffen, die einfach vorweggenommen haben, daß sie mit der Realität der Beschlußfassung leben müssen. Ich zolle meinen Kolleginnen und Kollegen sowohl in der Gewerkschaft, aber durchaus auch dort, wo es zu Kompromissen gekommen ist, auch in der Bundeswirtschaftskammer, Respekt in der Wahrnehmung ihrer Kompetenz der Regelung der Nebenfakten. Diese sind heute im Zusammenhang mit dem Wochenendruhegesetz bereits an-gesprochen worden.

Warum ich kein Problem damit habe, trotzdem dagegen zu stimmen, liegt daran, daß ich in diesem Stimmverhalten eine über diese Regelung von Einzelfakten hinausgehende Notwendig-keit sehe, weil mir die Grundtendenz der Ladenöffnungszeitenregelung einfach nicht näherzu-bringen ist. Es werden verschiedene Gruppierungen angesprochen. Die Medien machen das ja sehr geschickt. Man zeigt uns im Fernsehen nur jene, die der Materie zustimmen. Das behaupte ich jetzt schlichtweg, und das ist auch durchaus durch Aussagen von Journalisten untermauert.

Denn wenn ein Redakteur einer angesehenen Zeitung sagt, wenn er zum Wochenende arbeiten muß, dann möchte er sich eine Wurstsemmel kaufen können, dann kann ich dem aus persön-lichem Standpunkt durchaus etwas abgewinnen, nur in der Tendenz ist das abzulehnen.

Es gibt also im wesentlichen drei oder vier Gruppierungen, die an dieser Materie ein Interesse haben. Da ist einmal der Handel, nämlich jene Gruppierung der kleinen Händler, der Nahver-sorger, deren Existenz in meinen Augen sehr gefährdet ist, weil sie diese Wettbewerbsnotwen-digkeiten aufgrund ihrer kleinen Struktur und ihrer persönlichen Situation nicht erfüllen können.

Die Auswirkungen auf die Konsumenten folgen dem auf dem Fuß, indem eben die Nahversor-gung für finanzschwache und alte Menschen gefährdet ist. Heute ist auch sehr massiv der länd-liche Bereich angesprochen worden. Ich denke, ich brauche Ihnen nicht zu sagen, welche Aus-gleichsmaßnahmen mit fliegenden Händlern dort notwendig sein werden, weil die Nahversor-gung gefährdet ist.

Die zweite Gruppe ist jene der Handelsangestellten, deren Probleme ich Ihnen auch nicht näher-zubringen brauche. Ich habe hier eine brandneue Studie aus Oberösterreich, in der alle unsere langjährigen Argumente bestätigt werden. Die jungen Handelsangestellten sagen, diesen Bela-stungen werden sie nicht standhalten, und wenn sich eine Gelegenheit ergibt, dann wird es zu einem Berufswechsel kommen. Ich hoffe, daß das auch machbar ist, denn die Realität auf dem Arbeitsmarkt schaut ja etwas anders aus. Die älteren Handelsangestellten resignieren und haben das Gefühl, damit leben zu müssen, daß sie diesen Belastungen standzuhalten haben, weil sie keine Alternativen haben.

Es wird behauptet, daß der Konsument ein Interesse daran hat, und es wird der Kaufkraftverlust und der Einkaufstourismus in die umliegenden Länder herangezogen. Ich denke, daß auch diese Behauptungen mit einer anderen Begründung zu versehen sind. Es ist auch heute hier schon einmal gesagt worden: Die Wiener fahren nicht nach Ungarn, weil dort die Geschäfte länger offen haben, sondern sie fahren dorthin, weil es spezielle Angebote gibt, weil es dort billiger ist und weil ein Ausflug damit verbunden ist. Das gleiche können Sie von den Oberöster-reichern sagen, die nach dem Norden, in die Tschechei, und nach dem Westen, nach Deutsch-land, fahren, wobei dort dann auch noch die Preissituation und das größere Angebot mit zum Tragen kommen. Ich denke also, die Argumente kann man in die eine oder in die andere Rich-tung beugen.

Die Behauptung, daß der Konsument mehr Zeit braucht, um einzukaufen, ist ebenfalls zu hinter-fragen. Hat er denn überhaupt mehr Zeit zur Verfügung? – Ich behaupte schlichtweg: Wenn sich jemand einen Wintermantel kaufen will, dann kauft er diesen entweder am Donnerstag oder vielleicht am Samstag, weil es dann bequemer ist.

Bundesrätin Hedda Kainz

Herr Kollege Kaufmann! Ich will nicht bestreiten, daß es in Baden positive Aspekte gibt. (Ruf bei der ÖVP: Nicht nur in Baden!) Aber Sie wissen ganz genau, daß auch Ihre Vertretungen zuge-ben, daß das im Durchschnitt nur eine Umsatzverlagerung ist. Die Tatsache, daß trotz liberaler Öffnungszeiten in Deutschland Umsatzrückgänge zu verzeichnen sind, zeigt, daß da doch irgendein anderer Zusammenhang bestehen muß. (Bundesrat Ing. Penz: Im Interesse der Kon-sumenten!)

Ich möchte jetzt das persönliche Verhalten von Konsumenten hier nicht kritisieren, aber so am Rande ist mein persönlicher Eindruck, daß ein gewisser Tourismus zu den großen Handels-ketten entsteht, die dann natürlich ein berechtigtes Interesse an längeren Öffnungszeiten haben.

Das geht in die Richtung, daß Familien nicht mehr spazierengehen können. Aber ich bitte, das richtig zu verstehen: Das ist mein persönlicher Eindruck. Es liegt nicht an mir, das Lebensver-halten von anderen Menschen zu bestimmen. Aber die Tendenz, sich mit Kindern am Wochen-ende spazierWochen-enderweise in Einkaufszentren statt in der freien Natur zu bewegen, würde mir auch ein bißchen zu denken geben. Ich gebe jedoch zu, daß das nur ein kleiner Touch am Rande ist. Sagen Sie mir nicht, das sei ein unqualifiziertes Argument. (Bundesrat Ing. Penz: Das ist etwas Subjektives! – Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP.) – Das hat natürlich etwas mit den Ladenöffnungszeiten zu tun. Es ist ja recht reizvoll, in einem gedeckten Areal Window-shopping zu betreiben, einen Kaffee zu trinken und dann nichts auszugeben.

Die Argumente der Umsatzsteigerung sind also zu hinterfragen. Ich glaube, das wissen Sie aus den Zahlen am allerbesten. Ich gebe zu, daß die Umfrage des „Regal“ in Oberösterreich nicht mehr brandneu ist. Sie wissen, das „Regal“ ist eine Zeitung des Handels in Oberösterreich, die unter ihren Lesern eine Umfrage gemacht hat. Demnach haben sich über 80 Prozent dagegen ausgesprochen, daß es weitere Ausweitungen der Öffnungszeiten gibt. Und unsere Land-straße-Kaufleute bestätigen, daß der Umsatz halt heute am Samstag gemacht wird, während er früher am Donnerstag und am Freitag vormittag erfolgt ist.

In Summe dieser Argumente bin ich nicht bereit, einer Tendenz näherzutreten, die mir in ihrer Gesamtheit nicht erstrebenswert erscheint. Aus diesem Grund werde ich persönlich diesem Nationalratsbeschluß nicht die Zustimmung erteilen. (Beifall bei einzelnen Bundesräten.)

15.30

Präsident Josef Pfeifer: Weiters gelangt Herr Bundesrat Karl Drochter zu Wort. – Bitte.

15.30

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun-desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Kollege Kaufmann hat Kollegen Prasch gesagt, daß er ihn bei der Freien Wirtschaft vernadern werde. Ich kann Kolle-gen Prasch versprechen: Obwohl er den Spagat zwischen Handelsketten und Arbeitnehmern nicht überzeugend geschafft hat, werde ich ihn nicht beim Kollegen Gaugg bei der „AUF“ in Kärnten vernadern.

Das heute vorliegende Öffnungszeitengesetz ist von meinen Vorrednern schon sehr ausführlich besprochen worden. Es ist jahrzehntelang, wie das Kollegin Kainz angedeutet hat, in Kreisen der Belegschaftsvertreter, der Gewerkschaften, aber auch der Konsumenten beraten worden. Auch nach dieser 30jährigen leidvollen Erfahrung nehmen wir zur Kenntnis, daß Kollegin Kainz dem Öffnungszeitengesetz nicht die Zustimmung geben wird, die sozialdemokratische Bundesfrak-tion hingegen sehr wohl, weil es nach der Diskussion über die Öffnungszeiten, von denen ja 250 000 Kolleginnen und Kollegen und 25 000 Lehrlinge betroffen sind, durch die parallele Ver-wirklichung des Kollektivvertrages doch möglich war, erträgliche Arbeitszeiten, Freizeitregelun-gen und Zuschläge für Mehrarbeit durchzusetzen.

Ich mache mir aber große Sorgen, vielleicht mehr Sorgen als die Vertreter der Wirtschaft, über den Umstand, daß seit dem Jahre 1990 über 5 000 Nahversorger ihre Betriebe geschlossen ha-ben, daß es in 10 Prozent der Gemeinden in Österreich keine Nahversorgung mehr gibt, daß es in 44 Prozent der Gemeinden keinen Bäcker mehr gibt, Herr Bundesminister, daß es in 47 Pro-zent der Gemeinden keinen Fleischhauer mehr gibt. Man muß davon ausgehen, daß nicht alle Konsumenten so mobil sind und regelmäßig zu großen Einkaufszentren fahren können. Wir

Bundesrat Karl Drochter

müssen auch mitberücksichtigen, daß es in unserer Gesellschaft ältere und kranke Menschen gibt, die nicht über die notwendige Mobilität verfügen.

Kollege Kaufmann hat schon auf die persönliche Situation der Nahversorger hingewiesen, daß sie aufgrund des Konkurrenzdrucks in der Zukunft weniger Freizeit haben werden. Das wird nicht im gleichen Ausmaß für die Arbeitnehmer eintreten, weil eben die Arbeitnehmer Beleg-schaftsvertreter haben, eine Interessenvertretung haben, die Gewerkschaften und den Österrei-chischen Gewerkschaftsbund, die zeitgleich auch den von mir schon erwähnten Kollektivvertrag abgeschlossen haben. Es wird nach Jahrzehnten möglich sein, daß Beschäftigte im Handel mit ihren Familienangehörigen ein gemeinsames Wochenende, also einen Samstag und einen Sonntag, verbringen können.

Herr Bundesminister! Es ist schon erwähnt worden, daß sich die Konkurrenzfähigkeit gegenüber den grenznahen deutschen Handelsbetrieben nicht verbessert hat und auch durch längere Öffnungszeiten nicht verbessern wird. Es ist auch gesagt worden, daß der Kaufkraftabfluß im vergangenen Jahr über 30 Milliarden Schilling betragen hat. Kollege Kaufmann hat in seinem Beitrag darauf hingewiesen, daß die 40-Milliarden-Grenze schon im heurigen Jahr erreicht wer-den wird. Das ist sicherlich für die Wirtschaft, für die Betriebe schmerzlich, beweist aber, daß die Öffnungszeiten nur ein Teil, wenn auch ein wichtiger, sind, um Geschäfte zu machen, um Käufer zu binden oder neue Käufer zu gewinnen.

Viel entscheidender ist aber neben den Öffnungszeiten meiner Meinung nach auch die Qualität der Produkte, die ausgezeichnete Beratung durch das Verkaufspersonal. Das bedingt aber auch, daß man nach wie vor der Lehrlingsausbildung beziehungsweise der Möglichkeit der Lehr-lingsausbildung eine besondere Präferenz gibt. Da bin ich nicht überzeugt, daß das im Handel auch in der Zukunft gewollt ist, wenn man die momentane Lehrlingssituation mitberücksichtigt.

Natürlich spielt auch der Preis eine wesentliche Rolle beim Einkauf. Wir merken das insbeson-dere bei unserem Nachbarland Italien. Obwohl die Lira in den letzten Wochen sehr stark ange-zogen hat, ist der Einkaufsboom vor allem aus den südlichen Bundesländern in das nahe Italien ungebrochen.

Es ist heute nur so am Rande erwähnt worden, daß wir natürlich auch darunter leiden, daß es einen starken Kaufkraftabfluß in die östlichen Nachbarländer gibt, Herr Bundesminister! Ich kann Ihnen folgendes sagen: Ich wohne ungefähr 40 Kilometer von der slowakischen und von der ungarischen Grenze entfernt. Es werden wöchentlich Einkaufsbusfahrten in die Nachbar-länder organisiert, und das zu Zeiten, in denen man auch in Österreich einkaufen könnte.

Das heißt also, daß uns sicherlich einiges einfallen muß, damit die Leute im „Feinkostladen Österreich“, so wie das Kollege Penz immer wieder erwähnt hat, einkaufen und österreichische Qualitätsprodukte kaufen. Einkaufszeiten, Beratung, Preis und Qualität spielen eine wesentliche Rolle.

Es ist auch schon erwähnt worden, insbesondere von Kollegin Kainz, daß die Arbeitsbedingun-gen durch das Arbeitsruhegesetz und durch den Kollektivvertrag mustergültig geregelt worden sind. Aber ich muß bedauerlicherweise darauf aufmerksam machen, daß vor allem jüngere Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter sagen, daß sie bei nächster Gelegenheit die Branche wechseln wollen. Vor allem Frauen sind drauf und dran, den Handel zu verlassen, weil sich nämlich in den letzten Wochen sehr deutlich gezeigt hat, daß die Frauen veranlaßt werden sollen, ihre Mittags-pause, die in der Regel eine bis maximal zwei Stunden gedauert hat, auf drei bis vier Stunden auszudehnen. Die Frauen haben keine Möglichkeit, nach Hause zu fahren. Im Frühjahr oder im Sommer ist es vielleicht noch angenehm, eine oder zwei Stunden spazierenzugehen, aber vier Stunden sind nicht zumutbar. Im Herbst und im Winter müßten sie dann wahrscheinlich in die Kaffeehäuser gehen oder in den Aufenthaltsräumen ihre Zeit verbringen.

Es ist auch heute schon zu erkennen, daß Vollarbeitsplätze – und das war auch nicht im Sinne des Erfinders – vermehrt zu Teilarbeitsplätzen werden, daß es vermehrt zu Arbeit auf Abruf kommt und daß es einen Wechsel von ordentlichen Dienstverhältnissen zu Werkverträgen gibt.

Auch das ist unübersehbar.

Im Dokument Donnerstag, 19. Dezember 1996 (Seite 95-140)