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4.2 Parteistellung

4.2.4 Parteistellung nach § 8 AVG

Verfahren 4.2.2.2 VWGH Erkenntnis

Der VwGH folgerte aus der oben dargestellten Entscheidung, dass die Effektivität des einer „betroffenen Partei“ durch Art 4 RahmenRL eingeräumten Rechtsmittels wesentlich beeinträchtigt wäre, wenn ihr nicht auch die Stellung einer Partei im Sinne des § 8 AVG mit den vom österreichischen Gesetzgeber vorgesehenen Mitwirkungsrechten eingeräumt würde.

Aufgrund dieser Erkenntnis muss einer „betroffenen Partei“ jedenfalls auch die Parteistellung iSd § 8 AVG samt den damit verbundenen Rechten gewährt werden.242

Verfahren

Verfahrensrechte der Partei geknüpft, die so zu durchsetzbaren Ansprüchen gemacht werden.244 Parteistellung ist dann gegeben, wenn eine Person durch den Bescheid möglicherweise in ihren subjektiven Rechten verletzt sein kann.

Dies setzt aber voraus, dass das positive Recht ein subjektives Recht vorsieht und dass der Betroffene als Träger dieses Rechts in Frage kommt. Es gilt daher durch Auslegung der Rechtsvorschriften zu klären, ob die maßgeblichen Rechtsvorschriften subjektive Rechte einräumen.245 Davon ist der Umstand zu unterscheiden, dass die Erfüllung einer bestimmten Pflicht reflexartig bestimmten Personen zum Vorteil gereichen kann.246

Kommt in einer in die Rechtssphäre des Betroffenen bestimmend eingreifenden Sachentscheidung nicht bloß eine abgeleitete und mittelbare Wirkung zum Ausdruck, so ist davon auszugehen, dass Parteistellung begründende subjektive Rechte vorliegen.247 Im Sinne der Schutzzwecktheorie, wonach im Zweifel ein subjektives Recht immer dann vermutet wird, wenn nicht ausschließlich öffentliche Interessen, sondern zumindest auch das Interesse einer im Besonderen betroffenen und damit von der Allgemeinheit abgrenzbaren Person für die gesetzliche Festlegung der verpflichtenden Norm maßgebend ist248, sind die jeweiligen Regelungen auf den dahinter stehenden Zweck zu überprüfen.

Subjektive Rechte können demnach nur abgeleitet werden, wenn die betreffende Norm nicht lediglich im Interesse der Allgemeinheit erlassen wurde. Diese Interessen ergeben sich jedoch nicht lediglich aus der innerstaatlichen Rechtsordnung sondern auch aus dem Gemeinschaftsrecht.

244Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, 2004, 199.

245 So die österreichische rechtswissenschaftliche Terminologie. Der EuGH verwendet den Ausdruck

„subjektive Rechte“ nicht, was Feiel darauf zurückführt, dass andere Rechtsordnungen dem Einzelnen zustehende Ansprüche nicht dezidiert als subjektive Rechte bezeichnen. Feiel, Parteistellung in Verfahren nach dem TKG 2003, MR 2008, 385, 388.

246 Zumindest gilt dies für Normen innerstaatlichen Ursprungs. So begründet ein wirtschaftliches Interesse an der Einhaltung von Vorschriften des objektiven Rechts nach stRsp keine

Parteistellung, sofern diese Normen nicht erkennen lassen, dass sie nicht nur im öffentlichen sondern auch im Interesse des Privaten erlassen wurden.

247Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, 2004, 84.

248Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, zu § 8, Rz 6.

Verfahren

Die TKK hat somit jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob mit der zu treffenden Entscheidung auch Rechte berührt sein können, die sich zwar nicht aus dem TKG 2003, sondern unmittelbar aus dem Richtlinienpaket ergeben. Ist dies der Fall, so hat die TKK diesen Betroffenen nach Art 4 RahmenRL ein Rechtsmittel und nach der Rsp des VwGH darüber hinaus Parteistellung iSd § 8AVG zu gewähren.

Die Frage, wann der Gemeinschaftsgesetzgeber dem Einzelnen subjektive Rechte einräumt, kann an dieser Stelle nicht abschließend geklärt werden.

Jedenfalls ergibt sich aber aus der Rsp des EuGH für das Marktanalyseverfahren ein erweiterter Kreis potentieller Parteien.249 Wie er feststellt, „stellen bestimmte spezifische Verpflichtungen [gemeint sind die spezifischen Verpflichtungen nach Art 16 Abs 2 RahmenRL] Schutzmaßnahmen im Interesse der mit diesem Unternehmen [gemeint sind Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht] in Wettbewerb stehenden Nutzern und Anbietern dar und können somit Rechte für sie begründen.“250 Diese sind als subjektive Rechte (in der Terminologie der österreichischen Rechtssprache) der mit den Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht in Wettbewerb stehenden Nutzer und Anbieter anzusehen.

Daraus ergibt sich einerseits, dass sowohl Nutzer als auch Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze251 von der Entscheidung über die Auferlegung von spezifischen Verpflichtungen betroffen sein können. Andererseits begründen die einem Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht potentiell aufzuerlegenden Verpflichtungen subjektive Rechte für die Mitbewerber, zumindest auf demselben relevanten Markt.252 Sie sind somit „betroffen“ iSd Art 4 Abs 1 RahmenRL und haben nach der Rsp des VwGH Parteistellung iSd § 8 AVG.

249 Siehe auch Feiel, Parteistellung in Verfahren nach dem TKG 2003, MR 2008, 385, 391.

250 EuGH, C-426/05, Rn 34.

251 Der Begriff „elektronisches Kommunikationsnetz“ wird in Art 2 lit a RahmenRL bzw

§ 3 Z 11 TKG 2003 definiert. Der Begriff „Anbieter“ wird nicht näher definiert, sondern vielfach vorausgesetzt. Näher dazu Feiel/Lehofer, Telekommunkationsgesetz 2003, 16.

Interessant erscheint die Frage, ob der Begriff „Nutzer“ iSd Art 2 lit h RahmenRL in diesem Zusammenhang auch „Endnutzer“ iSd Art 2 lit n RahmenRL beinhaltet. Richtig ist mE die

Begründung Feiels, der den Begriff Nutzer teleologisch reduziert und Endnutzern kein Rechtsmittel zugesteht. Anderenfalls würde das Marktanalyseverfahren schier unmöglich gemacht werden.

252 Ein bestehendes Vertragsverhältnis wird nach der Rsp des EuGH, die dem GA folgt, nicht gefordert. Schlussantrag des GA Rn 39f.

Verfahren

Ob auch Nutzern und Anbietern elektronischer Kommunikation, die nicht auf demselben relevant Markt wie das Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht tätig sind, Parteistellung zukommt, lässt sich aus der Entscheidung des EuGH nicht beantworten. Dafür könnte die – wenngleich allgemeine – Formulierung des Gerichtshofes sprechen, wonach eine enge Auslegung des Art 4 Abs 1 RahmenRL

„dahin, dass er anderen Personen als den Adressaten der Entscheidung keinen Rechtsbehelf zugesteht, kaum mit den politischen Zielen und regulatorischen Grundsätzen, insbesondere dem Ziel der Förderung des Wettbewerbs, die den Regulierungsbehörden nach Art 8 der RahmenRL vorgegeben sind, in Einklang zu bringen [wäre]“253.

Angesichts der weitreichenden Folgen einer Übergehung von Parteien fasst auch die TKK den Kreis potentieller Parteien weit.254 Dies geht jedoch zu Lasten der Effektivität des Verfahrens, da eine Durchführung von Großverfahren iSd

§ 44a ff AVG nicht möglich ist.255 Es bleibt daher abzuwarten, ob es dem Gesetzgeber gelingt, angemessene Regelungen zu schaffen, die die subjektiven Rechte der „Betroffenen“ iSd Art 4 RahmenRL wahrt und zugleich den Kreis potentieller Parteien zugunsten der Verfahrensökonomie einzuschränken.

253 EuGH, Rn 38. Kritisch sieht diese Entwicklung Feiel, der anführt, dass sich aus den allgemein formulierten regulatorischen Grundsätzen, die die NRB zur Förderung des Wettbewerbs

anzuwenden hat, (auch im konkreten Verfahren) nicht erkennen lässt, wer subjektiv Berechtigter sein soll. Sollte der Gerichtshof damit meinen, dass sämtliche den Wettbewerb auch nur allgemein fördernde aber mittelbar Schutz begründende Bestimmungen des Richtlinienpakets zu subjektiven Rechten aller Mitbewerber führen, wäre ein weiter Kreis an Unternehmen als Partei anzunehmen.

254 Vgl TKK am 15. 6. 2009, M 1/08 – 284, ua.

255 Großverfahren sind für amtswegige Verfahren – ein solches ist das Marktanalyseverfahren – derzeit nicht zulässig.

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