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4.1 Konsultations- & Koordinierungsverfahren

4.1.2 Koordinierungsverfahren

Weitreichendere Konsequenzen für das Marktanalyseverfahren und die Auferlegung spezifischer Verpflichtungen zieht die Konsultation nach Art 7 RahmenRL bzw § 129 TKG 2003 nach sich. Betrifft ein Entwurf von Vollziehungshandlungen, die nach § 128 TKG 2003 zu konsolidieren sind, die Marktanalyse iSd § 37 TKG208 oder sollen mit einem Entwurf spezifische Verpflichtung iSd §§ 38 bis 42209 auferlegt werden, so haben die NRB diese Entwürfe neben dem Konsultationsverfahren nach § 128 TKG einem Koordinationsverfahren zu unterziehen, vorausgesetzt der Entwurf wird Auswirkungen auf den Handel zwischen MS haben.210 Damit sind sowohl Entwürfe, mit denen die NRB beabsichtigt, das Vorliegen beträchtlicher Marktmacht auf

202 Vgl die bisherigen Konsultationsverfahren, veröffentlicht auf der Homepage der RTR-GmbH, http://www.rtr.at/de/komp/bisherigeKonsultationen, zuletzt abgerufen am 10. 09. 2009.

203 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse iSd § 125 TKG 2003 sind von der Veröffentlichung ausgenommen. Zum Inhalt der Veröffentlichung siehe SMP-Leitlinien, Rz 145.

204 Näher dazu in Kap. 4.1.2

205Feiel/Lehofer, Telekommunkationsgesetz 2003, 364.

206 § 45 Abs 2 AVG bestimmt „Im übrigen hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht“.

207 Näher dazu Feiel/Lehofer, Telekommunkationsgesetz 2003, 365.

208 § 129 Abs 1 Z2 TKG 2003.

209 § 129 Abs 1 Z2 TKG 2003.

210 Siehe dazu Erwägungsgrund 38 RahmenRL sowie SMP-Leitlinien, Rz 117.

Verfahren

einem relevanten Markt festzustellen und spezifische Verpflichtungen aufzuerlegen, als auch Entwürfe gem § 37 Abs 3 TKG, die die Feststellung des Bestehens effektiven Wettbewerbs betreffen und bestehende Verpflichtungen aufheben, koordinierungspflichtig.

Zur genaueren Bestimmung der Durchführung des Verfahrens erließ die EK nach Art 19 Abs 1 iVm Art 22 Abs2 RahmenRL iVm Art 3 und Art 7 des Beschlusses 1999/468/EG eine Empfehlung (sog. Art 7-Empfehlung).211

Danach wird die NRB verpflichtet, umfangreiche Informationen und Begründungen der EK und der anderen NRB zu notifizieren. „Begründung“ in diesem Sinne wird allerdings nicht mit der Bescheidbegründung nach § 58 Abs 2 AVG gleichzusetzen sein, die eine umfassende Begründung verlangt. Andererseits genügt es auch nicht, lediglich den Spruch des in Betracht gezogenen Bescheids zu übermitteln.212 Im Rahmen der Marktanalyse wird die NRB ihren Informations- und Begründungspflichten genügen, wenn sie die in Z 6 – Z 9 der Art 7-Empfehlung genannten Informationen und Begründungselemente übermittelt.

211 Empfehlung 2003/561/EG der Europäischen Kommission vom 23. 7. 2003 zu den Notifizierungen, Fristen und Anhörungen gemäß Artikel 7 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen

Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste ABl L 190 vom 30. 7. 2003, 13.

212Feiel, Das Konsultationsverfahren zwischen nationaler Regulierungsbehörde und der Europäischen Kommission im Bereich der elektronischen Kommunikation, wbl 2003, 112.

Verfahren Hier seien die wichtigsten kurz angeführt:

 der relevante Produkt- oder Dienstemarkt,

 der räumlich relevante Markt,

 die wichtigsten Marktteilnehmer,

 die Ergebnisse der Marktuntersuchung (samt Begründung, ob und warum auf dem betreffenden Markt wirksamer Wettbewerb stattfindet oder nicht),

 die Bezeichnung der Unternehmen, die allein oder zusammen mit anderen als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft werden (samt Begründung und entsprechenden Belegen oder sonstigen Fakten),

 die aufzuerlegenden, abzuändernden oder aufzuhebenden spezifischen Vorabverpflichtungen einer oder mehrerer Unternehmen (samt Begründung).

Nach Z 10 der Art 7-Empfehlung gelten jedenfalls alle Notifizierungen, die die in Z 6 genannten Angaben enthalten, als vollständig. Beurteilt die EK diese Angaben allerdings als unvollständig, kann sie den NRB einen „Verbesserungsauftrag“

erteilen.213

Fraglich ist auch, zu welchem Zeitpunkt das Koordinationsverfahren durchzuführen ist. Einerseits spricht Art 7 Abs 3 der RahmenRL für eine parallele Durchführung der Verfahren nach Art 6 und Art 7 RahmenRL.214 So sieht Art 7 Abs 3 RahmenRL vor, dass die NRB beabsichtigte Maßnahmen „gleichzeitig [mit der Anhörung nach Art 6 RahmenRL] der Kommission und den nationalen Regulierungsbehörden anderer Mitgliedsstaaten zur Verfügung [stellt]“215. Feiel/Lehofer merken aber an, dass das Wort „gleichzeitig“ in diesem Zusammenhang auch bedeuten kann, dass der Maßnahmenentwurf zum selben Zeitpunkt der EK und den anderen NRB zur Verfügung zu stellen ist.

213 In diesem Fall wird die Notifikation nicht registriert.

214 Art 7 Abs 3 RahmenRL „Die nationalen Regulierungsbehörden und die Kommission können innerhalb eines Monats oder innerhalb der in Artikel 6 genannten Frist, falls diese länger als ein Monat ist, Stellungnahmen an die betreffenden nationalen Regulierungsbehörden richten.

215 Art 7 Abs 3 RahmenRL.

Verfahren

Andererseits weist Z 6 lit f der Art 7-Empfehlung darauf hin, dass die Ergebnisse einer von der NRB „vorab durchgeführten öffentlichen Anhörung“ Inhalt der Notifizierung sein soll.

Angesichts einer mindestens einmonatigen Verzögerung der endgültigen Beschlussfassung bei einer zeitlichen Versetzung erscheint es sinnvoll und auch vom Wortlaut der RahmenRL gedeckt, die beiden Verfahren gleichzeitig durchzuführen.

Die EK und die anderen NRB können diesen Entwurf innerhalb eines Monats oder innerhalb der in Art 6 RahmenRL genannten Frist - falls diese länger als ein Monat ist - Stellungnahmen an die den Entwurf notifizierende NRB richten.216 Abgehend davon sieht § 129 Abs 2 TKG 2003 eine starre Frist von einem Monat vor, innerhalb der die EK und die anderen NRB Stellung nehmen können. Sollte nämlich die im Konsultationsverfahren eingeräumte Frist nach § 128 TKG 2003217 länger als ein Monat sein, so hat sich auch die Frist des Koordinierungsverfahrens nach Art 7 RahmenRL bzw § 129 TKG 2003 an dieser Frist zu orientieren. Nach dem Prinzip des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts wird daher der EK und den anderen NRB eine mindestens einmonatige Frist, im Fall einer längeren Frist im Konsultationsverfahren eine dementsprechend angepasste „angemessene“ Frist, zur Stellungnahme zur Verfügung stehen.

Den Stellungnahmen der EK und der anderen NRB ist „weitestgehend Rechnung“218 zu tragen. Dies bedeutet, dass sich die NRB mit eingelangten Stellungnahmen inhaltlich auseinandersetzen und abwägen müssen, ob und inwieweit der Entwurf der Vollziehungshandlungen aufrechterhalten bleibt oder abgeändert wird. Aus Art 7 Abs 5 RahmenRL und § 129 Abs 2 TKG 2003 ergibt sich, dass die NRB die Stellungnahmen nicht unter allen Umständen zu

216 Art 7 Abs 3 RahmenRL.

217 § 128 Abs 1 TKG 2003 sieht eine „angemessenen Frist“ vor, innerhalb der eine Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen ist.

218 Art 7 Abs 5 RahmenRL.

Verfahren

übernehmen hat. In diesem Fall hat sie die Nichtberücksichtigung allerdings ausreichend zu begründen.219

Neben dem Recht zur Stellungnahme kommt der EK im Bereich der Marktanalyse eine weitere weitreichende Befugnis zu. Richten sich die geplanten Maßnahmen auf die Feststellung, inwiefern ein Unternehmen alleine oder zusammen mit anderen über beträchtliche Marktmacht verfügt,220 ist die Vollziehungshandlung für weitere zwei Monate aufzuschieben221, sofern

 die geplante Entscheidung Auswirkungen auf den Handel zwischen MS haben wird und

 die EK mitteilt, dass sie der Auffassung ist, die Vollziehungshandlung schaffe ein Hemmnis für den Binnenmarkt oder dass ernsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht bestünden – insbesondere mit den Zielen der Richtlinien222 bzw des TKG 2003223.

Innerhalb dieses Zeitraums kann die EK nach Befassung des „Ausschusses für Kommunikation“ (COCOM) gem Art 22 Abs2 RahmenRL iVm Art 3 und Art 7 des Beschlusses 1999/468/EG unter Angabe objektiver und detaillierter Gründe, weshalb sie der Auffassung ist, dass der Maßnahmenentwurf nicht

219 VwGH 28. 2. 2007, 2004/03/0210, 4.3.3. und 4.3.4., ua. Da sich die TKK unter anderem nicht hinreichend mit den im Koordinationsverfahren ergangenen Stellungnahmen der EK

auseinandergesetzt hatte, hob der VwGH in fünf Erkenntnissen die Bescheide über die Feststellung beträchtlicher Marktmacht (M 15a-e/03) auf.

220 Hinsichtlich der Auferlegung spezifischer Verpflichtungen kommt der EK kein „Vetorecht“ zu. Für die Auferlegung spezifischer Verpflichtungen in Bezug auf den Zugang, die über die Maßnahmen der §§ 38 bis 42 TKG 2003 hinausgehen, hat die Regulierungsbehörde gem § 47 Abs 1 TKG 2003 bei der Europäischen Kommission einen entsprechenden Antrag zu stellen. Die EK trifft dann im Rahmen eines Verfahrens nach Art 14 Abs 2 ZugangsRL eine Entscheidung, mit der sie der NRB

gestattet oder untersagt, diese Maßnahme zu ergreifen“. Damjanovic et al vertreten die Auffassung, dass diese strikte Bindung an die Kommissionsentscheidung in der Umsetzung des

§ 47 Abs 1 TKG unzureichend zum Ausdruck kommt.

Damjanovic/Holoubek/Kassai/Lehofer/Urbantschitsch, Handbuch des Telekommunikationsrechts, 335.

221Feiel kritisiert die starre zweimonatige Frist und weist darauf hin, dass sie unangenehme und nicht nur finanzielle Konsequenzen für die Mitbewerber hat. Feiel, Das Konsultationsverfahren zwischen nationaler Regulierungsbehörde und der Europäischen Kommission im Bereich der elektronischen Kommunikation, wbl 2003, 112.

222 Die politischen Ziele und regulatorischen Grundsätze sind in Art 8 RahmenRL genannt.

223 Unter dem Titel „Zweck“ setzt § 1 TKG 2003 die Vorgaben des Art 8 RahmenRL um.

Verfahren

angenommen werden sollte, zur Zurückziehung des Entwurfes auffordern.224 Zugleich hat die EK spezifische Vorschläge zur Änderung des Entwurfes vorzulegen. Die EK geht anscheinend davon aus, dass es sich dabei um ein bindendes Vetorecht handelt, dass in Form einer Entscheidung getroffen wird225 und somit auch einer Überprüfung durch den EuGH gem Art 234 zugänglich ist.

Andererseits hat dies zur Folge, dass eine Nichtberücksichtigung der Entscheidungen im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens gem Art 226 EG geltend gemacht werden kann.226