• Keine Ergebnisse gefunden

In der Neuauflage der Großen Koalition nach 2006 übernahm die ehemalige Bankerin Claudia Schmied das Bildungsressort. Mit Verve ging sie Schulreformen an: So sollten die SchülerInnenzahl in den Klassen aufsteigend auf 25 Kinder verringert werden. Ein Schulversuch „Neue Mittelschule“ sollte in Richtung gemein-same Schule und neuer Unterrichtsmethoden zielen. Und im-merhin waren bei den PV-Wahlen 2009 um fast 2000 AHS-Lehre-rInnen mehr wahlberechtigt als 5 Jahre zuvor.

Aber bald trübte sich die Stimmung zwischen Schmied und den Gewerkschaften deutlich. Die Höchstzahl 25 wurde zum Richtwert, der um bis zu 20 % überschritten werden darf. Nur rund in der Hälfte aller 1. bis 3. Klassen sitzen wirklich nur 25 Kinder oder weniger. Der Erstentwurf zur NMS war nicht sehr präzis, nur zwei Dinge waren eindeutig: 1) Die Betroffenen (Leh-rerInnen, Eltern) sollten nicht mehr wie bei jedem Schulversuch.

gefragt werden 2) Der Schulversuch sollte kostenneutral sein.

Dagegen trat die AHS-Gewerkschaft in Dienststellenversamm-lungen auf und konnte eine Entwurfsänderung erreichen, die den Betroffenen vor Ort die Möglichkeit zur Entscheidung gibt.

In der Frage zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Fraktionen: Die FCG ist prinzipiell gegen eine gemeinsame Schu-le. Die ÖLI-UG im Wesentlichen prinzipiell dafür. Wir von der FSG können uns eine gemeinsame Schule nur in einer Art „Ni-vellierung nach oben“ vorstellen: Masterausbildung auf der Uni-versität für alle LehrerInnen. Kleinere Klassen. Deutlich mehr Support. Also gewissermaßen in Richtung finnisches Schulmo-dell. Nicht als eine etwas behübschte Hauptschule.

Massiv wurde das Verhältnis zwischen Schmied und Gewerk-schaft (eigentlich zwischen Schmied und den LehrerInnen) be-lastet, als die Frau Ministerin am Aschermittwoch über die Me-dien ausrichten ließ: Ab dem nächsten Schuljahr hätten alle 120.000 LehrerInnen gratis um 10 % mehr zu unterrichten (also de facto pro Woche um 4 Stunden mehr zu arbeiten.). Dies sei nö-tig, weil sie nicht mehr Budget gekriegt habe und so ihre Bil-dungsvorhaben nicht finanzieren könne.

Das hätte bis zu 10.000 JunglehrerInnen den Job kosten können.

Um ihrer Anordnung Nachdruck zu verleihen, waren die Lehr-kräfte dieses Landes in den darauffolgenden Wochen einer un-fassbaren Medienkampagne ausgesetzt. Führend darin waren die Gratisblätter „heute“ und „Österreich“ sowie die „Krone“ – alles Zeitschriften, die zuvor mit immensen Inseratenserien seitens des BMUKK verwöhnt (oder sollte man sagen „angefüttert“ ?) wor-den waren.

Für mich als Sozialdemokrat war es unfassbar, dass sich eine sozialdemokratische Ministerin für eine Arbeitszeitverlänge-rung ohne Lohnausgleich einsetzt. Für mich und meine Fraktion war die Kommunikation dieser Ministerin – oder besser gesagt Nicht-Kommunikation – mit ihren Mitarbeitern und deren Inter-essensvertretung eine echte Zumutung. Ich habe mich geärgert und geniert für diese Art Politik

Es ist den Lehrergewerkschaften gelungen, in langen, zähen Verhandlungen und unter massiven Streikdrohungen die Ar-beitsplätze der Jungen zu erhalten. Allein für die Vorbereitungen des dann doch obsolet gewordenen Streiktags waren enorme Kosten aufzubringen. Anmietungen von Sonderzügen oder Bus-sen kostet Geld, auch wenn sie dann nicht in Anspruch genom-men werden. Aber spätestens die Polizeimeldung, dass die

Ring-straße gesperrt und als Parkplatz für die Busse benützt werden müsse, da die Hauptallee dazu nicht ausreichen würde, dürfte klargemacht haben, wie ernst es uns war.

Wir haben statt dessen rund 186 Mio auf den Tisch gelegt, teils durch Gratissupplierungen, durch Verminderung der Überstun-denbezahlung, teils durch neue kreative Modelle wie Altersteil-zeit oder Zeitkontomodell. Eine Erhöhung der Lehrverpflich-tung fand nicht statt.

Seither ist zweierlei passiert: In den Personalvertretungswah-len haben die schwarzen Lehrervertreter enorm zugelegt. Insbe-sondere an den AHS wurde meine Fraktion von den KollegInnen, denke ich, auch dafür abgestraft, weil eine Stimme für uns als Zu-stimmung zur Schmied-Politik missverstanden hätte werden kön-nen. Mit einem Zugewinn von 2 Mandaten und rund 13 % an Wählerstimmen erreichten sie 62,61 %, eine 2/3 Mehrheit im ZA und das beste Ergebnis seit 1983. Im Gegenzug verloren ÖLI (-4,5

%) und ahs (-9 %) je ein Mandat. Wir Sozialdemokraten wurden mit 15,82 % auf das schlechteste Wahlergebnis seit 1971 (!) zurück-geworfen.

Die Frau Ministerin hat plötzlich etliche Millionen entdeckt, sodass sie auf die Stundung der Schulmieten an die BIG, die eine Verhandlungslösung im April erst möglich gemacht hatte, nicht mehr zurückgreifen muss. Da kommt man sich als Gewerkschaf-ter und Verhandler mehr als verhöhnt vor ! Entweder sind alle Zahlen aus dem Ministerium schwer hinterfragbar – oder, wenn man den Erklärungen aus dem BMUKK Glauben schenken dürf-te, sie haben sich dort um 25 000 Kinder „verrechnet“.

Zusammenfassend muss ich sagen:

1 Die AHS-Gewerkschaft ist eine kampfstarke und konfliktbe-reite Interessensvertretung. Sie hat sich in diesem Jahrzehnt wie kaum eine andere Gewerkschaftsformation gegen Mini-sterinnen, egal welcher Partei, gewehrt und Streik nicht ge-scheut.

2 Wenn ihr immer wieder vorgeworfen wird, sie sei gegenüber Innovationen resistent, so lag das in der überwiegenden An-zahl der Fälle an der Art der Innovationen. Lohndumping und schlechteres Angebot konnten schlicht nicht als Schritte in die richtige Richtung gesehen werden. Hier gab es nahezu immer

fraktionsübergreifend einstimmige Voten für Arbeitskämpfe und Ablehnungen von Zumutungen, die sich „Reformen“

nannten.

3 Auch wenn mir das Wahlergebnis immens wehtut. Es beweist, dass die derzeitige Führung der AHS-Gewerkschaft das große Vertrauen der großen Mehrheit der AHS-Lehrerinnen und Lehrer hat.

Wenn nun die nächsten „Reformen“, die der LehrerInnenaus-bildung oder des Lehrerinnendienstrechts, eventuell wieder getarnte Sparpakete sein sollten, und es scheint durchaus Indi-zien in diese Richtung zu geben – dann werden wir in Zeitun-gen wieder die „Blockierer“ und „Betonschädeln“sein – aber die Kolleginnen und Kollegen werden inbrünstig hoffen, dass wir soviel Schaden wie möglich von ihnen abwenden können. Was die ureigenste Aufgabe einer Gewerkschaft ist.

Gerald Oberansmayr

Bologna-Prozess und Lissabon-Strategie –