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Grundlegende Lernbereiche der deutschen Rechtschreibung

Bereits im 15. Jahrhundert entwickelten sich durch den vielfältigen Gebrauch von Schrift eigene Normen und Textsorten, die unabhängig von Zeit und Ort für alle Leser/innen verständlich waren. Die Recht-schreibung wurde vornehmlich als Hilfe für den Leser/die Leserin eingeführt, naturgemäß ergaben sich dadurch aber Erschwernisse für den Schreiber/die Schreiberin. Grundlegend für das deutsche Schriftsys-tem sind das phonografische, das silbische und das morphologische Prinzip sowie wortübergreifende Re-geln. Die deutsche Sprache ist geprägt vom Zusammenwirken all dieser Prinzipien. Bei näherer Betrach-tung der grundlegenden Prinzipien (Müller, 2017, S. 38-53) zeigt sich, dass es eine klare und funktionale Systematik hinter der deutschen Orthografie gibt. Umso bedeutender ist es, die Systematik hinter der Rechtschreibung darzulegen, um diese verständlich und vor allem „lern-bar“ zu machen.

Für die didaktische Umsetzung in Primar- und Sekundarstufe I lassen sich entsprechende Konsequenzen ableiten, die dazu führen sollen, dass Schüler/innen in den Kernbereichen der Rechtschreibung eine Sicherheit ausbilden, die als Grundlage für das in den Bildungsstandards geforderte entdeckende und eigenaktive Lernen genutzt werden kann.

Grundlegende Strukturen sollten bereits im Zuge des Schriftspracherwerbs angebahnt werden, um ein späteres Umlernen zu vermeiden. Der Schrifterwerb erfolgt zwar in der Schule, die Orthografie ist aber nicht dazu da, in der Schule gelehrt zu werden (Eisenberg 2017, zit. nach Müller 2017, S. 54). Mühsames Auswendiglernen sollte daher einem grundlegenden Verständnis der Strukturen weichen.

Wie weiter oben erwähnt, wurde die Rechtschreibung entwickelt, um Texte leichter lesbar zu machen.

Lesen und Schreiben sollten daher immer aufeinander bezogen werden, Unterschiede und Gemeinsam-keiten bewusst betrachtet werden.

Aus der folgenden Darstellung der grundlegenden Lernbereiche der deutschen Rechtschreibung wird auch deren schriftgrammatische Funktion ersichtlich. Viele Lernbereiche haben eine deutliche Auswir-kung auf die Satzgrammatik. Dies macht auch klarer, warum es häufig schwerfällt, Rechtschreib- und Grammatikfehler voneinander abzugrenzen und wie wichtig es daher ist, einen sinnvollen Umgang mit Fehlern und deren Korrektur zu vermitteln. Auch die Leistungsbeurteilungsverordnung sieht für diese Grenzbereiche der Rechtschreibung sogenannte „Toleranzfehler“ vor, um auf den Übergang zwischen den beiden Lernbereichen hinzuweisen.

Aus der Graphematik ergeben sich nachfolgend angeführte fünf grundlegende Lernbereiche, die von Wörtern ausgehen und über Wortgruppen bis zu Sätzen führen: „Wortstruktur“, „Wortbildung“, „Groß- und Kleinschreibung“, „Zusammen- und Getrenntschreibung“ und „Fremdwortschreibung“.

Wortstruktur

Der deutschen Sprache liegt eine prototypische Wortstruktur zugrunde. Das heißt, dass viele Wörter einen ähnlichen Aufbau haben. Für die Entdeckungen im Lernprozess eignet sich besonders die Analyse des richtig geschriebenen Zweisilbers. Dies erscheint vor allem deshalb von Bedeutung, da ungefähr 90-95% der nativen Wörter der deutschen Sprache in ihrer Grundform einen trochäischen Zweisilber bilden oder eine zweisilbige Form zulassen. Didaktisch aufbereitet und für Schüler/innen gut verständlich liegt dazu das „Haus-Modell“ (Röber-Siekmeyer, 2005) vor. Das weiterentwickelte Modell (Bredel, 2009) wird im Lehrwerk „ABC der Tiere“ erfolgreich im Schriftspracherwerb eingesetzt. Ein Unterrichtsbeispiel für den Lernbereich „Wortstruktur“ findet sich auf S. 52.

Wortbildung

Die „Wortbildung“ stellt einen sehr bedeutenden Lernbereich dar, zumal die Einsicht in die Struktur von Wörtern sowohl beim richtigen Schreiben, als auch beim schnellen Lesen hilfreich ist. Die Wortbildung ist durch das morphologische Prinzip geregelt und beinhaltet Komposition (Zusammensetzung), Deriva-tion (Ableitung) und Konversion (Veränderung der Wortart). Grundlegendes Wissen über die Typen der Wortbildung ermöglicht einen äußerst produktiven Umgang mit Sprache und führt zu einer ständigen Erweiterung des Wortschatzes. Auch zu diesem Lernbereich findet sich nachfolgend ein exemplarisches Beispiel (siehe S. 52).

Groß- und Kleinschreibung

Aus Fehlerstatistiken weiß man, dass etwa ein Viertel aller Fehlschreibungen aus dem Bereich der Groß- und Kleinschreibung kommen (Menzel, 1985; Karg, 2008; Steinig/Betzel/Geider/Herbold, 2009; Steinig/

Betzel, 2014). Prinzipiell werden Text- und Satzanfänge, Eigennamen und Anredepronomen groß

ge-schrieben, was den Schüler/innen in der Umsetzung meist keine großen Probleme bereitet. Die satzin-terne Großschreibung dagegen, als eines der charakteristischsten Merkmale der deutschen Sprache, lässt sich nicht so klar erschließen. Damit die korrekte Schreibung gelingt, müssen die Schüler/innen zuerst die Position ermitteln, die das Wort im Satz einnimmt (durch Artikel, Erweiterungsproben, ...). Hilfreich kann in diesem Zusammenhang sein, die „bedeutungsschweren“ Wörter, also die inhaltstragenden Begriffe (Müller, 2017, S. 72) zu finden. Seit der letzten Rechtschreibreform gibt es deutlich mehr Zweifelsfälle als davor, was die Identifikation der richtigen Schreibung nicht gerade vereinfacht hat. Praktische Erarbei-tungs- und Übungsmöglichkeiten zu diesem Lernbereich finden sich auf S. 52.

Getrennt- und Zusammenschreibung

Für den Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung lässt sich eine relativ einfache Grundregel for-mulieren: „Bestandteile eines Wortes schreibt man zusammen, Bestandteile in Wortgruppen und Sätzen schreibt man getrennt“ (Müller, 2017, S. 77).

Dazu müssen Schüler/innen aber wissen, was ein Wort ist und was eine Wortgruppe.

Im Zuge der letzten Rechtschreibreform wurde versucht, diesen Bereich neu zu regeln, noch immer gibt es aber zahlreiche Fälle, in denen die korrekte Schreibung nicht klar ist, z. B. bei trennbaren Verben.

Nicht zuletzt aus diesem Grund wird die Getrennt- und Zusammenschreibung von vielen Schüler/innen als besonders schwierig beschrieben, auch wenn die Fehlerzahl in diesem Bereich statistisch gesehen nicht sehr hoch liegt, da vielfach intuitiv richtige Entscheidungen und damit korrekte Schreibungen gelin-gen.

Als Empfehlung in diesem Lernbereich gilt eine gewisse Toleranz hinsichtlich der Fehlschreibungen und eine Fokussierung auf die Kernbereiche der Getrennt- und Zusammenschreibung (z. B. aufstehen, zufrie-den).

Im Zweifelsfall darf gelten: Eher zusammen als getrennt schreiben!

Auch zu diesem Lernbereich sind nachfolgend prototypische Umsetzungsmöglichkeiten angeführt (siehe S. 53).

Fremdwortschreibung

Grundsätzlich sind unter „Fremdwörtern“ jene Wörter zu verstehen, die Eigenschaften haben, die sie von den Wörtern des Kernwortschatzes unterscheiden (Eisenberg, 2012, zit. nach Müller, 2017, S. 82). Dabei ist es unerheblich, ob das Wort aus einer anderen Sprache kommt oder nicht.

Fremdwortschreibungen im Unterricht zu thematisieren ist erst sinnvoll, wenn die Regelhaftigkeit der nativen Wörter bekannt und grundlegend abgesichert ist. Fremdwörter unterscheiden sich von nativen Wörtern vor allem durch andere Betonungsverhältnisse, durch besondere Phonem-Graphem-Korrespon-denzen und durch eine veränderte Silbenstruktur.

Werden Fremdwörter aus anderen Sprachen in die deutsche Sprache integriert, so wird entweder deren Schreibung an den Kernwortschatz angeglichen (z. B. Friseur – Frisör) oder die Aussprache an die Pho-nem-Graphem-Beziehung unseres Sprachsystems (Leseaussprache). Fremdwörter finden sich häufig, aber nicht ausschließlich in Fachwortschätzen (Mathematik, Physik, Chemie, etc.). Übungsmöglichkeiten siehe S. 53.