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Folgen der Novelle im Hinblick auf die Anfechtung

5.5 Wegfall eines Marktes

5.5.3 Folgen der Novelle im Hinblick auf die Anfechtung

Gem Art 139 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzmäßigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die behauptet, durch diese in ihren Rechten verletzt zu sein, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlass eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Jedoch steht dieser Individualantrag nicht jeder Person zu.

Die Person muss unmittelbar durch die behauptete Gesetzwidrigkeit „in ihren Rechten“ verletzt sein.301 Nach der Jud des VfGH ist ein Individualantrag dann zulässig, wenn die Person durch die Verordnung in „rechtlich geschützten Interessen“ beeinträchtigt ist und objektive Rechtswidrigkeit der Verordnung geltend macht.

Nach Rsp des EuGH und VwGH zu Art 4 RahmenRL und § 37 Abs 5 TKG 2003 sind die aufzuerlegenden spezifischen Verpflichtungen Schutzmaßnahmen im Interesse der mit einem oder mehreren Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht in Wettbewerb stehenden Nutzer und Anbieter und gewähren subjektive Rechte und somit die Möglichkeit, am Marktanalyseverfahren als Partei teilzunehmen, um ihre Interessen zu wahren.302

Nach der alten Rechtslage folgte auf das Marktdefinitionsverfahren stets ein Marktanalyseverfahren, bei dem die mit dem oder den Unternehmen in Wettbewerb stehenden Nutzer und Anbieter Parteistellung hatten. Die Auferlegung, Abänderung oder Aufhebung erfolgte nicht unmittelbar durch die TKMVO 2003 selbst. Vielmehr wurde sie bescheidförmig konkretisiert.303 Zwar

301 Daher ist einerseits anzunehmen, dass subjektive, durch das Gesetz eingeräumte Rechte verletzt sein müssen und zweitens, dass die Gesetzwidrigkeit der Verordnung gerade in der Verletzung dieser subjektiven Rechte bestehen muss.

302 Siehe dazu 4.2.2.1

303Holoubek, in: B. Raschauer (Hrsg), Aktuelles Telekommunikationsrecht, Die Regelung der Parteistellung im Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahren, 82f.

Aktuelle Fragen

konnte und kann die Marktdefinition erhebliche Auswirkungen für Unternehmen haben, da sie durch die Definition der relevanten Märkte eine wesentliche Vorentscheidung für die Feststellung einer beträchtlichen Marktmacht eines oder mehrere Unternehmen bildet(e), doch war ein Individualantrag gem Art 139 B-VG mangels direkter Wirksamkeit der Verordnung nicht zulässig.

Da das novellierte TKG 2003 nunmehr ex lege die Aufhebung von bestehenden spezifischen Verpflichtungen bei Wegfall eines Marktes vorsieht, ist es den mit dem oder den Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht in Wettbewerb stehenden Nutzern und Anbietern nicht mehr möglich, ihre rechtlichen Interessen im Marktanalyseverfahren geltend zu machen. Die Aufhebung der spezifischen Verpflichtungen wird „ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides“ durch die Verordnung selbst unmittelbar, direkt wirksam, weshalb nunmehr ein Individualantrag gem Art 139 B-VG zulässig ist.

Schlussbemerkungen 6 Schlussbemerkungen

Obwohl sich in der Vergangenheit eine Tendenz zur Entwicklung eines

„wirksamen“ bzw „effektiven“ Wettbewerbs auf den Telekommunikationsmärkten gezeigt hat, ist und wird in naher Zukunft nicht mit der vollständigen Ablösung der sektorspezifischen Regulierung durch das allgemeine Wettbewerbsrecht zu rechnen sein.

Die Anzahl der „relevanten“ Märkte wurde durch die Märkteempfehlung 2007 der EK und die TKMV 2008 der RTR-GmbH reduziert, doch besteht aufgrund struktureller Besonderheiten auf diesen Märkten weiterhin die Notwendigkeit staatlicher Intervention in Form einer ex-ante Auferlegung spezifischer Verpflichtungen, um Wettbewerbsdefizite auszugleichen.

Augenscheinlich wird dies insbesondere am dargestellten Markt der „Terminierung in individuellen öffentlichen Mobiltelefonnetzen“. Das CPP-Prinzip in Verbindung mit der Tatsache, dass Terminierungsleistungen ausschließlich vom Zielnetzbetreiber erbracht werden können, führt zu einer Situation, die einer Vorabregulierung bedarf und nicht mit den Mitteln des allgemeinen Wettbewerbsrechts gelöst werden kann.

Da dieser Sektor über ein enormes wirtschaftliches Potential verfügt, sind die Betreiber oftmals bereit, Entscheidungen, mit denen spezifische Verpflichtungen auferlegt werden, bei den Höchstgerichten zu bekämpfen. Dies führt einerseits zu einer Konkretisierung der Rechtsgrundlagen, hat andererseits aber zur Folge, dass eine Vielzahl der Entscheidungen der Regulierungsbehörde durch den VwGH aufgehoben wird. Wie der VwGH ausgesprochen hat, sind die Feststellung beträchtlicher Marktmacht und die Auferlegung von Verpflichtungen für die Vergangenheit unzulässig. Auf der Grundlage der aufgehobenen Entscheidungen wurden allerdings Dispositionen getroffen, gegenseitiges Entgelt verrechnet und zukunftsweisende Unternehmensstrategien entwickelt. Wenngleich das Rückwirkungsverbot aus rechtsdogmatischer Sicht zu begrüßen ist, bringt es doch eine gewisse Rechtsunsicherheit mit sich.

Es ist jedoch auch auf die positive Wirkung hinzuweisen. Hatten nach dem TKG 2003 aF lediglich Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht Parteistellung

Schlussbemerkungen

bei der Auferlegung von spezifischen Verpflichtungen, so führte die Rsp des EuGH und VwGH zu einer europarechtskonformen Interpretation und gewährte letztlich den „betroffenen“ Betreibern und Nutzern die Möglichkeit, ihre Interessen im Verwaltungsverfahren wahrzunehmen.

Wenngleich von verschiedensten Autoren die Rücknahme oder gar der völlige Ersatz der Regulierung durch das allgemeine Wettbewerbsrecht gefordert wird, reicht letztere mE derzeit nicht aus, um die gegebenen Wettbewerbsdefizite auszugleichen.

Es bleibt somit abzuwarten, ob und wie sich der derzeitig bestehende Rechtsrahmen, die nationalen Bestimmungen und die Regulierungspraxis der TKK hinsichtlich der Marktanalyse und der Auferlegung von ex-ante Verpflichtungen entwickeln. Dank dem Engagement und der hohen Kompetenz der Regulierungsbehörde, der einzelnen Betreiber und der Höchstgerichte wird das

“sektorspezifische Regulierungsrecht“ mittel– oder langfristig zu effektivem Wettbewerb auf den einzelnen Telekommunikationsmärkten führen.

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