• Keine Ergebnisse gefunden

ExpertInnen aus dem Bereich Forschung

8. ExpertInnen-Interviews

8.4 ExpertInnen aus dem Bereich Forschung

Auch zwei ExpertInnen aus dem Bereich der rechtssoziologischen/ kriminologischen Forschung wurden zu ihren empirischen Erfahrungen im Zusammenhang mit der Gefährlichen Drohung bzw.

ihrer Einschätzung des Paragrafen befragt.

Dabei handelte es sich zum einen um die Universitätsassistentin Katharina Beclin vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien, die sich in ihrer Tätigkeit schwerpunktmäßig u.a.

mit Gender Studies im Zusammenhang mit Gewalt in der Familie befasst, zum anderen um die Fami-lienrechtssoziologin Christa Pelikan vom Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie.

1. Gefährliche Drohung als schwer zu fassendes Delikt

Einig sind sich die Expertinnen in ihrer Einschätzung der Gefährliche Drohung als „schwierig“ im Sinne von nicht ganz genau definiert. Es gehe um Erfahrungen - Erlebnisse von Angst, Bedrohung, Hilflosigkeit, die insgesamt durch das Strafrecht nicht so leicht bearbeitbar, Tatbestände, die schwer objektivierbar seien.

Eine Expertin berichtet über StaatsanwältInnen, die sagen, für 107er Fälle stehen sie nicht zur Verfü-gung, „weil ihnen das zu problematisch ist und mit einem Ohnmachtsgefühl verbunden, weil sie nicht wissen, wie sie mit dieser Situation umgehen sollen“ (Exp 1).

Was die juristische Einstufung betrifft, unterscheiden sich die Einschätzungen allerdings:

Während die Strafrechtlerin eher den „objektiv“-juristischen Standpunkt fokussiert und die strafrecht-liche Bearbeitung der Gefährstrafrecht-lichen Drohung gerade auch als Offizialdelikt begrüßt, weil es a) eine symbolische Normverdeutlichung darstellt und b) die Last von den Schultern der betroffenen Frauen nimmt, die Anzeige auf eigene Faust aufrechterhalten zu müssen, sieht die Familienrechtssoziologin die Einordnung als Offizialdelikt für nicht unproblematisch. Gefährliche Drohung beinhaltet „Un-wägbarkeiten der persönlichen Natur, die dem Offizialdelikt querlaufen“ (Exp 2). Auch die symboli-sche Normbekräftigung sei da kein überzeugendes Argument, sei doch eine Verweigerung der Aus-sage bei den – zumeist ambivalenten – betroffenen Frauen immer möglich. „Und dann passiert erst recht nix, dann geht das ganze Brimborium über die Bühne mit eher nachteiligem Effekt, sekundäre Viktimisierung etc., mit enttäuschendem Resultat.“ (Exp 2).

2. Drohung versus Ankündigung

Es herrscht Übereinstimmung in der Einschätzung beider Expertinnen, dass die Differenzierung zwi-schen einer bloß verbalen Drohung ohne Realisierungsabsicht und einer Ankündigung ein heikler und schwieriger Punkt sei, allerdings werden auch hier unterschiedliche Nuancen deutlich: So beur-teilt die Strafrechtlerin die prinzipielle Möglichkeit einer solchen Unterscheidung grundsätzlich opti-mistisch, nicht zuletzt mittels Heranziehung des diesbezüglichen Kriterienkatalogs der Wiener Inter-ventionsstelle gegen Gewalt. Weiters sieht sie eine – mittlerweile – gute Schulung der Polizei (zumin-dest in Wien) in diesem Bereich, um den Interventionsbedarf adaquat einzuschätzen.

Bei der Familienrechtssoziologin überwiegt die Skepsis in Bezug auf diese vorbeugende Einordbar-keit. Stalking ist ein erweiterter und gleichzeitig diffuserer Tatbestand als die Gefährliche Drohung:

„Die Argumentation ist: Das ist das Vorspiel zu Schlimmerem, quasi `Wehret den Anfängen’. Im schlimmsten Fall steht am Ende der Mord. Und das ist die Schwierigkeit: Man kann natürlich vom Endereignis recht häufig zurückgehend sagen: In einem frühen Stadium gab es auch Bedrohung. Aber

man kann nicht umgekehrt von Bedrohung sagen: Aha, da haben wir die Bedrohung – die wird auch umgesetzt. Hier ist die Berechnung von Wahrscheinlichkeit extrem schwierig.“ (Exp 2) Diese Schwie-rigkeit sei übrigens identisch mit jenem der Abschätzung beim Stalking, wo zusätzlich noch der Zeit-faktor hinzukomme, aber es resultiere letztlich in der Beeinträchtigung der Lebensqualität als psychi-scher Erfahrung, die strafrechtlich gefasst werde und die man als Tatbestand zu definieren versuche.

3. Die juristische Bearbeitung der Gefährlichen Drohung

Neben der Heranziehung des Kriterienkatalogs bei der Erstintervention durch die Polizei, empfiehlt die Strafrechtsexpertin auch die Einbeziehung der Vorstrafen des Beschuldigten in die Beurteilung des Falles. Konkret gehe es dabei um alle Arten v. Gewaltdelikten: Raub, auch Widerstand gegen die Staatsgewalt, Delikte gegen die Freiheit. Delikte nach dem SMG würde sie hier nicht einbeziehen , wobei ein vorliegender Suchtmittelkonsum, ob legal oder illegal, aber natürlich von Relevanz zur Beurteilung der Situation sei.

Ob die U-Haft das geeignete Mittel zur Verhinderung tatsächlich geplanter Umsetzung von Gefährli-cher Drohung sei, müsse von Fall zu Fall entschieden werden. Grundsätzlich sei diese aber vorsichtig einzusetzen. Im Zweifel allerdings im Sinne des Opferschutzes „besser zu oft als zu selten“ (Exp 1).

„Wenn’s um Sicherheitsmaßnahmen geht (inkl. U-Haft) soll man im Zweifel die vorsichtigere Maß-nahme wählen, wenn das noch verhältnismäßig ist, aber wenn es um die Verurteilung geht, dann ganz klar im Zweifel für den Angeklagten das gelindere Mittel wählen“ (Exp 1).

Auf den Einwand, die Frage v. uns, ob denn U-Haft nicht unter Umständen auch zur Eskalation bei-tragen könne, rät sie nach der Entlassung aus der U-Haft auf jeden Fall eine Begleitung/Beratung des Beschuldigten – ähnlich dem Prinzip der BWH – sicherzustellen.

Bei der Entscheidung über eine Einleitung oder Einstellung eines Strafverfahrens sei weiters die „mi-lieuspezifische Unmutsäußerung“ kein zulässiges Kriterium: Jeder Fall sei vielmehr gesondert auf der Grundlage der Kriterien (einschlägige Vorstrafen, Gewalt in der Beziehung, Zeitpunkt/Kontext der Drohung: liegt spezifische Stress- bzw. Belastungssituation vor...?) zu prüfen. Ob der rhetorische Code der gefährlichen Drohung zum Alltag gehöre oder nicht, sei hier nicht entscheidend. Weiters sei „auf jeden Fall wichtig, wie die Drohung empfunden wird“ (Exp 1).

Bezüglich der Möglichkeit der Bearbeitung der Gefährlichen Drohung mittels Außergerichtlichem Tatausgleich sehen die befragten Expertinnen unterschiedliche Probleme und Möglichkeiten der Durchführung:

So vertritt die Strafrechtlerin den Standpunkt, dass außergerichtliche Maßnahmen zwar grundsätzlich empfehlenswert sind, jedoch in jedem Fall eine Begegnung zwischen Täter und Opfer vermieden werden sollte: Dies resultiere aus der Gefahr der Reproduktion bzw. Verstärkung von Machtgefällen, die allen Fällen von „Gewalt in Paarbeziehungen“ innewohne. Sie schlägt dazu ein Modell der Beglei-tung/ Betreuung vor, das sich in Stalking-Fällen bewährt hat: Dieses hat seinen Schwerpunkt in der Arbeit mit den Tätern, wobei gleichzeitig Kontakt mit Opfern gehalten wird, vor allem um die Infor-mation zu erlangen, ob sich der Täter an die Auflage(n) hält.

Im Gegensatz dazu hält die Familienrechtssoziologin den Außergerichtlichen Tatausgleich auch in Fällen der Gefährlichen Drohung für grundsätzlich durchaus möglich, und, sofern die Voraussetzun-gen gegeben sind, auch für sinnvoll und empfehlenswert. Diese VoraussetzunVoraussetzun-gen wäre zunächst die

Tateinsicht des Täters und im weiteren die Bereitschaft von beiden Seiten, den Fall außergerichtlich zu bearbeiten.

Gerade diese Tateinsicht fehle jedoch im Zusammenhang mit der Gefährlichen Drohung häufig, nicht zuletzt aufgrund der zumeist fehlenden Objektivierbarkeit/ Evidenz der Tat (was im Falle der Abwe-senheit von ZeugInnen ja zumeist der Fall sei). Da die Gefährliche Drohung jedoch häufig gemeinsam mit anderen Tatbeständen auftauche, kenne sie einige – auch erfolgreich verlaufene - Fälle Außerge-richtlichen Tatausgleichs. Denn dieser biete den Rahmen "genau das zu bearbeiten, was eine Drohung gefühlsmäßig bedeutet“. (Exp 2) Umso mehr, als ja die Drohungen und andere Gewalterfahrungen häufig miteinander in Verbindung und Interaktion stünden: „... genauso wie die körperlichen Über-griffe, wird versucht auf diese gefühlsmäßigen Erfahrungen einzugehen und die sind ja auch so tat-spezifisch nicht abgrenzbar und da fließen die Sachen ja auch ineinander.“ (Exp 2).

In der ersten – normativ geprägten – Sichtweise geht es demnach vordringlich um den Schutz des Opfers geht, und zwar vor dem Hintergrund der Vorstellung konstanter patriarchalisch konstituierter Machtgefälle (deren zentrales Element instrumenteller Kontrollbedarf ist), die in jeglicher Kommuni-kationssituation bestimmend werden und deren Beziehungsdynamik in der polizeilichen und justi-ziellen Bearbeitung möglichst durch räumliche Trennung durchbrochen werden muss (vgl. dazu etwa Dearing/Haller 2005).

Die zweite – eher „explorative“ – Sichtweise betrachtet das Delikt in erster Linie als Konflikt (vgl etwa:

Pelikan 1999: 25f). Bestimmend ist hier weniger die Vorstellung eines punktuellen Opferschutzes sondern die Idee prozessualer und partizipativer Konfliktbearbeitung/ - kommunikation/ - lösung, die eine außergerichtliche und informell(er)e Bearbeitung potentiell ermöglicht und die im Falle ihres Gelingens beiden beteiligten Konfliktparteien längerfristig Einsichten wie auch Weiterentwick-lungschancen ermöglichen sollte.