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5 Globale Dienstleistungsströme

1.2 Beitritt Russlands

Nach mehr als 18 Jahren langwieriger Verhandlungen über die Aufnahme-bedingungen ist Russland am 22. August 2012 als 156. Mitglied offiziell der WTO beigetreten. Das mit Russland ausverhandelte Beitrittspaket wurde be-reits im Rahmen der 8. WTO-Ministerkonferenz (MC8) vom 15. bis 17. De-zember 2011 in Genf angenommen. Russland ist damit nach China die letzte große Volkswirtschaft, die der WTO beigetreten ist.

Russlands Beitritt war und ist im eigenen Land nach wie vor umstritten.

Schließlich wurden die Auflagen für den WTO-Beitritt als schmerzhafter Ein-griff in die wirtschaftspolitische Souveränität des Landes bewertet. Die Klage der Opposition gegen das Beitrittspaket vor dem Verfassungsgericht verzögerte die innerstaatliche Abstimmung zum Beitritt und wurde letztendlich trotz des Widerstandes der Opposition beschlossen.

Als neues WTO-Mitglied muss sich Russland ab dem Tag seines Beitritts an die multilateralen Regeln, Prinzipien und Normen des internationalen Handels halten. Darüber hinaus hat sich Russland mit der Ratifizierung des WTO-Bei-trittsprotokolls verpflichtet, seine nationalen Handelsgesetze und -verfahren in Einklang mit dem WTO-Regelwerk zu bringen. Diese umfassen eine nicht dis-kriminierende Behandlung von Importgütern und Dienstleistungen, verbind-liche Zollobergrenzen, die Sicherstellung von Transparenz bei der Einführung von Handelsmaßnahmen, die Limitierung von Agrarsubventionen, die strikte Wahrung von geistigen Eigentumsrechten sowie den Verzicht auf Auflagen über Inlandsanteile bei handelsverbundenen Investitionsmaßnahmen.

Im Mittelpunkt des WTO-Beitrittspakets, welches aus 30 bilateralen Abkom-men über den Marktzugang von Dienstleistungen sowie 57 AbkomAbkom-men über den Marktzugang von Gütern besteht, stehen Maßnahmen zur Öffnung des russischen Marktes für Güter und Dienstleistungen. Dazu zählen sowohl die Senkung von Import- und die Begrenzung der Exportzölle als auch der Abbau von Subventionen. So muss Russland entsprechend den Beitrittsbedingungen seinen durchschnittlichen Importzollsatz von 10% auf 7,8% senken. Der Zoll-satz für landwirtschaftliche Produkte ist von 13,2% auf 10,8% und für Indust-rieprodukte von 9,5% auf 7,3% zu senken.

Bei den für Österreich wichtigsten Exportgütern wurden Zollsenkungen wie folgt vereinbart: Bei elektrischen Maschinen gibt es eine Zollsenkung von 8,4% auf 6,2%, bei Chemieprodukten von 6,5% auf 5,2%, bei Lastkraftwägen von 15% auf 10% und bei Arzneiwaren von 15% bzw. 10% auf 5%. Bei IT-Produkten sinkt der Zollsatz von 5,4% auf null.

2 Die 8. WTO-Ministerkonferenz (MC8) fand vom 15.–17. Dezember 2011 in Genf statt. Im Rahmen der MC8 konnten neben der Verabschiedung der überarbeiteten Beitrittsleitlini-en für LDCs und dBeitrittsleitlini-en WTO-BeitrittsBeitrittsleitlini-entscheidungBeitrittsleitlini-en Russlands, MontBeitrittsleitlini-enegros und Samoas Entscheidungen in den Bereichen Geistiges Eigentum (TRIPS) und elektronischer Handel angenommen werden.

Laufende Entwicklung im Rahmen der WTO 51

Die längsten Übergangsfristen bestehen mit einer Anpassungszeit von sieben Jahren im Kraftfahrzeugbereich, bei der Zivilluftfahrtindustrie und ihren Zulie-ferern und mit acht Jahren für die Fleischindustrie. Für Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch sind zudem Einfuhrquoten, verbunden mit höheren Zöllen für Importe, erhalten geblieben. Am Ende der siebenjährigen Anpassungsfrist sol-len die russischen Zollsätze in Abhängigkeit von der Produktgruppe zwischen null und 20% liegen.

Im Zuge seines WTO-Beitritts hat Russland des Weiteren zugestimmt, so-wohl auf Import- als auch Exportsubventionen zu verzichten oder sie zumin-dest zu reduzieren. Subventionen für die Automobilindustrie sind jedoch noch bis 2018 gestattet. Die Subventionen für landwirtschaftliche Produkte, die bisher rund 9 Mrd. US-Dollar pro Jahr betragen haben, müssen auf 4,4 Mrd.

US-Dollar gesenkt werden. Allerdings wurde Russland auch hier eine Frist bis 2018 eingeräumt. Hingegen muss Russland alle Industriesubventionen strei-chen oder aber nachweisen, dass diese Subventionen sich nicht gezielt gegen ausländische Importe richten oder einheimische Güter fördern.

Im Dienstleistungsbereich erklärte sich Russland bereit, die Auflagen aus zirka 116 von 155 Dienstleistungssektoren zu übernehmen. Es werden aller-dings nur 30 Sektoren vollständig für internationale Wettbewerber geöffnet.

In den verbleibenden 86 Sektoren ist es zur Verabschiedung spezieller Aufla-gen für ausländische Unternehmen gekommen. Der Handlungsspielraum für ausländische Firmen wurde im Telekommunikationsbereich und im Versiche-rungsbereich erleichtert, jedoch gelten nach wie vor Beschränkungen bei der Niederlassungsfreiheit für Versicherungen bis 9 Jahre nach dem Beitritt. Für Banken gibt es keine entsprechenden Übergangsfristen, sehr wohl jedoch Be-teiligungsbeschränkungen.

Russland hat sich ebenso verpflichtet, die Exportzölle auf mehr als 700 Tarif-positionen mit Ablauf der Übergangszeit (zwischen 1 und 5 Jahren) abzuschaf-fen. Exportzölle auf Gas, Öl und Ölprodukte, Nutzhölzer, Eisen, Nichteisenme-talle und einige andere Produkte bleiben hingegen weiter bestehen.

Bei Investitionsmaßnahmen, die nicht den WTO-Regeln entsprechen, hat sich Russland verpflichtet, diese bis zum 1. Juli 2018 abzuschaffen.

In Bezug auf Geistige Eigentumsrechte hat Russland mit seinem Beitritt an-erkannt, die Bedingungen des TRIPS (Trade-Related Aspects of Intellectual Pro-perty Rights)-Abkommen anzuerkennen und sich zu deren Um- und Durch-setzung verpflichtet. Dazu zählt besonders die Stärkung von Maßnahmen zur Bekämpfung der Marken- und Urheberpiraterie.

Wirtschaftliche Folgen des Beitritts

Für Russland selbst hat der WTO-Beitritt zwei Gesichter: Auf der einen Seite erhalten russische Unternehmen Zugang zu günstigeren Importen und können dadurch produktiver und wettbewerbsfähiger werden. Auch könnte Russlands Attraktivität für ausländische Direktinvestitionen steigen. Für die russischen Haushalte könnte der Zugang zu billigeren Importwaren zu einer Einkom-menserhöhung führen. Auf der anderen Seite werden aufgrund des erhöhten internationalen Wettbewerbsdrucks notwendige Modernisierungs- und

An-passungsprozesse die russischen Produzenten vor enorme Herausforderungen stellen. In nicht wettbewerbsfähigen Sektoren werden sogar sinkende Profite und eine steigende Arbeitslosigkeit erwartet.

Auswirkungen auf die Handelsbeziehungen mit Österreich

Aufgrund der Bedeutung Russlands als wichtiger Wirtschafts- und Handels-partner hat Österreich von Anfang an den Beitritt Russlands zur WTO un-terstützt. Russland war 2011 der viertwichtigste und 2012 bereits der dritt-wichtigste Markt für österreichische Unternehmen außerhalb der EU. Im Jahr 2011 exportierte Österreich Waren im Wert von rund 2,9 Mrd. Euro (+13,2%

gegenüber 2010) und importierte 3,3 Mrd. Euro (+30% gegenüber 2012). In den ersten sechs Monaten des Jahres 2012 beliefen sich die Exporte Öster-reichs nach Russland bereits auf beinahe 1,5 Mrd. Euro und die Importe auf beinahe 2 Mrd. Euro (siehe Abbildung 11).

Abbildung 11: Außenhandelsstatistik EU-Russland

Entwicklung österr. Exporte und Importe mit der Russischen Förderation in Mio. EUR

2008 2009 2010 2011 1. Halbjahr 2012

Exporte 2.972 2.096 2.547 2.936 1.497

Importe 2.497 1.703 2.317 3.333 1.970

Quelle: Statistik Austria.

Österreichs wichtigste Exportgüter nach Russland sind Maschinen, gefolgt von pharmazeutischen Erzeugnissen, Papier und Pappe. Von den Einfuhren aus Russland sind Erdöl, Metalle und Holz die wichtigsten Produkte.

Für die europäischen Exporteure rechnen Experten durch den Abbau von Zöllen mit Einsparungen von 2,5 Mrd. Euro pro Jahr. Darüber hinaus soll der WTO-Beitritt zusätzliche EU-Exporte von 3,9 Mrd. Euro nach Russland mit sich bringen.

Der Zugang zum russischen Markt war und ist trotz des WTO-Beitritts nach wie vor für österreichische und europäische Exporteure in vielen Bereichen mit Handelshemmnissen belegt. Mangelnde Transparenz und Vorhersehbarkeit rechtlicher Vorschriften und administrativer Vollzugspraktiken, mangelnde ge-genseitige Anerkennung von Standards, mangelhafter Schutz geistiger Eigen-tumsrechte sowie Regel- und Vollzugsprobleme im Veterinär- und Pflanzen-schutzbereich (SPS, Sanitary and Phytosanitary Measures) stellten europäische und österreichische Exporteure im Handelsengagement mit Russland immer wieder vor große Herausforderungen. Die Erwartungshaltung, dass sich der Handel mit Russland nach dem Beitritt zur WTO als berechenbarer und vorher-sehbarer erweisen würde, war hoch. Tatsächlich scheint, dass die Liste mit den Handelsproblemen mit Russland nach dem Beitritt immer länger wird und zu den erwähnten Handelshemmnissen teilweise protektionistische Maßnahmen, die nun gegen das WTO-Recht verstoßen, hinzukommen.

Laufende Entwicklung im Rahmen der WTO 53

Maßnahmen im Kfz-Bereich wie die Abgabe von Gebrauchtwagengebühren auf importierte Fahrzeuge, ein Importverbot von Lebendvieh, Holzexportlizen-zen, Probleme beim Import von Wein und anderen alkoholischen Getränken, Zolltariferhöhungen bei einer Reihe von Zolllinien, darunter die Verdreifachung des Zolltarifs auf Papierimporte, oder Unsicherheiten bei Zollstationen sind nur einige dieser Praktiken. Hält Russland diese Praktiken bei, droht ihm die Einlei-tung eines Verfahrens vor dem Streitbeilegungsmechanismus der WTO.