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Anläßlich einer Aussprache im Sommer 1950

Vom Brustfleck zum Leibei

62) Anläßlich einer Aussprache im Sommer 1950

6S) S c h u l z , Die Tracht der urgermanisdien Zeit (— wie Fuß­

note 58), S. 15 ff., 27.

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von M antelstoffen diese Schließen überdeckt hatten, die Spangen also unterm M antel getragen w o rd e n w a r e n 64).

Scheiden somit H üllm äntel vielfach aus, sehen w ir v on der B efestigung der Schultertücher ab, dann b le ib e n noch W ick e l­

k le id e r übrig. Es fragt sich nur, von welchem Schnitt.

A n eine R u m pf umwi cklung, auf der rechten Seite offen, denk t A gnes G e ije r auf G ru n d ähnlicher baltischer V olk stra ch ten 65).

W ir könnten uns einen unm ittelbaren Zusam m enhang m it den W ickelröcken der B ronzezeit vorstellen.

Für unseren engeren B ereich w ä re auch d er G ed a n k e an den auf dein Rücken offenen, nur durch d ie G u rtu ng geschlossenen Brustfleck m öglich, der dan n gek reu zte T räg er h aben m üßte, die eben durch die Schließen verbu n den sein k on n ten . U ngekreuzte Scliulterbänder, w o v o n wir noch h ören w erden , w ü rd en einen, ebenso denkbaren festeren R ückenverschluß erfordern . — H at von G eram b an eine solche M öglichkeit — T rä g er m it F ib eln v e rb u n ­ den — gedacht, w en n er v on „A ch selsp an gen " b e i der urtracht- lichen L eibu m w icklu n g s ch rie b 66)?

Schließlich k önnen w ir uns diese G ew andschließen ohne- w eiters als B efestigung von D oppelsch ü rzen denken, ü b e r d ie w ir bereits oben gehandelt haben (siehe 1950/S. 151 f., sow ie in diesem H eft S. 29 ) 66a).

D ie F ib e lfu n d e erlauben uns also, en tw eder V orleibch en in unserem Sinne od er andere mit V erschluß seitlich unterm A rm , die ebenfalls aus der R u m pfu m w ick lun g herstam m en und d ie w ir lediglich aus R aum m angel nicht in unsere Betrachtung ein b e­

ziehen können, schließlich dam it en gverw an dte D oppelschürzen für die Eisenzeit und später b e i den G erm anen anzim ehinen. D iese Trachtenstücke mochten anfangs vielfach die einzige B ek leidu n g des O b erleib es gew esen sein. Tacitus bezeichnet uns j a d ie F rauen- k leidu n g als ärm ellos 67), und so erscheint sie uns auch auf einer

G4) Agnes G e i j e r , a. a. O. S. 140; s. auch Poul N ö r l u n d , a. a. O.

S. 50.

65) G e i j e r , a. a. O. S. 155— 154, Abb. 49, 50.

66) Konrad M a u t n e r — Viktor G e r a m b , Steirisches Trachten -buch, Graz, 1952 ff., I, S. 94.

66a) Den Zusammenhang: Paarige Schließen — Doppelschürze — Trägerhemd — Leibchen behandelten bereits H a b e r l a n d t, Die volks­

tümliche Kultur Europas in ihrer geschichtlichen Entwicklung, S. 558, und Svensson, Slcanes folkdräkter (Nordiska .Museets Handlinger: 3), Stockholm 1955, S. 12— 13, 117— 118.

67) P. C. T a c i t u s , Germania, herausg., übers, u. erläutert v.

Eugen F e h r 1 e, III. Auflage, München-Berlin 1959, Stück 17/Z. 12, S. 22—23: Georg G i r k e , D ie Tracht der Germanen ( = Mannusbiblio- thek, Bd. 23/24), Leipzig 1922. II. S. 108: M a u t n e r - G e r a m b , a .a .O ., I, S. 98.

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R eih e röm erzeitlicher Germ anenbilclnisse, z. B. clem D o p p e lta fe l- hikl in Halberistadt; darunter könnte m ithin ein ebenso ärm el­

loses U n terk leid getragen w ord en sein. A n d ere D arstellungen dagegen, etw a in der G ru pp e germ anischer M änner, Frauen und K in der a u f der M arcussäule die von hinten sichtbare M utter 6S) zeigen uns das ä rm ellose Trachtenstück ü ber einem Ä rm elh em d.

G irk e, dessen A rb e it 1915 abgeschlossen w u rde, w ußte w ahrschein­

lich vom W e ife r leben des W etterlleck-H em des in den jü n geren deutschen und schwedischen B auerntrachten — mit A usnahm e der Tracht von Herrestacl in Schonen — nichts, denn die A rb eiten von H aberlandt, H elm , G eram b, H anika. W istrand, Svensson, N ylén und anderen w aren damals noch nicht veröffentlicht. Somit er­

schien ihm die Tracht seit der L a-T èn e-Z eit stark verändert, er glaubte, den Einfluß einer frem den M ode aus dem Süden anneh­

men zu müssen. W arum er den G edanken der H erku n ft des durch Fibeln gehaltenen jü n geren W ick elk leid es aus dem b ron zezeit­

liche nn R ock, den e r selbst erw og 6£l), nicht w eiter verfolgte, sehe ich nicht ein. — W ir k ön nen uns mit den Zeugnissen für das F o rt­

leben des b ron zezeitlichen Frauenhem des in der germanischen Eisenzeit und w eiterh in im Rahm en dieser A rb e it nicht länger befassen, ich b egn ü ge mich mit dem H inw eis, daß häufig eine N adel o d e r Schließe a u f der Brustm itte gefu n den w urde, die w ohl dem Verschluß des Brustschlitzes am Hemel gedient hat. Jeden­

falls können w ir, sicher schon in der R öm erzeit, vielleicht aber viel früher, damit rechnen, daß Hem den in einem vom W etter- 11 eck abzuleitenden Schnitt unter einer W ickeltracht getragen wurden, d ie w ir uns nach den ob igen D arlegu n gen nach A rt unserer V orleibch en od er einer mit ihnen verw an d ten F orm v o r ­ stellen können. D a rin liegt nicht allein der ununterbrochene Ü bergang v on der Frauentracht der B ronzezeit, sondern w ir haben h ier bereits im K eim die Trachteneinheit v o r uns, die man heute init dem M odenam en „D irn d e lk le id '', b e i unserem L a n d v olk in bairischer M undart aber meist als „H em at" oder „P fo a d ” unter einem „L e ib e i” , bzw . „L eib elk ittel ' bezeichnet.

ÜS) P e t e r s e n - D o m a s z e w s k i - C a l d e r i n i, D ie Marcus­

säule auf Piazza Colon na in Rom, München 1896, XVII. Dieser Tat­

bestand — ein Hemd unter einem Wickelkleid — läßt sich vermutlich auch aus den Funden Von Birka erschließen, s. hierüber Agnes G e i j e r, a. a. O., S. 138— 139, 153, T. I, und ds., Zur Kenntnis der Wikinger Tracht nach den Birkafunden ( = Tr. u. Schm, im nordischen Raum, 1. Bd., herausg. v. A. Funkenberg), Leipzig 1939, S. 59.

69) G i r k e , a .a .O . II, S. 107. W ir müssen allerdings an den Män­

nerrock der Bronzezeit denken, da die Tragart der Frauenröcke, wie wir sahen, immer noch nicht recht geklärt ist. Fiir die Vorzeit, aus der wir ja nur wenige Quellen kennen, müssen wir oft genug die Tracht des ändern Geschlechts in Betracht ziehen.

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Ließen sich solcherart die V orfah ren unseres Brustfiecks w eit in germ anische F rü h zeit zurück verfolgen , so entsteht zugleich die Frage, w elche T rach ten ü berlieferu ng — sei es illyrischen, sei es auch keltischen V olkstum s — die G erm an en b ei ihrer Landnahm e in unserer en geren H eim at v org efu n d en haben. D ie W issenschaft ist sich d a rü b er einig, daß ein frü h er eingesessenes B au ern volk b ei solchen V orgän gen nie ganz verschw indet; es fragt sich nur, w ie v ie l die ältere Volksschicht in diesem F a ll zur B ildu n g des neuen deutschen Volkstum s, und zw ar des Baiernstamm s b e ig e ­ tragen habe. D iese D in ge liegen auch für die Frühgeschichte zum T eil noch im D u n k el. H alten w ir je d e n fa lls fest: D ie Illy re r b lie ­ ben vielfach Bauern, auch unter der H errschaft des Römischen Reichs. Schon dem K eltentum hatten sie lange und zäh w id e r­

standen, in P annonien m ehr noch als in N orieum 70). In cler „ R ö ­ m erzeit“ ergab sich neuerlich ein G egensatz zwischen den F rem ­ den 71), die w oh l v o r allem w ied er in den Städten Fuß faßten, und den Einheimischen. V ergessen w ir ü berdies nicht: U nsere w ichtig­

sten B ildq u ellen in diesem Umkreis, die norisch-pannonisclien G rabstein e der R öm erzeit, w u rden voraus von denen errichtet, die als Städter, R eiche und gesellschaftlich H öherstehende der F rem d ­ herrschaft m ehr ausgesetzt und zugeneigt w a ren ; zeigen sie uns dennoch, w ie w ir noch sehen w erden , daß d ie Frau en vielfach die heimische Tracht nicht auf gegeben hatten, w ie v ie l m ehr gilt das noch vom L a n dvolk , v on d em G eram b ausdrücklich verm erk t:

..D ie B auern und H irten b ehielten als P eregrin i ihre alte L eb en s­

und W irtschaftsform b e i und blieben , — w enn sie auch teilw eise röm isdie N am en erhielten — ih ren heim ischen Sitten und K leid ern tre u 1'. Nichts hören w ir dagegen, daß die K e lto -Illy re r sich gegen

70) M a u t n e r - G e r a m b , a .a .O ., I, 122— 128.