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Aktuelle Entwicklungen in Österreich

Die OECD betont die wachsende Rolle von staatseigenen Unternehmen als in-ternationale Investoren, wobei China unangefochten die Spitzenposition ein-nimmt. Als wesentliche Ursachen für den erneuten Einbruch nennt die OECD die anhaltende Unsicherheit über die Entwicklung der Staatsfinanzen in den USA und in Europa, die dadurch ausgelöste Wachstumsschwäche sowie einen wachsenden Protektionismus.

Trotz aller krisenhaften Entwicklungen waren die Direktinvestitionsströme jedoch stets positiv, was die Bestände der Direktinvestitionen stetig wachsen ließ. Innerhalb der letzten beiden Dekaden haben sich die weltweiten Direkt-investitionsbestände von 2 auf 20 Billionen USD verzehnfacht, was einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von mehr als 11% entspricht.

Setzt man die Bestandszahlen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt, so wuchs der Bestand an Direktinvestitionen von weniger als 10% des BIP im Jahr 1990 auf knapp 30% im Jahr 2011. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Direktinvestitionsbestände in den beiden erwähnten Krisenjahren 2001 und 2008 stagnierten bzw. deutlich zurückgingen. Darin manifestiert sich die Rol-le von Bewertungsänderungen: 2001 wurden die gesamten Neuinvestitionen in Höhe von einer Dreiviertel Billion USD durch den Verfall der Börsenkurse wettgemacht. Noch extremer war der Bewertungsverlust im Zuge der jüngsten Finanzkrise: Trotz Direktinvestitionsströmen in Höhe von 1,5 bis 1,9 Billionen USD im Jahr 2008 sank der Wert der Bestände zwischen Jahresende 2007 und Jahresende 2008 um 2,5 bis 3,0 Billionen USD. Das bedeutet, dass die Wertver-nichtung (oder vielleicht auch die „Wertkorrektur“) des Jahres 2008 4.000 bis 5.000 Mrd. USD, das sind immerhin 20 bis 25% des Gesamtwertes, betragen hat. Ein erheblicher Teil der Verluste konnte allerdings in den beiden Folge-jahren wieder gutgemacht werden. Langfristig spielen Bewertungsänderungen aber eine untergeordnete Rolle: Seit 1990 sind die Direktinvestitionsbestände wie erwähnt um 18,5 Billionen USD gestiegen, was in hohem Maß mit der Summe der Direktinvestitionsflüsse im entsprechenden Zeitraum (18,7 Billio-nen USD) übereinstimmt.

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Anlagevermögen von mehr als 20 Mrd. Euro, die in der Direktinvestitionssta-tistik als bloße Durchlaufposten außer Betracht bleiben, hatte zur Folge, dass die Direktinvestitionen im weiteren Sinn im Jahr 2010 aktiv- und passivseitig sogar deutlich negativ waren, dass also erstmals Desinvestitionen überwogen.

Auch die passiven Direktinvestitionen erholten sich 2011 deutlich – der aktuell ausgewiesene Betrag von 10,5 Mrd. Euro geht von der Annahme hoher (rein-vestierter) Gewinne aus und muss nach Vorliegen des Befragungsergebnisses 2011 möglicherweise nach unten revidiert werden. Auch wenn im Bereich der Direktinvestitionen Extrapolationen immer unsicher sind, dürften diese im Jahr 2012 – den weltweiten Trends folgend – ebenfalls wieder gesunken sein.

In den ersten neun Monaten des Jahres 2012 haben heimische Direktinves-toren 8,2 Mrd. Euro im Ausland veranlagt. Diese setzen sich aus 3,6 Mrd. Euro Eigenkapital, 2,2 Mrd. Euro an reinvestierten Gewinnen und 2,4 Mrd. Euro an Kreditgewährungen zusammen. Im Gegenzug haben ausländische Geldgeber 2,9 Mrd. Euro in österreichische Unternehmen neu veranlagt. Allerdings war hier der Beitrag des Eigenkapitals negativ – es wurden 0,6 Mrd. Euro an Eigen-kapital abgezogen, die auf Schätzungen des Gewinns beruhenden reinvestier-ten Gewinne dürfreinvestier-ten sich in den ersreinvestier-ten drei Quartalen 2012 auf 1,4 Mrd. Euro belaufen haben und die erhaltenen konzerninternen Kredite waren mit 2,0 Mrd. Euro die wichtigste Finanzierungsform.

Einiges spricht dafür, dass die österreichischen Direktinvestitionen in ab-sehbarer Zukunft die Spitzenwerte des vergangenen Jahrzehnts nicht mehr erreichen werden. Entscheidend dafür sind das Auslaufen des Transformati-onsprozesses in Zentral-, Ost- und Südosteuropa bzw. der absehbare Abschluss des Erweiterungsprozesses der Europäischen Union. Gerade diese Region war und ist das bevorzugte Aktionsfeld österreichischer Investoren. Angesichts eines bereits hohen Anteils ausländischer Investitionen bieten sich nur noch beschränkte Chancen. Vereinzelt – etwa im Falle Ungarns – verschlechtert sich auch das Investitionsklima, was zu einem Investitionsstopp führen kann und einzelne Investoren auch schon tatsächlich zu einem Rückzug gezwungen hat.

Indirekt haben die ungünstigen Perspektiven in diesem Raum auch Folgen für die ausländischen Investitionen in Österreich, weil Österreich bekanntlich als Investitionsdrehscheibe multinationaler Unternehmen dient. In den Boomjah-ren war es häufig vorgekommen, dass gerade die erfolgreichen OstinvestoBoomjah-ren Ziel ausländischer Übernahmen geworden sind (BILLA, Brau AG, Bank Aus-tria). Dämpfend wirkt auf die passiven Direktinvestitionen auch die Tatsache, dass die Privatisierung öffentlicher Unternehmen in Österreich mit dem Ver-kauf der AUA im Jahr 2009 zum Erliegen gekommen ist.

Vermutlich eher vorübergehender Natur dürfte die bremsende Wirkung des aktuell mäßigen Wirtschaftswachstums und der Unsicherheit über die weite-re Entwicklung der Verschuldungskrise in Europa sein. Ein Ausweichen der heimischen Investoren auf alternative Zielgebiete außerhalb Europas ist nur für wenige große Unternehmen eine realistische Option. Direktinvestitionen in den Wachstumsregionen der Schwellenländer übersteigen zumeist das finan-zielle und/oder organisatorische Potenzial der österreichischen Unternehmen.

Immerhin gehören die Türkei und China zu den Ländern, in denen seit 2007 die Anzahl der Beteiligungen stark zugenommen hat

Zweischneidig ist die Rolle der anhaltend schwachen Entwicklungen an den europäischen Börsen – sie können zwar einerseits Unternehmenskäufe erleich-tern, führen aber gleichzeitig zu entsprechend geringeren Beträgen in der Sta-tistik. Es gibt freilich auch positive Faktoren im Hinblick auf die künftige Ent-wicklung der Direktinvestitionen, wie die überraschend gute Gewinnsituation und die gute Liquiditätsausstattung vieler Konzerne (OeNB 2012a S. 18 f) zeigt.

Generell waren die Jahre seit der Krise in Österreich durch das Fehlen von wirklich großen Transaktionen mit einem Volumen von mehr als 1 Mrd. Euro durch Restrukturierungen und allenfalls durch „Abrundungen“ des Investiti-onsportefeuilles gekennzeichnet. Neben OMV AG und Verbund AG, die auch in jüngster Zeit Großinvestitionen getätigt haben, war die Einbringung des ös-terreichischen Autohandelsunternehmens Porsche Holding in den VW-Konzern im Jahr 2011 durch die in Österreich ansässigen Eigentümerfamilien die größ-te Einzelinvestition der letzgröß-ten Jahre. Sie wird im jüngsgröß-ten World Investment Report (UNCTAD 2012a) auf Rangnummer 35 der größten Übernahmen des Jahres 2011 geführt.5 Daraus resultierten sowohl aktiv- wie auch passivseitig erhebliche Direktinvestitionen. Aber auch in diesem Fall könnte man von einer

„Konzernrestrukturierung“ sprechen, die in der ökonomischen Realität keine weitreichenden Änderungen nach sich ziehen wird.

In beide Richtungen wurde vorwiegend in bestehende grenzüberschreitende Beteiligungen investiert, wobei in einer nicht unerheblichen Zahl der Fälle – vor allem bei den Banken, die für Österreichs Direktinvestitionen eine heraus-ragende Rolle spielen – Verlustabdeckungen und Kapitalstärkungen das Motiv gewesen sein dürften. Mittlerweile trennen sich Investoren teilweise wieder – freiwillig oder auch gezwungenermaßen – von ihren jüngst erworbenen Be-teiligungen. Dass solche Bereinigungen nicht notwendigerweise mit sinkenden Direktinvestitionsflüssen einhergehen, zeigt eine der größten Transaktionen des Jahres 2012, in der sich die Österreichische Volksbanken AG vom Großteil ihrer Auslandsbeteiligungen getrennt hat. Statt die Beteiligungen einzeln an die russische Sberbank zu verkaufen, was als Desinvestition die aktiven Direk-tinvestitionsströme reduziert hätte, wurde die österreichische Holdinggesell-schaft, in der die Beteiligungen gebündelt waren, an den erwähnten Investor verkauft. Damit schlägt sich dieser Rückzug als zusätzliche passive Direktinves-tition in der Statistik nieder.

Interessant ist auch die Zusammensetzung der Direktinvestitionsströme in-nerhalb der vergangenen Dekaden, wie sie in Abbildung 23 veranschaulicht wird.

5 UNCTAD 2012 S.187.

Aktuelle Entwicklungen in Österreich 109 Abbildung 23: Zusammensetzung der Direktinvestitionsströme (3-Jahres-Durchschnitt der Anteile)

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

1995 2000 2005 2010 1995 2000 2005 2010

Eigenkapital Reinvestierte Gewinne Konzernkredite

Zusammensetzung der Direktinvestitionsströme (3-Jahresdurchschnitt der Anteile) in %

Grafik 2

Quelle: OeNB

Ak#ve Direk#nves##onen  Passive Direk#nves##onen 

Quelle: OeNB.

Eigenkapitaltransaktionen sind durchgehend die wichtigste Form der Finan-zierung von Direktinvestitionen. Die reinvestierten Gewinne spielen bei den Direktinvestitionen des Auslands in Österreich ebenfalls eine große Rolle, in der Gegenrichtung fällt auf, dass Reinvestitionen um 1995 nahezu gleich null waren, ein Ausdruck der Tatsache, dass das Auslandsengagement der österreichischen Unternehmen erst um 1990 einsetzte. Hinzu kommt, dass Direktinvestitionen in ihrer Frühphase üblicherweise nur geringe oder über-haupt keine Gewinne abwerfen. 1992 und 1993 waren die Erträge sämtlicher österreichischen Direktinvestitionen in Summe negativ, so dass es de facto zu „reinvestierten Verlusten“ kam. Um 2005 erreichen die Reinvestitionen Höchstwerte, was die gute Ertragslage der Auslandsbeteiligungen zu jener Zeit reflektiert. Mit Ausbruch der Krise geht die Bedeutung der reinvestierten Gewinne wieder zurück, nicht zuletzt auch deshalb, weil viele Eigentümer danach trachten, den Dividendenfluss zu erhalten. Die wachsende Bedeutung

„sonstiger“ Formen der konzerninternen Finanzierung sind zum Teil Aus-druck einer laufend verbesserten Erfassung, also ein statistisches Artefakt.

Betrachtet man Bestände der Direktinvestitionen in bzw. aus Österreich (Ta-belle 20), so zeigt sich, dass die Weltwirtschaftskrise vor allem im Jahr 2008 zu eheblichen Bewertungsverlusten geführt hat. Sie waren so groß, dass es 2008 bei den Investitionen des Auslands in Österreich erstmals zu sinkenden Werten kam, während auf der Aktivseite dank außerordentlich hoher Inves-titionsflüsse trotz aller Abwertungen ein Plus verzeichnet werden konnte. Die passiven Direktinvestitionen konnten die Bewertungsverluste bereits im Jahr darauf (2009), die aktiven Direktinvestitionen ein Jahr später zum Großteil wieder wettmachen. Die Fortschreibung der Bestände für 2011, die neben den gemeldeten Zahlungsbilanzströmen der Direktinvestitionen auch die bereits bekannten Änderungen der Wechselkurse und der

Börsennotierun-gen berücksichtigt, kommt unter optimistischen Annahmen zur Gewinnent-wicklung zu einem Bestand an aktiven Direktinvestitionen zu Jahresbeginn 2012 von 153,5 Mrd. Euro, denen passive Direktinvestitionen in Höhe von 118,5 Mrd. Euro gegenüberstehen dürften.

Tabelle 20: Der Bestand österreichischer Direktinvestitionen und seine Veränderung

Direktinvestitions bestand in Mio. EUR

Direktinvestitionsflüsse in Mio. EUR

Bewertungsänderung in Mio. EUR

Jahres-ende im Ausland in

Öster-reich ins Ausland nach

Öster-reich im Ausland in Öster-reich

2006 80.256 84.337 10.897 6.324 8.489 8.037

2007 101.087 110.356 28.513 22.762 –7.682 3.257

2008 106.870 106.439 20.106 4.682 –14.323 –8.599

2009 113.307 119.836 7.203 6.697 –766 6.700

2010 132.370 118.571 7.546 634 11.517 –1.899

2011* 153.559 118.296 16.893 10.547 4.296 –10.822

2012* 165.000 124.000 8.215 2.860

*) Bestände 2011 und 2012 sind Fortschreibungen; Flüsse 2011 nicht endgültig, 2012 vorläufiges Ergebnis für 3 Quartale.

Wie die Tabelle verdeutlicht, können Bewertungsänderungen – sie enthalten wechselkursbedingte Veränderungen, Aktienkursbewegungen, buchhalteri-sche Abschreibungen, statistibuchhalteri-sche Reklassifikationen, aber auch Diskrepan-zen6 in der Erfassung von Flüssen und Ständen – die Bestandsveränderungen kurzfristig entscheidend beeinflussen. In der langen Frist gibt es jedoch zwi-schen der Entwicklung der Direktinvestitionsflüsse und der Veränderung der Bestände eine durchaus plausible Übereinstimmung. So haben die Bestände zwischen dem 31.12.1991 und dem 31.12.2011 um 149 Mrd. Euro (aktiv) bzw.

108 Mrd. Euro (passiv) zugenommen. Die kumulierten Transaktionen der Jah-re 1992 bis 2011 belaufen sich vergleichsweise auf 140 bzw. 101,5 Mrd. Euro.